1915 Kanadier bei Ypern gekreuzigt?

Scorpio

Aktives Mitglied
Im Frühjahr 1915 sorgte eine neue Waffe für Entsetzen: Nach einem wenig vielversprechenden Experiment an der Ostfront setzten die Deutschen am Ypernbogen in großem Umfang Chlorgas gegen die alliierten Truppen ein. Der Erfolg war ein durchschlagender. Als endlich günstiger Wind wehte bliesen die Deutschen 6000 behälter mit Chlorgas ab. Eine gelblich grüne Wolke zog entlang eines ca 25 km langen Frontabschnitts in Richtung Ypern und Poperinghe wo sie sich nach Aussagen von Augenzeugen auflöste. Algerisch französische Einheiten flüchteten vor der Wolke, während kanadische Einheiten standhielten. Ohne jegliche Atemschutzgeräte waren die Soldaten den Wirkungen des Chlorgases ausgesetzt. Wilfried Owen beschrieb später detailliert in einem Gedicht wie ein Soldat im Giftgas ertrinkt. Innerhalb von nur 20 min eroberten die Deutschen Langemark und konnten auf ca 20 km Frontbreite mehr als 6 km tief vorstoßen. den durchbruch brachte die neue Waffe allerdings nicht. Ein offizier sorgte sich "Die Welt wird sich erst über uns ereifern und uns danach kopieren."
Der Giftgasangriff der Deutschen festigte in der neutralen und alliierten Presse den Ruf der Deutschen als Barbaren und "Hunnen". Der totale Krieg hatte begonnen und nicht nur die Chemie, auch die Presse wurde in den totalen Krieg eingespannt, und auf beiden Seiten sprach man dem Gegner schlicht die Menschlichkeit ab.

Der heftige Widerstand der belgischen Armee, die überraschte die Deutschen, die dafür Franctireurs verantwortlich machten. Tatsächlich begangene Grausamkeiten an Zivilisten sorgten dafür, dass bereits Ende 1914 Postkarten veröffentlicht wurden, die den Deutschen vorwarfen, Kinder die Hände abzuhacken. ein anderes sollten sie in die Yser geworfen und Ende 1914 ein weiteres mit Bajonetten aufgespießt zu haben. Kurz nach der 2. Ypernschlacht verbreitete sich ein womöglich noch monströserer Vorwurf. Im Ypernbogen wollten Augenzeugen beobachtet haben, dass deutsche Soldaten einen Kanadier mit Bajonetten an ein Scheunentor genagelt hätten. Das Gerücht verbreitete sich in den Gräben, und einige Wochen später brachte der Toronto Star eine Schlagzeile über diese Grausamkeit, die von deutscher Seite dementiert wurde. Der Vorfall wurde immer wieder instrumentalisiert, alliierte Zeitungen führten schließlich Augenzeugen namentlich an, die beobachtet haben wollten, dass eine Gruppe von 3- 4 deutschen Soldaten einen kanadischen Sergeant mit 6 Bajonetten an eine Scheunentür in Poelkapelle genagelt hätten. Der Name des Gekreuzigten ließ sich aber nicht feststellen. Nach 1918 geriet die Sache weitgehend in Vergessenheit.
 
Kurz nach der 2. Ypernschlacht verbreitete sich ein womöglich noch monströserer Vorwurf. Im Ypernbogen wollten Augenzeugen beobachtet haben, dass deutsche Soldaten einen Kanadier mit Bajonetten an ein Scheunentor genagelt hätten. Das Gerücht verbreitete sich in den Gräben, und einige Wochen später brachte der Toronto Star eine Schlagzeile über diese Grausamkeit, die von deutscher Seite dementiert wurde. Der Vorfall wurde immer wieder instrumentalisiert, alliierte Zeitungen führten schließlich Augenzeugen namentlich an, die beobachtet haben wollten, dass eine Gruppe von 3- 4 deutschen Soldaten einen kanadischen Sergeant mit 6 Bajonetten an eine Scheunentür in Poelkapelle genagelt hätten. Der Name des Gekreuzigten ließ sich aber nicht feststellen. Nach 1918 geriet die Sache weitgehend in Vergessenheit.

Gibt es dafür glaubwürdige Quellen über die damalige alliierte Presse oder die ungenannte Augenzeugen hinaus?

Zum Thema Gas ist anzumerken, das auch die Alliierten bereits mit Gas experimentierten Die Franzosen haben schon vor 1914 sogenannte Erstickungspatronen entwickelt.
Das kaiserliche Militär stand unter Druck, denn der Schlieffenplan war grandios gescheitert , der Stellungskrieg überaus verlustreich und es galt die Munitionskrise, aufgrund des fehlenden Salpeters, welches aufgrund der zweifelhaften Seeblockade Großbritanniens, nicht eingeführt werden konnte zu bewältigen. Es wurde der fragwürdige Ausweg des Giftgases gewählt.
 
