388/389: Römischer Vorstoß von Neuss nach Hattingen?

LEG XVII

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Im statistischen Jahrbuch der Stadt Hilden (http://soz-kult.fh-duesseldorf.de/members/ulrichdeinet/jahrbuch2010/) findet man unter 'Geschichtliche Daten' die folgenden Informationen:

250-388: Die Hattuarier schließen mit ihren germanischen Nachbarn den Bund der Franken und greifen die Römer in Neuß an. Vorsorglich evakuieren sie die hiesige Bevölkerung.

388/389: Römischer Vorstoß von Neuß aus (über Hilden und Vohwinkel) in den Raum Hattingen. Die Römer müssen umkehren und werden in der Rheinebene vernichtend geschlagen.

772-804: Karl der Große führt Kriege gegen die Sachsen. 804 wird ein fränkisches Heer bei Neuß über den Rhein gesetzt. Es nimmt den gleichen Weg, den die Römer 388 nahmen.


Gibt es Funde oder Quellen die besagen, dass noch im Jahr 388 eine römische Armee (wie ich vermute entlang des Hilinciwegs [http://de.wikipedia.org/wiki/Hilinciweg]) bis nach Hattingen vorgedrungen ist, demnach vermutlich zwecks einer Strafaktion gegen die Hattuarier?
 
Gibt es Funde oder Quellen die besagen, dass noch im Jahr 388 eine römische Armee (wie ich vermute entlang des Hilinciwegs [http://de.wikipedia.org/wiki/Hilinciweg]) bis nach Hattingen vorgedrungen ist, demnach vermutlich zwecks einer Strafaktion gegen die Hattuarier?

Der Hintergrund meiner Frage war die folgende Überlegung: wenn sich die Römer noch im Jahr 388 auf dem Hilinciweg bewegt haben, werden sie das im Jahr 8 ja erst recht getan haben.
 
388/389: Römischer Vorstoß von Neuß aus (über Hilden und Vohwinkel) in den Raum Hattingen. Die Römer müssen umkehren und werden in der Rheinebene vernichtend geschlagen.

[...]

Gibt es Funde oder Quellen die besagen, dass noch im Jahr 388 eine römische Armee (wie ich vermute entlang des Hilinciwegs [http://de.wikipedia.org/wiki/Hilinciweg]) bis nach Hattingen vorgedrungen ist, demnach vermutlich zwecks einer Strafaktion gegen die Hattuarier?
Darüber berichtet anscheinend nur Sulpicius Alexander (zitiert in Gregor von Tours' Geschichtswerk 2,9), wobei allerdings die Quellenlage zu den 80er Jahren des 4. Jhdts. miserabel ist. Marcellinus Comes erwähnt keinen derartigen Vorstoß, Zosimos schreibt auch nichts darüber. Grundsätzlich muss man bedenken, dass der dominierende Kaiser des Westens, Magnus Maximus, damals gerade mit seinen Kämpfen gegen seine Rivalen Valentinian II. und Theodosius I. beschäftigt war.

Sulpicius berichtet also Folgendes:
388 stießen Franken unter ihren Führern Gennobaud, Markomer und Sunno auf linksrheinisches Gebiet vor und plünderten vor allem die Gegend um Köln. Dann zog der Großteil von ihnen wieder über den Rhein zurück, aber ein kleiner Teil, der zurückblieb, wurde von den römischen Feldherrn Nanninus und Quintinus geschlagen. Es kam unter den beiden zum Streit, ob man über den Rhein vorstoßen solle. Nanninus war dagegen und zog nach Mainz, Quintinus aber überquerte bei Neuss den Rhein. Die Franken zogen sich allerdings in ein Waldgebirge zurück, sodass Quintinus nach zwei Tagesmärschen nur leere Dörfer fand, die er niederbrennen ließ. Am folgenden Tag stieß er ins Waldgebirge vor und geriet in einen Hinterhalt; das Heer wurde fast vollständig vernichtet.

Zur Marschroute lässt sich somit nichts Näheres sagen, nur dass die Römer bei Neuss den Rhein überquerten, dann zwei Tage lang ins Landesinnere marschierten und am dritten Tag in ein Waldgebirge kamen, wo für sie Endstation war.
 
