25.08.1530 und der russische Zar Iwan IV.

und warum schaust du nicht nach, wie das in der russischen Sprache aussieht?
Ich habe in anderen slawischen Sprachen nachgeschaut und festgestellt, dass dort die entsprechenden Begriffe zu russischem "grozny" durchweg in der einen Bedeutung "schrecklich" benutzt werden, ja manchmal gar nicht übersetzt werden brauchen.

Mich wundert es nicht, dass ausgerechnet in dem Land, in dem es Bestrebungen gibt, seine eigene Geschichte zu glorifizieren, sprich das Negative ins Positive zu drehen oder wenigstens weniger schrecklich darzustellen, dem Begrif "grozny" auch die Bedeutung "streng" zugewiesen wird.

Das läuft wahrscheinlich schon länger, deswegen wäre es vielleicht sinnvoll, sich mal in der älteren bzw. alten russischen Literatur umzusehen, ab wann "grozny" auch als „streng“ gedeutet wird, denn alle anderen von mir untersuchten slawischen Sprachen haben diesen Deutungswandel nicht mitgemacht.


In Russland haben Tartaren und Mongolen mit großer Grausamkeit Terror als politische Waffe eingesetzt, und die rivalisierenden Bojaren haben ganz selbstverständlich solche Methoden angewendet. Vor diesem Hintergrund fielen die Methoden, die Iwan IV. angewendet hat auch keineswegs aus dem Rahmen, sondern entsprachen durchaus dem, was man seit langem gewohnt war.
Also hat Iwan IV. zurecht den Beinahmen "grozny" in der Bedeutung "der Schreckliche" bekommen.

So gesehen musste Iwan IV. auch nicht in der russischen Rezeption rehabilitiert werden.
Das ist deine Meinung, aber Fakt ist, dass es Bestrebungen gibt, Iwan IV. zu rehabilitieren – siehe dazu auch meinen Beitrag #4 in diesem Faden.
 
Also hat Iwan IV. zurecht den Beinahmen "grozny" in der Bedeutung "der Schreckliche" bekommen.


Das ist deine Meinung, aber Fakt ist, dass es Bestrebungen gibt, Iwan IV. zu rehabilitieren – siehe dazu auch meinen Beitrag #4 in diesem Faden.

Und diese Bedeutung ist eben ungenau, Iwan ist als Iwan "Grosny" und nicht als Iwan "Strachny" in die Geschichte eingegangen. Grausamkeiten und Gewalttaten eines Herrschers schließen eine positive oder zumindest teilweise positive Rezeption keineswegs aus wie das Beispiel von Vlad III. Tepes zeigt, wie das Beispiel von Selim I. Yavuz zeigt.

Die Rezeption und Bewertung einer historischen Persönlichkeit kann je nach historischer Perspektive sehr unterschiedlich ausfallen. Der "optimus princeps" Trajan und der Philosophenkaiser Marc Aurel waren für eine christliche Historiographie keine positiven Gestalten, sondern brutale Christenverfolger, während die relativ schwachen Kaiser Elagabal und Severus Alexander relativ positiv bewertet wurden und Theodosius gar als der Große überhöht wurde.

Bei der Bewertung einer historischen Persönlichkeit muss man sich natürlich die unterschiedlichen Perspektiven der historischen Quellen auf eine Persönlichkeit ansehen und sich bewusst machen.

Du zitierst hier Ilja Repin, der Iwan IV. malte, der gerade seinen Sohn erschlagen hat. Es ist aber fraglich, ob diese Szene überhaupt historisch ist. Repin bezog seine Informationen von dem Historiker Nikolai Karamsin, der wiederum den Bericht des päpstlichen Gesandten Possevino zitiert, der berichtete, Iwan IV. habe im Jähzorn seinen Sohn erschlagen.

Diese Tat ist aber keineswegs historisch erwiesen, zeitgenössische russische Quellen berichten auch von einer Erkrankung des Zarewitsch. Gegenwärtig wird die These vertreten, der Zarewitsch sei vergiftet worden.
 
Bei der Bewertung einer historischen Persönlichkeit muss man sich natürlich die unterschiedlichen Perspektiven der historischen Quellen auf eine Persönlichkeit ansehen und sich bewusst machen.

Du zitierst hier Ilja Repin, der Iwan IV. malte, der gerade seinen Sohn erschlagen hat. Es ist aber fraglich, ob diese Szene überhaupt historisch ist. Repin bezog seine Informationen von dem Historiker Nikolai Karamsin, der wiederum den Bericht des päpstlichen Gesandten Possevino zitiert, der berichtete, Iwan IV. habe im Jähzorn seinen Sohn erschlagen.

