Diskussion um das Vorurteil "dunkles Mittelalter"

Ich plädiere deswegen für etwas mehr Respekt für die Zeitzeugen Petrarca, Dante, Boccaccio und andere Humanisten der Renaissance.
Abgesehen davon, dass ich Dante noch nicht zur Renaissance und zum Humanismus rechnen würde, kann ich gerade bei ihm keinen Bruch mit dem Mittelalter erkennen. Klar, in der "Göttlichen Komödie" tauchen antike heidnische Gestalten auf, aber das zentrale Thema ist doch ein mittelalterliches christliches. Außerdem schrieb er sein Epos weder auf Latein noch in Hexametern, sondern in der Volkssprache und in einer nicht-antiken Vers- und Strophenform.
 
** Das von @PostmodernAtheist bei jeder Gelegenheit eingebrachtes Forum History for Atheist halte ich für eine jenen Seiten im Internet, die mit polemischen Mitteln versuchen, beinahe alles, was bisher gültig war, zurückzuweisen. Wenn es nur dabei bliebe, hätte ich nichts dagegen, aber als ich dort den ersten Satz zur Renaissance gelesen habe – Zitat: “Many of my fellow atheists operate with a simplistic children’s picture book view of the past.” –, wusste ich, ihnen geht es nicht um historische Wahrheit, sondern nur darum, die Gegner zu verhöhnen und damit zu disqualifizieren. Hier wiederholt sich das, was ich schon in einem anderen Faden bemerkte: Ihr Ziel ist es, die Gegenposition von Anfang an zu diskreditieren. Das ist unterstes Niveau – sich damit zu beschäftigen, verlorene Zeit, denn für sie steht das Urteil schon fest: Alle, die nicht so denken wie wir, sind den Kinderschuhen noch nicht entwachsen. :rolleyes:
Die "Nestbeschmutzer" sind oft die ehrlichsten, diejenigen, die über die eigene ideologische Position hinaussehen, sich selbst von außen betrachten. Ein Freund* von mir, Dozent an der Uni, bekennender und soweit ich das einschätzen kann auch überzeugter Anarchist. Hat ein Buch geschrieben über die Verbrechen der Anarchisten im Spanischen Bürgerkrieg (sein Doktorvater, der ihn eingestellt hat, im Übrigen politisch das absolute Ggt.). Natürlich ist der in der anarchistischen Szene danach erst mal heftig angegriffen worden. Die Fähigkeit eine correctio fraterna anzunehmen geht halt vielen ab.



*sagen wir besser, ehem. guter Kommilitone
 
aber was war mit Byzanz, dem islamischen Spanien?
Der Begriff „dunkles Mittelalter“ wird im Allgemeinen für den westlichen Teil des ehemaligen römischen Reichs gebraucht – Zitat:

Im westlichen Europa war (im Gegensatz zu Byzanz) das Bildungsniveau im Verlauf des 7. und 8. Jahrhunderts jedoch deutlich gesunken.

Im Osten haben Byzantiner jedoch nach dem Fall Roms den römischen Standard noch 600 Jahre bis zur Niederlage gegen Seldschuken 1071 gehalten, und selbst danach gab es zum 4. Kreuzzug der „Lateiner“ 1204 noch hohe Kultur in Konstantinopel zu bestaunen.

Auch islamisches Spanien war als Emirat bzw. Kalifat von Cordoba kulturell, technisch und wirtschaftlich den christlich beherrschten Gebieten Spaniens überlegen – bis um die Jahrtausendwende innere Streitigkeiten und die anschließende christliche „Reconquista“, die bis zum Jahr 1492 dauerte, dem endgültig ein Ende machten.

Abgesehen davon, dass ich Dante noch nicht zur Renaissance und zum Humanismus rechnen würde, kann ich gerade bei ihm keinen Bruch mit dem Mittelalter erkennen.
Dante lebte von 1265-1321, Petrarca von 1304-1374 und Boccaccio von 1313-1375. Sie lebten also alle 3 im Mittelalter, was ich nie in Zweifel gezogen habe.
 
Ja, klar das ist mir bekannt, jedoch benutze ich diese Begrifflichkeit (d.M.) nie.
Welche Zeitraum definiert ihr denn für das d.M. in Westeuropa?
Die Einzelnen Großregionen haben sich ja auch im Laufe der Zeit unterschiedlich schnell wieder weiter entwickelt,
z.B: Norditalien und seine Städte, Flandern.

Andere Gebiete hingegen blieben längere Zeit eher rückständig.
 
Wenn man die Frage mal wörtlich nimmt, dann war das Mittelalter tatsächlich finster. Kienspäne, Herdfeuer, Wachskerzen, Unschlittkerzen, Öllampen, etwas anderes gab es nicht zur Beleuchtung, wenn man mal von Ampeln, Laternen usw. absieht. Straßenbeleuchtung Fehlanzeige, vielleicht rudimentäre Restlichtverstärker wie die Schusterkugel- ansonsten war es aber im Mittelalter zappenduster.

Es entstand zwar das Handwerk des Lichterziehers, und die Kirche war ein großer Auftraggeber für hochwertige Kerzen. Wachs entstand aber nur als Nebenprodukt der Imkerei, und Wachslichter waren vergleichsweise teuer. Im Spätmittelalter kam erstmals Walöl, Tran als Beleuchtungsstoff auf.

