21 Forderungen Japans an China

silesia

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Der europäische Kriegsausbruch verschaffte Japan eine lang erhoffte günstige Ausgangslage für die Machtverteilung in Fernost, genannt "Chinesische Frage".

Nur wenige Stunden nach Kriegsausbruch sandte Tokio eine diplomatische Note an London, um wegen der bestehenden Allianz den Beistand im Krieg anzubieten. Die Londoner Anwort war enttäuschend, und beinhaltete wenig mehr als die Sicherung von ein paar Schifffahrtslinien.

Tokio ging nun zügig den nächsten Schritt an: das Ultimatum für das Deutsche Reich und den Angriff auf Kiautschou. Nachdem Tsingtau im November 1914 kapitulierte, verlor man wiederum wenig Zeit (unklar war, wie lange der Krieg die Europäischen Großmächte und mit welchem Ergebnis binden würde): man präsentierte China die 21 Forderungen am 18.1.1915:
Einundzwanzig Forderungen ? Wikipedia
Twenty-One Demands - Wikipedia, the free encyclopedia
Der Inhalt dieser Forderungen bestand vereinfacht in der japanischen Kontrolle großer chinesischer, mandschurischer und mongolischer Gebiete, dazu eine ausladende militärische und wirtschaftliche Dominanz Japans. Die Annahme war als Meilenstein in der japanischen Strategie zu werten, China zu beherrschen.


Die japanischen Forderungen sorgten speziell in den USA, hier auch unter dem Aspekt der Gefährdung von Handelsbeziehungen, für eine Welle der Empörung. Interessant ist dabei, dass vor dem Hintergrund des europäischen Krieges ein direkter Vergleich mit dem Ultimatum Ö-U an Serbien gezogen wurde, was die Aggression in dem für Japan günstigsten Zeitpunkt anging.

Die japanischen 21 Forderungen, die weitgreifende territoriale Ansprüche einschlossen, können als der Startpunkt für die unmittelbare amerikanisch-japanische Konfrontation 1915/1941 gewertet werden, die schließlich in der direkten militärischen Konfrontation mündete.


Gibt es genaue Beschreibungen der amerikanischen Interessen in China 1914 - ökonomisch, militärisch?
Gibt es Belege dafür, dass sich Japan unter Zeitdruck sah, den Europäischen Krieg 1915 auszunutzen?
Wie sahen die britischen Reaktionen vor 1917 aus, als man in schwieriger europäischer Kriegslage das Abkommen anerkannte?
Wie sah die russische Reaktion aus?
 
Gibt es genaue Beschreibungen der amerikanischen Interessen in China 1914 - ökonomisch, militärisch?
Gibt es Belege dafür, dass sich Japan unter Zeitdruck sah, den Europäischen Krieg 1915 auszunutzen?
Wie sahen die britischen Reaktionen vor 1917 aus, als man in schwieriger europäischer Kriegslage das Abkommen anerkannte?
Wie sah die russische Reaktion aus?

Einen Überblick gibt z. B. China diplomacy, 1914-1918 - Google Bcher

Zur ersten Frage habe ich bislang keine "genauen Beschreibungen" gesehen. Die beiden Interventionen der USA vom 13. und 30.03.1915 gegen die "21 Punkte" (vgl. Wilson and China: a revised history ... - Google Bcher, S. 16) sind sehr allgemein gehalten. Willst Du auf einen speziellen Punkt hinaus?:winke:
 
Willst Du auf einen speziellen Punkt hinaus?:winke:

Eigentlich auf den Inhalt und die amerikanische Vorstellung der "open door" für China. :winke:

Bei Durchsicht der Monita fallen mehrere Ansätze ins Auge (schon ab dem ersten diplomatischen Telegramm (Anfang Februar 1915?), in dem Japan um "Aufklärung" gebeten wird)

- ein Ansatz sind tatsächlich die Handelsinteressen. Hier dürfte es um den chinesischen Markt und die Ex- und Importanteile von US-Unternehmen gehen. Soweit ich das verstehe, dehnte man die Problematisierung aber auch auf die Mandschurei aus.