Diese Tat ist aber keineswegs historisch erwiesen, zeitgenössische russische Quellen berichten auch von einer Erkrankung des Zarewitsch.
Klar, nach fast 450 Jahren wird an dem Bericht des päpstlichen Legaten gezweifelt – und es wurde 2016 auch ein Monument für Iwan IV. errichtet, was in den ganzen Jahrhunderten zuvor nicht geschah. Die Frage ist: Warum das alles jetzt? Weil die Historiker neue Quellen gefunden haben? Nein, die politischen Verhältnisse haben sich geändert!
 
Klar, nach fast 450 Jahren wird an dem Bericht des päpstlichen Legaten gezweifelt – und es wurde 2016 auch ein Monument für Iwan IV. errichtet, was in den ganzen Jahrhunderten zuvor nicht geschah. Die Frage ist: Warum das alles jetzt? Weil die Historiker neue Quellen gefunden haben? Nein, die politischen Verhältnisse haben sich geändert!
Ohne mich da jetzt auf die causa Ivan speziell zu beziehen:

Das sich betrachtungsweisen von Zeit zu Zeit ändern ist in der Geschichtsschreibung durchaus nicht unüblich und es an und für sich nichts ungewöhnliches, wenn neuere Interpretationen ältere Geschichtsbilder überlagern.

Zuweilen genügen andere Lesarten vorhandener Quellen und mehr Wissen um ihre Entstehungskontexte um zu neuen Interpretationen zu kommen.
 
Ich habe keinen Grund an der Darstellung Repins „Zar Iwan IV. mit seinen toten Sohn“ zu zweifeln.
Er ist für mich ein echter „Peredwischniki“, ein Verfechter des „Realismus“ in der Malerei.
Wenn er sowas wie Zar Ivan IV. porträtierte, hat er sich vorher kundig über diese Person gemacht.
Ich habe eher den Eindruck, er malte nicht nach dem Gechmack einiger Leute, er malte nach der Wirklichkeit. Realistische Darstellungsweise war sein Prädikat.
Siehe auch Porträt von „Modest Petrowitsch Mussorgski“ oder auch von „Dmitri Iwanowitsch Mendelejew“.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Ralf.M das ist bei Repin ein Frage des Sujets! Maltechnisch furios ist bei ihm alles, aber die illustrative Historienmalerei ist bei ihm nicht realistisch im Sinne der Wolgatreidler, Heimkehrer, Portraits
 
Klar, nach fast 450 Jahren wird an dem Bericht des päpstlichen Legaten gezweifelt – und es wurde 2016 auch ein Monument für Iwan IV. errichtet, was in den ganzen Jahrhunderten zuvor nicht geschah.

Etwa um 1870 schuf Mark Matjewenew Antokolski eine Bronzeplastik von Iwan IV., die im Museum Zar Alexanders III. aufgestellt wurde. Eine Kopie dieses Denkmals aus Marmor wurde 1871 in der Eremitage aufgestellt, und eine weitere Kopie wurde im Kensington Palast ausgestellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Tat ist aber keineswegs historisch erwiesen, zeitgenössische russische Quellen berichten auch von einer Erkrankung des Zarewitsch.
Da müsste man diese Quellen hinterfragen. Von wem stammen sie, in welcher Absicht wurden sie verfasst, woher bezogen sie ihre Informationen? Dass der Zar seinen eigenen Sohn erschlug, wird vermutlich nicht offiziell verbreitet worden sein. (Ich habe allerdings keine Ahnung von den russischen Quellen des 16. Jhdts., ich bin lediglich mit denen des Mittelalters ein bisschen vertraut.)
Gegenwärtig wird die These vertreten, der Zarewitsch sei vergiftet worden.
Das eine schließt das andere nicht aus. Er kann über einen längeren Zeitraum hin vergiftet worden sein und dann trotzdem erschlagen.
 
Etwa um 1870 schuf Mark Matjewenew Antokolski eine Bronzeplastik von Iwan IV., die im Museum Zar Alexanders III. aufgestellt wurde.
Deinem Einwurf alle Ehre, @Scorpio, aber ich schrieb von einem Monument, du von einer 30 cm großen Plastik, die im Museum aufgestellt wurde. Das ist nicht vergleichbar.

Das eine schließt das andere nicht aus. Er kann über einen längeren Zeitraum hin vergiftet worden sein und dann trotzdem erschlagen.
Eben.
 
