1944: Ardennen -Durch einen Sieg zum Verhandlungsfrieden?

thanepower

Aktives Mitglied
In einer Rede vor Divisionskommandeuren am 28. Dezember 1944 im „Adlerhorst“ gibt Hitler eine Einschätzung der weltpolitischen Situation im allgemeinen und dem Zustand der Alliierten im Besonderen (Heiber&Glantz: Hitler and his Generals, S. 554ff).

In dieser Rede formuliert er erneut seine Überzeugung, dass der Zusammenbruch der Westalliierten durchaus in greifbarer Nähe ist und fordert vehement zu einer offensiven Kriegsführung auf, da diese mit weniger Verlusten verbunden sei, wie die defensiven Aktionen!!!??

Diese Rede ist deswegen relevant, weil sie die politischen Einschätzung beinhaltet, die die Grundlage für die letzte große offensive Aktion der Wehrmacht im Westen bildet.

Die Kombination aus der Forderungung der Alliierten nach einem „unconditional surrender“ mit ersten bekanntgewordenenen Details und von Goebbels propagandistisch aufbereiteten Vorstellungen im Kontext des Morgenthau-Plans und der Hoffnung durch zähes Durchhalten doch noch zu einem Verhandlungsfrieden zu gelangen, gehören vermutlich zu den relevanten Denkmuster von Wehrmachtsangehörigen im zusammenbrechenden 3. Reich.

Sie gehören aber auch zu dem Mythos, dass durch eine letzte erfolgreiche Anstregung im Westen der Krieg eine entscheidende Wende hätte erhalten können. Und gehören damit auch in das Arsenal revisionistischer Argumentation. Dieser Aspekt hat aber gerade im Nachkriegsdeutschland aufgrund der zunehmenden überlagernden Konfliktlinien im Rahmen des Kalten Krieges keine Rolle in der ideologischen Auseinandersetzung gespielt. Und die Diskussion über die These von 1918 „ungeschlagen im Felde“ nicht erneut entfacht.

1.Einschätzung der Situation Dezember 1944 durch die Angloamerikaner
Es gab im Prinzip keine wirklich bedrohliche militärische Krise vor und während der Ardennenoffensive bei den Westalliierten und sie waren noch nicht mal in der Nähe einer militärischen Niederlage. Obwohl es gravierende Unstimmigkeiten zwischen Roosevelt und Montgomery gab und die gravierendste Niederlage der Allierten im Westen darstellte. Im einzelnen können folgende Äußerungen als Belege herangezogen werden.

Eisenhower (Kreuzzug in Europa, 405ff) Besprechung am 17/18.12.44 „In der derzeitigen Lage müssen wir eine Chance und keine Katastrophe erblicken“. Und „Die Lage wurde eingehend besprochen und es war erfreulich, daß alle anwesenden Befehlshaber …eine besonnene und zuversichtliche Haltung zeigten (ebd. S. 406).

Und stellt fest: „The attack was not without its immediate effect upon us, but the sturdy defence by our forces follwed by our rapid an continuous counter-attacks brought home clearly to Germany`s military leader (also Herrn Hitler) that this last effort had failed completely and that the Nazi war machine faced inevitable disaster”. (D Day to VE day, S. 9)

Bei Patton findet sich die Einschätzung zur gesamten Operation vom 21. 12. 44 in folgendem Wortlaut: “ I can say with perfect candor, that at that time, I had no doubt as to the success of the operation …” (War, S. 198). Und diese positive Bewertung betrifft den Zeitpunkt als die deutschen Armeen noch auf dem Vormarsch waren.

2.Einschätzung der Gefahr eines Verlustes des Krieges im Westen
Verbunden mit dem Mythos der Schlacht in den Ardennen 1944 ist die Unterstellung, dass die Allieirten Ende 44 den Krieg noch hätten verlieren bzw. aufgeben könnte.
Es gab keine Äußerung, die auch nur Ansatzweise auf das Antizipieren einer Niederlage hingedeutet hätte. Weder bei Eisenhower

-Eisenhower: Kreuzzug in Europa, S. 398ff
-Eisenhower: D Day to VE Day: General Eisenhower`s Report 1944-45 (offizieller Report gegenüber der amerikanischen und britischen Regierung) S. 235ff
-Ferrel (Hrsg): The Eisenhower Diaries, besonders, S. 127ff noch bei
-Montgomery: The Memoirs of Field-Marshal Montgomery, S. 299ff und auch nicht bei
-Patton: War as I knew it, S. 194ff

Eisenhower äußert sich an einer Stelle, und diese Bemerkung wirkt fast so, als wenn er sich zufällig wieder der Lehren von Sun Tzui erinnert hätte, über die Ursachen von Überheblich als Quelle für eine potentielle Niederlage. Bezogen auf die Situation in den Ardennen stellt er jedoch fest: „Es wäre sinnlos und ausgesprochen falsch, wollte man abstreiten, dass die alliierten Kämpfer aller Dienstgrade während der ganzen ersten Woche des Ardennen-Angriffs einer großen Beanspruchung …ausgesetzt waren. Es wäre aber genau so falsch, Ausmaß und Auswirkungen dieser Beanspruchung in übertriebener Weise darzustellen“ (Kreuzzug, S. 411).