- ein anderer Ansatz ist politischer Natur. Den USA war die Fesselung Großbritanniens bekannt; und somit die günstige Lage für japanische Aktionen. Intern wurde die Gefahr gesehen, dass durch diesen japanischen Vorstoss die politische Integrität Chinas zerstört werden würde. Politisch liegt das auf der Linie des Sendungsbewußtsein, wie es Grew für die Diplomatie der USA seit 1900 beschrieben hat.

- ein militärischer Ansatz: gerichtet gegen eine zementierte japanische Hegemonialstellung, sofern Japan eine Einflußnahme auf große Teile Chinas gelingen würde.

Schon nach dem ersten Protest wurde auf Seiten Japans zurückgerudert: aus den "demands" wurden so erst "requests" und dann "suggestions".
 
die amerikanische Vorstellung der "open door" für China

Ich gehe die Sache mal chronologisch an und betrachte (a) die "open-door"-Doktrin vor 1914, (b) das Jahr 1915 und (c) die Zeit danach.

(a) Als sich die USA am Ende des 1. Jh. entschieden, auch außerhalb Amerikas in die Weltpolitik einzugreifen, war dies primär ökonomisch motiviert. [1]

Senator Beveridge hatte 1898 wie folgt formuliert: "Amerikanische Fabriken stellen mehr her, als die amerikanischem Menschen benötigen; amerikanischer Boden produziert mehr, als sie verbrauchen können. Das Schicksal gibt uns die Politik vor: der Welthandel muss unser sein und wird es sein."

Die China betreffende sog. "Politik der offenen Tür", 1899 erstmals von Außensekretär Hay beschrieben, richtete sich als Forderung an die anderen imperialistischen Mächte, die von ihnen beherrschten chinesischen Häfen für alle Nationen, insbesondere natürlich für die USA, offen zu halten und keinerlei Privilegien zu gewähren, welche den freien Handel einschränken könnten.

Man kann sagen: Die USA erhoben Anspruch, gestützt auf ihre ökonomische Kapazität, ein "informales Empire" zu werden; informal deshalb, weil sie auf direkte territoriale Akquisitionen verzichteten (Ausnahme: Philippinen), wie sie die anderen Mächte bis dahin in Asien und Afrika bevorzugt hatten. Dabei muss man die "open door", Asien betreffend, im Kontext sehen mit der US-Politik in Lateinamerika - dort galt seit Monroe die "closed door", d. h. das Prinzip, europäische Mächte womöglich auszuschließen.

(b) Von daher waren die USA vor dem und im Weltkrieg an der politischen Stabilität Chinas interessiert, einfach weil dieses ihren ökonomischen Interessen entsprach. Als die Chinesische Revolution zaghafte demokratische Ansätze hervorbrachte, sah Präsident Wilson (gab 1913) auch eine Chance für durchgreifendere Reformen, womöglich orientiert am amerikanischen Beispiel. (Das zitierte "Sendungsbewußtsein" passt gut hierher.)

An ein militärisches Eingreifen war freilich überhaupt nicht zu denken; die USA verweigerten sich im August 1914 bekanntlich auch Chinas Wunsch, als Garantiemacht gegenüber den Kriegführenden aufzutreten. Jetzt und und später war ausschlaggebend, dass die "open door policy" dem Wortlaut nach respektiert wurde.

Nachdem China am 07.01.1915 - erfolglos - Japan aufgefordert hatte, seine Truppen abzuziehen und die entstandenen Schäden zu regulieren, legte Japan elf Tage später jene 21 Forderungen vor. Die Reaktion der amerikanischen Politik, die man zunächst durch eine unvollständige Liste zu täuschen versucht hatte, war vergleichsweise verhalten. (Du schreibst von einer "Welle der Empörung", die aber jedenfalls nicht über den Rand der Tasse geschwappt ist.)

Die erste offizielle Note von Außensekretär Bryan vom 13.03.1915 (was im Februar lief, war informell - oder weißt Du mehr?) war deswegen ein "Erfolg", weil die Japaner ohnehin einen Maximalkatalog entworfen hatten und von vornherein bereit waren, Abstriche zu machen; letzteres half sowohl China wie den USA bei der "Gesichtswahrung".