Spielte hier auch nicht eine extreme ausschweifende und fantasievolle Propaganda der Alliieren eine Rolle, über die Wahrnehmung von angeblichen Gräueltaten deutscher Soldaten?
 
Gibt es dafür glaubwürdige Quellen über die damalige alliierte Presse oder die ungenannte Augenzeugen hinaus?

Zum Thema Gas ist anzumerken, das auch die Alliierten bereits mit Gas experimentierten Die Franzosen haben schon vor 1914 sogenannte Erstickungspatronen entwickelt.
Das kaiserliche Militär stand unter Druck, denn der Schlieffenplan war grandios gescheitert , der Stellungskrieg überaus verlustreich und es galt die Munitionskrise, aufgrund des fehlenden Salpeters, welches aufgrund der zweifelhaften Seeblockade Großbritanniens, nicht eingeführt werden konnte zu bewältigen. Es wurde der fragwürdige Ausweg des Giftgases gewählt.

Es gab vor den Verhandlungen in Versailles einen Bericht eines deutschen Staatssekretärs, dass man der Sache mit dem gekreuzigten Kanadier untersucht habe, dass es aber keine Anzeichen dafür gäbe, dass sich dieser Vorfall tatsächlich ereignet habe. Auf alliierter Seite ging man darauf nicht weiter ein, und zumindest in Europa geriet die Angelegenheit in Vergessenheit, als ein Greuelmärchen und Zeitungsente.

In Kanada war die Angelegenheit anders, "der gekreuzigte Kanadier" wurde ein Teil des allgemeinen Geschichtsbewusstseins. Der (angeblich) gekreuzigte Kanadier ist weit über ein akademisches Publikum bekannt. In 2009 oder 2010, jedenfalls noch nicht lange her, kam ein kanadischer Kriegsfilm Paschendaele heraus, dessen Endsequenz das Motiv aufgreift. Im gnadenlosen Stellungskrieg läuft ein junger Kanadier in Gefechtspanik ganz alleine auf den deutschen Graben zu verheddert sich dabei in Stacheldraht und springt in den deutschen Graben. Der Protagonist- ein kanadischer Sergeant- läuft ebenfalls alleine im deutschen Infanteriefeuer hinter ihm her. Es schlägt eine Granate ein, und in der nächsten Szene starren deutsche wie Kanadier schockiert auf eine merkwürdige Erscheinung. Der 1. Kanadier wurde durch den Druck der Granate mitsamt einer Bohle in die Höhe geschleudert dass er in Stacheldraht verheddert wie ein gekreuzigter aussieht.
Die ebenso schockierten Deutschen lassen darauf vom Kampf ab und helfen dem Protagonisten, den Toten zu bergen. Als ich den Film sah, verstand ich diese Anspielung noch nicht, bis ich im Internet eine Doku des kanadischen Fernsehen sah.
Die Geschichte die der Toronto Star brachte, für den später auch Hemingway wurde von der Nortcliffe Presse wiederholt aufgewärmt, und wenn ich mich nicht sehr täusche, waren die Zeugenaussagen nicht namenlos, und auch nicht der Gekreuzigte.
Das Motiv der Kreuzigung greift der Kosakengeneral Peter Nikolaiwitsch Krasnow in seinem Bürgerkriegsepos "Vom Zarenadler zur Roten Fahne" auf. Krasnow kämpfte mit eher wenig Fortune im Bürgerkrieg auf Seiten der Weißen und belagerte einen gewissen Dschugaschwili in Zarizyn, das darauf den Namen seines Verteidigers annahm un Stalingrad hieß. Krasnow wurde von Donkosaken zum Ataman gewählt, lebte aber seit den 20er Jahren in Berlin wo er als Autor erfolgreich war und antikommunistische Werke wie Vom Zarenadler zur roten Fahne und "Der grenzenlose Hass" veröffentlichte. Sein Opus trieft geradezu vor Antisemitismus und Pathos. Krasnow wurde von den Nazis reanimiert, und sein Sohn stellte eine Kosakeneinheit auf, die in Serbien gegen Tito kämpfte. Krasnow senior wurde mit den Lienzer Kosaken von den Briten an Stalin ausgeliefert, während sein Enkel Miguel Krasnoff die alte Kosakentradition der Familie fortsetzte und seine Dienste Pinochet zur Verfügung stellte.