Eine besonders dem englischen Humor verpflichtetes Telegramm von Montgomery an CIGS endete mit dem Satz: „We cannot come out through Dunkirk this time as the Germans still hold that place“ (Memoirs, S. 308). Allerdings zieht er eine vernichtende Bilanz der Erfolge der deutschen Offensive, die in einem deutlichen Kontrast zu seiner humorvollen Einlage stehen (S. 312ff).

Die optimistische Position spiegeln dementsprechend auch die Äußerungen von Churchill bzw. auch von FDR wider (Churchill: The Second World War. Vol. VI, S. 229ff)

3.
Bewertung Brillanz des Hitler-Plans:
Dass Hitler`s phantasielose Planungen des Jahres 1944 eine Reproduktion des genialen Sichelschnitts von Manstein aus dem Jahr 1940 sind, adelt die Planungen von Hitler in keinster Weise. Die Bewertung des Plans für die Offensive in den Ardennen wird überwiegend skeptisch beurteilt.

Findet sich bei Liddel Hart (History oft he Second World War, S.644) noch die anscheinend positive Aussage „The idea was a brillant concept and might have proved a brillant success if he had possessed sufficient resources, as well as forces, to ensure it a reasonable chance of succeeding in big aims”. Dann resümiert er die Offensive dahingehend: “It proved the “worst defence”-wrecking Germany`s chances of any further serious resistance. (ebd. S. 659).

Sein Urteil dürfte dann auch eher eine implizite Verbeugung vor dem Sichelschnitt von Mannstein sein und dem vermutlich talentiertesten General des WW2 gelten.

Fuller schreibt über die Planung “Obwohl der Plan ein Hasardspiel war, weil die Alternativen unweigerlich zur Niederlage führen mußten, so war er strategisch doch gerechtfertigt. (Fuller: Der Zweite Weltkrieg, S. 406). Die Einschätzung muss jedoch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Fuller die Aussichten einer erfolgreichen Beendigung des Angriffs auf 10:1 eingeschätzt hat. Den Plan von Hitler als aussichtslos eingeschätzt hat!

Diese Urteile verblüffen angesichts der Einschätzung durch die teilnehmende Wehrmachts-Generale: So beschwerte sich Sepp Dietrich, dass er von Hitler sehr weitreichende Zielsetzungen vorgegeben bekam. Er sollte unter den denkbar schlechtesten klimatischen Bedingungen, mit neuaufgestellten Divisionen, die aus Kindern und kranken alten Männern bestehen sehr weitreichende Zielsetzungen erreichen (Keegan: The Second World War, S. 441).

Deutlich kritischer wird die Planung von Hitler von Manteuffel beurteilt, wenn er feststellt: „Hitler sah in dem seit Oktober erkennbaren Nachlassen des Feinddrucks eine neue, von ihm weit überschätzte Möglichkeit, dem Krieg im Westen eine entscheidende Wendung zu geben;“ (v. Manteuffel: Die Schlacht in den Ardennen 1944-1945, in Entscheidungsschlachten des zweiten Weltkriegs, S. 530). Im wesentlichen hält er Hitler eine völlig unrealistische Einschätzung der Situation an der Westfront vor (ebd. S. 534). Diese Einschätzung deckt sich mit der skptischen Beurteilung der Planungen von Hitler bzw. des OKW durch Rundstedt und durch Model.

Tippelskirch faßt die Beurteilung der Planungen von Hitler dahingehend zusammen: „Wieder einmal verlor Hitler jedes Maß und Ziel“ (Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkriegs, S. 598).

Die Grundlage für die operative Hybris von Hitler basierte auf einer ausgesprochen niedrigen Bewertung der Kampfmoral der Westalliierten. Eine Beurteilung, die vor dem Hintergrund der Härte der Kämpfe im Pazific, beispielsweise bei Guadalcanal, schwer nachzuvollziehen ist. Eine Einschätzung die Weinberg (Eine Welt in Waffen, S. 804) für unrealistisch beurteilt angesicht der damaligen politischen Stimmung in den USA und der relativ geringen Belastung der öffentlichen Meinung durch militärische Verluste.