Vom Aspekt der Beleuchtung her gesehen, dürfte es in der Antike dank mediteranem Klima und der größeren Verfügbarkeit von Olivenöl etwas heller, in den nördlichen Provinzen aber eher noch finsterer, als im Mittelalter gewesen sein. Als Beleuchtungsmittel standen Herdfeuer, Kienspäne, Fackeln, Öllampen und Kerzen zur Verfügung.

Unterm Strich war auch die Antike ziemlich finster.

Im Englischen heißt das Zeitalter der Aufklärung Age of Enlightenment. Tatsächlich wurde es da etwas heller, es gab die altbewährten Klassiker Herdfeuer, Kienspäne, Unschlittkerzen, Wachslichter und Öllampen. Dazu kamen die ersten Kerzen aus Walrat und die ersten Tranfunzeln. Nicht zu unterschätzen waren auch die ersten mechanischen Feuerzeuge, die Prinzipien des Rad- und des Steinschloss nutzten, und es erleichterten, Feuer zu machen. Im 17. und 18. Jahrhundert erreichten Städte wie London, Paris und Amsterdam wieder Einwohnerzahlen wie sie antike Metropolen zu ihrer besten Zeit hatten, und in manchen Städten wurden die ersten Straßenlaternen in Betrieb genommen. Brennstoff war Walöl, das auch den besten Schmierstoff für Maschinen lieferte. Es wurde auch leichter, Feuer zu machen, Anfang des 19. Jahrhundert kamen die ersten Streichhölzer auf den Markt, und Taschenfeuerzeuge wurden immer handlicher
Im 19. Jahrhundert kamen Petroleumlampen auf, und ein Quantensprung in punkto Beleuchtung war die Elektrizität. Es kamen Karbidlampen auf und Taschenlampen.

Zusammenfassend könnte man sagen, dass es mit Ausnahme der vielleicht letzten 100-150 Jahren es in den meisten Perioden der Menschheitsgeschichte ziemlich finster, um nicht zu sagen zappenduster, und in diesem Punkt nehmen sich Antike und Mittelalter nicht viel.
 
Das von @PostmodernAtheist bei jeder Gelegenheit eingebrachtes Forum History for Atheist halte ich für eine jenen Seiten im Internet, die mit polemischen Mitteln versuchen, beinahe alles, was bisher gültig war, zurückzuweisen. Wenn es nur dabei bliebe, hätte ich nichts dagegen, aber als ich dort den ersten Satz zur Renaissance gelesen habe

Ist halt ein guter Blog.

Und die Seite versucht nicht alles "gültige" zurückzuweisen, sondern anhand der aktuellen Forschung mit Mythen aufzuräumen und mit der Polemik musst du einfach klarkommen, mir hat es auch nicht gefallen im Falkland Thread vorgeworfen zu bekommen ich betreibe "Victim Blaming". Auch hier herrscht ein ziemlich rauer Ton.
 
** Das von @PostmodernAtheist bei jeder Gelegenheit eingebrachtes Forum History for Atheist halte ich für eine jenen Seiten im Internet, die mit polemischen Mitteln versuchen, beinahe alles, was bisher gültig war, zurückzuweisen.

Und die Seite versucht nicht alles "gültige" zurückzuweisen, sondern anhand der aktuellen Forschung mit Mythen aufzuräumen und mit der Polemik musst du einfach klarkommen

Als Alternative kann ich das Buch "Galileo Goes to Jail and Other Myths about Science and Religion" (Hrsg. Ronald L. Numbers, Harvard University Press 2009) empfehlen, in dem 25 Wissenschaftler (schwerpunktmäßig Wissenschaftshistoriker) Essays zu 25 Mythen beisteuern, allerdings thematisch eingeschränkt auf Mythen, die das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Religion betreffen. Einige der Mythen lauten:
- That the Rise of Christianity Was Responsible for the Demise of Ancient Science
- That the Medieval Christian Church Suppressed the Growth of Science
- That Medieval Christians Taught That the Earth Was Flat
- That Christianity Gave Birth to Modern Science*
- That the Theory of Organic Evolution Is Based on Circular Reasoning
- That “Intelligent Design” Represents a Scientific Challenge to Evolution

Einseitigkeit kann man dem Buch jedenfalls nicht vorwerfen.
Für jeden Mythos gibt es einen gleichwertigen entgegengesetzten Mythos. [...] Jeder kennt den Mythos, dass alle Päpste, Bischöfe, Priester, Pfarrer und Pastoren es für ihre heilige Pflicht hielten, Wissenschaftler zum Schweigen zu bringen, ihre Forschungen auszubremsen und ihre Neuerungen zu unterdrücken. Kürzlich wurde eine neue Darstellung über die Verbindung zwischen Christentum und Wissenschaft vorgebracht [gemeint ist Rodney Stark, "Glory of God"], der ersten in ihrer Haltung entgegengesetzt, aber genauso gewagt und letztlich genauso falsch.
(*Noah J. Efron)


Aber was passierte stattdessen? So wie vor meinem Beitrag das Mittelalter fast unisono hochgejubelt wurde, so wird, mit einer Ausnahme, jetzt die Renaissance bzw. die Neuzeit mit Dreck beworfen, auf dass das Mittelalter heller erscheine. Geht’s noch?
Das ist jetzt ein Beispiel für reine Polemik. Hat irgendjemand die These vom "hellen Mittelalter" oder der "finsteren Renaissance" aufgestellt? Mit all den Hinweisen auf Licht- und Schattenseiten in jeder Epoche kannst Du wohl gar nicht umgehen?
 