Der Großvater schien jedenfalls von diesem Weltkriegsmythos der verbündeten erfahren zu haben, ebenso wie von den Weisen von Zion, die eigentlich von der Ochrana- dem geheimdienst Väterchen Zars gefälscht wurden. "Den Besten der Gojm töte" ist eine Weisheit, die Komunisten wie der Tscheka Kommisar Korshikow verinnerlicht haben. kommunisten füttern die Bewohner des Petersburger Zoos mit den Überresten von Weißgardisten und nageln einen zarentreuen Offizier an eine Scheunenwand, was haargenau dem entspricht, was die "Boches oder Huns" schon 1915 getan haben sollen.

Hatten 1914 auf den Flander Fields Briten und Deutsche, sehr zur Verärgerung der Führung Weihnachten gefeiert und Fußball gespielt, so führten verhärtete Fronten mit immer größeren Opferzahlen auch zu verhärteten Feindbildern. Man sprach dem Kriegsgegner schlichtweg das Menschsein ab.
 
Spielte hier auch nicht eine extreme ausschweifende und fantasievolle Propaganda der Alliieren eine Rolle, über die Wahrnehmung von angeblichen Gräueltaten deutscher Soldaten?

Mit Sicherheit, es war ja 1915 auch die Lusitania versenkt worden, wobei auch einige Amerikaner wie der Tycoon Vanderbilt ums Leben kamen. Die Empörung über den verschärften U- Bootkrieg, der eben von deutscher Seite kaum nach Prisenrecht führbar war, erreichte ein sehr hohes Maß, dass wir, aufgewachsen mit der Drohung eines Atomkrieges nur schwer nachvollziehen können. Die Seeblokade der Briten war völkerrechtlich äußerst fragwürdig, doch entschädigten die Neutrale recht kulant. Der gekreuzigte Kanadier war jedenfalls nach dem Lusitania Zwischenfall nicht ganz ohne Wirkung auf die öffentliche Meinung in den USA.
 
Das mit dem "gekreuzigten" Soldaten ist ein Gemeinplatz:

In "Im Westen nichts Neues" nehmen die "alten" den neuen Rekruten die Bajonette mit Sägerücken weg, da die Alliierten die Soldaten die sie damit erwischen, mit ihren eigenen Bajonetten kreuzigen würden.

Bei Kempowski, ich glaube in "Uns gehts ja noch Gold" wird über die Greueltaten der Sowjetarmee in Ostpreusse geredet und dabei über "an Scheunentoren gekreuzigte" Personen diskutiert. Die Erwähnung davon ging damals anscheinend durch die deutsche Propaganda bezüglich der Ereignisse in Nemmersdorf.

Ich habe vor vielen Jahren ein Buch eines Rumänischen Kavalleristen gelesen, der im 2 WK auf deutscher Seite gekämpft hat. Zuerst in der Rumänischen Armee, später bei der Waffen SS. Der Name ist mir leider entfallen, es wird aber dort berichtet, dass gleich zu Beginn des Russlandfeldzuges ein Soldat seiner Einheit von Russischen Grenztruppen gefangen und mit Stacheldraht gekreuzigt wird.
 
Tatsächlich begangene Grausamkeiten an Zivilisten sorgten dafür, dass bereits Ende 1914 Postkarten veröffentlicht wurden, die den Deutschen vorwarfen, Kinder die Hände abzuhacken. ein anderes sollten sie in die Yser geworfen und Ende 1914 ein weiteres mit Bajonetten aufgespießt zu haben.
Aus "The Faces of World War I" von Max Arthur ist folgender Brief des Unteroffiziers Stefan Westmann, 29. Division: "Der Marsch nahm kein Ende. Wir wagten nicht, die Stiefel auszuziehen, weil die Füße geschwollen waren und wir befürchten mussten, sie nicht wieder in die Stiefel zu kriegen. In einem kleinen Weiler kam der Bürgermeister auf uns zu und flehte unseren Kompaniechef an, nicht zuzulassen, dass wir den Kindern die Hände abhackten. Solche Gräulmärchen hat man sich über uns erzählt."
Das Ereignis muss noch vor der Schlacht an der Marne gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für die Information.

Ich hab das Buch mal aus der Bibliothek geholt. Also, es waren Ulanen, keine Husaren. Auch keine franc-tireurs, sondern Reservisten. Die Mäntel wurden auch nicht an ein Scheunentor, sondern an das Tor der Mairie also dem Sitz der Gemeindeverwaltung genagelt.

So ein blutiger, angenagelter Mantel, kann schon beeindruckend sein. Vielleicht kommen diese Gerüchte von daher.
 
Zurück
Oben