Das Auseinanderfallen von realen militärischen Möglichkeiten und der eingebildeter Stärke kommt dann im Urteil von Frieser mit der notwenigen Schärfe deutlich zur Geltung: „Bei keiner anderen Operation des Krieges (gemeint ist natürlich der Angriff in den Ardennen) wurde Hitlers irrationales Wunschdenken offenkundiger, nie war die Kluft zwischen Wahn und Wirklichkeit größer.“ (Frieser: Die deutschen Blitzkriege; in Die Wehrmacht, S. 193)

4.Ursachen des Zusammenbruchs
Die Logistik der Wehrmacht war von Anfang an die entscheidende Schwachstelle der Planung, wie Rohde es ausfürlich dargestellt hat (Rohde: Die operativen Grundlagen der Ardennen-Offensive: Wirtschaft und Logistik auf deutscher Seite; in Die operative Idee und ihre Grundlagen, S. 193ff) .

Und auch nachdem deutlich wurde, dass sich der Angriff festgefahren hatte, hielt Hitler an seinen unrealistischen Vorstellungen fest. Rundstedt sagt dazu: „Ich wollte die Offensive rechtzeitig anhalten, als klar war, daß sie ihr Ziel nicht erreichen konnte (Anmerkung: was bereits am zweiten Tag der Operation ersichtlich war), aber Hitler bestand wütend auf ihrer Fortsetzung. Es war Stalingrad Nummer 2.“ (Liddell Hart: Deutsche General des Zweiten Weltkriegs, S. 286).

5.Folgen der Offensive
Zum Abschluss der Kämpfe betrugen die Verluste auf deutscher Seite ca. 80.000 und auf amerikanischer Seite 70.000. Ironischerweise hatte die Armee, die ihr zweites Dünkirchen erleben sollte noch gar nicht substantiell in die Kämpfe eingegriffen!!

Auf deutscher Seite konnten die Verluste nicht mehr ersetzt werden, auf alliierter Seite wurden sie ersetzt.

Die angeschlagenen deutschen mobilen Einheiten wurden, wie Guderian es bereits vor der Offensive gerne getan hätte, an die Ostfront verlegt, da Stalin zum Sturm auf das Reich geblasen hatte.

Die Schwächung der Westfront beschleunigte den Zusammenbruch der Wehrmacht im Westen und es wurde das Ziel von Eisenhower erreicht, die mobilen Einheiten der Wehrmacht endgültig zu zerschlagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Bewertung der Offensive ist - wie thanepower oben dargelegt hat - in vielen Aspekten wohl einhellig.

Die Besprechung ist in dem erhaltenen Fragment abgedruckt bei Heiber: Hitlers Lagebesprechungen 1942-45, S. 738-758. Kurz zuvor gab es eine Lagebesprechung mit Blaskowitz, Keitel, Rundstedt, Jodl, Himmler über Einzelheiten des Angriffs. Die Schwierigkeiten über Gelände, Klima und bekannten Verteidigungen gehen daraus recht klar hervor. Heiber kommentiert das Aufbauschen kleinster alliierter Schwierigkeiten, an denen sich Hitler hochzog und zu denen er abschließend festellte:

"(Es muß) ihnen schlecht gehen. Sonst (würden jetzt nicht die großen) Neueinziehungen kommen. (Man braucht es sich nur auszurechnen) Sie haben Luftstreit(kräfte von 3 Millionen Mann. Sie haben eine) Marine von 3 Millionen (Mann. Das sind allein schon 6 Millionen) Mann, die die Ameri(kaner) ... haben, heute wahr(scheinlich schon mehr) ... (Dann) haben sie in (Ost)asien ... haben sie 40 oder ... (Divisionen). ...

(Himmler: 13 Millionen... Hitler: ) Aber das sind für demokratische Staaten viel. Sie können es auch nicht gegenüber der Industrie machen. Es beginnt ja alles zu klemmen."

Hinzufügen würde ich noch Jung: Die Ardennen-Offensive 1944/45. Der Gedanke für diese Offensive geht zurück auf den 19.8.1944 (Ziel: November 1944), also kurz nachdem die "Operation Lüttich" mit der Katastrophe der Westfront im Kessel von Falaise und der Zerschlagung fast sämtlicher Panzer- und kampfstarker Verbände im Westen endete.

Die Folgen der Offensive strahlten übrigens auch auf den Luftkrieg aus: die zusammengefaßte Großbombardierung ("Thunderclap": zunächst nur Berlin, dann Dresden etc.) wurde als Plan reaktiviert, da sich die Prognosen für das Kriegsende in Europa auf Ende 1945 verschoben.
http://www.geschichtsforum.de/408083-post69.html

Mit der Einstellung der Offensive wanderte die Masse der deutschen Verbände allerdings nicht an die kollabierende Ostfront zwischen Weichsel und Oder, wo die sowjetische Großoffensive begonnen hatte: die Verlegungen erfolgten vielmehr in den Raum Wien-Budapest-Plattensee, in dem - in der Bedeutung eigentlich nachrangig - Hitler eine Bedrohung der "Reichsschutzstellung" sah.