So wie ich es verstanden habe...

Zar Iwan IV. erschlug seinen Sohn den er zusammen mit seiner ersten Frau Anastassija Romanowna Sacharjina-Jurjewa hatte.
Sie war die Tochter des Bojaren Roman Jurjewitsch Sacharjin-Jurjew († 16. Februar 1543), der der späteren Romanow-Dynastie den Namen gab, und dessen Gemahlin Uliana Iwanowna († 1579).
Der ersten Frau Iwan IV. folgte die „2.; 3.; 4.; 5.; 6. und 7. Ehefrau.
Der Sohn namens Iwan Iwanowitsch (* 28. März 1554, † 19. November 1581) galt von Beginn an als Zarewitsch.
Mit der 1. Ehefrau hatte er ja 6 Kinder (3 Jungs, darunter Iwan Iwanowitsch und 3 Mädchen).
Mit der 2. Ehefrau hatte er 1 Kind, einen Sohn mit Vornamen Wassili. Dieser kam durch eine Unachtsamkeit des Kindermädchens um.
Weiter hatte er mit der 2. Ehefrau keine Kinder. Auch nicht mit der 3. – 6. Ehefrau.
Mit der 7. Ehefrau Marija Fjodorowna Nagaja hatte er einen Sohn mit Namen Prinz Dimitri der am 15.10.1583 geboren und vermutlich im Lebensalter von 8 Jahren ermordet wurde. Ich schreibe so wie ich gelesen habe „vermutlich“. Denn nach den Tod von Iwan IV. (18. März jul./28.03.greg. 1584 Moskau wurde Mutter und Sohn nach Uglitsch verbannt.
Uglitsch -> eine Stadt in der Oblast Jaroslawl am Oberlauf der Wolga.
Die Mutter, also die letzte Frau von Iwan IV. verstarb dann dort am 20.07.1612.
Die Verbannung war von Boris Godunow angeordnet wurden. Um Dimitri rankt sich ja die Story mit den Falschen Dimitri (Falscher Dmitri – Wikipedia ).
Jedenfalls Zar nach den Tod von Iwan IV. wurde sein Sohn aus erster Ehe Fjodor Iwanowitsch (* 31.05.1557/Moskau - † 7.01.jul./17.01.1598 greg./ebenfalls Moskau).
Ernannte sich ab da, Fjodor I. Ihm folgte dann Boris Godunow der ab 1598 Zar wurde.
Also nach wie vor habe ich keinen Zweifel an der ralistischen Darstellung im Gemälde von Ilja Repin.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe keinen Grund an der Darstellung Repins „Zar Iwan IV. mit seinen toten Sohn“ zu zweifeln.
Er ist für mich ein echter „Peredwischniki“, ein Verfechter des „Realismus“ in der Malerei.
Wenn er sowas wie Zar Ivan IV. porträtierte, hat er sich vorher kundig über diese Person gemacht.
Ich habe eher den Eindruck, er malte nicht nach dem Gechmack einiger Leute, er malte nach der Wirklichkeit. Realistische Darstellungsweise war sein Prädikat.
Siehe auch Porträt von „Modest Petrowitsch Mussorgski“ oder auch von „Dmitri Iwanowitsch Mendelejew“.

Repin wurde ja auch zum Vorbild für den sogenannten sowjetischen Realismus, wenn auch kaum einer oder keiner der Maler dieser Schule Repins Meisterschaft erreichte.

Repin war ähnlich wie ein anderer Historienmaler, Jean Gerome ein Perfektionist, und er hat für seine Gemälde sehr viel Zeit für historische Recherche aufgewendet. In dieser Beziehung hatte er Ähnlichkeit mit Adolph Erdmann von Menzel oder Jean Gêrome, der für sein bekanntes Gemälde "police verso" die in Neapel ausgestellten Gladiatorenrüstungen besichtigte, und der trotz kleiner Fehler in der Armatur sehr exakt den damaligen Forschungsstand wiedergibt. Tatsächlich war Gêrome weitaus genauer und exakter, als die Regisseure Stanley Kubrick und Ridley Scott, die fast 100 Jahre oder mehr als 100 Jahre nach Gêrome ihre Filme Spartacus und Gladiator drehten. Geromes Gemälde diente Ridley Scott als Vorbild, der dann seine Gladiatoren in einem wilden Mischmasch von Armaturen aufeinander losgehen.

Repin diente vor allem Nikolai Karamzins Geschichtswerk als Vorlage, und es gab Repin in seinen Gemälden im Großen und Ganzen das wieder, was Communis Opinio der meisten Historiker war.
 
