Nothin' but blues skies do I see

Hm.... Interessant, dass das mal gezählt wurde. Aber besagt das wirklich etwas?
Eher nicht, oder? Jedenfalls liegt eine Erzählung, die ohne die Erwähnung der Farbe Blau auskommt, durchaus in meiner Vorstellungskraft. Reines Blau kommt in der Natur tatsächlich selten vor, und in vielen Fällen wird man anderen Farben zur Beschreibung den Vorzug geben wollen. Beispielsweise ist das Meer selten treffend als "blau" beschrieben. Gerade das Mittelmeer liegt meist eher im Türkisen bis Grünen, bei stürmischen Wetter sind sogar Gelbtöne in der Dünung erkennbar …
 
Jedenfalls liegt eine Erzählung, die ohne die Erwähnung der Farbe Blau auskommt, durchaus in meiner Vorstellungskraft.
Erzählungen, die ohne die Erwähnung irgendeiner Farbe vorkommen, liegen in wohl unser aller Vorstellungskraft, trotzdem werden die Bilder, die wir beim Hören/Lesen vor Augen haben, einigermaßen konkret sein, auch bezogen auf Farben.
Wenn allerdings Farben erwähnt werden, kann das u.U. dann unsere Konnotationen auf den Prüfstand stellen. Stelltest du in Dtld. die Frage, welche Farbe Wasser hat, würde vermutlich bei sehr vielen Menschen „wie aus der Pistole geschossen“ blau als Antwort erhalten, bevor das Gehirn der Zunge „Moment mal... denk mal nach“ signalisiert. Grau, grün, blau das sind so Farben, bei denen wohl niemand eine kognitive Dissonanz erlitte, wenn er so Wasser beschrieben fände. Diese Dissonanz erleben wir aber dann, wenn die Gewässerbeschreibung nicht in dem von uns erwarteten Farbspektrum liegt.
 
Stelltest du in Dtld. die Frage, welche Farbe Wasser hat, würde vermutlich bei sehr vielen Menschen „wie aus der Pistole geschossen“ blau als Antwort erhalten
https://de.wikipedia.org/wiki/Aquamarin#Etymologie_und_Geschichte
Wasser + blau offenbar auch im Latein geläufig
https://de.wikipedia.org/wiki/Saphir#Etymologie
https://de.wikipedia.org/wiki/Lapislazuli#Etymologie
Edelsteine - teuer, selten, mit speziellen Farben (!) - waren in Antike und Mittelalter begehrt. Vielleicht helfen, soweit rückverfolgbar, die Verwendung (Schmuck, Herrschaftsinsignien etc) und die Namen von blauen Edelsteinen wie Aquamarin, Saphir, Lapislazuli

Zwischen grün und blau changierend sozusagen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Türkis_(Mineral)#Etymologie

ob indirekt die Etymologien von überwiegend grünen Edelsteinen/Halbedelsteinen auch weiterhelfen, kann ich nicht beurteilen (Malachit (Kupfererz) https://de.wikipedia.org/wiki/Malachit#Etymologie_und_Geschichte)
 
... Reines Blau kommt in der Natur tatsächlich selten vor, und in vielen Fällen wird man anderen Farben zur Beschreibung den Vorzug geben wollen. Beispielsweise ist das Meer selten treffend als "blau" beschrieben.

Dass das Meer blau ist (und die Wiesen grün), muss aus Norwegen kommen.
Ich weiß nicht, woran es liegt*, aber die Farben der Natur sind hier - im Sommer jedenfalls - um vieles klarer, kräftiger als im südlicheren Rest von Europa. Wie aus einem Hochglanzprospekt!

Gruß, muheijo

*reinere Luft? Stand der Sonne?
 
@El Quijote

Tatsächlich würde ich bei der Frage nach Wasser "farblos" antworten, nur beim Himmel denke ich spontan an die Farbe Blau, deswegen irritiert mich diese Anekdote auch so sehr.
:D
Allerdings dachte ich immer, dass Farbnamen, wie weder Komposita (z.B. "gelbrot", noch bei Goethe statt orange) noch Umschreibungen sind (bspw. "pomeranzengelb", wieder Goethe), zu den ältesten Bezeichnungen für Farben im Wortschatz einer Sprache gehören müssten. Das Wort für die Farbe "Blau" müsste demnach zu der sozusagen "ersten Generation" der Farbnamen gehören. Der Himmel bietet sicher viel Anlass dazu, ihn eindeutig zu beschreiben.