Schließlich noch ein Hinweis auf Parker: To win the Winter Sky - Air War over the Ardennes 1944/45. Die Offensive mußte nach Besserung des Wetters leerlaufen, sofern die alliierte Luftüberlegenheit zum Tragen kommen würde. Der letzte Schlag der Luftwaffe - Operation "Bodenplatte" mit ca. 1000 eingesetzten Jägern - erwies sich als nicht erfolgreich, um eine Wende im Luftkrieg zu bewirken. Zwischen dem 16.12.44 und dem 15.1.45 folgen die alliierten Luftwaffen im Westen inkl. Reichsgebiet fast 64.000 Einsätze. Als Schwerpunkte - neben den direkten taktischen Unterstützungen - waren dabei die deutschen Flughäfen im direkten Rückraum sowie die Eisenbahnlinien festgelegt.
 
Beim Nachlesen ergab sich noch ein Gedanke: Warum eigentlich im Westen (mit zwei zusammen gestellten Panzerarmeen)?

Sah Hitler hier tatsächlich den schwächeren Gegner? - Demokratien?

Weil ein Schlag gleich welcher Größe im Osten keinen größeren Zeitgewinn bringen konnte? - obwohl die Ballung der Roten Armee an den Weichselfronten erkannt wurde?

Zieht sich die Anschauung Hitlers schon seit der Normandie bzw. seit Anfang 1944 durch? ("die Entscheidung" im Westen)
 
Die Begründung ist sicherlich multikausal.

1. Die schwärmerische Erinnerung von Hitler an den Erfolg des "Sichelschnits" ist ein Starng der Argumentation. Er bot mit begrenztem Einsatz, in Anlehnung an die "guten alten Tage der Blitzkriege, eine potentiell maximale politische Lösung.

Er zielte aber auch auf die Moral der WM ab. Und zumindest in den ersten Tagen soll die Moral bemerkenswert hoch gewesen sein und dann allerdings umso gravierender und nachhaltiger in sich zusammen zu brechen.

2. Die Rationalität basierte auf dem "Alles oder Nichts Denken", das um sich griff und sich unter anderem auch in den völlig übersteigerten Erwarten in die Wirksamkeit der V- oder Geheimwaffen niederschlug.

Es war der politische Imperativ. Er mußte die Entscheidung suchen, um überhaupt noch eine Chance zu haben politisch zu überleben und im Osten war die Entscheidung im Jahr 44 nicht mehr zu erzielen.

3. Es war sicherlich aber auch das historisch bereits vor 39 vorhandene Denkmuster, dass die USA und GB eigentlich keine gemeinsame Politik verfolgen konnten aufgrund ihrer antagonistischen globalen Zielsysteme und es so über kurz oder lang zu einem Konflikt kommen mußte.

4. Als Indikatoren für das Zuspitzen der krisenhaften Situation konnte es zum einen die militärische Lage im Herbst 44 heranziehen, die durch relative Nachschubprobleme und durch eine nicht ausreichende Anzahl von Kampftruppen auf alliierter Seite gekennzeichnet war.

Gravierender war jedoch die öffentlich im Herbst 44 in den Medien ausgetragende Verstimmung zwischen Eisenhower und Montgomery. Es war ersichtlich, dass die beiden unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt haben.

Verbunden damit vermutete er eine relative Kriegsmüdigkeit der beiden Westalliierten, die bei einem lokalen gravierenden militärischen Rückschlag durch ihre jeweilige publizierte Öffentlichkeit zum Abschluss eines separaten Friedensvertrages gezwungen werden sollten, so das Kalkül von Hitler.

5. Zudem schätzte er vor allem die Kampfkraft der Amerikaner nicht besonders hoch ein.

Insgesamt kann man m.E. erkennen, dass sich realistische Elemente der Beurteilung der Westallierten mit Wunschvorstellungen bei Hitler verbunden haben und in dieser "Verzeiflungstat" einmündeten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was übrigens bei den geostrategischen Hoffnungen auf eine Ermattung der Alliierten sehr erstaunt ist die Tatsache, dass die Entwicklung im Pazifik (die japanische Niederlage in den Phillippinen nach der Leyte-Seeschlacht)
See- und Luftschlacht im Golf von Leyte ? Wikipedia

völlig unberücksichtigt blieb. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass damit Japan von den Versorgungslinien nach Südostasien endgültig abgeschnitten war, und somit das Ausscheiden aus dem Krieg eine Zeitfrage wurde.