Deinem Einwurf alle Ehre, @Scorpio, aber ich schrieb von einem Monument, du von einer 30 cm großen Plastik, die im Museum aufgestellt wurde. Das ist nicht vergleichbar.


Eben.
Wie groß/schwer/ oder hoch muss denn ein Denkmal sein, damit es als ein "richtiges" Denkmal anerkannt wird?

Ein Denkmal muss durchaus kein Monument sein, auf das die Tauben scheißen, Es gibt Denkmäler, zu denen muss man aufschauen. In Bristol steht/stand zum Beispiel mal ein Denkmal, dass einem Philanthropen gewidmet war, der das Geld für Krankenhäuser im Sklavenhandel verdient hat.

Es gibt auch Denkmäler auf die man herabblickt, auf denen man herumtrampelt . Das war jedenfalls eine Kritik, die gegen die Stolpersteine geäußert wurde, die in zahlreichen deutschen Städten an ermordete Juden erinnern. Wenn das keine Denkmäler sind, weil nicht monumental genug- was sind sie denn dann?




Klar, nach fast 450 Jahren wird an dem Bericht des päpstlichen Legaten gezweifelt – und es wurde 2016 auch ein Monument für Iwan IV. errichtet, was in den ganzen Jahrhunderten zuvor nicht geschah. Die Frage ist: Warum das alles jetzt? Weil die Historiker neue Quellen gefunden haben? Nein, die politischen Verhältnisse haben sich geändert!


Bei deiner Antipathie gegen das Christentum, das Papsttum und den Katholizismus erstaunt zumindest ein bisschen, dass du eine christlich-katholisch-päpstliche Quelle als über jeden Zweifel erhaben bewertest-(jedenfalls solange sie deine Position stützt).

Ich sage ja gar nicht, dass die Tötung des Zarewitsch völlig unglaubwürdig ist. Iwan IV. war so etwas durchaus zuzutrauen. Es gab aber durchaus auch so etwas wie Propaganda gegen Iwan von päpstlicher Seite. Es wurde z. B. über Iwan berichtet, er selbst habe damit geprahlt, dass er 1000 Jungfrauen vergewaltigt habe. Ähnliche Gerüchte gab es z, B über den Kaiser Friedrich II.


Es ist möglich, dass Iwan seinen Sohn tötete, es gibt dafür eine Quelle. Es gibt Berichte, dass Iwan die Tat bereut habe, es spricht durchaus einiges dafür. Es ist aber auch möglich, dass der Zarewitsch an einer Krankheit starb und/oder vergiftet wurde. Auch dafür gibt es Quellen, und es gibt durchaus plausible Argumente, an der Tötung des Zarewitschs durch Iwan zu zweifeln. Nach der Quellenlage muss man sagen, dass die Ermordung des Zarewitsch nicht hundertprozentig erwiesen ist. Wir wissen es einfach nicht genau. Die Tötung ist jedenfalls keineswegs so eindeutig erwiesen wie die Tötung des Zarewitsch Alexej.

Wenn man seriös Quellenkritik betreibt, muss man auch andere Quellen berücksichtigen und kann sich nicht bloß die heraussuchen, die einem in den Kram passen.
 
Da müsste man diese Quellen hinterfragen. Von wem stammen sie, in welcher Absicht wurden sie verfasst, woher bezogen sie ihre Informationen? Dass der Zar seinen eigenen Sohn erschlug, wird vermutlich nicht offiziell verbreitet worden sein. (Ich habe allerdings keine Ahnung von den russischen Quellen des 16. Jhdts., ich bin lediglich mit denen des Mittelalters ein bisschen vertraut.)

Das eine schließt das andere nicht aus. Er kann über einen längeren Zeitraum hin vergiftet worden sein und dann trotzdem erschlagen.

Hinterfragen müsste aber auch den Bericht des päpstlichen Gesandten, man müsste sich fragen, woher und aus welchen Informationsquellen er seine Informationen bezog. Der päpstliche Gesandte stellte die Sache so dar, dass Iwan IV. seine schwangere Schwiegertochter besuchte und zu leicht bekleidet fand und mit einem Stock schlug. Daraufhin verlor sie das Kind, und es stellte der Zarewitsch deswegen seinen Vater zur Rede, es kam zum Streit und schließlich zur Tat. Iwan habe den Zarewitsch mit seinem Zepter erschlagen. Andere Quellen sagen, Vater und Sohn hätten sich über die Belagerung von Pskow und unzureichende Hilfe zerstritten dabei sei auch Boris Gudonow verletzt worden, als er schlichten wollte. In beiden Versionen wird über ein tagelanges Dahinsiechen des Zarewitsch berichtet. Andere Quellen wiederum berichten, der Zarewitsch sei sehr bald nach kurzer, unbekannter Krankheit verstorben, berichten aber nichts über eine Tötung durch Iwan IV.