Aber was passierte stattdessen? So wie vor meinem Beitrag das Mittelalter fast unisono hochgejubelt wurde, so wird, mit einer Ausnahme, jetzt die Renaissance bzw. die Neuzeit mit Dreck beworfen, auf dass das Mittelalter heller erscheine. Geht’s noch?
Das ist jetzt ein Beispiel für reine Polemik. Hat irgendjemand die These vom "hellen Mittelalter" oder der "finsteren Renaissance" aufgestellt?
Die Ausnahme, von der ich oben schrieb, war dein Beitrag #105.

Aber jetzt verdrehst du meine Aussage: Ich habe nicht gesagt, dass hier „irgendjemand die These vom "hellen Mittelalter" oder der "finsteren Renaissance" aufgestellt“ hat, sondern dass man „die Renaissance bzw. die Neuzeit mit Dreck beworfen“ hat, damit Mittelalter heller erscheine. Dafür nur ein paar Beispiele:

- In die Renaissance fallen auch so "tolle" Ereignisse wie die Hexenverfolgung oder der grausame dreißigjährige Krieg.
- In der frühen Neuzeit verschlechterte sich in vielen Städten die Lebenssituation der Dirnen.
- Im 17. und 18. Jahrhundert verbreiteten sich Geschlechtskrankheiten wie Syphilis.

Mit all den Hinweisen auf Licht- und Schattenseiten in jeder Epoche kannst Du wohl gar nicht umgehen?
Doch, ich kann. Aber wie ich schon schrieb, beobachte ich schon eine seit Jahrzehnten bestehende Revision der Geschichte, die darauf hinauslaufen, das Schlechte und das Gute in den Geschehnissen zu relativieren.

Die Kreuzzüge werden jetzt auch als etwas Gutes angesehen – weil sie uns die von den Byzantinern und Arabern gerettete antiken Schriften und Hygiene wieder brachten. Und dass die Kirche pagane und – aus ihrer Sicht – ketzerische Schriften vernichtete oder dem Verfall preisgab, hatte auch was Gutes: Das diente dem Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft und damit auch des Staates.

Und als Papst Innozenz III. (1161–1216) Inquisitionsverfahren für Häresie installierte, war das zwar ein Fortschritt, weil keine Gottesurteile und Ähnliches mehr akzeptiert werden sollten, aber weil Ankläger und Richter in den Händen von Klerikern lagen – meistens waren das die Dominikaner –, gab es keine Gewaltenteilung mehr, was im Enddefekt eine Verschlechterung bedeutete. Denn schon wenige Jahrzehnte später (1252) wurde die Folter zugelassen und die Anklage galt nicht mehr nur für die Häresie, sondern wurde auf Unzucht und Hexerei ausgeweitet, d.h. die Inquisition und Folter galt fortan auch für rein weltliche Vergehen oder Verbrechen. Und weil man mit der Folter praktisch jedes Geständnis erzwingen konnte, war das Ganze nur noch eine Farce.

Dennoch gibt es Leute, die auch das verteidigen: Spanische Inquisition wäre zwar grausam gewesen, sagen sie, aber sie hätte z.B. das Eindringen des Protestantismus nach Spanien verhindert und damit auch einen Krieg, der in Mitteleuropa 30 Jahre dauerte. Mit anderen Worten: Inquisition hatte weit weniger Leid über die Menschen gebracht als der Krieg es gebracht hätte.

Das alles nur zur Illustration, wie unterschiedlich Geschichte gesehen werden kann – und auch wird.
 
beobachte ich schon eine seit Jahrzehnten bestehende Revision der Geschichte,
Könntest du das an Beispielen aus der wiss. Literatur zeigen?

Bzgl Mittelalter: ich lese gerade Chris Wickham "das Mittelalter" in der dt. Übersetzung. Von finster etc redet der nicht. Aber er konstatiert ein deutliches Absinken des Wohlstands in den Nachfolgerstaaten des Westens (nicht in Byzanz), resultierend aus der ungünstigen, nicht mehr durch Steuern erfolgenden Staatsfinanzierung (kein Adelsmann des Mittelalters erreichte auch nur annähernd den Reichtum der römischen Senatoren)

Ist der Wickham deiner Ansicht nach "revisionistisch"? Ich kann dazu noch nichts sagen, weil ich erst knapp 100 Seiten gelesen habe.

Die Kreuzzüge werden jetzt auch als etwas Gutes angesehen – weil sie uns die von den Byzantinern und Arabern gerettete antiken Schriften und Hygiene wieder brachten
Wirklich?? Welches geschichtliche Fachbuch vertritt diese positive Meinung über die "bewaffneten Wallfahrten" (Wollschläger)?
 
Die Ausnahme, von der ich oben schrieb, war dein Beitrag #105.

Aber jetzt verdrehst du meine Aussage: Ich habe nicht gesagt, dass hier „irgendjemand die These vom "hellen Mittelalter" oder der "finsteren Renaissance" aufgestellt“ hat, sondern dass man „die Renaissance bzw. die Neuzeit mit Dreck beworfen“ hat, damit Mittelalter heller erscheine. Dafür nur ein paar Beispiele:

- In die Renaissance fallen auch so "tolle" Ereignisse wie die Hexenverfolgung oder der grausame dreißigjährige Krieg.
- In der frühen Neuzeit verschlechterte sich in vielen Städten die Lebenssituation der Dirnen.
- Im 17. und 18. Jahrhundert verbreiteten sich Geschlechtskrankheiten wie Syphilis.