Informationen darüber im Deutschen Reich habe ich bislang nicht gesehen (so, wie auch die gegenseitige Unterrichtung über den Kriegsverlauf eher auf gegenseitiger Täuschung beruhte). Dennoch wurden doch alliierte Berichte ausgewertet, und die Besetzung der Phillippinen kann letztlich nicht verborgen geblieben sein.
 
Letztens gab es irgendwo mal den Hinweis darauf, dass Hitler begeistert den Angriff der Japaner auf Pearl Harbor zur Kenntnis genommen hatte, im Kreise seiner Generäle.

Sie mußten erst einen Globus oder ähnliches suchen, um es zu lokalisieren.

Nachdem die SKL eine Reihe von strategischen Studien angefertigt hatte, ohne explizit durch das OKW dazu aufgefordert worden zu sein, hatte sich Keitel verbeten, dass derartige Initiativen, so ca. ab 43 meine ich, ergriffen werden ohne explizite Aufforderung.

Und die einzige Institution, die ansatzweise auf der Ebene der Grand Strategie dachte und plante, stellte ihre Überlegungen ein!

In der Beurteilung der Qualität der Deutschen Generale des WW2 im Vergleich zu den westalliierten Generalen wird die hervorragende taktische und operative Schulung, teils ach das strategische Denken betont und anerkannt. Defizite werden jedoch bei der "Grand Strategie" also auf der Ebene der globalen Zusammenhänge der Kriegsführung vermutet bzw. zugeschrieben.

Diese drei, eher erratischen Aufzählungen, belegen ansatzweise das geringe Verständnis geostrategischer Dimensionen und den Niedergang einer strategischen Analyse im Verlauf des Krieges. Vielleicht auch deswegen, weil man sich der Absurdität angesichts der Entwicklung bewußt war.

In diesem Sinne wollte man gar nicht wissen, was in Fernost passierte, wäre eine These.
 
Zuletzt bearbeitet:
...Defizite werden jedoch bei der "Grand Strategie" also auf der Ebene der globalen Zusammenhänge der Kriegsführung vermutet bzw. zugeschrieben.

Man sollte nicht vergessen, dass sich gerade diese Ebene der Kriegführung die politische Reichsführung weitgehend vorbehielt. Das beginnt schon bei Planung und Durchführung von "Weserübung", also der Ausweitung des Krieges auf Skandinavien 1940 und zeigt sich wieder beim Angriff auf Russland. Geostrategische Überlegungen spielen immer auch in die Außenpolitik hinein. Als Oberkommandierender der Wehrmacht und auch des Heeres konnte Hitler hier selbst entscheiden wie weit er den Militärs Einblick oder Einflussnahme erlauben wollte. Oft genug überraschten die politischen Entscheidungen der Reichsführung für die Kriegsführung nicht nur den Feind! Wie soll doch der US-Botschafter reagiert haben als er vom Angriff der Wehrmacht 1941 auf Russland erfuhr? [Erinnerungszitat] "Sie kommen immer da heraus, wo man sie nicht vermutet..."
Ich denke man sollte weiterhin auch das Wunschdenken in politischer und militärischer Führung Ende des Jahres 1944 nicht unterschätzen. So soll selbst ein Himmler kurz vor der Kapitulation noch geglaubt haben, für die Westalliierten von Nutzen sein zu können, da er doch sozusagen große Erfahrungen auf dem Gebiet der Polizeipolitik habe... Realitätsverlust allerorten! Ein drastisches Beispiel dafür sollte der letzte Befehlshaber der (bereits praktisch nicht mehr existenten) Luftwaffe sein. Über von Greim steht in seinem Wikiartikel:

Wikipedia schrieb:
Noch im Januar 1945 legte Greim ein Bekenntnis zum „Führer“ ab: „Der ich an den Führer geglaubt habe – und verdammt noch mal, noch immer an ihn glaube. Ich kann nicht zum Verräter werden. Ich nicht!“ Nachdem Göring von Hitler am 23. April 1945 aller Ämter enthoben worden war, wurde Greim von Hanna Reitsch am 26. April 1945 in das bereits eingeschlossene Berlin geflogen, wo er von Hitler in seinem politischen Testament zu Görings Nachfolger als Oberbefehlshaber der Luftwaffe und gleichzeitig zum Generalfeldmarschall befördert wurde. Greim beteuerte: „Mich haben das Zusammensein mit dem Führer und seine Kraft außerordentlich bestärkt.“
 
Dass die Ardennen-Verbände nicht an die bedrohte Ostfront geworfen wurden, hat m.E. eine ganz simple Ursache. Das OKW und erst recht Hitler konnten es sich selbst in ihren übelsten "worst-case-Szenarien" nichtmal theoretisch vorstellen, dass die Rote Armee binnen 2 Wochen Polen, Ostpreuseen und Schlesien auf breiter Front überrennen und auch noch einen Oderbrückenkopf eine knappe Autostunde entfernt von der Reichshauptstadt errichten würde. Man bildete sich zuvor ein, noch genügend Raum als Puffer verfügbar zu haben.
 