Den harten Kern der Forderungen - Neufassung vom 26.04.1915 - setzten die Japaner durch, nachdem sie das "auf-Zeit-Spielen" der Chinesen mit Ultimatum vom 07.05. beendet hatten. Hieran änderte auch die Note der USA vom 11.05. nichts mehr, worin nochmals insbesondere das Prinzip der offenen Tür hochgehalten wurde; der japanisch-chinesische Vertrag vom 25.05. schuf jedenfalls vollendete Tatsachen.

(c) Großbritannien und Frankreich hatten zu dieser Zeit andere Sorgen, als sich einzumischen, und zwar wohl auch deswegen, weil sie sich der Unterstützung Japans nicht zu 100% sicher glaubten. Das Hauptbestreben ihrer Diplomatie richtete sich darauf, China selbst zum Kriegseintritt zu bewegen, um dadurch personelle Ressourcen zu erschließen. Bereits im Sommer 1916 wurden in den Provinz Shantung Rekrutierungslager für chinesische Arbeiter geschaffen. Nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen Chinas zu Deutschland (14.03.1917) bzw. nach Kriegseintritt fünf Monate später kamen diese Rekrutierungen auch zum Tragen: Ende 1918 arbeiteten hinter der Front in Frankreich 96.000 Chinesen! [2]

Die USA, nun selbst Kriegsteilnehmer, verstanden sich am 02.11.1917 zum Lansing-Ishii-Agreement, "einer der seltsamsten Preisgaben der amerikanischen Diplomatie" [3], in welchem ein weiteres Mal das open-door-Prinzip verbal hochgehalten, im Übrigen aber anerkannt wurde, dass Japan "infolge der territorialen Nachbarschaft [...] ein besonderes Interesse an China" habe - ein Triumpf für die Japaner, "und entsprechend groß war Chinas Bestürzung" [3]. China war zu dieser Zeit handlungsunfähig.

Die dritte und im Ergebnis folgenreichste Enttäuschung im Verhältnis China-USA kam dann im Zuge der Pariser Friedensverhandlungen - aber das ist vielleicht schon ein anderes Thema.


[1] vgl. Colonialism: an international ... - Google Books
[2] Spence, Chinas Weg in die Moderne, S. 357
[3] Tuchman, Sand gegen den Wind, S. 69; vgl. auch Kindermann, Der Ferne Osten, S. 164 ff. und Adams u. a., Die Vereinigten Staaten von Amerika, S. 276 ff.
 
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1. Zum Komplex der Empörung:

ein kleines Beispiel für die Reflexion der Presse:
SUICIDE OF WESTERN UNITY IN CHINA.; Until the European War Foreign Int... - Article Preview - The New York Times

Unter den Stichworten findet man natürlich sehr viel, hier in Auswahl der NYT. Mit der Empörung meinte ich aber insbesondere die Regierungskreise in den USA, hier den "Schock" bei Wilson. Dazu ist in den Lansing-Papers einiges zu finden, auch die Hinweise zu den Telegrammen und Politikergesprächen als unmittelbare Reaktion Jan/Feb. 1915.

Bezugnehmend hierauf ...
Kawamura, Noriko: Turbulence in the Pacific - Japanese-US-Relations during World War I, aus 2000 ...
wird ebenfalls die Erschütterung in Washingtoner Kreisen geschildert. Die "demands" werden als Wendepunkt in der Beziehung bezeichnet (obwohl natürlich auch vorher schon Roosevelt Japan zunehmend suspekt wurde, und auf militärischer Ebene Planungen für eine Konfrontation mit Japan schon einige Jahre vorher in Ansätzen begannen. Das der Vorgang (wieder intern) mit Österreich-U/Serbien 1914 verglichen wurde, ist ein weiterer deutlicher Hinweis.