Doch, ich kann. Aber wie ich schon schrieb, beobachte ich schon eine seit Jahrzehnten bestehende Revision der Geschichte, die darauf hinauslaufen, das Schlechte und das Gute in den Geschehnissen zu relativieren.

Die Kreuzzüge werden jetzt auch als etwas Gutes angesehen – weil sie uns die von den Byzantinern und Arabern gerettete antiken Schriften und Hygiene wieder brachten. Und dass die Kirche pagane und – aus ihrer Sicht – ketzerische Schriften vernichtete oder dem Verfall preisgab, hatte auch was Gutes: Das diente dem Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft und damit auch des Staates.



Das alles nur zur Illustration, wie unterschiedlich Geschichte gesehen werden kann – und auch wird.

Eigentlich fallen Ereignisse wie die Hexenverfolgung und der Dreißigjährige Krieg eindeutig nicht (mehr) in die Renaissance. Im Großen und Ganzen gilt der Sacco di Roma, die Plünderung Roms durch die Landsknechte Karls V. im Jahre 1527 als Ende der (italienischen) Renaissance.

Die Hexenbulle von Papst Innozenz VIII., der Hexenhammer und auch erste vereinzelte Hexenprozesse und -Exekutionen fanden noch im Mittelalter statt, die ersten großen Verfolgungswellen in Kurköln, Kurmainz und Trier, die Verfolgungen in Savoyen, der Eidgenossenschaft, in Nordfrankreich und in Westfalen und Franken waren dagegen ein Phänomen der frühen Neuzeit und zwar im Früh-Barock- und im Barock. Der Dreißigjährige Krieg fällt beim besten Willen nicht mehr in die Renaissance.

-Im Übrigen bestand Europa auch nicht nur aus Italien, großen Teile Europas wurden von der Renaissance viel weniger berührt, als von der Reformation und von dem Revolutionsversuch der Bauernkriege.

- In dem von mir zitierten Buch von Irrsiegler/Lasotta wird die frühe Neuzeit oder Renaissance mit keinem Wort erwähnt. Zu einem Kulturvergleich Mittelalter-Renaissance habe ich mich gar nicht geäußert.

Es lässt sich aus erhaltenen Quellen rekonstruieren, dass Prostitution im Mittelalter unter bestimmten Bedingungen legal war, dass in mittelalterlichen "Frauenhäusern" gewisse Hygienestandards vorgeschrieben waren, dass es Regularien gab, die Zwangsprostitution verhindern sollten, und dass es durchaus auch so etwas wie eine Gesundheitsaufsicht und vorgeschriebene ärztliche Untersuchungen gab. Schriftliche Belege dafür sind aus zahlreichen Städten des Reiches überliefert. Es handelt sich nicht um eine private Meinung, sondern um belegbare, wissenschaftliche Erkenntnisse.

Wenn man diese zitiert, bewirft man nicht die Renaissance mit Dreck. Überhaupt nicht! Es widerspricht lediglich dem Narrativ vom besonders rückständigen, dreckigen und intoleranten Mittelalter.

Wenn Fakten, belegte, objektive Fakten das Narrativ erschüttern, dann kann doch die Antwort darauf nicht sein, sich zu empören, über diejenigen, die Fakten zitieren, nur weil man das Narrativ nicht aufgeben will.
 
Zuletzt bearbeitet:
- In die Renaissance fallen auch so "tolle" Ereignisse wie die Hexenverfolgung
Aber das stimmt. Soll man das verschweigen, wenn jemand die Renaissance im hellsten Licht erstrahlen lässt und die dunkelsten Schatten auf das Mittelalter wirft? Damit dein Klischee nicht gestört wird?

oder der grausame dreißigjährige Krieg.
Das stimmt eher nicht, das wäre eher Barock.

Doch, ich kann. Aber wie ich schon schrieb, beobachte ich schon eine seit Jahrzehnten bestehende Revision der Geschichte, die darauf hinauslaufen, das Schlechte und das Gute in den Geschehnissen zu relativieren.
Du glaubst das zu beobachten. Aber kann es nicht sein, wenn du mal versuchsweise selbst- und ideologiekritisch in dich gehst, dass es dich stört, daraufhin gewiesen zu werden, dass im MA nicht alles Schatten und in der Renaissance nicht alles Licht war (auch wenn der Marmor italienischer Renaissancepaläste alles hell strahlen lässt)?

Die Kreuzzüge werden jetzt auch als etwas Gutes angesehen – weil sie uns die von den Byzantinern und Arabern gerettete antiken Schriften und Hygiene wieder brachten.
Das finde ich gerade ein wenig lustig. Also wenn man die Threads über mittelalterliche Badekultur und das letzthin angeschnittene Thema der Schamhaarrasur liest, dann bist immer du es, der darauf beharrt, dass die Westeuropäer nach der Römerzeit zu dumm für alles waren und dank der Kreuzzüge die Körperhygiene wiederentdeckt hätten. Jetzt wirfst du also anderen deine Argumentationsketten vor?