Zur Marschroute lässt sich somit nichts Näheres sagen, nur dass die Römer bei Neuss den Rhein überquerten, dann zwei Tage lang ins Landesinnere marschierten und am dritten Tag in ein Waldgebirge kamen, wo für sie Endstation war.

Um das mal geographisch zu übersetzen: Es kommt der gesamte Teil des rechtsrheinischen Schiefergebirges zwischen Ruhr und Lahn (also Bergisches Land, Sauerland, Siegerland, Westerwald etc.) als Raum der Schlacht in Frage.
 
Zur Marschroute lässt sich somit nichts Näheres sagen, nur dass die Römer bei Neuss den Rhein überquerten, dann zwei Tage lang ins Landesinnere marschierten und am dritten Tag in ein Waldgebirge kamen, wo für sie Endstation war.

Dann muss Quintinus sich von Neuss aus auf einer Route fortbewegt haben, die den Anforderungen für Truppenbewegungen im Jahr 388 entsprach. Da wahrscheinlich Wagen mitgeführt wurden, müsste Quintinus sich auf einer Route mit festem Untergrund und mäßigen Steigungen und Gefällen bewegt haben, sprich er hat sich auf einer solchen Route bewegt, aus denen sich dann im Mittelalter die bekannten Alt- bzw. Heerstraßen entwickelten.
Nun muss man prüfen, welche Altstraßen bekannt sind, die auch den Neusser Raum durchqueren. Von Neuss aus erreicht man auf dem Hilinciweg in 2 Tagesmärschen a 20 km Hattingen, und auf der Altstraße Neuss-Herdecke in 3 Tagesmärschen a 20 km Herdecke (Hallo Divico :) )
Informationen über andere Altstraßen im Raum Neuss habe ich bei Internetrecherchen nicht gefunden.

Jetzt frage ich mich aber, warum sich die Statistiker in Hilden so sicher sind, dass Quintinus nach Hattingen gezogen ist. Gibt es evt. in den fränkischen Quellen, die den Feldzug Karls des Großen im Jahr 804 kommentieren, und die ja wohl auch berichten, dass das fränkische Heer bei Neuss den Rhein überquerte, Hinweise, die den römischen Feldzug des Jahres 388 mit Hattingen oder den Hattuariern in Verbindung bringen?
 
Dann muss Quintinus sich von Neuss aus auf einer Route fortbewegt haben, die den Anforderungen für Truppenbewegungen im Jahr 388 entsprach. Da wahrscheinlich Wagen mitgeführt wurden, müsste Quintinus sich auf einer Route mit festem Untergrund und mäßigen Steigungen und Gefällen bewegt haben, sprich er hat sich auf einer solchen Route bewegt, aus denen sich dann im Mittelalter die bekannten Alt- bzw. Heerstraßen entwickelten.
Kann sein, muss aber nicht. Man sollte sich das Heer des Quintinus vermutlich nicht allzu groß vorstellen. Sulpicius schreibt zwar von Legionen, also Plural, allerdings war eine Legion in der Spätantike wesentlich kleiner als in klassischer Zeit, nur noch um die 1.000 Mann. Mehr als ein paar tausend Mann wird Quintinus auch nicht gehabt haben. Kaiser Maximus hatte vermutlich den Großteil seiner Truppen für den Krieg gegen seine Kaiserkollegen zusammengezogen und nur das Minimum zur Grenzverteidigung zurückgelassen (dass römischen Kaisern der Thron wichtiger war als die Grenzsicherung, konnte man auch in anderen Fällen beobachten), und obendrein hatte sich Quintinus auch noch mit Nanninus zerstritten, der auch einen Teil des Heeres bei sich behalten haben wird. Außerdem war der Rheinübergang wohl nur als kurze Strafexpedition geplant, nicht als längerfristiger Vorstoß. Sofern es sich also nur um ein relativ kleines Heer handelte und man auch nur ein paar Tage in Germanien bleiben wollte, wird man nicht allzu viele Vorräte mitgeschleppt haben.
 
Ich finde es überhaupt fragwürdig, Hattingen mit den Hattuariern in Verbindung zu bringen. Es ist einfach zu fragen, wie jemand aus den dürftigen Angaben von Gregor zu einer Route kommen möchte. Da es sich ja offensichtlich bei den Truppen um Quintinus um eine Einheit handelte, welche die Räuber verfolgte, ist auch eher nicht anzunehmen, dass die mit schwerem Gerät unterwegs waren. Insofern ist auch der Radius wiederum ein ganz anderer.
 
