1944: Rote Armee und Wehrmacht während des Warschauer Aufstands

Ganz richtig. bb hat außerdem auf die Sandkastenstrategen verwiesen.

Man kann nahezu jede große sowjetische Offensivhandlung 1943/45 auf Kulminationspunkte untersuchen, so auch den "Ausläufer" von "Bagration" im Juni/Juli 1944. Operationen, die sich um mehr als 300 km von der Ausgangslage entfernt haben, laufen allein wegen der logistischen Schwierigkeiten (Transportlage) aus.

Zwei Aspekte zu der Schwerpunktbildung:

1. Die sowjetischen Weichselbrückenköpfe 1944 waren äußerst heftig umkämpft und mußten gegen Angriffe der Wehrmacht gehalten werden, die diese Brückenköpfe als große Bedrohung für kommende Offensiven der Roten Armee einzudrücken versuchte. Die Spitzen der Roten Armee vor Warschau wurden zudem teilweise zerschlagen.


Es ist der Wehrmacht ja sogar gelungen, die vorgestoßenen sowjetischen Panzerverbände zu stoppen, in dem sie diese u.a. mit einem Zangengriff auf Okuniew das III.Panzerkorp der Roten Armee abgeschnitten war.. Dadurch ist es der Wehrmacht gelungen, die Lücke zwischen der 2. und 9.Armee zu schließen. Das ganze Unternehmen ging als Panzerschlacht von Warschau in die Geschichte ein und fand am 01.August 44, just am Tage des Beginn des Warschauer Aufstandes statt. Die Verluste der Sowjets ware beträchtlich, denn von 810 Panzern und Sturmgeschützen der 2.sowjetischen Panzerarmee verfügte diese am 04.August nur noch über 263.

Es ist noch erwähneswert, das gerade die oben erwähnte 2.Panzerarmee der Roten Armee bereits am 27.Juli 44 Warschau ins Visier genommen hatte und mit Vollgas loslegte. Kurze Zeit später begann dann die oben erwähnten Abwehrmaßnahmen von Model zu greifen.
 
Kurze Zeit später begann dann die oben erwähnten Abwehrmaßnahmen von Model zu greifen.

Wobei der Oberdefensivstratege die Masse der Panzertruppen, die hinter den Heeresgruppen Nord- und Südukraine standen, abgezogen hatte, um das "Heeresgruppenloch" zu stopfen.

Dem Sieg in der Panzerschlacht vor Warschau folgte der Abfall Rumäniens und die Vernichtung der Masse der deutschen 6. und 8. Armee vor Brody und an Pruth/Dnjestr. Die Rote Armee besetzte das von der Achse abgefallene Rumänien und drang bis Belgrad vor. Der gesamte Süden (Heeresgruppe E) Jugoslawien/Griechenland wurde von der Wehrmacht geräumt. Die Wehrmachts-Verluste im Süden dürften ca. 400.000 Mann in 6 Wochen erreicht haben.
 
Von Vojtech Mastny (Russia`s Road to the Cold War, 1979, S. 183ff) wird folgende Interpretation der Vorgänge vorgenommen.

Am 22.July 1944 installierte Stalin das Lublin Committe und etablierte

Lubliner Komitee ? Wikipedia

im scharfen politischen Gegensatz zur polnischen Exilregierung eine sozialistische Gegenregierung. Zu diesem eitpunkt bestand zwischen Stalin und der Exilregierung in London, seit der Audeckung des Verbrechechens in Katyn, keine Beziehung mehr.

Polnische Exilregierung ? Wikipedia

Vor dem Hintergrund dieses ungeklärten Zustandes wurde von den antikommunistischen Kräften um General Bor-Komorowski am 1. August der Warschauer Aufstand initiert.

Das politische Kalkül der Aufständischen lief darauf hinaus, dass im Falle des Erfolges und der damit zusammenhängenden Etablierung der Exilregierung im befreiten Polen bzw. in Warschau, Stalin diesen Status quo akzeptieren würde.