Und dass die Kirche pagane und – aus ihrer Sicht – ketzerische Schriften vernichtete oder dem Verfall preisgab, hatte auch was Gutes: Das diente dem Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft und damit auch des Staates.
In der Klosterkirche von Corvey kannst du sogar die Überreste von Vergils Fassung der Odyssee als Fresko an die Wand gemalt finden. Es waren individuelle Mönche, die entschieden haben, Bücher zu kopieren oder auch nicht zu kopieren. Ob dabei Gedanken wie "das gebe ich jetzt mal dem Verfall preis" eine Rolle spielten, kann man mutmaßen, muss man aber nicht.
Von der Kirche als einem gezielt, von einem Willen gelenkten Wesen zu sprechen, ist hier etwas fehlgehend. Allenfalls bei Buchvernichtungen (die aber ihren Schwerpunkt wiederum in der Renaissance und im Barock hatten) kann man von gelenkten Aktionen sprechen.

Und weil man mit der Folter praktisch jedes Geständnis erzwingen konnte, war das Ganze nur noch eine Farce.
Das ist die populäre Sichtweise des Ganzen und berührt natürlich ein echtes Problem - und auch wenn du mich in der Richtung missverstehen wirst, dass ich der Folter das Wort redete (was ganz ausdrücklich nicht der Fall ist), muss ich dir widersprechen:
Natürlich konnte das System missbraucht werden und das wurde es auch. Massenweise. Jedoch gab es Regeln und diese Regeln waren gar nicht unvernünftig. Die Folter - ohne sie damit zu rechtfertigen, es handelt sich um eine einfache und wertfreie Faktenfeststellung - war in Ermangelung einer wissenschaftlichen Forensik das einzige Mittel Druck auf Verdächtige auszuüben.
Der Befragte durfte genau einmal gefoltert werden. Weil die Menschen, die dieses Verfahren "erfanden" aber nicht dumm waren und wussten, dass man unter der Folter alles mögliche erzwingen und erpressen konnten, wussten sie auch, dass das unter der Folter gemachte Geständnis nichts wert war. Die Folter war nicht Teil des Prozesses, sondern der Ermittlungen. Daher mussten die Folterknechte (also die Henker, im übrigen ein unehrlicher Beruf) auch in der Lage sein, Wunden zu versorgen. Hielt man sich an die Prozessregeln (das ist, nachdem ich geschrieben habe, dass die Folter ein Teil der Ermittlung und nicht des Prozesses war, natürlich ein eher ungünstig gewähltes Wort), dann durfte die Folter (hier spielt tatsächlich schon die Unschuldsvermutung mit hinein) keine bleibenden Schäden verursachen (gedacht war dabei natürlich an körperliche Schäden, die Psyche spielte damals keine Rolle).
Grob liefen Ermittlungen so ab, man hatte einen Verdacht, aber keine Zeugen:
1. Befragung
2. Zeigen der Instrumente
3. Erneute Befragung
4. Peinliche Befragung (also Folter)
5. Vierte Befragung mit Hilfe der unter der Folter gewonnenen Erkenntnisse

Unser seit 500 Jahren gepflegtes Bild von der Inquisition: Warst du einmal in deren Fängen, kamst du da nicht wieder heraus und am Ende stand deine Verbrennung.
Dieses Bild wurde vor allem von antikatholischen Kräften ge- und überzeichnet. Hatte in der protestantischen Tradition auch Auswirkungen in die marxistische und besonders in Dtld. in die nationalistische Geschichtsschreibung.

Die Inquisitionsakten zeichnen ein anderes Bild. Neben Freisprüchen gab es jede Menge von Urteilen, die nicht mit Körperstrafen endeten. Von Bernard Gui sind 900 Prozessakten überliefert. Davon endeten 40 (also 5 %) mit einem Todesurteil. Halten wir fest: Die Behauptung, unser seit 500 Jahren gepflegtes Bild von der Inquisition - wie es überhaupt die Inquisition gar nicht gab, sondern verschiedene Institutionen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten -, dass man aus deren Fängen nicht wieder herauskam, ist so nicht korrekt.

Dass ausgerechnet die Kirche mit der Inquisition verbunden ist, kann man je nach Standpunkt sowohl als Perversion der christlichen Religion oder auch als für eine monotheistische Religion folgerichtig erachten.


Dennoch gibt es Leute, die auch das verteidigen: Spanische Inquisition wäre zwar grausam gewesen, sagen sie, aber sie hätte z.B. das Eindringen des Protestantismus nach Spanien verhindert und damit auch einen Krieg, der in Mitteleuropa 30 Jahre dauerte. Mit anderen Worten: Inquisition hatte weit weniger Leid über die Menschen gebracht als der Krieg es gebracht hätte.
Ich halte das ja für Schattenboxen, dass du eine Behauptung behauptest, um dann gegen diese Behauptung argumentieren zu können. Aber wo du gerade selber mit der Spanischen Inquisition kommst: 1479 - 1812, Wiederaufnahme 1815.
Gut, 1479 kann man noch ins Mittelalter verorten, Buchdruck schon erfunden und etabliert, Istanbul schon türkisch, aber Amerika, Seeweg nach Indien noch nicht gefunden und Reformation noch nicht im Gange. Aber im Großen und Ganzen ist die Spanische Inquisition, ein Phänomen der ... Renaissance und des Barock.

Deine These war oben: Die FNZ wird mit Dreck beworfen um das MA heller erstrahlen zu lassen. Du selbst wählst als Beispiel für das dunkle MA ein Phänomen der FNZ.




*angelehnt an a.k.a.
 
