Der Deutschordensstaat und das Hzm. Preußen

Shinigami

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Moin

Ich hätte tatsächlich mal eine Frage zu folgendem Thema:

Bekanntlich entstand das Hzm. Preußen nachdem Albrecht v. Brandenburg-Ansbach, nachmalig Albrecht v. Preußen zum lutherischen Glauben übertrat und den preußischen Teil des Deutschordensstaates in ein weltliches Herzogtum umwandelte, dass er im Vertrag von Krakau 1525 vom polnisch-litauischen König Sigismund I. zum Lehen nahm.

So weit, so gut.

Was sich mir dabei allerdings nicht erschließt, ist, warum sich dieser Akt ausschließlich auf die preußischen Gebiete beschränkte, während der Ordensstaat in Livland de facto noch eine Zeit eigenständig, bzw. als "Livländische Konföderation" im Verbund mit den umliegenden Bistümern weiterexistierte.

Mir ist zwar klar, dass der livländische Ordenszweig immer ein gewisses Eigenleben führte und mit dem Landesmeister für Livland auch eine, wenn auch dem Hochmeister untergeordnete hierarchische Spitze hatte, aber letztendlich wundert es mich schon, dass dieser Schritt letztendlich zur Splatung des Ordensstaates führte, zumal die Reformation auch in Livland (so zumindest mein Kenntnisstand) relativ schnell Fuß fasste.

Könnte mir jemand erklären, warum sich der Schritt der Säkularisierung und Umformung in ein weltliches Herzogtum auf die preußischen Gebiete beschränkte und warum der livländische Ordenszweig nicht bereit war diesen Schritt mit zu vollziehen, bzw. worin die Gründe zu suchen sind, dass Albrecht als Hochmeister nicht die Autorität aufbrachte auch Livland mit einzubeziehen, zumal er sich in seinem Vorhaben ja durchaus auf Polen-Litauen und König Sigismund stützen konnte?

Würde mich sehr interessieren, auch weiterführende Literaturtipps wären mir sehr willkommen.

An die Moderation:

Ich war mir nicht ganz sicher ob das Thema im "Zeitalter der Glaubensspaltung" richtig aufgehoben ist oder ob es besser gewesen wäre es unter "Osteuropa", "Rittertum" oder "Religionsgeschichte" zu verorten, wenn es anderswo besser aufgehoben ist, bitte ich darum es zu verschieben. :)
 
Könnte mir jemand erklären, warum sich der Schritt der Säkularisierung und Umformung in ein weltliches Herzogtum auf die preußischen Gebiete beschränkte und warum der livländische Ordenszweig nicht bereit war diesen Schritt mit zu vollziehen, bzw. worin die Gründe zu suchen sind, dass Albrecht als Hochmeister nicht die Autorität aufbrachte auch Livland mit einzubeziehen, zumal er sich in seinem Vorhaben ja durchaus auf Polen-Litauen und König Sigismund stützen konnte?

So wie ich es verstanden habe, stand dem Wolter von Plettenberg, Landmeister von Livland, entgegen. Er selbst blieb katholisch, ließ jedoch ab 1522 lutherische Gottesdienste in Livland zu. Livland war zu diesem Zeitpunkt - anders als Preußen - unabhängig von der polnisch-litauischen Krone; eine Unterstellung Livlands erfolgte erst 1561.

Albrecht wollte ab 1511 die Lehnsabhängigkeit Preußens von der polnischen Krone brechen und verweigerte König Sigismund den Lehnseid. Albrecht vertraute auf Unterstützung aus dem Reich und aus Livland. Kaiser Maximillian forderte ihn aber auf, den Lehnseid abzulegen. Livländische Hilfe blieb aus, ich vermute, weil Plettenberg sein Land nicht in einen ungewissen Krieg mit Polen-Litauen verwickelt sehen wollte und auch der Papst mahnte Albrecht, den Lehnseid abzulegen. Dem Reiterkrieg 1519-21 zwischen Preußen und Polen folgte ein vierjähriger Waffenstillstand. 1525 säkularisierte Albrecht Preußen und legte schließlich doch den Lehnseid ab.

Der eigentliche "Bruch" zwischen Preußen und Livland erfolgte mMn also bereits vor der Säkularisation, so dass Albrecht danach keinen nennenswerten Einfluß mehr auf den livländischen Landesteil hatte.
 
Danke erstmal für die Antwort :)

Der eigentliche "Bruch" zwischen Preußen und Livland erfolgte mMn also bereits vor der Säkularisation, so dass Albrecht danach keinen nennenswerten Einfluß mehr auf den livländischen Landesteil hatte.