Auch ich bin keineswegs besonders bewandert in der Geschichte Iwans, habe mich nicht intensiv damit beschäftigt. Es gibt zahlreiche Berichte über Iwans Jähzorn, und unabhängig voneinander haben Quellen berichtet, dass Iwan es genoss, wenn er gefürchtet wurde, dass er sich Foltermethoden ausdachte und Beispiele einer pathologischen Grausamkeit zeigte. Das kann man sicher nicht alles als Greuelmärchen oder Propaganda abtun. Es gab freilich auch allerlei diskreditierende Gerüchte über Iwan wie die Geschichte von den 1000 Jungfrauen, und Iwan sorgte selbst durch sein Verhalten dafür, dass man ihm so etwas zutraute.

Ich schließe die Tötung des Zarewitsch auch keineswegs aus, und auch ich bin mit zeitgenössischen russischen Quellen nicht gut vertraut. Nach der Quellenlage ist aber auch möglich, dass Iwan IV. mit dem Tod des Zarewitsch nichts zu tun hatte, und es gibt Indizien, dass der Zarewitsch vergiftet wurde. Eine Obduktion der sterblichen Überreste der Zarenfamilie stellte 1963 eine erhöhte Konzentration von Arsen und Quecksilber fest.
Wenn Iwan IV. seinen Sohn vergiftete oder vergiften ließ, dann deutet das auf einen kaltblütig geplanten Mord hin, und das wiederum passt nicht so recht zu der Darstellung, dass die Tat im Jähzorn geschah und Iwan diese Tat aufrichtig bereute.

Jedenfalls gibt es auch eine Reihe von Indizien und Quellen, die der Tötung des Zarewitsch durch Iwan IV. widersprechen, und auch diese Quellen sind zu berücksichtigen, und nicht von vornherein zu verwerfen, weil sie einem nicht in den Kram passen, weil sie den eigenen Thesen widersprechen.

Wikipedia spricht von einer "angeblichen Tötung des Zarewitsch".
 
Jedenfalls gibt es auch eine Reihe von Indizien und Quellen, die der Tötung des Zarewitsch durch Iwan IV. widersprechen, und auch diese Quellen sind zu berücksichtigen, und nicht von vornherein zu verwerfen, weil sie einem nicht in den Kram passen, weil sie den eigenen Thesen widersprechen.
Es gibt "eine Reihe von Indizien und Quellen, die der Tötung des Zarewitsch durch Iwan IV. widersprechen"?
Nur her damit, @Scorpio!
 
Der Wiki-Artikel "Iwan IV. (Russland) – Wikipedia nennt leider die Chroniken nicht namentlich, und Russisch kann ich leider nicht genug. Ich muss mich hier auf Sekundärliteratur beschränken, Wikipedia bezieht sich auf die Biographie von Charles Halperin Ivan le Terrible. Free to reward and free to punish, Philadelphia 2019. Maurice Troyat, Ivan le Terrible 1993.

Maureen Perrie, The popular image of Ivan the Terrible in Russian folklore, The Slavonic and East European Review 56. (2) 275-286.

Dieser Artikel geht auf das populäre Bild Iwans IV. in der russischen Folklore ein:

Ivan the Terrible in Russian folklore - Wikipedia

Maureen Perrie sagt:

"Soweit Iwan als Freund des gemeinen Volkes und als Feind der Bojaren auftrat, sah man ihn (Iwan IV.) als "den guten Zar", trotz seines heftigen Temperaments, obwohl er Unrecht tat und Unschuldige hinrichten ließ. Diese Exzesse wurden auf böse Leute und falsche Beschuldigungen zurückgeführt oder auf Iwans Manie, Verrat zu bestrafen. Konsequenterweise entspricht das Bild Iwans nicht das eines wahnsinnigen, blutdurstigen Herrschers, sondern eher das eines fürsorglichen und gegenüber den Untertanen gütigen Herrschers. Als Freund des einfachen Volkes und Feindes der Bojaren erschien sein Bild in der Volkskultur als ein durchaus Positives.