Richtig ist Dein Hinweis, dass die Reaktionen daran gemessen doch recht "geschäftsmäßig" waren; dieses würde ich auf eine Lageanalyse schieben, dass zu diesem Zeitpunkt recht wenig praktischer Druck hätte angeschoben werden können - dazu ist das Bauprogramm der Navy beachtenswert. *)


2. Zum Komplex der ökonomischen Interessen:

Der ist für mich schlecht greifbar. Sehr plastisch ist Dein Hinweis auf den Gegensatz open door/closed door. Ebenso sind die Hinweise auf den Wirtschaftsimperialismus (Hawaii/Guam/Manila hatten einen starken militärischen Aspekt - Finanzen nachrangig) sehr beachtlich. Die vorhandenen Wirtschaftsbeziehungen dürften sich auch mit China recht geräuschlos, aber sehr erfolgreich in den 20 Jahren davor entwickelt haben.

Du hast frühe Äußerungen zitiert, die den ökonomischen Machtanspruch formulieren und die Durchsetzung von Marktzugängen betreffen. Ich möchte dazu ein anderes Beispiel aus Afrika bringen (mangels derzeit mir nicht greifbarer ökonomischer Daten für China), um diesen erfolgreichen Wirtschaftskurs zu belegen: in Südafrika/Kapkolonie/Transvaal schafften es die USA in 10 Jahren, bis ca 1897 hinter GB deutlich auf den zweiten Platz zu gelangen, etwa im doppelten Umfang der Handelsbeziehungen des Deutschen Reiches. Die Beispiele außerhalb der closed door lassen sich fortführen, von daher wäre die wirtschaftliche Expansion der USA in China bis 1915 sehr interessant.

3. Das Problem überlagert sich mit der japanischen Einwanderungs-Krise in Kalifornien, welches ohnehin bestand und bereits für Sorgenfalten gut war. Parallel zu den oben angesprochenen militärischen Japan-Planungen für den Pazifik wurden hierdurch Invasionsszenarien an der US-Westküste Übungsgegenstand.

zu den Bauprogrammen:
zwischen 1907 und Ende 1914 erfolgte die Kiellegung von 14 Schlachtschiffen der Dreadnought-Aera; zwischen 1915 und 1920 wurden weitere 14 Schiffe auf Kiel gelegt.
 
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Nachtrag: Ich habe noch etwas im Internet gefunden


"At any rate the vigilant islanders [=Japan] knew that the United States would do nothing more than protest and would be most reluctant to employ force in the interest of the principle of equal rights of all nations in China. So on January 18, 1915, in the absence of all rivals, Japan made the now infamous twentyone demands on China, with a view to subjugating the young Republic."
See, Chong Su: The foreign trade of China; (New York 1919)

Weiterhin sind dort einige Angaben zum Vorkriegs-Handel. Japan erreichte zuletzt einen Anteil in China von rd. 20 %, Großbritannien deckte weitere 40 % ab.

Der Außenhandel mit China entwickelte sich von 1877 mit 140 Mio. Taels auf knapp eine Milliarde in 1913, also um das 7-fache. Die Verteilung 1913:

Britisches Empire 477 Mio. T
Japan 185 Mio. T
USA 73 Mio. T
Rußland 67 Mio. T
Frankreich 52 Mio. T
Deutsches Reich 45 Mio. T
Rest rd. 100 Mio. Taels.

Wechselkurs 1913: 1 Tael : 0,73 US-$


Da erscheinen die ökonomischen US-Interessen recht gering, wenngleich wachsend.
 
Die "demands" werden als Wendepunkt in der Beziehung bezeichnet (obwohl natürlich auch vorher schon Roosevelt Japan zunehmend suspekt wurde, und auf militärischer Ebene Planungen für eine Konfrontation mit Japan schon einige Jahre vorher in Ansätzen begannen.

Diese "Wendepunkt"-These ist sicher nicht falsch, verdeckt aber einen anderen und massiveren Konflikt, der "schon einige Jahre vorher" in der Tiefenstruktur der beiderseitigen Beziehungen begründet war - Stichwort: "gelbe Gefahr" (vgl. vor allem Mehnert Deutschland, Amerika und die "gelbe ... - Google Bcher).

Die sog. "yellow perilists" an der US-Westküste, vor allem in Kalifornien, hatten in den letzten Jahren des 19. Jh. ständig an Einfluß gewonnen, was schon 1882 zum "Chinese Exclusion Act", d. h. zum Stopp der chinesischen Einwanderung in die USA führte. Nach dem Sieg über China 1894/95 wurde Japan bald als die größere Gefahr eingeschätzt, sowohl aus ökonomisch-militärischen Erwägungen als auch unverblümt rassistischen Vorurteilen. (Besonders weit exponierte sich Admiral Mahan hierbei.)