Bzgl Mittelalter: ich lese gerade Chris Wickham "das Mittelalter" in der dt. Übersetzung. Von finster etc redet der nicht.
Ich habe sein Buch auch nicht gelesen. Dennoch kann ich Folgendes vermuten: Wenn ein Historiker wie Wickham bei seinen Studien über die Spätantike und Mittelalter von einem sozioökonomischen Ansatz ausgeht, wird er auch Belege dafür finden und hoch bewerten – und Belege, die seinem Ansatz widersprechen, geringer bewerten.

Ich besitze ein Lexikon der Antike, herausgegeben in der ehemaligen DDR, in dem die Antike unter dem Gesichtspunkt des Historischen Materialismus betrachtet wird. Alles logisch aufgebaut, dennoch kaum zu ertragen.

Was ich sagen will: Wenn Augustinus sagt, der Untergang des römischen Reiches wurde durch Dekadenz und Sittenlosigkeit verursacht, dann ist das Sichtweise eines Christen, der eben nicht dekadent und sittenlos ist oder sein will. Und wenn Edward Gibbon das Christentum als verantwortlich für den Fall Roms hält, dann weil er in der Zeit der Aufklärung lebte, die das Christentum kritisch sah.

Oder anders gesagt: Je nach Epoche war das Mittelalter mal out (Renaissance und Aufklärung), dann im 19. Jahrhundert in, im 20. wieder out, und jetzt, im 21., scheint er wieder in zu werden. Und jedes Mal haben die Historiker dem Zeitgeist nachgegeben oder besser: Sie waren selbst Mitgestalter des Zeitgeistes.

Eigentlich fallen Ereignisse wie die Hexenverfolgung und der Dreißigjährige Krieg eindeutig nicht (mehr) in die Renaissance.
Nun, du hast ein paar Ereignisse der Renaissance und der frühen Neuzeit in diesem Mittelalterfaden genannt, und ich habe mir erlaubt, 3 Aussagen daraus zu zitieren.

Die Hexenbulle von Papst Innozenz VIII., der Hexenhammer und auch erste vereinzelte Hexenprozesse und -Exekutionen fanden noch im Mittelalter statt, die ersten großen Verfolgungswellen in Kurköln, Kurmainz und Trier, die Verfolgungen in Savoyen, der Eidgenossenschaft, in Nordfrankreich und in Westfalen und Franken waren dagegen ein Phänomen der frühen Neuzeit und zwar im Früh-Barock- und im Barock.
Hier ist die Aussage: Renaissance und frühe Neuzeit waren viel schlimmer als Mittelalter. Dabei hat Mittelalter die Inquisition und Folter eingeführt, ohne die diese Verfolgungen nicht möglich gewesen wären.

Wenn man diese zitiert, bewirft man nicht die Renaissance mit Dreck. Überhaupt nicht! Es widerspricht lediglich dem Narrativ vom besonders rückständigen, dreckigen und intoleranten Mittelalter.
Entschuldigung, aber wenn man in einem Mittelalterfaden Fakten bringt, die zeigen, dass es später schlimmer zuging als im Mittelalter, dann macht das das Mittelalter um keinen Deut besser.

Aber das stimmt. Soll man das verschweigen, wenn jemand die Renaissance im hellsten Licht erstrahlen lässt und die dunkelsten Schatten auf das Mittelalter wirft?
Ich habe es schon zu @Scorpio gesagt: Was später passiert ist, macht das das Vorherige nicht besser.

Aber kann es nicht sein, wenn du mal versuchsweise selbst- und ideologiekritisch in dich gehst, dass es dich stört, daraufhin gewiesen zu werden, dass im MA nicht alles Schatten und in der Renaissance nicht alles Licht war (auch wenn der Marmor italienischer Renaissancepaläste alles hell strahlen lässt)?
Wenn mir das stören würde, hätte ich z.B. das mit der spanischen Inquisition nicht gebracht.

Also wenn man die Threads über mittelalterliche Badekultur und das letzthin angeschnittene Thema der Schamhaarrasur liest, dann bist immer du es, der darauf beharrt, dass die Westeuropäer nach der Römerzeit zu dumm für alles waren und dank der Kreuzzüge die Körperhygiene wiederentdeckt hätten. Jetzt wirfst du also anderen deine Argumentationsketten vor?
Dass die Badehäuser erst aufkamen, nachdem Kreuzfahren, die im Orient eine andere Badekultur kennengelernt haben, ist Fakt. Warum sollte ich das verschweigen? (zur Schamhaarrasur werde ich dort noch was schreiben)

Natürlich konnte das System missbraucht werden und das wurde es auch.
Es gibt kein Missbrauch der Macht – es gibt nur den Gebrauch der Macht. Die Kirche hat Inquisition und Folter installiert und gebraucht, weil sie es konnte! Dass es da Regeln gab, die nicht beachtet wurden, hat sie nicht interessiert oder nur peripher, denn wichtiger als alles, war: Solange die Folter der Sache des Glaubens diente, war sie in Ordnung, denn das Ziel heiligte die Mittel.

Eine Sondergerichtsbarkeit – und das war die Inquisition! – neben der weltlichen trotz der Widerstände zu installieren und sie inkl. der Folter mehr als 500 Jahre für ihre Zwecke zu gebrauchen, zeugt von der Macht der damaligen Kirche.

