20. Jahrhundert: Diktaturen

streetb

Neues Mitglied
Im Moment beschäftige ich mich mit der Frage, wieweit sich die mobilisierte Anhängerschaft faschistischer Regimes unter den Begriff der Partei oder inwiefern unter den Begriff der Bewegung fassen lässt.

Freue mich über jede Anregung.
 
Im Moment beschäftige ich mich mit der Frage, wieweit sich die mobilisierte Anhängerschaft faschistischer Regimes unter den Begriff der Partei oder inwiefern unter den Begriff der Bewegung fassen lässt.

Freue mich über jede Anregung.

@streetb

Deiner Fragestellung entnehme ich, daß Du ziemlich tief im Thema steckst. Vllt. wäre es ratsam, das Attribut "faschistisch" durch "totalitär" zu ersetzen, es sei denn, die Aufgabenstellung wurde so gewählt.

Vllt. sollten wir uns dem Thema mittels eines virtuellen brain stormings annähern und eventuell machen ein paar Mitdiskutanten mit.

- Partei bezeichnet Qualität
- Bewegung bezeichnet Quantität
- die Partei bewegt sich von selbst, getrieben durch die ideologischen Überzeugungen der Mitglieder
- "Bewegung" muß mobilisiert werden
- "Bewegungen" sind Ableger der Partei (NS: SA, SS, NSKFK, HJ etc.; SU: Komsomolzen, Gewerkschaft etc.)
- die Partei baut um den Diktator konzentrische Kreise auf, bzw. er um sich
- die Partei hat nicht nur die formelle Herschaft, sondern sie herrscht auch informell im Machtgefüge
- "Bewegungen" haben keinen Einfluß auf die Machtausübung, sondern höchstens Teilhabe
- die Partei ersetzt staatliche bzw. subsumiert selbige Machtorgane, formell aber insbesondere informell, "Bewegungen" auch hier nur teilweise
- in den "Bewegungen" befinden sich "Mitläufer", deren ideologische Zuverlässigkeit nicht per se gegeben ist

Wäre so mein Anfang.


M. :winke:
-
 
Danke für den Beitrag.

Hier zunächst meine Ergebnisse in Bezug auf die Definition der Begriffe Bewegung bzw. Partei:




  • Bewegungen
    • Zusammenschlüsse außerhalb des parlamentarischen Betriebs
      • Bewegungen streben keine politischen Mandate an
      • Sie sprechen den politischen Raum durch öffentlichkeitswirksame Aktionen an
        • Symbolische Handlungen
        • Protest
    • Organisationsgrad
      • meist gar nicht oder nur lose organisiert → geringe Stabilität über die Zeit hinweg (Weiterentwicklung zur Partei oder Auflösung)
    • Themenbezogenheit
      • Auf konkrete Themen & Anlässe ausgerichtet (verschwindet das Thema, verschwindet auch die Existenzgrundlage der Bewegung)
  • Partei
    • Zusammenschlüsse mit einer spezifischen politischen Programmatik
    • Funktionen
      • Interessenartikulation und -aggregation
      • politische Sozialisation und Mobilisierung der StaatsbürgerInnen
      • Rekrutierung politischer Eliten
    • Unterschiedliche Organisationsformen
      • Mitglieder vs. Wählerpartei
        • Letztere weisen nur eine gering entwickelte Organisation auf
        • anlässlich von Wahlen werden existierende persönliche Netzwerke intensiviert
      • Mehrstufiger Aufbau (indirekte Organisationsstruktur)
        • die Partei stützt sich in diesem Fall auf Vereine und Verbände
        • individuelle Mitgliedschaft ist unbedeutend, Loyalität schwach ausgeprägt
Hoffe das hilft etwas weiter.
 
- in den "Bewegungen" befinden sich "Mitläufer", deren ideologische Zuverlässigkeit nicht per se gegeben ist-

Also brainstorming:

Man könnte die feste, formelle, tiefengegliederte Organisationsstruktur der Partei, ggf. auch mit greifbaren Flügelstrukturen, gegenüber eher informellen, auch volatilen und zT "zufälligen" Strukturen einer Bewegung herausheben.

Aber ich sehe gerade, es gibt eine weitergehende Erläuterung. :winke:

Beides könnte möglicherweise auch kombiniert werden: faschistische Partei als Kristallisationspunkt einer totalitär eingestellten Anhängerschaft.

Ein Problem sehe ich in der Zuordnung derselben: die Motive der Unterstützung bei der Anhängerschaft können vielfältig sein und nur teilweise mit denen der Partei deckungsgleich, bzw. nur mit bestimmten Zielen (siehe unten, Stichwort Loyalität). Bei Anschluß an eine Bewegung würde ich eine höhere Übereinstimmung mit den "Zielen" einer solchen Bewegung vermuten.
 
@streetb

Machen wir mal weiter, um es eher zur Geschichte zu bringen und weg von der Politikwissenschaft:

- "Führerprinzip"
- "demokratischer Zentralismus"
- "Gleichschaltung"
- "Einheit von Partei und Staat"
- Partei vs. Massenorganisation
- Militarisierung
- Elite <=> Partei, Avantgarde
- Frage: Waren Parteien in vortotalitären Staatsstrukturen "Wählerparteien", Antwort : nein, sondern "Kaderparteien"
- Besetzung von Parteiposten: "von oben nach unten" oder von "unten nach oben"?
- Konnten sich "Bewegungen" von der Partei absentieren und wie weit (z.B.: die "SS")
- "Durchdringung" der Gesellschaft durch die Partei, oder "Durchdringung durch "Bewegungen"
- gab es neben der Partei und den "Bewegungen" andere Machtzentren (Monarchie, Militär, Klerus [z.B.: Italien oder Spanien oder Portugal])

M. :winke:
 
Eine interessante Frage.

Also ich würde eine Bewegung immer als etwas übergreifendes betrachten - also z. B.:
- überparteilich --> z. B. durch Beeinflussung/Lenkung mehrerer Parteien durch ein und dieselbe Ideologie oder durch ideologische Beeinflussung der Gesellschaft über Parteigrenzen hinaus z. B. auf Gewerkschaften und andere Verbände/Organisationen oder - im Extremfall - den Staat (hierbei entsteht oft ein autoritärer/totalitärer Staat)
- oder ggf. auch international --> z. B. durch Ausbreitung einer Ideologie/Weltanschauung auf mehrere Länder

Ich denke auch, eine Bewegung muß nicht immer totalitäre Ziele haben. So würde ich z. B. auch die Parteien der Sozialdemokraten/Sozialisten, Liberalen, Grünen und Christdemokraten der EU-Staaten durchaus auch als politische Bewegungen ansehen.
Aber eben auch Kommunisten und Faschisten.

Demgegenüber ist eine Partei eine durch eine feste Mitgliedschaft eingegrenzte politische Organisation, die ihre Ziele durch gesellschaftliches und politisches Engagement durchzusetzen versucht.
 
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