Die Widersprüche und Dissonanzen trieben beim St.-Francisco-Schulstreit 1906/07 auf einen Höhepunkt zu, als den Kindern japanischer Einwanderer der Besuch allgemeiner Schulen verweigert wurde (Mehnert, S. 82). Der Konflikt endete mit einem "Gentlemen's Agreement", bei dem die Japaner die Beendigung der Diskriminierung ihrer Kinder einhandelten gegen einen weitgehenden Einwanderungsstopp. Nachdem schon vorher von interessierten Kreisen die Gefahr eines Krieges mit Japan an die Wand gemalt worden war (S. 59, 60), entstand zu dieser Zeit eine regelrechte Panik, der sog. "war scare" (S. 87).

Der tiefgreifende Konflikt schwelte auch in der Folgezeit weiter; 1917 z. B. wurde ein Einwanderungsverbot für Personen über 16 Jahre verhängt, die nicht Englisch lesen können, de facto also vor allem für Chinesen und Japaner. Und nicht zuletzt wurden auch die Pariser Verhandlungen dadurch belastet, dass die USA sich nicht bereitfinden wollten, rassische Diskriminierungen zu beseitigen; dafür durften die Japaner damals Tsingtau behalten - für drei Jahre.

Zum Komplex der ökonomischen Interessen
Mehnert (S. 66, 68) nennt einige Daten zu den amerikanisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen; daraus geht hervor, dass diese relativ unbedeutend waren. Aber wir finden sicher noch exaktere Daten.:winke:

PS: Oh, da sind sie ja schon.
 
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Diese "Wendepunkt"-These ist sicher nicht falsch, verdeckt aber einen anderen und massiveren Konflikt, der "schon einige Jahre vorher" in der Tiefenstruktur der beiderseitigen Beziehungen begründet war - Stichwort: "gelbe Gefahr" .

Die sog. "yellow perilists" an der US-Westküste, vor allem in Kalifornien, hatten in den letzten Jahren des 19. Jh. ständig an Einfluß gewonnen,

Das Aufbröseln dieser beiden Problemfelder ist interessant. Auf die Einwanderungskrise hatte ich auch schon in #5 hingewiesen. Fraglich ist doch nun, wie diese bereits schwelende Belastung auf die japanischen Ambitionen wirkte, die Abwesenheit der Europäer weitgehend auszunutzen.


Defensiv trug Japan den USA übrigens vor, es gehe hier um eine Japanische Monroe-Doktrin für Ostasien. Die US-Interpretation ging aber (richtigerweise) eher in Richtung Kolonie. Daneben war es China, dessen republikanische Geburtswehen von Wilson wohl idealistisch und mit gewisser Euphorie beobachtet wurden. Diesen emotionalen Faktor wollte ich oben betonen, und den ökonomischen kleinreden. :winke: ... und er steht der "Wendepunkt-These" ja nicht entgegen.

P.S. übrigens interessant, wie vernachlässigbar sich der deutsche (ökonomische) Faktor 1913 darstellt (wenn man Zeitgenossen mit ihrer Perzeption dagegen hält, wie Tirpitz und Wilhelm II., aber das hatten wir schon in dem Japan-Thema zum Kaiserreich :D )


Nachtrag:
The Imperial Japanese Mission to the United States, 1917. Appendix B.
Die japanische Einwanderungswelle sollte an sich durch ein Agreement 1907 noch unter Roosevelt geregelt sein (geforderter Einwanderungsstopp für Arbeitskräfte),
Gentlemen's Agreement of 1907 - Wikipedia, the free encyclopedia
war aber immer noch virulent
Immigration Act of 1917 - Wikipedia, the free encyclopedia
Immigration Act of 1924 - Wikipedia, the free encyclopedia
 
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Fraglich ist doch nun, wie diese bereits schwelende Belastung auf die japanischen Ambitionen wirkte, die Abwesenheit der Europäer weitgehend auszunutzen.
Es ist ja nicht verboten, hierüber zu spekulieren: Die Verstrickung der europäischen Mächte in den Krieg hat die japanische "Expansions"-Partei sicherlich gestärkt: Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt? Auch japanischerseits sind rassistische Komponenten vorhanden - und der eiserne Wille, nicht wie China zum Spielball anderer Mächte werden zu wollen. Man könnte auch umgekehrt fragen: Wieso sind die Japaner 1915 nicht noch viel fordernder aufgetreten bzw. warum haben sie sich nicht noch mehr Faustpfänder beschafft?