Die Inquisitionsakten zeichnen ein anderes Bild. Neben Freisprüchen gab es jede Menge von Urteilen, die nicht mit Körperstrafen endeten. Von Bernard Gui sind 900 Prozessakten überliefert. Davon endeten 40 (also 5 %) mit einem Todesurteil.
Auch langjährige Kerkerhaft war damals gleichbedeutend mit dem Tod. Ich sehe Inquisition ein wenig wie Gestapo: Auch bei denen warst du nicht rettungslos verloren, konntest nach einem Verhör (eingeschüchtert!) auch freikommen. Aber wenn man ins KZ kam, war man zwar am Leben, aber in einem KZ zu überleben war wahrscheinlich genauso schwierig wie eine Kerkerhaft im Mittelalter.

Dass ausgerechnet die Kirche mit der Inquisition verbunden ist, kann man je nach Standpunkt sowohl als Perversion der christlichen Religion oder auch als für eine monotheistische Religion folgerichtig erachten.
Natürlich war aus der Sicht der Kirche folgerichtig, alle Abweichungen von der offiziellen Lehre zu verfolgen und die Abweichler „unschädlich“ zu machen. Aber dabei blieb es ja nicht, denn die Inquisition kümmerte sich bald um alle möglichen Verfehlungen, vor allem sittlichen.

Ich halte das ja für Schattenboxen, dass du eine Behauptung behauptest, um dann gegen diese Behauptung argumentieren zu können.
Das ist kein Schattenboxen, denn diese Äußerung, Inquisition hätte Spanien vor 30-jährigen Krieg bewahrt, tätigte vor ein paar Jahren ein spanischer Bischof? oder eher ein spanischer Historiker – ich weiß das nicht mehr genau.
 
Dass die Badehäuser erst aufkamen, nachdem Kreuzfahren, die im Orient eine andere Badekultur kennengelernt haben, ist Fakt.
...dann muss der alt- und mittelhochdeutsche Nachweis, das in den Quellen erwähnte badhus, kontrafaktisch sein... :p:D

Ich hatte dich @Dion übrigens direkt gefragt, ob du mir heutige fachwiss. Literatur nennen kannst, die "Revisionismus" betreibt und ob du mir heutige fachwiss. Literatur nennen kannst, welche die Kreuzzüge positiv bewertet - kommt da noch was? Du bist dir ja so gewiss in deinen Urteilen, da müssten die Literaturverweise wie aus der Pistole geschossen kommen ;) Und darauf bin ich neugierig!
 
...das ist eine sehr steile These...
Wenn jemand von wem auch immer Macht über was auch immer erhält, dann ist dieser auch berechtigt, diese Macht auszuüben. Die römischen Kaiser wie Caligula und Nero haben nur ihre Macht, die sie vom Senat erhalten haben, gebraucht. Der Senat hat diese Macht freiwillig dem ersten Kaiser Augustus verliehen und seine Nachfolger haben sie geerbt.

Deswegen ist es auch heutzutage wichtig, die Gesetze möglichst so abzufassen, dass auch bei einem Regierungswechsel nach extrem links oder rechts, eine andere Interpretation des Gesetzes als gedacht nicht möglich ist.

Das Ermächtigungsgesetz von 1933 war ein Akt der Selbstentmachtung des Parlaments. Daraus folgt: Die damaligen Parlamentarier haben als Schüler wohl nicht aufgepasst, als vom römischen Kaisertum die Rede war. :D

kommt da noch was?
Da müsste ich suchen. Ich bin kein Historiker, aber die Historie interessiert mich seit der Kindheit: Erweckungserlebnis Alexander der Große.

Ich habe eine Menge Bücher, aber in welchem Buch ich das über die Kreuzzüge gelesen habe, das habe ich mir nicht notiert, weil ich nie damit gerechnet habe, mich für meine Aussagen, die ich frei aus dem Gedächtnis formuliere, rechtfertigen zu müssen.

Aber ich bin mir sicher, die gelernten Historiker kennen ihre Pappenheimer und werden sie dir vielleicht nennen. Hoffentlich.
 
Die Ausnahme, von der ich oben schrieb, war dein Beitrag #105.
Ach so, ich hätte eher auf #107 getippt. Es ist mitunter schwer nachvollziehbar, worauf Du Dich beziehst.

Aber jetzt verdrehst du meine Aussage: Ich habe nicht gesagt, dass hier „irgendjemand die These vom "hellen Mittelalter" oder der "finsteren Renaissance" aufgestellt“ hat
Ich habe auch nicht behauptet, dass Du das gesagt hättest.

... sondern dass man „die Renaissance bzw. die Neuzeit mit Dreck beworfen“ hat, damit Mittelalter heller erscheine. Dafür nur ein paar Beispiele:

Zu den Beispielen, die Du auflistest, hättest Du auch den Niedergang der Badekultur zählen können. Das sind doch alles Beispiele dafür, dass es in der Neuzeit in mancherlei Hinsicht "finsterer" zuging als im Mittelalter, was hat das denn mit "Dreck werfen" zu tun? Ich verstehe diesen polemischen Ausraster nicht.
Wenn jemand behauptet hätte, das Mittelalter sei hell und die Renaissance finster gewesen, hätte ich zumindest Verständnis für eine polemische Reaktion.

Wenig Verständnis habe ich auch für Deine Versuche, diese These doch irgendwie irgendwem hier anzuhängen:
Schon klar, nur das Mittelalter ist nicht dunkel, sondern hell. Oder?
Jetzt hast Du Dir @Scorpio auserkoren, dem Du folgendes unterstellst:
Hier ist die Aussage: Renaissance und frühe Neuzeit waren viel schlimmer als Mittelalter.
Diese Aussage hat hier niemand aufgestellt.
Die zitierten Sätze besagen vielmehr: Die Hexenverfolgung war in der frühen Neuzeit schlimmer als im Mittelalter. Und diese Aussage ist völlig korrekt.
 