Dazu muss man ergänzen, dass Iwan einen russischen Dienstadel schuf und die Obritschnina durchaus auch Bauern und Leibeigenen Aufstiegsmöglichkeiten bot. In der Zeit der Wirren und unter den ersten Romanows wurde die Schraube für die Bauern deutlich enger, die Leibeigenschaft drückender, so dass Iwan trotz wirklich schauderhaften Taten in der Erinnerung des einfachen Volkes verklärt wurde.

Dazu muss man anmerken, dass unter Iwan relativ stabile Verhältnisse herrschten im Vergleich zur Zeit der Wirren, dass die Lage der Bauern und Leibeigenen sich in dieser Zeit und unter den ersten Romanows verschlechterte und dass Nähe zum Zaren und Loyalität durchaus auch ihnen sich Aufstiegsmöglichkeiten und Chancen boten. Da ist es dann auch nicht allzu verwunderlich, dass Iwan durchaus als charismatischer Herrscher und Freund des Volkes verklärt wurde.

Iwan der Schreckliche- das war schon durchaus zutreffend. Selbst wenn man nicht alles glaubt, was Iwan nachgesagt wurde, war er zu schauderhaften Taten fähig.

Iwan IV. hat aber auch erfolgreiche Reformen zustande gebracht. Unter ihm wurde das Recht kodifiziert, er gründete eine erste Duma und einen Bojarenrat, er stellte die erste stehende russische Armee auf, führte eine Art Selbstverwaltung ein und brachte die erste Druckerpresse nach Russland. Er öffnete Russland für Handelsgesellschaften und baute die Basileus-Kathedrale.
 
Dieser Artikel geht auf das populäre Bild Iwans IV. in der russischen Folklore ein:

Ivan the Terrible in Russian folklore - Wikipedia
Die Folklore meint: Iwan IV. war “an enemy to the boyar”, also automatisch ein Freund des einfachen Volkes, so nach dem Motto, Feind meines Feindes ist mein Freund. Das kann man so sehen, aber das ist nicht historisch, was auch in dem von dir verlinken Artikel gesagt wird: "Though the chief character is certainly a historical figure, the resemblance stops here, for there is nothing historical, or even very plausible, in most of these legends.”.

Außerdem ist das nicht das, wonach es gefragt wurde. Ich weiß, die Quellenlage ist dünn bis ev. nicht vorhanden, so dass man auf Vermutungen angewiesen ist - kann man trotzdem noch auf “eine Reihe von Indizien und Quellen, die der Tötung des Zarewitsch durch Iwan IV. widersprechen", die es dir zufolge geben soll, hoffen?
 
Grausamkeiten und Gewalttaten eines Herrschers schließen eine positive oder zumindest teilweise positive Rezeption keineswegs aus wie das Beispiel von Vlad III. Tepes zeigt, wie das Beispiel von Selim I. Yavuz zeigt.

Die Geschichten, die über Vlad Țepeș kursierten, wurden schon bald auf Iwan den Schrecklichen übertragen.
Aus dem Vorwort eines Buchs (das ich leider noch nicht in Händen hatte):

In Erweiterung der Perspektive wendet Cornelia Soldat das aus der Filmwissenschaft stammende Konzept der „Imagologie“ auf deutsche Flugschriften des 15. und 16. Jahrhunderts an, auf denen Vlad Dracula oder Iwan der Schreckliche (Ivan Groznyj) abgebildet waren. Daran lässt sich vor dem Hintergrund der allgemeinen Türkenfurcht erkennen, welch ungeheure Wirkung schematische Darstellungen in der Frühen Neuzeit auf Vorstellungen und Wertungen im Bezug auf das „Fremde“ entwickeln konnten. Diesen pejorativen Dispositionen fiel in gewisser Weise der russische Zar zum Opfer, dessen Herrscherbild allmählich mit dem von Vlad verschmolz.

Ganz speziell handelt eine der berühmt-berüchtigtsten und makabersten Burlesken davon, wie Vlad der Pfähler den Mitgliedern einer Gesandtschaft ihre Hüte an ihren Köpfen festnageln ließ; ein Motiv, welches sich später auch in den Schreckensbildern Ivan Groznyjs, „des Schrecklichen“, wiederfand und dessen (westeuropäische) Perzeption maßgeblich beeinflusst hat. Thomas M. Bohn leuchtet mit seinem Beitrag aus, auf welchen verschlungenen Wegen diese Anekdote mutmaßlich ihren Weg in das Zarenreich hinein- und dann wieder herausgefunden hat.