Diesen emotionalen Faktor wollte ich oben betonen, und den ökonomischen kleinreden.
Das bringt mich noch auf eine andere Idee: Das erwähnte "Sendungsbewusstsein" hat sich ja auch auf den Bereich der christlichen Mission erstreckt! Amerikanische Organisationen waren hier führend, und sie waren es auch, die 1919, als China sich zum dritten Mal von den USA "verraten" fühlte, mit am lautesten interveniert und die öffentliche Meinung stark beeinflusst haben.

interessant, wie vernachlässigbar sich der deutsche (ökonomische) Faktor 1913 darstellt...
Tja, Wirtschaftspolitik hat zwar mit Fakten zu tun, aber auch mit Potentialen und Erwartungen - und psychologisch hatte der Gedanke an den menschenreichsten Markt der Welt eben etwas Unwiderstehliches.
 
Tja, Wirtschaftspolitik hat zwar mit Fakten zu tun, aber auch mit Potentialen und Erwartungen - und psychologisch hatte der Gedanke an den menschenreichsten Markt der Welt eben etwas Unwiderstehliches.
Wie Motten zum Licht, seit 150 Jahren. Fragt sich, wo die Spinnen sitzen :D


Man könnte auch umgekehrt fragen: Wieso sind die Japaner 1915 nicht noch viel fordernder aufgetreten bzw. warum haben sie sich nicht noch mehr Faustpfänder beschafft?
Weil sie (noch) zu schwach waren. Das 8-8-Programm Schlachtschiffe/Schlachtkreuzer stand vor der Tür, bis 1922 lief die Marinerüstung (finanziell getrieben durch die japanischen Geschäfte während des Weltkriegs) auf Hochtouren. 1914 war gerade der Übergang, sich mit beschaffter Technologie die Flotte auf europäischen/USA-Standard zu bringen.
http://en.wikipedia.org/wiki/Eight-eight_fleet
http://www.geschichtsforum.de/432921-post1.html
Außerdem war Anfang 1915 sicher für Japan nicht überschaubar, wie die Sache in Europa endet. Bei einem vorschnellen Ende hätte schließlich 1916 wieder alle mächte vor der Tür sitzen können. Aber das Tempo war doch auch so schon beeindruckend (Korea, Mandschurei, Mikronesien, etc.).


Das bringt mich noch auf eine andere Idee: Das erwähnte "Sendungsbewusstsein" hat sich ja auch auf den Bereich der christlichen Mission erstreckt! Amerikanische Organisationen waren hier führend, und sie waren es auch, die 1919, als China sich zum dritten Mal von den USA "verraten" fühlte, mit am lautesten interveniert und die öffentliche Meinung stark beeinflusst haben.
Guter Hinweis! Die ideelle Komponente gewinnt immer mehr Terrain.
 
Die japanischen 21 Forderungen, die weitgreifende territoriale Ansprüche einschlossen, können als der Startpunkt für die unmittelbare amerikanisch-japanische Konfrontation 1915/1941 gewertet werden, die schließlich in der direkten militärischen Konfrontation mündete.

Die 21 Forderungen der Japaner waren keinesfalls der Startpunkt der Streitigkeiten zwischen Japan und den VSA.
Der Konflikt um die Einwanderung und Integration von Japanern in die VSA [4] wurde ja bereits erwähnt.
Nicht weniger bedeutend war der Konflikt um die Mandschurei und Korea.
Vor und während des Russisch-japanischen Krieges war die VSA nach GB wichtigster ausländischer Unterstützer Japans gewesen [1][2].
Dafür hatte man zugesagt die Mandschurei und Korea den Amis zu öffnen [3].
Nach dem Krieg kam es aber zu eine Kehrtwendung, da sich der Teil der japanischen Elite durchgesetzt hatte, der diese beiden Regionen unter fester japanischer Vorherrschaft sehen wollte [3][4].
Zwar einigte man sich im ,,Takashira-Root-Abkommen" soweit das es zu keiner Eskalation kam, aber wirklich gelöst wurde der Konflikt nicht [4][5].

