ethnos > hethnos, got. haiþn- ahd heidan > nhd Heide?

Tut mir leid, dass ist ein volksetymologischer Analogieschluss, also ein Fehlschluss. Weil es in einer anderen Sprache so ist, muss es im Griechischen nicht so sein. Ethnos schreibt sich mit spiritus lenis.

Wenn es als übernommen gesehen wird, muss das 'h' erklärt werden. Bis dahin halte ich einen Zusammenhang mit dem typisch römischen Gedankengang, wie er bei den Pagani sichtbar wird, für wahrscheinlicher. Und auch dann bräuchte es einen Grund, warum die Übernahme der Neubildung gegenüber bevorzugt wird. Da es keine Regeln dafür gibt, die Wahl willkürlich erscheint, hilft auch Ockhams Rasiermesser dabei nicht weiter.

Der paganus ist der Ländliche, nach Georges schon bei Plinius pejorativ benutzt, ist offensichtlich aber aus dem stadtrömischen Blick auf die als rückständig, hinterwäldlerisch empfundene Bewohnerschaft der pagi heraus empfunden. (Landbebauer/-kultivator ist der agricola.) Die Stigmatisierung oder das Empfinden der Heiden als Hinterwäldler ist der Grund für die sicher ab Augustinus in den Vordergrund tretende Bedeutung als 'Heiden'. Aber ab wann Heiden so genannt wurden, steht nicht fest. Für einen Christen liegt der Gegensatz Juden <-> Völker nicht so nah wie Stadtbewohner/moderne Leute <-> Hinterwäldler. Das werden nun für die Goten (und andere germanische Ethnien) nicht die Bewohner der Landbezirke gewesen sein, was die Neubildung erklärte. Sowohl für Wulfila als auch andere Germanen.

Wie ist die Stelle eigentlich in Vulgata und Vetus Latina wiedergegeben?
 
Semantisch gibt es von hethnos zu haiþn- überhaupt keinen Sprung.

Das ist ja auch gar nicht die Frage. Wulfila übersetzt hethnos mit haiþn.
Das bedeutet aber doch nicht, dass sich haiþn aus hethnos herleitet.

Wenn ich "language" mit "Sprache" übersetze muss ich keine Lautverschiebung suchen, mit welcher aus dem ersten das zweite wurde. Und darum ging es doch bei dem Wort "Heide" oder dekumatlands "Heidenei"
 
Tut mir leid, dass ist ein volksetymologischer Analogieschluss, also ein Fehlschluss. Weil es in einer anderen Sprache so ist, muss es im Griechischen nicht so sein. Ethnos schreibt sich mit spiritus lenis.
Egal, ob Sepiola nun Unrecht oder Recht hat, um eine Volksetymologie handelt es sich sicher nicht.

Wie ist die Stelle eigentlich in Vulgata und Vetus Latina wiedergegeben?
In der o. g. Bibelstelle (Markus 7:26) steht übrigens in der Vulgata:

erat autem mulier gentilis Syrophoenissa genere et rogabat eum ut daemonium eiceret de filia eius​
 
Wenn es als übernommen gesehen wird, muss das 'h' erklärt werden.
Auch das h in der armenischen Übersetzung (het`anos ‛Heide’) ist erklärungsbedürftig. Hältst Du es für Zufall, dass im Gotischen wie im Armenischen Wörter vorhanden waren, die semantisch und lautlich (bis auf die Aspiration) genau zum griechischen ethnos passen? Oder wie wäre Deine Erklärung?

Bis dahin halte ich einen Zusammenhang mit dem typisch römischen Gedankengang, wie er bei den Pagani sichtbar wird, für wahrscheinlicher.
Der römische Gedankengang wird im Griechischen nicht sichtbar. Wulfila übersetzte vom Griechischen ins Gotische. Du musst Wulfila also unterstellen, dass er den griechischen Text erst einmal gedanklich ins Lateinische übersetzte (dabei den römischen Gedankengang übernehmend) und dann erst ins Gotische.

Das ist ja auch gar nicht die Frage. Wulfila übersetzt hethnos mit haiþn.
Das bedeutet aber doch nicht, dass sich haiþn aus hethnos herleitet.

Wenn ich "language" mit "Sprache" übersetze
... dann haben wir zwei semantisch entsprechende, aber lautlich völlig unterschiedliche Wörter. Was soll das Beispiel hier?
Wenn ich hingegen französisch langage mit englisch language übersetze, muss ich von der Möglichkeit ausgehen, dass das eine vom anderen abgeleitet ist.

muss ich keine Lautverschiebung suchen,
Die Autoren der etymologischen Wörterbücher suchen auch keine Lautverschiebung; das gotische -ai- steht nun mal regelmäßig für Griechisch -e-. Die einzige dünne Stelle in der Argumentation betrifft die Übertragung ins Westfränkische.
 
Wulfila übersetzte vom Griechischen ins Gotische.
So und nicht anders.

Für uns interessant ist speziell hier: ist got. haiþn eine Neuschöpfung Wulfilas (der quasi das griechische ethnos / hethnos "vergotischt") oder gab es im gotischen schon den Begriff haiþn, sodass sich die Verwendung dieses Begriffs/Wortes anbot? Ich tendiere zu letzterem, denn wer hätte den vermeintlichen Neologismus ohne Kommentar verstehen sollen?
 
Wulfila kennt noch ein anderes Wort mit gleicher Bedeutung. In Galater 2.14 übersetzt er den griechischen Begriff "ethniocos" mit "þiudiskō". Dieses gotische Wort ist etymologisch eng verwandt mit dem Wort "deutsch", bedeutet in diesem Kontext aber so viel wie nicht jüdisch.
Inhaltisch geht an der Stelle um die Unterscheidung von Judenchristen und Heidenchristen.

In Markus 7.26 geht es jedoch von einer Hellenin syrophönizischer Herkunft und Wulfila übersetzt "ellenis" mit "haiþno". Das bedeutet zwar auch nicht jüdisch, aber Wulfila übersetzt es nicht "þiudiskō" - wahrscheinlich weil ""þiudiskō" auch noch was anderes bedeutete, was es unsinnig macht, eine Griechin aus Syrophönizien so bezeichnen.

Im Lateinischen gibt es drei Übersetzungsmöglichkeit für das griechische Wort "ethnicos" mit der Bedeutung heidnisch:

  • paganus
  • gentilis
  • ethnicus
 
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So und nicht anders.

Für uns interessant ist speziell hier: ist got. haiþn eine Neuschöpfung Wulfilas (der quasi das griechische ethnos / hethnos "vergotischt") oder gab es im gotischen schon den Begriff haiþn, sodass sich die Verwendung dieses Begriffs/Wortes anbot?
Weder - noch.
Im Gotischen gab es sicher kein ererbtes Wort mit der Bedeutung "Nichtjude/Nichtchrist".
Erst als die Goten in Kontakt mit dem Christentum kamen (das wird sicher etliche Jahre vor Wulfilas Bibelübersetzung gewesen sein), wurden sie mit diesem Begriff konfrontiert. Wenn man mit einem neuen Begriff konfrontiert wird und gleichzeitig in Kontakt steht mit einer Sprache, die bereits ein Wort für diesen Begriff hat, findet häufig eine Entlehnung statt.
Wulfila wird ein Wort verwendet haben, das seinen christlichen Lesern bereits geläufig war.
 
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