2 Fragen zur Reformation

Dieses Thema im Forum "Zeitalter der Glaubensspaltung (1517 - 1648)" wurde erstellt von Gitbozz, 9. April 2014.

  1. Gitbozz

    Gitbozz Neues Mitglied

    Hallo Leute,
    ich arbeite gerade an meiner Geschichtspräsentation. Ich hätte nur zwei kurze Fragen:

    1. Warum herrschte überhaupt Reformbedarf? - Ich weiß zwar von den Ablassbriefen, habe aber auch davon gelesen, dass es auch andere Gründe gab, welche nicht unbedingt religiöser Natur waren.

    2. Wie sah der allgemein christliche Glauben zu Beginn der Neuzeit aus.? - Mir ist bekannt, dass der Alltag der Menschen hauptsächlich durch die Religion bestimmt waren. Aber das ist auch alles was ich diesbezüglich weiß.

    Danke im Voraus
    Gitbozz :winke:
     
  2. buschhons

    buschhons Aktives Mitglied

    Ein paar Hinweise zum innerkirchlichen Reformbedarf:

    - das Ablasswesen hast Du schon genannt (dass sich Luther anfänglich vornehmlich hiergegen wandte, ersiehst Du aus seinen 95 Thesen, z. B. hier: www.luther.de: 95 Thesen)

    - "Zucht" und "Keuschheit" einiger Kleriker u. Ordensleute hatte in der Renaissance stellenweise sehr gelitten. Am berühmt berüchtigsten sind die Renaissance-Päpste mit ihren Geliebten und Kindern. Das waren deutliche kirchliche Missstände.

    - kirchliche Würdenträger waren oft zugleich weltliche Würdenträger. Mancher Bischof hatte sich sein Amt erkauft und strebte nach weiterer weltlicher Bereicherung.

    - Luther & Co. wollten den Glauben vom "kirchlichen Beiwerk" (katholischen Zeremonien, Dogmen, Papst usw.) befreien und neu nach dem Wort Gottes, nach der Bibel ausrichten. Dafür war es in ihren Augen wertvoll, dass jeder Zugang zur Bibel in seiner Sprache hatte (Bibelübersetzungen, anstatt die lateinische Vulgata) und Predigten konsequent in Landessprache gehalten wurden usw.

    - Stichwort Rechtfertigungslehre! Der Streit darum entsprang zwar keinem wirklich akuten Reformbedarf, aber die Rechtfertigung des Christen vor Gott allein aus Glauben wurde schnell zum großen Thema der Reformatoren.

    Das sind nur mal ein paar Stichworte. Kenne mich mit der Zeit auch nicht so aus, aber da kann man sich bestimmt auch im Internet bestens einlesen.
    Vielleicht kennt ja jemand anders einen guten Link für Gitbozz?

    Die Gründe für Luther und die anderen Reformatoren dürften schon vorwiegend religiöser Natur gewesen sein. Aber manche deutschen adeligen Landesfürsten sprangen gerne auf den Zug der Kritik der Reformatoren auf, um ihre politische Unabhängigkeit gegenüber dem katholischen Kaiser usw. ausbauen zu können.



    Das ist in meinen Augen ne knifflige Frage. Denn der christliche Glaube zu Beginn der Neuzeit sah in seinen Kernpunkten und in der Lehre nicht wirklich anders aus als der heutige christliche Glaube.:grübel:
     
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  3. Anthropos

    Anthropos Neues Mitglied

    Ich habe mich einmal ausführlich mit der Reformation in meiner Heimatsstadt befasst, und daher auch allgemein mit der Zeit der Reformation in Deutschland.
    Es gab unzählige Missstände, wie zum Beispiel, dass die zuständigen Pfarrer viele "niedere" Arbeiten (seelsorgerliche vorallem) durch unterbezahlte Hilfskräfte durchführen ließen. Die Menschen waren zu der Zeit sehr gläubig und wollten ihr Seelenheil erlangen, deshalb auch der Erfolg des Ablasses, jedoch entfremdeten sie sich von den "Zuständigen vor Ort", sowie dem Papst, der im fernen Rom einen riesigen Palast bauen ließ. Es war die Zeit der neuen Entdeckungen (Amerika, Buchdruck,...) und die Menschen waren neuem gegenüber nicht verschlossen. So hatten Reformatoren, die "für das Volk" kämpften Erfolg. Sie waren für "den kleinen Mann" da und fanden so Rückhalt in der Bevölkerung.
     