Gibt es Belege dafür, dass sich Japan unter Zeitdruck sah, den Europäischen Krieg 1915 auszunutzen?

Als England am 4. August 1914 auf Seiten der Entente in den Krieg gegen Deutschland eintrat und das verbündete Japan bat, die englischen Häfen Hongkong und Weihaiwei zu schützen, war für Japan die Gelegeneheit gegeben, am Krieg teilzunehmen und die günstige internationale Kräftekonstellation in Asien für eine weitere Expansion zu nutzen. Dem allgemeinen Denken in den herrschenden Kreisen verlieh wenige Tage nach dem Kriegseintritt Englands der genrō Inoue Kaoru gegenüber seinem Amtskollegen Yamagata und dem Premier Okuma Ausdruck. In einem Brief erklärte er: ,,Die gegenwärtigen großen Unruhen in Europa sind ein Geschenk des Himmels für die weitere Entwicklung des japanischen Reiches. Japan muss sich unverzüglich wie ein Mann zusammenschliessen und diese Vorsehung des Himmels nutzen." 96
In Tokyo gingen die Überlegungen davon aus, dass die im Fernen Osten am meisten engagierten Mächte England, Frankreich und England voll in Europa gebunden waren, Japan selbst daher relativ freie Hand habe und diesen Spielraum nutzen müsse.

96 Kato Bunzo u.a., Bd. 2, S. 201.
Quelle: Geschichte des modernen Japan von Rudolf Hartmann, Seite 119

Wie sah die russische Reaktion aus?

By concentrating “the center of gravity” in Europe, the Russian government looked for a guaranty to save its eastern border and, consequently, to preserve status quo with Japan, which military aid was also very important to Russia from the beginning of the Great War.
Therefore, when Japan announced the notorious Twenty-One Demands to China, the Russian government acted fast in declaring that “the relations, established between Russia and Japan, assure the Russian government that the Twenty-One Demands did not contain anything contradicting the interests of Russia. The Russian government considered
the Demands as appropriate to be claimed to the Chinese government.”
9
In May 1915, Twenty-One Demands were accepted by Peking and gave the
Japanese Empire new advantages, not enjoyed by Russia, in Manchuria. These included the prolongation of the term of exploitation of the South Manchuria Railway and the right for Japanese citizens to mine, live and rent land in South Manchuria.10

9 Priamurskie vedomosti (Khabarovsk), February 3, 1915.
10 Nakamura, Akira, Dai toasen e no michi [Path to the Great East Asian War] (Tokyo, 1995), pp.149-156. See also: Young, C. Wolter, Japanese Jurisdiction in the South Manchuria Railway Areas (New York, 1979), pp.176-185.
http://src-h.slav.hokudai.ac.jp/publictn/acta/18/igor-yuri.pdf

Man kann sagen: Die USA erhoben Anspruch, gestützt auf ihre ökonomische Kapazität, ein "informales Empire" zu werden; informal deshalb, weil sie auf direkte territoriale Akquisitionen verzichteten (Ausnahme: Philippinen), wie sie die anderen Mächte bis dahin in Asien und Afrika bevorzugt hatten. Dabei muss man die "open door", Asien betreffend, im Kontext sehen mit der US-Politik in Lateinamerika - dort galt seit Monroe die "closed door", d. h. das Prinzip, europäische Mächte womöglich auszuschließen.

Zwei Anmerkungen:

- das "informal Empire" ist ein typisches Ziel agressiver, hochproduktiver Volkswirtschaften. Noch mehr als VSA war das Britische Reich das bessere Beispiel dafür gewesen. Die territoriale Expansion anderer, hauptsächlich europäischer Staaten zwang es aber sein Reich zumindest teilweise zu formalisieren, um nicht die wirtschaftliche Kontrolle dort zu verlieren.