Auch langjährige Kerkerhaft war damals gleichbedeutend mit dem Tod. Ich sehe Inquisition ein wenig wie Gestapo: Auch bei denen warst du nicht rettungslos verloren, konntest nach einem Verhör (eingeschüchtert!) auch freikommen. Aber wenn man ins KZ kam, war man zwar am Leben, aber in einem KZ zu überleben war wahrscheinlich genauso schwierig wie eine Kerkerhaft im Mittelalter.

Natürlich war aus der Sicht der Kirche folgerichtig, alle Abweichungen von der offiziellen Lehre zu verfolgen und die Abweichler „unschädlich“ zu machen. Aber dabei blieb es ja nicht, denn die Inquisition kümmerte sich bald um alle möglichen Verfehlungen, vor allem sittlichen.

Das ist kein Schattenboxen, denn diese Äußerung, Inquisition hätte Spanien vor 30-jährigen Krieg bewahrt, tätigte vor ein paar Jahren ein spanischer Bischof? oder eher ein spanischer Historiker – ich weiß das nicht mehr genau.

Im Mittelalter gab es noch keine Kerkerhaft, schon gar nicht "langjährige". Es gab weder eine Gefängnisarchitektur, noch gab es Freiheitsstrafen-die waren ein Phänomen der ´Neuzeit, und auch die Idee einer Resozialisierung. Die Gebäude, die zur Verwahrung von Delinquenten dienten, Burgtürme, Fronvesten, manchmal sogar Mühlen waren reine "Untersuchungsgefängnisse", in denen Delinquenten, seltener auch Delinquentinnen für die Dauer der Untersuchung untergebracht wurden.



Hast du @El Quichotes Hinweis auf Bernado Gui nicht gelesen? Von mehreren Hundert Untersuchungen endeten 5% nur mit einer Verurteilung.

Ich habe in mehreren anderen Threads den römischen Inquisitor Francesco Albizzi erwähnt. Er hielt grundsätzlich Hexerei für möglich, zog aber als Erklärung naturwissenschaftliche Phänomene hinzu, und er hielt durchaus nicht den Scheiterhaufen für notwendig. Während Albizzis Amtszeit wurde nicht eine einzige Hexe verurteilt. Albizzi, der als Gesandter zu den Friedensverhandlungen nach Münster reiste, versuchte, beim Erzbischof von Köln gegen das Wüten der Hexenkommissare zu protestieren, allerdings ohne Erfolg. In seinen Urteilen war Albizzi weitaus milder, als jegliches Gericht nördlich der Alpen, sei es protestantisch oder katholisch.
 
Im Mittelalter gab es noch keine Kerkerhaft, schon gar nicht "langjährige".
Nein? Johanna d'Arc wurde zuerst zu lebenslanger Haft verurteilt, aber weil sie ihr Geständnis dann widerief und wieder Männerkleidung trug, wurde sie auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt - siehe den entsprechenden Faden in diesem Forum und die Phönix-Dokumentation.

ch habe in mehreren anderen Threads den römischen Inquisitor Francesco Albizzi erwähnt. Er hielt grundsätzlich Hexerei für möglich, zog aber als Erklärung naturwissenschaftliche Phänomene hinzu, und er hielt durchaus nicht den Scheiterhaufen für notwendig. Während Albizzis Amtszeit wurde nicht eine einzige Hexe verurteilt.
Was soll das? Albizzi wurde vielleicht in Italien gehört, nicht aber in Mittel- und Nordeuropa, sonst wären nicht so viele Menschen als Hexer und Hexen verurteilt und verbrannt.
 
Ich habe eine Menge Bücher, aber in welchem Buch ich das über die Kreuzzüge gelesen habe, das habe ich mir nicht notiert

Die Suchkriterien lassen sich doch sicher leicht einengen. Bei einer Beschränkung auf historische Fachliteratur (mit wissenschaftlichem Anspruch) sollten sich schnell die Bücher herausfinden lassen, in denen die Kreuzzüge behandelt werden.

Und dass die Kirche pagane und – aus ihrer Sicht – ketzerische Schriften vernichtete oder dem Verfall preisgab, hatte auch was Gutes: Das diente dem Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft und damit auch des Staates.
Da würde mich interessieren, wer das geschrieben haben soll. Ist aber wahrscheinlich auch zuviel verlangt?

Ich hatte kürzlich etwas zitiert, was in diese Richtung geht:
"Im Rom der freien Republik wurden Schriften vor allem aus religiösen und religiös-politischen Gründen vernichtet. Der Senat als die den Staat leitende Körperschaft sah immer dann die Grundlagen der ungeschriebenen Verfassung und damit des allgemeinen Wohlergehens bedroht, wenn eine Gruppe oder ein einzelner an der Religion der Vorfahren tiefgreifende Veränderungen vornehmen wollte." (Wolfgang Speyer, Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen, Stuttgart 1981, S. 51)
Hier erklärt der Historiker die Motivation der Büchervernichter, er schreibt aber nicht, dass er selbst solcherart motivierte Büchervernichtung für "was Gutes" hält. (Er schreibt das auch nicht in den Kapiteln, wo es um Büchervernichtung bei Juden und Christen geht.)
 
Zurück
Oben