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  4. Carsten

    Carsten Neues Mitglied

    Ich denke man kann die politische und gesellschaftliche Lage zu der Zeit nicht von Religion trennen. Vermutlich hat es immer wieder auch vor den reformatoren ja Personen aus Krichenkreisen gegeben die eine andere Vorstellung von Kirche hatten. Die sind nur erfolglos geblieben. Luther hatte das Glück in Deutschland es mit Kleinstaaten zu tun zu haben, die nach wegen der Unabhängigkeit vom Klerus und dem Kaiser suchten und ihn aus politischen Motiven unterstützten. Hinzu kam, das es einen gestiegenen Alphabetismus gab und mit der Druckpresse ein Massenmedium entstanden war. Luther hat ja, wie der Begriff Reformation andeutet keine neue Kirche gewollt sondern eine Anpassung der alten. Viele seiner politischen Gefolgsleute haben aber wohl eher zweiteres gewollt und auch bekommen.
     
  5. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    buschhons hat die wesentliche Punkte oben schon aufgelistet. Aus schriftlichen und bildlichen Quellen lässt sich erschließen, dass sich seit dem 14. Jh. die Kritik am Zustand der Kirche häufte:

    * Man klagte über mangelhafte Ausbildung der Pfarrer. Nur wenige hatten ein Theologiestudium absolviert und viele vernachlässigten ihre geistlichen Aufgaben.

    * Ferner bot die Lebensführung der Geistlichen Anlass zur Kritik. Manche Priester führten ein ausschweifendes Leben, in vielen Klöstern ließ die Ordnung zu wünschen übrig; Päpste, Bischöfe und Äbte führten oft einen luxuriösen Lebensstil.

    * Ärger erregte der hohe Geldbedarf der Kirche. In diesem Zusammenhang stand der Ablass für den Neubau der Peterskirche in Rom in der Kritik, ganz davon abgesehen, dass der Ablasshandel eine sprudelnde Geldquelle für die Kirche war.

    Besonders ins Gewicht fällt, dass die Kirche den von Sündenangst gepeinigten Menschen wenig half, sodass sie eigene religiöse Anstrengungen für ihr Seelenheil machten. Wallfahrten, Altarstiftungen, Stiftungen für Arme und Kranke. Die Volksfrömmigkeit zeigte ihre bedenklichen Seiten, denn der Glaube an Hexen, Dämonen und Geister war weit verbreitet, Volksprediger zogen durch das Land, Kryptoflagellanten trieben ihr Unwesen. All dem steuerte die Kirche nicht.

    Enttäuscht von der Kirche wandten sich daher viele Leute Martin Luther zu, als dieser Kirche und Papst heftig kritisierte.

    Dass später bei der Säkularisierung kirchlichen Eigentums - Klöster, Abteien, ganze Hochstifte - die protestantischen Landesfürsten einen kräftigen Schnitt machten, steht auf einem anderen Blatt. Den fürstlichen Schatullen kam die Reformation sehr zugute.
     
  6. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Zur höheren Alphabetisierung: Sicher, die war höher. Ob das allerdings ein Grund für die Reformation war, sei dahingestellt. Schließlich wurden die Archive nicht umsonst geplündert in dieser Zeit. Sie wurden geplündert, um Besitzurkunden zu vernichten. Und deshalb wurden ganze Archive im 16. Jahrhundert auf die Felder getragen und vernichtet. Bei einer höheren Alphabetisierungsrate wäre das nicht unbedingt notwendig gewesen. Hier wird man allerdings wiederum einwenden müssen, dass dies hauptsächlich im Zuge des Bauernkrieges war und es fraglich ist, inwieweit denn die Bauern auch Träger der Reformation waren.

    Zur Rolle der Klöster: Dass die Ordnung in den Klöstern zu wünschen übrig ließ, wird sicher wahr sein. Nicht umsonst wurden viele Ordensneugründungen deshalb gewagt, weil etwas im Argen lag. Und man findet ja im SpätMA recht viel Kritik an Klerikern und Mönchen. Allerdings sollte man auch berücksichtigen, dass die Klöster Wirtschaftsbetriebe waren. Kleriker aber waren von den Steuern befreit, Klöster nicht an die Preisfestsetzungen der Zünfte gebunden. Ergo konnten innerstädtische Klöster billiger produzieren als die handwerkliche Konkurrenz. Ist doch klar, dass das zu Konflikten führen musste.
     