- die Philippinen waren nur das größte, aber keineswegs einzige Beispiel für die territoriale Expansion der VSA in Übersee gewesen.
Schließlich annektierte es zahlreiche Eilande im Stillen Ozean und der Karibik.

Weiterhin sind dort einige Angaben zum Vorkriegs-Handel. Japan erreichte zuletzt einen Anteil in China von rd. 20 %, Großbritannien deckte weitere 40 % ab.

Der Außenhandel mit China entwickelte sich von 1877 mit 140 Mio. Taels auf knapp eine Milliarde in 1913, also um das 7-fache. Die Verteilung 1913:

Britisches Empire 477 Mio. T
Japan 185 Mio. T
USA 73 Mio. T
Rußland 67 Mio. T
Frankreich 52 Mio. T
Deutsches Reich 45 Mio. T
Rest rd. 100 Mio. Taels.

Wechselkurs 1913: 1 Tael : 0,73 US-$

Da erscheinen die ökonomischen US-Interessen recht gering, wenngleich wachsend.

Dafür das die VSA in China weniger Konzessions- und Einflussgebiete hatte als alle anderen hier genannten Staaten, war der VS-amerikanische Handelsanteil überaus hoch.

Defensiv trug Japan den USA übrigens vor, es gehe hier um eine Japanische Monroe-Doktrin für Ostasien. Die US-Interpretation ging aber (richtigerweise) eher in Richtung Kolonie.

Ich würde nicht sagen das die VS-amerikanische Interpretation richtig ist.
Die Absicht hinter der Monroe-Doktrin war die Herstellung einer hegemonialen Stellung der VSA in den Amerikas und das gleiche hatte in Japan in Ostasien prinzipiell auch vor.
Ebenso waren beide Mächte in einer Kolonisierung eines Teils ihrer Hegemonialzonen engagiert.

Es ist ja nicht verboten, hierüber zu spekulieren: Die Verstrickung der europäischen Mächte in den Krieg hat die japanische "Expansions"-Partei sicherlich gestärkt: Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt? Auch japanischerseits sind rassistische Komponenten vorhanden - und der eiserne Wille, nicht wie China zum Spielball anderer Mächte werden zu wollen. Man könnte auch umgekehrt fragen: Wieso sind die Japaner 1915 nicht noch viel fordernder aufgetreten bzw. warum haben sie sich nicht noch mehr Faustpfänder beschafft?

Weil man sich nicht völlig isolieren wollte. Japan konnte allein nicht der überlegenen oder gleichwertigen Macht von anderen bedeutenden Mächte gegenüberstehen, die langfristig nicht anderswo nicht zu sehr gebunden waren [6][7].

[1] http://img20.imageshack.us/img20/2227/seite98.png

[2] http://img20.imageshack.us/img20/3360/seite99.png

[3] http://img26.imageshack.us/img26/9437/seite112.png

[4] http://img20.imageshack.us/img20/9417/seite113.png

[5] http://img695.imageshack.us/img695/7278/seite114.png

[6] http://img26.imageshack.us/img26/2721/seite120.png

[7] http://img689.imageshack.us/img689/3629/seite121.png
 
(Vergessene) Quellenangabe für die obrigen sieben verlinkten Seiten:

Geschichte des modernen Japans von Rudolf Hartmann, Akademie Verlag,
Seite 98-99, 112-114 und 120-121.
 
Dafür das die VSA in China weniger Konzessions- und Einflussgebiete hatte als alle anderen hier genannten Staaten, war der VS-amerikanische Handelsanteil überaus hoch.

Was nichts weiter besagt, als dass die gesamten Handelsanteile für einige Nationen in keiner proportionalen Beziehung zu den Einflussgebieten standen.

Für den Import chinesischer Waren liegt das auf der Hand.

Für den Export nach China waren Zahlungsfähigkeit und Warenbedarf ausschlaggebend. Ein kleines Beispiel: die Warenströme über Tsingtao, die außerhalb des chinesisch-deutschen Außenhandelsgeschäftes für Dritte liefen. Ein anderes Beispiel: deutsche Munitions- und Waffenlieferungen, die anderen Kanälen folgten.
 
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