Keenan hällt die Figur des "tyrannischen" Iwan für eine Schöpfung der spätrenaissancezeitlichen Reiseliteratur; "der Großteil der Geschichten über seine Grausamkeit und Willkür wurden von einer Reihe westlicher Autoren einer stark politisierten Pamphlet-Literatur erfunden, oft einfach durch Adaption von Geschichten über andere 'Tyrannen', wie Vlad Tepes, 'dem Pfähler'."

The stock character "Ivan the Tyrant" appears to have been originally a creation of late Renaissance travel literature, later borrowed in a country that had had none; this "Ivan" - and the bulk of the stories about his cruelty and willfulness - were made up by an array of Western authors of a highly politicized pamphlet literature, often simply by adaptation of tales of other "tyrants", such as Vlad Țepeș, "the Impaler" (1431-76).​
 
Die Folklore meint: Iwan IV. war “an enemy to the boyar”, also automatisch ein Freund des einfachen Volkes, so nach dem Motto, Feind meines Feindes ist mein Freund. Das kann man so sehen, aber das ist nicht historisch, was auch in dem von dir verlinken Artikel gesagt wird: "Though the chief character is certainly a historical figure, the resemblance stops here, for there is nothing historical, or even very plausible, in most of these legends.”.

Außerdem ist das nicht das, wonach es gefragt wurde. Ich weiß, die Quellenlage ist dünn bis ev. nicht vorhanden, so dass man auf Vermutungen angewiesen ist - kann man trotzdem noch auf “eine Reihe von Indizien und Quellen, die der Tötung des Zarewitsch durch Iwan IV. widersprechen", die es dir zufolge geben soll, hoffen?

Die Hoffnungen und Erwartungen des einfachen Volks auf ein Väterchen Zar mögen sicher übersteigert gewesen sein, aber es muss ja doch solche Hoffnungen gegeben haben. Es entstand unter Iwan eine Art Dienstadel, bei dem Loyalität und Ergebenheit zum Zaren über Aufstieg entschieden. Die Obritschnina war sicher ein Terrorregiment, und es gibt Berichte, dass die wie Räuber hausten. Dennoch ergaben sich für Bauern durchaus Chancen, wenn auch Personen aus dem einfachen Volk Obritschnik werden konnten. Es gab Bauern, die in die Kosakengebiete sich flüchten konnten, und auch die Erschließung Sibiriens bot Chancen, bedrückenden Verhältnissen zu entfliehen.

Dann muss man auch festhalten, dass Iwan IV. als Erster das russische Recht kodifizierte, und bei der Einziehung von Bojarenländereien, wechselten auch Leibeigene den Herrn, und es konnte durchaus zu einer Verbesserung der Lebenssituation führen, wenn Leibeigene auf Domänen der Krone wechselten, wenn sie mit Jermak nach Sibirien ziehen konnten oder für die neu entstandene Armee rekrutiert wurden. . Auf den Zaren richteten sich traditionell Hoffnungen der Bauern, der Zar konnte belohnen, Wünsche erfüllen. Auch in Russland gab es sozialen Aufstieg. Leute wie Alexander Menschikow oder auch Katherina I. stammten aus ganz armen Verhältnissen. Peter beförderte Leute unabhängig von Geburt. In seiner Kanzlei fand er eines Tages einen anonymen Kassiber. Darin empfahl der Verfasser amtliche Formulare einzuführen. Peter ließ nachforschen und fand heraus, dass der Verfasser ein Leibeigener war, der mit seinem Herrn mit auf der Gro0ßen Gesandschaft war und der solche Formulare dort kennengelernt hatte.
Auch Iwan hat Leute befördert nach Leistung und Verdienst.

Ich behaupte ja gar nicht, dass Iwan IV. sonderlich sympathisch war! Es sind sicher viele Anekdoten übertrieben oder auch erfunden. Aber Berichte über Folter, über sadistische Exzesse und Grausamkeiten sind aus vielen Berichten überliefert, die völlig unabhängig voneinander waren.
Das das alles Gräuelpropaganda war, erscheint unwahrscheinlich.

Iwan IV. hat Russland massiv umgekrempelt:
-Die Gründung einer stehenden Armee
- Die Kodifizierung und Sammlung des russischen Rechts
-Gründung eines Dienstadels
- Etablierung eines geheimpolizei-Systems.