  7. Parsifal

    Parsifal Gesperrt

    Daß es in der Kirche von damals gewisse Mißstände und Reformbedarf gab, wurde aber auch von vielen katholischen Gelehrten wie Johannes Eck oder Erasmus von Rotterdam gesehen. Noch zu Luthers Lebzeiten, auf dem Konzil von Trient, wurde viele Mißstände beseitigt, z.B. der Mißbrauch des Ablaßwesens. Auch die Priesterausbildung wurde erheblich verbessert.

    Luther hat allerdings eine radikal neue Lehre entwickelt, die mit den damals bekannten Mißständen in der Kirche nichts mehr zu tun hatten.
     
  8. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Es stimmt zwar, dass das Konzil von Trient noch kurz vor Luthers Tod begann, aber zu seinen Lebzeiten wurden zunächst vor allem Geschäftsordnungsfragen behandelt. Die wichtigen inhaltlichen Beschlüsse erfolgten erst in den Jahren nach seinem Tod.
     
  9. Parsifal

    Parsifal Gesperrt

    Das mag sein. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß Luther nicht der einzige war, der Mißstände in der Kirche beklagte. Diese Mißstände waren allgemein bekannt, wurden von vielen gelehrten Katholiken beklagt und wurden schließlich mit dem Konzil von Trient auch angegangen.

    Luther ging es aber eben nicht nur darum, daß bestimmte Probleme wie etwa der Mißbrauch des Ablaßwesens beseitigt werden. Luther hat eine ganz neue, eigene Glaubenslehre entwickelt, die sich in vielen Punkten fundamental von der katholischen Lehre unterschied.
     
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  10. Anthropos

    Anthropos Neues Mitglied

    Luther wollte die Kirche reformieren indem er sie auf die Bibel zurückführte, dass widersprach der katholischen Kirche in dem Sinne, dass sie sich von der Bibel entfernt hatte und ihr eigenes Süppchen kochte. Deshalb sollte man sich fragen wer eher katholisch war, Luther der zurück zur Bibel wollte oder geld- und machtgeile Männer, die andere unterdrückten, hier und da Leute verrieten, bestachen und töteten und ganz und gar nicht in christlicher Tradition handelten.
     
  11. Muspilli

    Muspilli Aktives Mitglied

    Damit gibst du eigentlich nur eine Kurzfassung der protestantischen Kritik wieder, die in der Zeit erfolgreich war, als es möglich wurde, Schriftwerke wie die Bibel machinell zu vervielfertigen.

    Wenn diese rhetorische Frage darauf abzielt, den Protestantismus als den wahren christlichen Glauben auszuweisen, verfehlst du eine historische Fragestellung, mit der Behauptung des Protestantismus als wahren Katholizismus sogar die Geschichte.
     
  12. Anthropos

    Anthropos Neues Mitglied

    Mitnichten will ich dem katholischem Glauben absprechen christlich zu sein. Meine persönlichen Vorstellungen wie man christlich handelt haben nichts mit der Diskussion zu tun. Was ich sagen wollte ist, dass der katholische Glaube die Möglichkeit hatte sich in 2 (vielleicht auch 3) grobe Richtungen weiterzuentwicklen. 1.) Den Weg, den sie eingeschlagen hatten und weiterverfolgt haben, mit ganz wenig Reformen (was zu der heutigen Situation geführt hat: 1996 wird erst die Evolutionstheorie als hypothetische Möglichkeit in Betracht gezogen, Skandale in Krankenhäusern, Luxus-Bischhofvillen, etc.). 2.) den Weg mit vielen Reformen und zurück zum Ursprung, wie Luther es vorgeschlagen hat (man könnte vielleicht sagen, ein Teil der "Basis" der katholischen Kirche ist diesen Weg gegangen und fast die ganze Obrigkeit nicht). 3.) Dann gab es auch Versuche einen Zwischenweg zu gehen, diese Entwicklung hätte vielleicht eine Spaltung verhindert und ich persönlich finde, dass diese Lösung vielleicht viele Probleme BEIDER Kirchen verhindert hätte.