Das OKW und erst recht Hitler konnten es sich selbst in ihren übelsten "worst-case-Szenarien" nichtmal theoretisch vorstellen, dass die Rote Armee binnen 2 Wochen Polen, Ostpreuseen und Schlesien auf breiter Front überrennen und auch noch einen Oderbrückenkopf eine knappe Autostunde entfernt von der Reichshauptstadt errichten würde. Man bildete sich zuvor ein, noch genügend Raum als Puffer verfügbar zu haben.

Wirklich?
Man hatte im Juli 1944 beim Zusammenbruch der HG Mitte (kampferfahrenen Divisionen) die Vormarschgeschwindigkeit von Witebsk bis zur Weichsel erfahren, rd. 400 km Luftlinie in 5 Wochen seit dem 23.6.1944.

Philippi/Heim in der frühen Studie: Vorbereitung auf die kommende Großoffensive seit Dez1944. "Das Feindbild im Laufe des Monats Dezember zeigt einen gewaltigen sowjetischen Aufmarsch in allen Einzelheiten", u.a. vermutet und dann bestärtigt 5 aufgefrischte Panzerarmeen mit 5000 Panzern. Punktuell ging man auf den Druchbruchsabschnitten der 900 km langen Front von einer Unterlegenheit von 1:10 aus.

Bemerkenswert ist eben auch, dass Kräfte aus den bedrohten Abschnitten herausgezogen wurden, bzw. die ab Jan45 anrollenden Verstärkungen iW nach Ungarn gingen, nicht vor die Oder! Da rollte aber bereits die sowjetische Offensive auf Posen und Breslau zu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bemerkenswert ist eben auch, dass Kräfte aus den bedrohten Abschnitten herausgezogen wurden, bzw. die ab Jan45 anrollenden Verstärkungen iW nach Ungarn gingen, nicht vor die Oder! Da rollte aber bereits die sowjetische Offensive auf Posen und Breslau zu.


Diese Dislozierung war das Resultat einer direkten und dringenden Intervention von Speer, der Ungarn kontrollieren wollte, um den letzten verbliebenen Zugang zu Öl sicher zu stellen.

Ohne diese Ressourcen wäre die Erzeugung von Benzin endgültig zusammen gebrochen (diese Formulierung ist natürlich in sich schon ein Witz, da sie seit Mitte-Ende 44 bereits zusammengebrochen war).
 
Diese Dislozierung war das Resultat einer direkten und dringenden Intervention von Speer, der Ungarn kontrollieren wollte, um den letzten verbliebenen Zugang zu Öl sicher zu stellen.

Das ist interessant.

Jedenfalls am 7., 12. und 22.1. war die Verlegung ungeregelt (am 22. lautete der Befehl für die diversen SS-Divisionen: "über Berlin an die Ostfront" - Maier: Drama zwischen Budapest und Wien.)

Maier zitiert dann das Jodl-Tagebuch, sowie die Aussage Dönitz vom 23.1.1945, aus der eine Liste der noch "kriegswichtigen" hervorgeht:
1. ungarische Ölgebiet und Ölgebiet im Wiener Becken
2. Danziger Bucht als Voraussetzung für die Weiterführung des U-Boot-Krieges (Übungsräume)
3. oberschlesisches Industrie als Wehrwirtschafts- und Kohlezentrum.

Das "Gerangel" zwischen OKW/OKH um die ungarisch-österr. Ölschiefergebiete wird übrigens auch im OKW-Lagebuch am 3.1.45 (IV-2, S. 986) recht drastisch eingeschoben.
 
Hitler soll doch die Berichte über den sowjetischen Aufmarsch an der Weichsel als "den größten Bluff seit Dschingis Khan" bezeichnet haben. Hat er wirklich nicht gesehen, was sich da zusammenbraute oder wollte er es einfach nicht sehen? Einen gewissen angelesenen militärischen Sachverstand hatte er ja.
 
Hitler soll doch die Berichte über den sowjetischen Aufmarsch an der Weichsel als "den größten Bluff seit Dschingis Khan" bezeichnet haben. Hat er wirklich nicht gesehen, was sich da zusammenbraute oder wollte er es einfach nicht sehen? Einen gewissen angelesenen militärischen Sachverstand hatte er ja.