Ich meine mich zu erinnern, Du seiest Linguist oder linguistisch versiert, weißt Du zufällig mehr dazu?

Auf den ersten Blick könnten Wörter wie eben "Orange" der obigen Annahme widersprechen, schließlich handelt es sich hier weder um ein zusammengesetztes Wort, noch um eine Umschreibung unter Zuhilfenahme von Nicht-Farbnamen. Allerdings liegt ein spätes Lehnwort vor.

Und da muss ich an etwas denken, dass ich bei Gilomen ('Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters') gelesen habe, dass nämlich während der Renaissance flandrische Händler für Luxusgüter (wie importierte Tuche) ihre Geschäfte grundsätzlich in lateinischer Sprache abgewickelt hätten, weil ihnen die Gemeinsprache zu viele Lücken ließ bzw. Ungenauigkeiten erlaubte, um etwa künstliche Farben zu beschreiben.

Immerhin klingt es schlüssig (dadurch allein wird es natürlich noch nicht richtig), dass erst dann in einer Sprache ein Bedarf zur Unterscheidung von Farbnuancen entsteht, wenn der Adressat des Gesagten nicht mehr sicher wissen kann, was gemeint ist; wenn also die Sprecher mit neuen Farben in Berührung kommen, sei es durch geographische Expansion, sei es durch den Handel oder neue Technologien.

Aber dann sind wir wieder beim Himmel. Der ist immer da. Die Himba leben zwar in einem sehr trockenen Gebiet, das Wasser, das sie während der Frühzeit ihrer Sprache zu Gesicht bekamen, dürfte allenfalls grün und braun in Flüssen und Seen zu finden sein. Aber was ist mit dem Himmel? Er ist doch sehr deutlich von allen Grüntönen zu unterscheiden.
 
Eher nicht, oder? Jedenfalls liegt eine Erzählung, die ohne die Erwähnung der Farbe Blau auskommt, durchaus in meiner Vorstellungskraft. Reines Blau kommt in der Natur tatsächlich selten vor, und in vielen Fällen wird man anderen Farben zur Beschreibung den Vorzug geben wollen. Beispielsweise ist das Meer selten treffend als "blau" beschrieben. Gerade das Mittelmeer liegt meist eher im Türkisen bis Grünen, bei stürmischen Wetter sind sogar Gelbtöne in der Dünung erkennbar …

Da würde ich widersprechen. Das Meer, auch das Mittelmeer, ist sehr oft durchaus blau. Türkis ist das Mittelmeer nur in vielen sehr flachen Uferbereichen, wo der Untergrund noch durchscheint. Grün kann bei starkem Algenwachstum auftreten. Ansonsten ist das Mittelmeer überwiegend durchaus blau, zumindest bei blauem Himmel und wenn man die Sonne um Rücken hat.

Man kann das z. B. gut hier sehen, wo die unmittelbaren Uferbereiche teilweise türkis erscheine sind, während das übrige Meer ein schönes blau ist:

Mittelmeer - WorldAtlas (worldmap-knowledge.com)

Auch der Himmel ist ja bekanntlich oft blau. Als Blütenfarbe tritt blau relativ selten auf, aber auch da gibt es Ausnahmen wie etwa Vergissmeinnicht oder Kornblume. Allein schon durch den Himmel, der ja nun überall zu sehen ist, sollte jeder ab und zu mit der Farbe blau in Berührung kommen.
 
Aber dann sind wir wieder beim Himmel. Der ist immer da. Die Himba leben zwar in einem sehr trockenen Gebiet, das Wasser, das sie während der Frühzeit ihrer Sprache zu Gesicht bekamen, dürfte allenfalls grün und braun in Flüssen und Seen zu finden sein. Aber was ist mit dem Himmel? Er ist doch sehr deutlich von allen Grüntönen zu unterscheiden.