    Ich gebe zu, dass mein Beitrag auch etwas neutraler hätte formuliert werden können. Nur fanden, damals viele Veränderungen statt, aus dem Mittelalter hinaus in die Aufklärung und ich bin nun mal auf der Seite des kleinen Mannes:D
     
  13. Köbis17

    Köbis17 Gesperrt

    Nur zur Info ein Blick auf die Forenregeln:

     
  14. Anthropos

    Anthropos Neues Mitglied

    Genau deshalb habe ich das doch geschrieben, dass meine persönliche Meinung hier nichts zu suchen hat, da die Regeln das verbieten und es sowieso nicht zu einer guten Diskussionskultur gehört.
     
  15. Parsifal

    Parsifal Gesperrt

    Wie gesagt, es gab damals viele katholische Gelehrte, die auch gewisse Mißstände sahen und beklagten, die von Luther kritisiert wurden. Aber im Gegensatz zu denen hat Luther dann eine radikal neue Lehre entworfen.

    Luther lehnte das Papsttum und den Großteil der katholischen Sakramente ab. Er lehnte die Heiligenverehrung und Marienverehrung ab. Er lehnte den Zölibat ab. Er lehnte die kirchliche Tradition als Quelle des Glaubens ab und ließ allein die Bibel gelten. Er lehnte die katholische Eucharistie ab. Er lehnte die katholische Liturgie ab und entwarf eine eigene Messordnung. Er lehnte den freien Willen des Menschen ab und vertrat eine Prädestinationslehre.
     
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  16. Köbis17

    Köbis17 Gesperrt

    Dein Usersymbol: Alpha und Omega zeigt ein eindeutiges Glaubensbekenntnis auf.
     
  17. Anthropos

    Anthropos Neues Mitglied

    Du siehst es als ein eindeutiges Glaubensbekenntnis, ich sehe es auch als Anfang und Ende einer Sache (das Sprichwörtliche A und O), das essentielle an einer Sache.
    Aber wenn die Moderatoren dir zustimmen, dass ich gegen die Forenregeln verstoßen würde, dann werde ich das natürlich entfernen.
     
  18. Köbis17

    Köbis17 Gesperrt

    Damit kommst Du wahrscheinlich sogar durch, aber es kommt nicht darauf an, was Du unter einem Symbol verstehst, sondern das allgemeine Verständnis spielt eine Rolle.
     
  19. Anthropos

    Anthropos Neues Mitglied

    Da ich nicht möchte, dass Missverständnisse entstehen aufgrund meines Bildes habe ich es nun geändert.
     
  20. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das meiste davon ist gar nicht so "radikal neu", wenn man nicht 1500 Jahre Geschichte des Christentums in Ost und West ausblendet.

    Die Lehre von der Siebenzahl der Sakramente kann man als römisch-katholische Neuerung des Spätmittelalters ansehen. Vor dem 2. Konzil von Lyon wurde das noch sehr flexibel gehandhabt:
    http://www.vaticarsten.de/theologie/dogmatik/allgemeine-sakramentenlehre-rs.pdf

    Und die Primatsansprüche des Papstes wurden auch im Lauf der Geschichte immer höher geschraubt. Die sah man in der östlichen Kirche auch etwas anders als in Rom...

    Den Zölibat hat Luther nicht total verworfen. Man kann es auch hier so sehen, dass der römische Katholizismus erst im Mittelalter radikale Neuerungen eingeführt hat, nämlich mit dem Pflichtzölibat für alle Priester.

    Kann man auch nicht so stehen lassen. Luther hat sehr viel von der katholischen Liturgie übernommen.
    Die römische Messordnung wurde übrigens erst 1570 für allgemein verbindlich erklärt. Lange nach Luther und als Gegenreaktion auf die Reformation.

    Luther lehnte sich hier eng an den bedeutenden Kirchenlehrer Augustinus an, den er sehr geschätzt hat. Augustinus ist 430 gestorben, so total neu war die Lehre also nicht.


    Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Luther lehnte nicht die kirchliche Tradition ab, forderte aber, die Tradition an der Bibel zu überprüfen. (Eine in der Tat problematische Neuerung, denn die Bibel selbst ist genaugenommen ein Produkt der Tradition.)
     
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