Das erscheint plausibel wirft für mich aber die Frage auf, warum nach der Einigung zwischen Albrecht und Sigismud I. nicht versucht wurde Livland wieder anzugliedern, denn davon hätten ja beide etwas gehabt.
Albrecht hätte damit sein Territorium erweitern können und das gesamte Baltikum wäre damit unter polnisch-litauische Lehenshoheit gefallen.
Daher verwundert mich etwas, dass man es dabei bewenden ließ.

Eine weitere Frage, die sich mir dabei auch aufdrängt ist diejenige, was dann eigentlich diesen Bruch herbeigeführt hat. War das die Reformation, die sich im preußischen Gebiet vielleicht etwas schneller durchsetze als in Livland, Widerstand aus Livland gegen das Säkularisationsprojekt oder liegen die Ursachen viel weiter zurück, als ich das überblicke?
 
Ich weiß nicht, inwiefern Sigismund tatsächlich ein Interesse daran hatte, das Territorium seines einzigen protestantischen Vasallen zu vergrößern. Der Livländische Orden scheint sich schon länger, aus den polnisch-preußischen Konflikten herausgehalten zu haben, bspw. war er auch nicht an der Schlacht bei Tannenberg 1410 beteiligt.

Erschwerend kam hinzu, dass von Plettenberg ab 1529 Reichsfürst des HRR war. Eine kriegerische Expansion von Polen und Preußen nach Livland hätte dann evtl. auch das Reich - oder zumindest Teile davon - auf den Plan rufen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nicht, inwiefern Sigismund tatsächlich ein Interesse daran hatte, dass Territorium seines einzigen protestantischen Vasallen zu vergrößern. Der Livländische Orden scheint sich schon länger, aus den polnisch-preußischen Konflikten herausgehalten zu haben, bspw. war er auch nicht an der Schlacht bei Tannenberg 1410 beteiligt.

Der livländische Ordenszweig mag eine etwas andere Politik verfolgt haben, nur musste Sigismund doch klar sein, der livländische Ordenszweig allein dauerhaft kaum überlebensfähig war.
Moskau hatte vor nicht allzu langer Zeit Nowgorod geschluckt, Schweden hatte sich inzwischen aus der Kalmarer Union gelöst und eine eigenständige Politik begonnen.
Sigismund musste eigentlich klar sein, dass früher oder später eine dieser Mächte versuchen würde sich in Livland festzusetzen, wenn er es nicht tat und der verbliebene Ordensstaat dem relativ wenig entgegenzusetzen hatte.

Erschwerend kam hinzu, dass von Plettenberg ab 1529 Reichsfürst des HRR war.

Damit spielst du sicherlich darauf an, dass er das livländische Ordensgebiet dem Reich unterstellte.
Aber wie wahscheinlich war es, dass der Kaiser sich tatsächlich wegen eines so abgelegenen Territoriums einen Konflikt ans Bein binden würde?
 
Der livländische Ordenszweig mag eine etwas andere Politik verfolgt haben, nur musste Sigismund doch klar sein, der livländische Ordenszweig allein dauerhaft kaum überlebensfähig war.
Moskau hatte vor nicht allzu langer Zeit Nowgorod geschluckt, Schweden hatte sich inzwischen aus der Kalmarer Union gelöst und eine eigenständige Politik begonnen.
Das weiß man aus der ex-post-Perspektive, aber konnte das auch Sigismund wissen?. Wolter von Plettenberg konnte sich in der Schlacht an der Seriza 1501 und auf dem Smolinasee 1502 gegen Moskau durchsetzen. Ab 1503 herrschte Frieden zwischen Livland und Moskau. Schweden hatte vorher das russische Ivangorod erobert und wollte es an Livland abtreten. Das wurde jedoch nicht angenommen.
Von Plettenberg scheint eine relativ geschickte Politik des Ausgleiches geführt zu haben. Die livländische Unabhängigkeit überdauerte seinen Tod immerhin weitere 23 Jahre.

Aber wie wahscheinlich war es, dass der Kaiser sich tatsächlich wegen eines so abgelegenen Territoriums einen Konflikt ans Bein binden würde?
Wohl nicht sehr wahrscheinlich wissen wir heute. Aber konnten sich Albrecht oder Sigismund dessen so sicher sein?
 
Das weiß man aus der ex-post-Perspektive, aber konnte das auch Sigismund wissen?