Da mussten sich einfach auch Möglichkeiten ergeben, und die haben anscheinend viele Leibeigene durchaus genutzt. Bei der Rekrutierung für die Armee, für die Obritschina oder auch durch Flucht in die Kosakengebiete oder nach Sibirien dürfte es schon den ein oder anderen gegeben haben, der sich dem Joch der Bojaren entziehen konnte, und durch Iwans Maßnahmen gegen die Bojaren entstand vielerorts ein politisches Vakuum, dass durchaus die eine oder andere Möglichkeiten bot.

Das alles mag durchaus nicht immer erfreuliche Erscheinungen hervorgebracht haben, aber es boten sich dabei auch Chancen. bedrückenden Verhältnissen zu entkommen.




Ich muss hier gestehen, dass ich mich auf die Angaben aus der Sekundärliteratur und aus dem verlinkten Wikipedia-Artikel verlassen muss. Historikern wie Perrie oder Halperin u. a. würde ich schon zutrauen,, dass sie den Forschungsstand korrekt wiedergeben. Nach Wikipedia-gibt es zum Tode des Zarewitsch unterschiedliche Überlieferungen und die Quellen widersprechen sich teilweise.
 
Die Hoffnungen und Erwartungen des einfachen Volks auf ein Väterchen Zar mögen sicher übersteigert gewesen sein, aber es muss ja doch solche Hoffnungen gegeben haben.
Ja, man kennt das auch aus neuerer Zeit: Wenn der Führer das wüsste! Ähnlich über einen, der Millionen verhungern und hinschlachten ließ: Wenn Stalin das wüsste!

Diktatoren beschäftig(t)en extra Abteilungen, die die Eingaben einfacher Leute bearbeiten und meistens positiv beantworten: Man würde sich kümmern und die Verantwortliche bestrafen. Und schon sind sie glücklich.

Personenkult nennt man sowas. Ich werde nie vergessen, wie beim Tod des letzten nordkoreanischen Diktators, des Vaters des gegenwärtigen, ein Fernsehreporter schluchzte und echte Tränen weinte, als er darüber berichtete. Wahrscheinlich, weil er glaubte, jetzt, mit dem Tod des Übervaters des Landes, würde alles zusammenbrechen. Das ist ein Nachteil des Personenkults: Der Übergang vom alten zum neuen Diktator.


Das das alles Gräuelpropaganda war, erscheint unwahrscheinlich.
Eben. In diesem Zusammenhang halte ich den päpstlichen Gesandten Possevino für glaubwürdig, denn er kannte Iwan IV. persönlich und nicht nur vom Hörensagen. Was den Totschlag des Zarewitschs durch seinen Vater betrifft: Possevino trifft 2 Monate danach in Moskau und schreibt dann die Version mit der schwangeren Frau des Zarewitschs nieder. Diese Information hatte er wohl von seinen 2 Priestern/Begleitern, die er in Moskau zurückgelassen hatte.

Es gibt aber auch eine Version, in der Vater und Sohn einander geraten wegen des weiteren Vorgehens im Livländischen Krieg: Ivan wollte Frieden um jeden Preis, sein Sohn weiter Krieg führen.

Beide Versionen sind für mich glaubhaft.

Über die Ivans Großmannssucht - oder die seiner Vorfahren - zeugt auch die Legende, er stamme vom römischen Kaiser Augustus ab. Im sich Großmachen, waren Fürsten und Zaren schon damals groß.

Zu deinen Anmerkungen, @Sepiola, kann ich nichts sagen - außer mit einem Satz Alexander von Humboldts ein wenig Distanzierung betreiben: “Kühner als das Unbekannte zu erforschen, kann es sein, das Bekannte zu bezweifeln.”
 
Über die Ivans Großmannssucht - oder die seiner Vorfahren - zeugt auch die Legende, er stamme vom römischen Kaiser Augustus ab. Im sich Großmachen, waren Fürsten und Zaren schon damals groß.

Damit stand aber Iwan nun wirklich nicht allein. Unzählige europäische Adelsgeschlechter beschäftigten Historiographen und versuchten, ihr Geschlecht auf mythologische Gestalten oder gar Götter und Heroen zurückzuführen.

Die Julier führten ihr Geschlecht auf Julus oder Askanios, den Sohn des Äneas und auf Venus zurück. Kaiser Leopold I. beschäftigte sich intensiv mit Genealogie, und bei den Habsburgern war es glaube ich, ein Freund des Herkules auf den sie sich beriefen, und ähnliche Beispiele würden sich bei fast allen Hochadelsgeschlechtern Europas, bei Welfen, Plantagenets, Braganza und wie sie alle hießen ausfindig machen lassen, und das würde ich auch nicht überbewerten- das war wirklich im Mittelalter Standard.
 
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