Im Falle eines Konflikts mit Stalin hoffte man auf eine deutliche Unterstützung durch die Westalliierten. Das Kalkül von Bor-Kom. hatte dabei durchaus einen rationalen Kern, da er bis zur Etablierung des Lubliner Komitees davon ausgehen konnte, dass sich Stalin noch nicht festgelegt hätte.

Dabei besteht zwischen der Planung für den Aufstand und der Gründung des Komitees kein kausaler Zusammenhang, obwohl beides synchron ablief, so die Quellenlage.

Der Aufstand war für Stalin sowohl eine Überraschung wie auch eine unangenehme Situation. Von Rokossovski, der die Armee in direkter Nähe zu Warschau kommandierte kam dabei die Zusicherung, dass man ab dem 25.August den Vormarsch hätte wieder aufnehmen können, wie Offiziere aus dem Umfeld von Roko. bestätigten (es erfolgt keine Quellenangabe hier bei Mastny!).

In der Note von Stalin an Churchill, in der er die Aufständischen als eine "Handvoll von machtgierigen Kriminellen" bezeichnet hatte, kommt dann auch seine deutliche Distanz zum Warschauer Aufstand deutlich zum Ausdruck.

Und erklärt unter anderem auch die Weigerung ab dem 15. 08. 44 Flugplätze für Versorgungsgüter zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt kann man an der Gründung des Komitees bereits erkennen, dass Stalin seinen zukünftigen "Sicherheitsgürtel" mit entsprechenden politisch genehmen Regierungen auszustatten gedachte und im Vorfeld von Yalta Fakten schaffen wollte.

Die restlichen Vermutungen des polnischen "Professors" würde ich persönlich als politische Phantasterei, zumindest für die Endphase des WW2, bezeichnen, die durch Fakten schwer zu erhärten wären.
 
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Man muss eines berücksichtigen: Selbst wenn die Rote Armee es gewollt hätte, sie konnte es zu dem Zeitpunkt nicht. Nach dem schnellen Vorstoß an die Weichsel fehlte es an allem. Dezimierte Fronttruppen, zerstörte Logistik im Hinterland...
Die Idee, sie hätten locker nach Berlin und bis an den Atlantik marschieren können, stammt von Autoatlas-Strategen.
Der Meinung bin ich auch. Die Sowjetischen Streitkräfte mussten ersteinmal ihre Verluste ersetzen. Wenn man die Bilder vieler sowjetischen Infanteristen sieht, die in der Schlacht um Berlin teilnahmen, fällt auf dass sie für sowjetische Verhältnisse oft wenige Auszeichnungen tragen. Sehr viele hatten bis dahin überwiegend an keinen Kämpfen teilgenommen und waren relativ frisch eingezogenen Neulinge , auf die man auf Grund der vorhergegangenen Verluste zurückgreiffen musste.
 
Von Rokossovski, der die Armee in direkter Nähe zu Warschau kommandierte kam dabei die Zusicherung, dass man ab dem 25.August den Vormarsch hätte wieder aufnehmen können, wie Offiziere aus dem Umfeld von Roko. bestätigten (es erfolgt keine Quellenangabe hier bei Mastny!).

Das ist doch eine handfeste Angabe, die man anhand der militärischen Fakten prüfen kann.

Dieser Aussage zu den Kämpfen im "Nassen Dreieck" entgegenstehend:

a) das Abschneiden der sowjetischen Offensivspitze und die Bindung der 1. Weißrussischen Front unter Rokossowski im Magnuszew-Brückenkopf, gegen den ab dem 8.8.44 der deutsche Gegenangriff lief
http://i11.tinypic.com/4grupoz.jpg
http://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Radzymin_(1944)
b) Operation Doppelkopf - Wikipedia, the free encyclopedia
c) die Bindung bei der HG Nordukraine
Lvov?Sandomierz Offensive - Wikipedia, the free encyclopedia
d) die laufende Operation Jassy-Kischinew der drei Ukrainischen Fronten der Roten Armee
Operation Jassy-Kischinew ? Wikipedia

Die entscheidende Frage zu der optimistischen Aussage R. wäre also: Welchen Zustand wies demnach die 1. Weißrussische Front Mitte August 1944 auf, welche Zuführungen erhielt sie zum Ausgleich der Verluste angesichts der übrigen gebundenen Kräfte?
 