Naja, so sehr aus der ex-post-Perspektive ist dass nicht, würde ich meinen.
Das Moskau sich früher oder später für die Ostseehäfen interessieren würde (der Zugang nach Nowgorod über den Ladogasee ist ja doch relativ kompliziert und vor allem im Winter wegen des Eises ein Problem und Schweden wenn es expandieren wollte eigentlich nur ins Baltikum konnte, weil sowohl im Moskauer Territorium als auch gegenüber Dänemark-Norwegen wesentlich größerer Widerstand zu erwarten war, durfte man, denke ich auf dem Schirm haben.

Wolter von Plettenberg konnte sich in der Schlacht an der Seriza 1501 und auf dem Smolinasee 1502 gegen Moskau durchsetzen. Ab 1503 herrschte Frieden zwischen Livland und Moskau.

Sicherlich ein Achtungserfolg aber konnte man davon ausgehen, dass der sich widerholen ließ?

Von Plettenberg scheint eine relativ geschickte Politik des Ausgleiches geführt zu haben.
Das zweifellos.

Wohl nicht sehr wahrscheinlich wissen wir heute. Aber konnten sich Albrecht oder Sigismund dessen so sicher sein?

In der gegebenen Situation, denke ich schon, weil sich Karl V. zu dem Zeitpunkt in den Krieg mit Frankreich verstrickt hatte und sich als König von Spanien ohnehin auch sehr stark um die Belange der Iberischen Halbinsel kümmern musste.
Außerdem bedurfte das Reich im engeren Sinne seiner Aufmerksamkeit wegen der sich abzeichnenden Folgen der Reformation.
Das er sich unter diesen Umständen noch eine zusätzliche Front im Baltikum geleistet und gegebenenfalls wegen Livland einen Krieg mit Polen-Litauen riskiert hätte halte ich für unwarscheinlich und das durfte man unter diesen Umständen auch sicherlich als unwahrscheinlich ansehen.
 
Das Moskau sich früher oder später für die Ostseehäfen interessieren würde
Was dauerhaft erst mit der Gründung von St. Petersburg 1703 gelang.

Sicherlich ein Achtungserfolg aber konnte man davon ausgehen, dass der sich widerholen ließ?
Zwei Achtungserfolge, die immerhin zu mehr als 50 Jahren Frieden in Livland führten.

In der gegebenen Situation, denke ich schon, weil sich Karl V. zu dem Zeitpunkt in den Krieg mit Frankreich verstrickt hatte und sich als König von Spanien ohnehin auch sehr stark um die Belange der Iberischen Halbinsel kümmern musste.
Das hinderte ihn nicht bspw. auch den Schmalkaldischen Krieg zu führen. Es hätte auch ein Reichsfürst für ihn in Livland eingreifen können.

Livland war ein Zünglein an der Waage. Diese Rolle konnte man bis zum Livländischen Krieg ausspielen, indem für potentielle Angreifer immer die Gefahr bestand, dass Livland sich mit einer anderen regionalen Macht verbündete.
 
Was dauerhaft erst mit der Gründung von St. Petersburg 1703 gelang.

Richtig. Allerdings konnte 1525 auch noch niemand das Aussterben der Rurikiden in direkter Linie absehen und darauf folgenden inneren Probleme Muskowiens/Russlands, die größeren Expansionsversuchen dann längerer Zeit entgegenstanden.
Das man sich in Moskau früher oder später für Häfen an der Ostsee interessieren würde, durfte man schon für wahrscheinlich halten und da es in Ingermanland einmal ohnehin keine größeren Häfen gab, durfte sicher unterstellt werden, dass da hinsichtlich Reval/Tallin und Riga früher oder später Begehrlichkeiten entstehen würden.

Zwei Achtungserfolge, die immerhin zu mehr als 50 Jahren Frieden in Livland führten.
Unbestritten

Das hinderte ihn nicht bspw. auch den Schmalkaldischen Krieg zu führen
Der Schmalkaldische Krieg 1546/1547 fand in einer Phase statt in der wenigstens im Westen die Waffen ruhten, nachdem Karl V. 1544 mit Frankreich Frieden geschlossen hatte.

Es hätte auch ein Reichsfürst für ihn in Livland eingreifen können.
Welcher Reichsfürst hätte ein Interesse haben können sich dafür her zu geben und vor allen Dingen, welcher nicht habsburgische Reichsfürst besaß die Mittel das Risiko in einen Krieg mit Polen-Litauen hinein zu schlittern auf sich nehmen zu können?

Diese Rolle konnte man bis zum Livländischen Krieg ausspielen, indem für potentielle Angreifer immer die Gefahr bestand, dass Livland sich mit einer anderen regionalen Macht verbündete.

Aber nur so lange so lange die andere Macht im Zweifel auch bereit dafür war um Livland Willen mit den anderen Mächten Krieg zu führen.
 