Ich finde es überhaupt fragwürdig, Hattingen mit den Hattuariern in Verbindung zu bringen. Es ist einfach zu fragen, wie jemand aus den dürftigen Angaben von Gregor zu einer Route kommen möchte. Da es sich ja offensichtlich bei den Truppen um Quintinus um eine Einheit handelte, welche die Räuber verfolgte, ist auch eher nicht anzunehmen, dass die mit schwerem Gerät unterwegs waren. Insofern ist auch der Radius wiederum ein ganz anderer.


Um die Verwirrung noch größer zu machen: es ist nicht mal sicher, welcher Stamm bei Sulpicius Alexander genau gemeint ist. Wenn ich mich recht erinnere, ist da von "Catthi" die Rede, und es lag natürlich nahe, dass manche Althistoriker dies als letzten schriftlichen Beleg für die Chatten angesehen haben.
Gegen diese Lesart verwehrte sich Armin Becker in "Rom und die Chatten" m.E. mit Recht.
 
Ich frage mal in Hilden nach, vielleicht kann ich Kontakt zu dem Author der geschichtlichen Daten des statistischen Jahrbuchs herstellen.
Frei erfunden wird die Gleichsetzung der Route der Römer im Jahr 388 und Karls des Großen im Jahr 804 wohl nicht sein. Es könnte aber sein, dass fränkische Quellen des Jahres 804 Informationen enthalten, die eventuell misinterpretiert wurden.
 
Vielleicht ist aber auch einfach irgendeinem Lokalhistoriker die Fantasie durchgegangen, und andere haben seine als "Tatsachen" verkauften Spekulationen einfach übernommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand ganz sicher ist, dass ein bestimmtes, eigentlich nicht näher lokalisierbares Ereignis in seiner Gegend stattgefunden haben muss, weil die Topographie halbwegs zu den Quellen passt (an einigen anderen Orten allerdings auch ...) und ein heutiger Ortsname so ähnlich klingt wie irgendetwas in der Quelle.
 
Vielleicht ist aber auch einfach irgendeinem Lokalhistoriker die Fantasie durchgegangen, und andere haben seine als "Tatsachen" verkauften Spekulationen einfach übernommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand ganz sicher ist, dass ein bestimmtes, eigentlich nicht näher lokalisierbares Ereignis in seiner Gegend stattgefunden haben muss, weil die Topographie halbwegs zu den Quellen passt (an einigen anderen Orten allerdings auch ...) und ein heutiger Ortsname so ähnlich klingt wie irgendetwas in der Quelle.

Dem würde ich mich anschließen. Hatt-/Hatz-Vorsilben sind zwar nicht häufig, gibt es aber hier und da in Deutschland. Hatzfeld in Nordrhein-Westfalen und Waldeck, Hattersheim und Hattenheim am Main, der Hattgau im Elsaß, die Burg Hattstein im Taunus...
 
Vom Stadtarchiv Hilden, welches selbst nicht an der Erstellung der geschichtlichen Daten des statistischen Jahrbuchs beteiligt war, bekam ich die Auskunft, dass in der älteren Literatur die Behauptung, dass der Raum Hattingen das Ziel von Quintinus' Feldzug war, aufgestellt wird, dafür aber keine Belege bekannt sind.

Also falscher Alarm bezüglich des Jahres 388, bzw. ist der Raum Hattingen nur eine der Optionen für das Ziel des Feldzugs.

Mehr zu den Hattuariern: Eschbach, P.: Der Stamm und Gau der Chattuarier, ein Beitrag zu Geschichte der fränkischen Stämme und Gaue am Niederrhein (Beiträge zur Geschichte des Niederrheins: Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 17-19)
 
Es könnte sein, dass mit der 'älteren Literatur' dies hier gemeint ist:

KRÜGER, H. (1932): Die vorgeschichtlichen Straßen in den Sachsenkriegen Karls des
Großen. - Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der dtsch. Geschichte, 80. Jg., Nr.
4;
S. 223-280; Berlin.


Online unter:

BSB: Blätter für deutsche Landesgeschichte


Ich habe den Aufsatz von Herbert Krüger aber noch nicht durchgelesen.
 
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