Goebbels beschrieb in seine Tagebüchern die Sowjets würden sofort "Alles ins Schaufenster stellen". Ein befreiter Zwangsarbeiter wurde sofort ein Infanterist.
 
Zum Zustand der 1. Weißrussischen Front / 1. Byelorussian Front zwei Quellen:

1. Shukman: Stalins Generals, S. 191, geht von 130.000 Verlusten während der Weissrussischen Operation bis Anfang August 1944.

Die Darstellung durch die Autobiographie von Roko. und die kritische Würdigung durch Woff (Shukman, ebd, S. 177) ergeben ein sehr ambivalentes Bild der Fähigkeit, Warschau Ende August zu befreien. Und relativieren die Einschätzung durch Mastny.

2. Für die gesamte Front benennt Krivosheev (Soviet Casualties an Combat Losses, S. 145) 178.507 total Verluste (23.Juni bis 29.August).

Alleine für die 1. Weissrussische Front, die eine numerische Stärke in diesem Zeitraum von 1.071.100 aufwies, ergeben sich ca. 65.000 Tote und insgesamt ein Abgang von ca. 280.000 Soldaten. Somit eine Reduzierung um ca. ein Drittel der Ausgangsstärke.

Bleibt die Frage des Umfangs und der Geschwindigkeit der Neuzugänge und die Frage der deutschen Kräfte.
 
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Die deutschen Kräfte bestanden im Wesentlichen aus der im Aufstellung begriffenen 9.Armee und der 2.Armee. Am 01.August traf in Warschau die Fallschirm-Panzerdivision Hermann Göring ein. Zum Angriff gegen die Rote Armee traten die 19.Panzerdivision, Fallschirm-Panzerdivision Hermann Göring, 4.Panzerdivision und die SS Panzerdivision Wiking an. Deren Kräftebestand sah so aus:

19.Panzerdivision: 26 Panzer IV, 26 Panzer V, 18 leichte Panzerjäger;

Fallschirm-Panzerdivision Herman Göring: 35 Panzer IV, 5Panzer V, 23 Panzerjäger IV;

SS Panzerdivision Wiking: 8 Panzer IV, 45 Panzer V, 13 Sturmgeschütze;

4.Panzerdivision: 40 Panzer IV, 38 Panzer V.

Quelle; DRZW Bd.8, S570 ff
 
Zum Angriff gegen die Rote Armee traten die 19.Panzerdivision, Fallschirm-Panzerdivision Hermann Göring, 4.Panzerdivision und die SS Panzerdivision Wiking an.

Nur eine Ergänzung: gegen die 2. Panzerarmee (Radzymin), zusätzlich: es trafen laufend Verstärkungen ein, so die aufgefüllte SS-Panzerdivision "Totenkopf".

Weitere Kämpfe tobten um den Magnuzew-Brückenkopf, in dem sich rd. 2 Dutzend Divisionen der Roten Armee versammelten.
 
Von Nebolsin ist jetzt der 2. Band von "Stalin's Favorite: Combat History of the 2th Guards Tank Army from Kursk to Berlin" erschienen.

Der Band enthält die detaillierten Schilderungen des Schlachtverlaufes von ostwärts Praga aus sowjetischer Sicht, der sowjet. 2. Panzerarmee, die vollständig frisch aufgefüllt* ab dem 18.7.1944 neu in die Weichseloperation geführt wurde und ab Ende Juli die Zielstellung hatte, Praga einzunehmen.

*36.000 Mann, 807 Panzer und Sfl (darunter 470 T-34, 140 Sherman, 42 JS-2, 63 SU-85, 21 M-10)
 
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