Welcher Reichsfürst hätte ein Interesse haben können sich dafür her zu geben und vor allen Dingen, welcher nicht habsburgische Reichsfürst besaß die Mittel das Risiko in einen Krieg mit Polen-Litauen hinein zu schlittern auf sich nehmen zu können?
Der Herzog von Holstein, also Dänemark, hätte dies gekonnt und war in der Region auch engagiert. Ein bisschen kaiserliche Rückendeckung konnte da nicht schaden.
 
Könnte mir jemand erklären, warum sich der Schritt der Säkularisierung und Umformung in ein weltliches Herzogtum auf die preußischen Gebiete beschränkte und warum der livländische Ordenszweig nicht bereit war diesen Schritt mit zu vollziehen, bzw. worin die Gründe zu suchen sind, dass Albrecht als Hochmeister nicht die Autorität aufbrachte auch Livland mit einzubeziehen, zumal er sich in seinem Vorhaben ja durchaus auf Polen-Litauen und König Sigismund stützen konnte?

Angermann und Brüggemann stellen das in ihrer "Kleinen Geschichte der Baltischen Länder" so dar, als dass die verschiedene Entwicklung in Preußen und Livland bereits mehr oder weniger in den unterschidlichen Strukturen angelegt war, in denen der Deutschordenstaat die livländischen Territorien vom sogenannten "Schwertbrüderorden" übernahm.
Während es der "deutsche Orden" in Preußen schaffte den Großteil des Territoriums für sich zu reklamieren und hier nur ein paar territorial eher unbedeutende (außnahme vielleicht Ermland) Bistümer zu schaffen, die zusätzlich in den Orden inkorporiert und dadurch nahezu durchgehend mit Ordenspersonal besetzt waren, war die Landnahme in Livland anders verlaufen und zwar zu Gunsten der Weltgeistlichkeit, insofern es dieser seinerzeit gelang, etwa ein Drittel des Territoriums in Livland für dort zu errichtende Bistümer (Riga, Dorpat, Ösel-Wiek und Kurland) zu reservieren und hier größere vom Schwertbrüderorden unabhängige geistliche Heerrschaftsgebiete durchzusetzen, die nicht in den Orden inkorporiert waren.

Dadurch ergab sich in Livland eine andere Machtverteilung zu Gunsten der katholischen Bischhöfe gegenüber dem Orden, die sich auch eine Zeit lang noch auf weite Teile der Bevölkerung stützen konnten, weil das Luthertum zwar in den deutsch dominierten Städten relativ schnell Fuß fasste, die Reformation allerdings bei der lettischen und estnischen Landbevölkerung deutlich langsamer Akzeptanz fand.

Entsprechende weitgehend autonome Beharrungskräfte, durch die katholischen Bischöfe und eine teils noch katholische Landbevölkerung standen dann dementsprechend für Livland dem Weg, der in Preußen beschritten wurde eher entgegen, da er auf Grund der deutlich schwächeren Position des Ordens hier sehr wahrscheinlich zu inneren Konflikten innerhalb Livlands geführt hätte.
Entsprechende Überlegungen scheinen Wolter von Plettenberg als Landmeister von Livland dazu bewogen zu haben die Dinge in ihren überlieferten Zuständen zu belassen, obwohl ihm von Teilen seiner Untertanen, als allgemein, sowohl unter den Protestanten, als auch den Katholiken akzeptierter Integrationsfigur, wohl angetragen wurde, eine verglichbare Rolle wie Albrecht von Brandenburg-Ansbach in Preußen einzunehmen und zu einem weltlichen Fürsten in einem säkularen livländischen Staat zu werden.

Mit der Folge, dass eine relativ kurzlebige säkulare Herrschaft ähnlich dem preußischen Muster erst später mit dem Herzogtum Kurland-Semgallen entstehen konnte, nachdem der Letzte Landmeister des livländischen Ordens Gotthart Kettler, nachdem der Großteil des Ordensgebiets an Polen-Litauen und Schweden gefallen war, die Auflösung des Ordensstaates akzeptierte und dessen Restgebiet in ein weltliches Herzogtum umwandelte, für dass er ähnlich wie dereinst Albrecht von Brandenburg Ansbach die polnische Oberhoheit anerkennen musste.

Ein interessantes Kuriosum im Bezug auf Kurland, ist dass das kleine Herzogtum an der Ostsee sich tatsächlich zeitweilig dazu anschickte, sich als Kolonialmacht zu etablieren und sich ein allerdigs nicht sehr langlebiges Kolonialreich in Form des Erwerbs von Tobago und des Versuchs einen Stützpunkt in Gambia zu errichten, zulegte.
 
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