Das ist wohl aus der Guderian-Biographie und demnach assistierten sich Himmler und Hitler gegenseitig: das sei der größte Bluff seit Dschingis Khan. Die Truppenmassierungen in den 3 Weichselbrückenköpfen wurden klar gemeldet, allerdings wohl nicht für möglich gehalten (so in den Lagebespprechungen vom 9. und 10.1.1945, 3 Tage vor Beginn der Weichseloffensive)
 
@thanepower
Nachdem die SKL eine Reihe von strategischen Studien angefertigt hatte, ohne explizit durch das OKW dazu aufgefordert worden zu sein, hatte sich Keitel verbeten, dass derartige Initiativen, so ca. ab 43 meine ich, ergriffen werden ohne explizite Aufforderung.

Und die einzige Institution, die ansatzweise auf der Ebene der Grand Strategie dachte und plante, stellte ihre Überlegungen ein!
Was nützt eine angebliche (?) globale strategische Sichtweise wenn nicht einmal im Ansatz die Mittel vorhanden sind um den Krieg gegen die SU zu entscheiden?

In der Beurteilung der Qualität der Deutschen Generale des WW2 im Vergleich zu den westalliierten Generalen wird die hervorragende taktische und operative Schulung, teils ach das strategische Denken betont und anerkannt. Defizite werden jedoch bei der "Grand Strategie" also auf der Ebene der globalen Zusammenhänge der Kriegsführung vermutet bzw. zugeschrieben.
Naja, ganz ehrlich. Die Kriegführung der Westallierten basierte darauf das die Rote Armee das deutsche Heer / Luftwaffe abnutzt während sie dann später landen werden wenn die Situation durch eben diese Abnutzung leichter ist.
Die Westallierten "Grand Strategie" war nicht weniger grottenschlecht wie die Deutsche wenn man die wachsende Kräfteüberlegenheit und den Informationsvorsprung (Ultra) miteinrechnet.
 
Das ist wohl aus der Guderian-Biographie und demnach assistierten sich Himmler und Hitler gegenseitig: das sei der größte Bluff seit Dschingis Khan. Die Truppenmassierungen in den 3 Weichselbrückenköpfen wurden klar gemeldet, allerdings wohl nicht für möglich gehalten (so in den Lagebespprechungen vom 9. und 10.1.1945, 3 Tage vor Beginn der Weichseloffensive)

Mir hat mal ein Zeitzeuge erzählt, seine Einheit hätte im Dezember 44 Januar 45 Funkaufklärung gegen den Baranow-Brückenkopf gemacht.
Sie hätten bis zu 30.000 Bewegungen je Tag zweifelsfrei festgestellt.
Es wäre kein Schuss dagegen gefallen, keine Bombe geschmissen worden.
Damit wäre dann dem Dümmsten klar geworden, dass der "Ofen aus" war.

Eine Armee die klar erkannte Bereitstellungen dieses immensen Ausmaßes mangels überhaupt allem nicht mehr bekämpfen kann.
 
Eine Armee die klar erkannte Bereitstellungen dieses immensen Ausmaßes mangels überhaupt allem nicht mehr bekämpfen kann.

Oben ist die fehlende Wahrnehmung von Realitäten angemerkt worden. Einige Tage vor der Offensive sind Hitler die Artilleriekonzentrationen mit 150 Geschützen pro Kilometer gemeldet worden.

Das war die Realität, sogar noch zu gering.

Hitler rechnete in der Lagebesprechung - hier wird es abenteuerlich - seinen Zuhörern vor, dass dieses nicht sein könne. Der Beweis läge darin, dass dann auf 10 km ja 1500 Geschütze vorhanden sein bzw. auf 1000 km 150.000. Das sei völlig unmöglich, da "die Rote Armee nicht nur aus Artillerie besteht".

Keiner seiner Zuhörer wagte, die absurde Hochrechnung zu unterbrechen und auf Konzentrationen in Durchbruchsabschnitten zu verweisen (Lagebesprechungen, nmE 9.1.45 oder etwas früher).

Am Rande: die deutschen Panzerverluste der Westoffensive (den Verbänden waren allein vom 15.12.44 bis 5.1.45 zusammen 747 Panzer aus der Produktion zugeführt worden, Verbände voll aufgefüllt, etwa 3/4 einer Monatsproduktion) waren erheblich; auf dem Rückzug ging viel Material der 5. und 6. Panzerarmee verloren. Der Nachschubbedarf für Ersatz "West" am 5.1.45 betrug dennoch weitere 646 Stück.
 