Die Sache mit der Unterscheidung zwischen Grün und Blau den Himba ist doch weniger eindeutig, als sie meistens dargestellt wird. Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass es bei den durchgeführten Versuchen soweit ich das in Erfahrung bringen konnte, weniger um die Unterscheidbarkeit der Farben an sich, sondern um die Kategorisierung und Wiedererkennung ging.

Aber auch bei der Kategorisierung ist das ganze nicht so einfach. Im Wikipedia-Artikel zu den Himba findet sich noch eine Graphik zu den Farbkategorisierungen der Himba:

Datei:Himba color Names.svg – Wikipedia

Als Quelle für die Daten ist folgender Artikel angegeben (Abbildung 1 dort entspricht der Grapühik bei Wikipedia, nur dass die Farben dort nicht farblich abgedruckt, sondern als Munsell-Farbcodes angegeben sind):

Roberson, Debi, Davidoff, Jules B., Davies, Ian R. L. and Shapiro, Laura R.. 2005. Color categories: Evidence for the cultural relativity hypothesis. Cognitive Psychology, 50(4), pp. 378-411

PSY_davidoff-robertson-color-categories_2005.pdf (gold.ac.uk)

Danach wird reines Grün in die Kategorie dumbu eingeordnet, die sonst Gelbtöne, helles Orange und olivgrüne Töne umfass. Dunklere Grüntöne werden dann aber in die Kategorie burou eingeordnet, die sonst noch dunklere Cyantöne und Blautöne umfasst. Burou soll übrigens ein Kognat zu blau sein und über Herero aus dem Afrikaans in die Himba-Sprache gekommen sein. Teilweise werden die Blautöne aber auch in die Kategorie zoozu eingeordnet, was üblicherweise mit Schwarz übersetzt wird und in der Graphik die meisten sehr dunklen Töne umfasst. Auffallend ist, dass die im Bereich Violett deutlich hellere Kacheln als zoozu und damit quasi als schwarz, dunkel eingestuft werden als im übrigens Bereich. Bei den Blautönen verläuft die Grenze zwischen burou und zoozu teilweise durch die Kacheln, so dass sich die Himba da wohl nicht ganz einig sind.

Hier ist vielleicht noch ein Hinweise auf dem von El Quichote bereits verlinkten Artikel über Grün und Blau in verschiedenen Sprachen hilfreich:

"Zum Anderen wird argumentiert, dass die UV-Strahlung der tropischen Sonne das Sehorgan schädige, sodass Blaues nicht mehr klar erkannt werde. Dieser auch in nicht-tropischen Ländern stattfindende Vorgang laufe unter tropischer Sonne schneller ab. So werde vergleichsweise früh die Blau-Wahrnehmung verringert. In manchen Sprachen werde daher für die Farbe „blau“ das Wort „dunkel“ verwendet."

Das würde also erklären, dass Violett und von manchen Sprechern auch Blautöne eher in die Kategorie dunkel/schwarz einsortiert werden. Dann wäre es allerdings eher so, dass die Wahrnehmung die Sprache prägt als umgekehrt.

Jedenfalls kann man wohl zusammenfassend sagen, dass die Unterscheidung von Grün und Blau bei den Himba doch etwas komplexer ist und Darstellungen, dass die Himba Grün und Blau nicht unterscheiden würden oder gar nicht unterscheiden könnten, eher irreführend sind.
 
Ich meine mich zu erinnern, Du seiest Linguist oder linguistisch versiert, weißt Du zufällig mehr dazu?
Ich bin Germanist und Hispanist (und Historiker) und befasse mich hobbymäßig mit semitischen Sprachen (Arabisch, Bibelhebräisch, Neuhebräisch, aber auf einem sehr moderaten Niveau). Ich verfüge über ein gewisses philologisches Handwerkszeug und interessiere mich insbesondere für Soziolinguistik, Historiolinguistik, Etymologie und Kontaktlinguistik. Insofern kann ich Sprachwandelprozesse einigermaßen beurteilen; was Neologismengeschichte anbelangt, hilft das nur bedingt weiter. Wenn ich mich nicht zufälligerweise mit der Wortgeschichte befasst habe, dann hilft mir mein kleiner philologischer Handwerkskasten gar nix.
 
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