In Erweiterung zu Nr. 14 einige, nmA, haarsträubende strategische Fehler der Westallierten (GB / USA, die Sowjetunion ist ein eigenes Thema).
1.) Abbruch der Op. Compass und Verlegung einiger der kampfstärksten Einheiten nach Griechenland (wo sie dann praktisch zerschlagen wurden). Im Grunde war ein doppelter Fehler denn
a.) wäre die Einnahme von Tripolis zu diesem Zeitpunkt nur eine Frage von Zeit (kurzer...) gewesen und Italien aus Nordafrika vertrieben, das Mittelmeer für britischen Schiffsverkehr zuverlässig geöffnet und die Versorgung von Malta gesichert gewesen. Mit politischer und militärischer Ausstrahlung bis zum Dezember 41.

b.) erst das Auftauchen britischer Verbänden in Griechenland hat den deutschen Balkanfeldzug möglich und nötig gemacht.

2.) Bei der Op. Torch wäre es möglich gewesen auch in Tunesien zu landen. Das hätte bedeutet das die Panzerarmee Afrika von seinen rückwärtigen Verbindungen abgeschnitten gewesen wäre. Eine bedeutende Verkürzung der Kämpfe in NA wäre die Folge gewesen.

3.) Während die Landung auf Sizilien noch der strat. Diversion und der Öffnung der Sizilienstraße diente war die nachfolgende Landung in Italien und der dortige Feldzug vollkommen unsinnig. Es hätte andere bessere Landungsmöglichkeiten gegeben. Das hab ich schon einmal hier
http://www.geschichtsforum.de/486340-post15.html
dargestellt.

4.) Landung in Frankreich erst 1944
5.) breiter Vormarsch durch Frankreich
6.) Market Garden

7.) auch die Landung auf Guadalcanal ist nmA strategisch durchaus fraglich.
 
Zuletzt bearbeitet:
2.) Bei der Op. Torch wäre es möglich gewesen auch in Tunesien zu landen. Das hätte bedeutet das die Panzerarmee Afrika von seinen rückwärtigen Verbindungen abgeschnitten gewesen wäre. Eine bedeutende Verkürzung der Kämpfe in NA wäre die Folge gewesen.

Na ich weiß nicht.
Was die dann im Frühjahr 43 in Tunesien eingesackt haben, war doch noch mehr als in Stalingrad.
Denen ist der Gröfaz mitsammt dem Duce in die Falle gelaufen wie 2 Schulerbuben:rofl:
 
@thanepower
Was nützt eine angebliche (?) globale strategische Sichtweise wenn nicht einmal im Ansatz die Mittel vorhanden sind um den Krieg gegen die SU zu entscheiden?

Naja, ganz ehrlich. Die Kriegführung der Westallierten basierte darauf das die Rote Armee das deutsche Heer / Luftwaffe abnutzt während sie dann später landen werden wenn die Situation durch eben diese Abnutzung leichter ist.
Die Westallierten "Grand Strategie" war nicht weniger grottenschlecht wie die Deutsche wenn man die wachsende Kräfteüberlegenheit und den Informationsvorsprung (Ultra) miteinrechnet.

"Man lernt an seinen Aufgaben" und dieses Aufgaben unterschieden sich für die beiden Seiten. In der Darstellung der beiden Generalstäbe hatte ich versucht, die mir bekannten Urteile über die Stärken und die Schwächen der beiden militärischen Leitungsgremien aufzuzeigen.

Beide hatten unterschiedliche Aufgabenprofile. Die angloamerikaner waren eher die Manager in der ihnen zugedachten Rolle, während die deutschen eher die Pragmatiker der Kriegsführung waren.

Es wäre natürlich interessant, Dein Urteil über die Stärken und die Schwächen zu erfahren.

Die Aussagen über die Grand Strategie bezogen sich dann auch stärker auf die Bestimmung von Zielen und die Koordination der Ressourcen.

Trotz der unterschiedlichen Auffassung in einer Reihe von politischen Fragen, hatte man sich auf der praktischen Seite auf eine bemerkenswerte Arbeitsteilung im ökonomischen und im militärischen Bereich geeinigt.

Auf dieser Seite sehe ich eher den Erfolg der Grand Strategie. Eine Leistung, die die Achse in dieser Form nicht geleistet hat.

Aber auch in der Schwerpunktbildung und der realistischen Beurteilung der eigenen - zunächst begrenzten militärischen - Möglichkeiten (1942 und 1943) und dem Timing und der Dislozierung der angloamerikanischen Streitmacht sehe ich persönlich durchaus einen Erfolg.

Dass es im Einzelfall zu Fehlentscheidung gekommen sein kann auf der Ebene einzelner "Theater" kann schon richtig sein. Eine Glorifizierung der Angloamerikaner liegt mir fern!

Wir kennen retrospektiv in einem deutlich breiteren Maße die relevanten Fakten und somit ist es sicherlich auch einfacher die Fehler zu benennen.

@muheijo: zur Zweiten Front siehe beispielsweise auch:

http://books.google.de/books?id=1ldhPwAACAAJ&dq=Second%20Front%20Now--1943&source=gbs_book_other_versions
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben