6. Juni 1944: Pleiten, Pech und Pannen?

@silesia:

Dies ist ein wirklich sehr interessanter Beitrag. Er scheint Deine These zu stützen, daß die Rolle dieser Panzerreserven in Literatur und Filmen wohl deutlich überschätzt wird.

Es überrascht, daß gerade die Stärke der 21. PD, welche ja im Landungsabschnitt stationiert war, so überschätzt wird - auch im Hinblick auf Panzer des Typs "Tiger". Gibt es bezüglich der Tiger Panzer auch konkrete Zahlen in diesem Aufsatz?

Und warum waren die Totalverluste an deutschen Panzern in den ersten Tagen der Invasion so immens hoch? Eben weil sie zu spät in Marsch gesetzt wurden? Oder aufgrund der allierten Lufthoheit?

Ach ja, Fragen über Fragen...:confused:
 
Gibt es bezüglich der Tiger Panzer auch konkrete Zahlen in diesem Aufsatz?
Und warum waren die Totalverluste an deutschen Panzern in den ersten Tagen der Invasion so immens hoch? Eben weil sie zu spät in Marsch gesetzt wurden? Oder aufgrund der allierten Lufthoheit?

Am 6.6.1944 befand sich kein einziger "Tiger" in der Normandie, obwohl die alliierten Berichte allerorten solches meldeten. Die "Tiger-Phobie" stammte aus Tunesien 1943, wo man mit dem schweren deutschen Gerät Bekanntschaft machte.

Am 6.6. war die am dichtesten an der Normandie stehende Einheit die SS-sPzAbt. 101 in Versailles (31 Tiger). Sie griff am 12.6.1944 nach Verlegung in die Kämpfe ein (berüchtigt: Villers-Bocage und Wittmann). Die SS-102 (45 Tiger) wurde am 21.6. über Versailles verlegt, Eintreffen Normandie 25.6.1944 (Operation Epsom). Die sPzAbt. 503 (44 Tiger, darunter die 1./503 mit 12 Panzer VIB, genannt Königstiger). traf erst im Juli ein. Zwischen dem 17.6. und 23.6. war eine Woche lang überhaupt kein P VI in der Normandie einsatzbereit.
Q
Die hohen Verluste der ersten Tage bei der 21. PD gehen vorwiegendauf die Bodenkämpfe zurück, ua auch auf den Gegenangriff vom 6.6.

Hier muss ich mich korrigieren: nach Kortenhaus (Geschichte der 21. PD) ist Caen am 6.6. vormittags nach Bombenangriffen und Beschuss wegen der Brände und Trümmer nicht passierbar gewesen. Die Darstellungen sind also zutreffend!

Die östlich der Orne stehenden gepanzerten Verbände der 21.PD (anmarschierend 6.6. morgens aus dem Raum n-o Falaise) wurden über eine Eisenbahnbrücke östlich sowie westlich um die Stadt Caen herumgeleitet. Urspünglich sollte die gesamte Division östlich der Orne gegen die gelandeten britischen Fallschirmjäger eingesetzt werden. Das wurde vom OB des LXXXIV. AK, General Marcks, umdisponiert. Die Division wurde sogar - Chaos pur - zeitweise der 716. ID unterstellt. Der Gegenangriff der deutschen Panzer nördlich Caen (Masse Panzerregiment 100) fand erst um 16.oo Uhr statt und blieb in der Abwehr unter hohen Verlusten stecken.

Quellen Kortenhaus (21.PD), Schneider (TiK: Die Einsätze in der Normandie)
 
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Ein wenig OT, gemessen am Panzerreserven-Thema. Bin eher durch Zufall auf dieses Heft von Life gestoßen. Die Bilder ab Seite 40 geben einen Eindruck von den Auswirkungen der Zerstörung der Infrastruktur und der Reduzierung der Bewegungsfähigkeit von Truppentransporten, Ersatz und Nachschub.

LIFE - Google Bücher

Und sind insofern wieder topaktuell auch in Bezug auf das Panzerthema. Im Prinzip sind die Panzereinsätze gescheitert, da die komplette militärische Infrastuktur das Zusammenwirken größerer Einheiten nicht mehr ermöglicht hat.

Die punktuellen Erfolge, wie im Fall der 21. PD, konnten nicht arrondiert werden, da das komplexe Zusammenwirken unterschiedlicher Truppengattungen nicht mehr gewährleistet war.

Und ein extrem wichtiger Punkt, der berücksichtigt werden muss, ist das Agieren der jeweiligen Kommandeure - auch im Fall der 21. PD - unter Unsicherheit. Es lagen zu keinen Zeitpunkt nach dem D-Day für die lokalen Befehlhaber wirklich aussagekräftige Informationen über die Gesamtlage und auch nicht auf der lokalen taktischen Ebene vor.

Die subjektive Wahrnehmung der WM-Kommandeure war zunächst geprägt durch die materielle Überlegenheit der Alliierten im Bereich der Invasionsstrände und der Bedrohung durch die Luft.

Vor diesem Hintergrund liefen die punktuelle erfolgreichen Gegenstöße der WM immer Gefahr, von den eigenen Versorgungslinien abgedrängt zu werden.

Diese Situation der WM hat m.E. eine deutliche Parallele zum Sommer 41. Folgt man der Darstellung von Glantz zu den Grenzschlachten, dann waren eine sowjetische Panzereinheiten, vor allem die mit KW-Typen, punktuell sehr erfolgreich.

Da die Luftwaffe jedoch die Luft beherrschte, verhinderte sie die logistische Unterstützung dieser sowjetischen Panzerspitzen und damit ihre nachhaltige Wirksamkeit. Der Unterschied zwischen der sowjetischen und der deutschen Schulung der Kommandeure war einfach. Die sowjetischen wären zu diesem frühen Zeitpunkt nicht auf die Idee gekommen, eine flexible Abwehr, auch in der Defensive, vorzunehmen, während die deutschen - auch die 21. PD - sich taktisch umorientierten, nachdem sie gesehen haben, dass eine Offensive am D-Day und in den nächsten ein zwei Tagen sinnlos ist.
 
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...während die deutschen - auch die 21. PD - sich taktisch umorientierten, nachdem sie gesehen haben, dass eine Offensive am D-Day und in den nächsten ein zwei Tagen sinnlos ist.

Zu den Pleiten, Pech und Pannen auf dem Feld muss allerdings mal die logistische Leistung in Beziehung gesetzt werden, die die Allierten am Landungstag erbrachten.

Am ersten Tag - 6.6.1944 - wurden über See an den Landungsabschnitten Gold/Juno/Sword rund 75.200 Briten und Kanadier abgesetzt, an den Landungsabschnitten Utah/Omaha rd. 57.500 US-Truppen. Dazu kamen die Verbände der Luftlandungen, rd. 7.900 Briten und 15.500 Amerikaner am ersten Tag.

Damit wurde der erste Kampagnen-Tag mit einer angelandeten Armee von 165.000 Mann dargestellt. Dagegen standen von Caen bis Cotentin die 716., 352., 709. ID, 91. LLD sowie die 21. PD, also max. 5 Divisionen, die zT gar nicht vollständig involviert wurden.

Am 7.6. kam die 12. SS-PD hinzu, am 8.6. die Panzerlehrdivision. Ebenfalls am 7.6. wurde eine Kampfgruppe der 346.ID von Le Havre disponiert, dazu Teile der 711. ID (Merville), Teile der 275. ID von St. Nazaire, Teile 265. ID von Lorient nach St. Lo. Dagegen lehnte Rommel auf seiner linken Flanke den sofortigen Einsatz der 77.ID und der 266. ID (Nordküste Bretagne) ab, wohl weil er hier in den Folgetagen weitere Landungen befürchtete.

Selbst wenn man alle die deutschen Verlegungen zusammenfasst, erreichten sie nicht die Kampfstärke der allein am 6.6. angelandeten alliierten Truppen.
 
"Pleiten, Pech, Pannen" - es mag sein, dass am 06.06.1944 Pech im Spiel war.

Aber gab es für die Wehrmacht überhaupt eine realistische Chance, die Invasion abzuwehren?

Im November 1943 hatte Hitler in der OKW-Weisung Nr. 51 die Bedeutung des westlichen Kriegsschauplatzes unterstrichen. Im Osten könnte sich Deutschland noch Gebietsverluste erlauben, im Westen sei dies nicht möglich. Doch der Diktator zog keine Schlussfolgerungen aus dieser Erkenntnis. Einen strategischen Rückzug an der Ostfront auf die kürzeste Linie zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer - wie vom Wehrmachtführungsstab vorgeschlagen - lehnte er ab. Im Gegenteil: Noch Ende März 1944 wurden Panzerverbände aus dem Westen abgezogen, um eine Krise im Südabschnitt der Ostfront zu bereinigen. Eine klare Schwerpunktverlagerung zugunsten des Westens, verbunden mit einer elastischen Verteidigung im Osten, kam für den Obersten Befehlshaber der Wehrmacht nicht in Betracht.

Die Kräfte der Luftwaffe reichten ebenfalls nicht aus, um in Russland, in Italien und in der Reichsverteidigung den Luftraum zu behaupten. Der U-Bootkrieg war verloren.

Hätte eine Panzerdivison da das Blatt wenden können?
 
Aber gab es für die Wehrmacht überhaupt eine realistische Chance, die Invasion abzuwehren?...
Doch der Diktator zog keine Schlussfolgerungen aus dieser Erkenntnis. ...
Hätte eine Panzerdivison da das Blatt wenden können?

Vorab: die Schlussfolgerungen bestanden darin, erhebliche Kräfte im Westen aufzubauen, die der Ostfront nicht zugeführt wurden. Vom Herbst 1943 an wurden insbesondere Panzertruppen im Westen neu aufgestellt, dazu gab es etliche Verlegungen vom Osten in den Westen zur Ersatzgestellung. Man sollte trotz der Katastrophen 1943 (Stalingrad, Tunis) an den diversen Fronten die Kampfstärke der Wehrmachtsverbände nicht unterschätzen. Die Rüstungsstärke des Deutschen Reiches erreichte erst 1944 den Höhepunkt. Zum Zeitpunkt der Invasion standen knapp 2000 Panzer im Westen, das waren mehr als an der Ostfront eingesetzt waren (Aufstellung des GenInspPzTr Juni 1944 aus BA/MA kann ich bei Bedarf einstellen).

Oben ist schon festgestellt worden, dass eine Division mehr oder weniger bei der unmittelbaren Landung keinen Unterschied ausmachte.

Andererseits sollte man sich aufgrund der dargestellten Kräfteverteilung davor hüten, die Invasion quasi als leichten "Selbstläufer" gegen eine schon geschlagene Wehrmacht anzusehen. Trotz des "Totalausfalls" von 2 Wehrmachtsteilen (Marine/Luftwaffe) dauerte es 50 Tage in einer für alle Seiten sehr verlustreichen Schlacht mit zahlreichen Großoffensiven, bis den Westalliierten der Ausbruch aus dem eng umfassten Landebereich in den Bewegungskrieg gelang. Die Verluste waren immens, wie hier ablesbar ist:
Operation Overlord - Wikipedia, the free encyclopedia
Daneben wurde eine weitere Landung in Südfrankreich durchgeführt.
 
Zu den Pleiten, Pech und Pannen auf dem Feld muss allerdings mal die logistische Leistung in Beziehung gesetzt werden, die die Allierten am Landungstag erbrachten.

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Das ist richtig. Vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass man ersteinmal keinen richtigen Hafen zur Verfügung hatte und auch nach der Eroberung Cherbourgs dieser so vermint und zerstört war, dass man länger brauchte ihn in Funktion zu bringen. Die beiden Mullberry-Häfen ( Mulberry-Hafen ? Wikipedia ) waren eine geniale Idee, von denen einer davon aber von den starken Stürmen nach der Invasion zerstört wurde.

Eine technische Leistung war auch die Pipeline die durch den Ärmelkanal gelegt wurde um die Truppen mit Treibstoff zu versehen.

Diese Leistungen sind zweifellos beachtlich und sind auch ausgiebig studiert worden. Was ich mich jedoch immer gefragt habe und nur wenig darüber gefunden habe...wie haben sich die deutschen Truppen während der Schlacht versorgt? Es wird ja immer herausgehoben, wie zwischen Fliegerangriffen und Resistance die rückwärtigen Verbindungen der Wehrmacht gestört und teilweise lahmgelegt wurden.

Lebensmittel kann man ja in der Not vor Ort requirieren, wobei kaum eine Landschaft über zwei Monate solch eine Menge an Kämpfern ertragen kann. Zu trinken gab es in der Normandie wohl auch genügend und nicht nur Brunnenwasser, was ja auch öfters auf beiden Seiten zum Problem wurde. Aber wie stand es mit Munition und Treibstoff?
Wie wurden zwei Monate lang, mehrere hunderttausend Mann über ein von Partisanen und Saboteuren verseuchtes und durch feindliche Flieger dominiertes Hinterland mit den notwendigen Mitteln für eine moderne Schlacht versorgt? Ich weiss, dass dieses zu Zeiten des kalten Krieges ein Thema war, da man damit rechnete, dass die eigenen Kampftruppen am Feind stehen und durch eine nukleare Wüste von der eigenen Etappe getrennt sein würde, habe aber ausser der Erwähnung nichts konkretes dazu gefunden.
 
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"Pleiten, Pech, Pannen" - es mag sein, dass am 06.06.1944 Pech im Spiel war.

Aber gab es für die Wehrmacht überhaupt eine realistische Chance, die Invasion abzuwehren?

Hätte eine Panzerdivison da das Blatt wenden können?

Danke!:winke:

Dies entspricht meiner Ausgangsfrge.

Das die Invasion infolge der rüstungstechnischen Überlegenheit der Allierten geglückt ist, ist mittlerweile durchaus nachvollziehbar,

Eine andere Frage ist: Was wäre wenn Rommel am Tag der Invasion direkt anwesend gewesen wäre?
Hätte sein militärisches Geschick etwas ändern können?
 
Wie wurden zwei Monate lang, mehrere hunderttausend Mann über ein von Partisanen und Saboteuren verseuchtes und durch feindliche Flieger dominiertes Hinterland mit den notwendigen Mitteln für eine moderne Schlacht versorgt?

Das sind sicher 500 bis 1000 Tonnen Versorgungsgüter pro Tag gewesen, also 200-500 LKW, verteilt über Dutzende Kilometer Frontlinie. Dazu kamen die ständigen Zuführungen an Truppen und Material.

Die frontnahe Versorgung lief wohl vorwiegend nachts ab. Dazu wird auf den Hauptzufuhrstrecken im Hinterland einiges stationiert gewesen sein. Die "Etappe" in Frankreich war ohnehin riesig dimensioniert. Bei Tagfahrten gibt es Fotos über Schilder mit den einzuhaltenden "Sicherheitsabständen" bei Kolonnenfahrten, 50 bis 100 Meter je Fahrzeug wegen der Tiefflieger.
 
Das ist richtig. Vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass man ersteinmal keinen richtigen Hafen zur Verfügung hatte und auch nach der Eroberung Cherbourgs dieser so vermint und zerstört war, dass man länger brauchte ihn in Funktion zu bringen. Die beiden Mullberry-Häfen ( Mulberry-Hafen ? Wikipedia ) waren eine geniale Idee, von denen einer davon aber von den starken Stürmen nach der Invasion zerstört wurde
In meinen alten Aufzeichnungen - aus Tausend und einer Quelle ;) - zu einem nie vollendeten Buch von 1985/86 liest sich das so:

"Die Amerikaner hatten bereits am zweiten Tag der Invasion, dem 7. Juni 1944, begonnen, Teile eines künstlichen 'Maulbeer-Hafens' über den Kanal zu schleppen und vor St. Laurent zu montieren, während die Engländer Senkkästen und pressluftgefüllte stählerne Wellenbrecher für ihren Hafen bei Arromanches verankerten und die Piere ineinanderfügten.
Am Morgen des 19. Juni brach ein orkanartiger Sturm los. Riesige Wogen warfen die Fährschiffe gegen die zerbrechenden Anlagen. 300 Schiffe gingen unter, 800, vor allem Panzerlandungsfahrzeuge, wurden hoch auf den Strand geworfen und fielen bis zur Springflut im Juli aus. Der amerikanische Hafen war völlig zerstört, der englische blieb seltsamerweise durch die vielen gesunkenen Schiffe in wesentlichen erhalten.
In drei Tagen waren die Schiffsverluste der Westalliierten an den beiden Häfen und im gesamten Kanalgebiet durch den Sturm fünfmal größer als die Totalausfälle durch Kampfhandlungen.
Das Ausladen wurde fast eine Woche lang unterbrochen. Der Munitionsbestand sank auf den kritischen Punkt. Alle Angriffsoperationen mußten eingestellt werden. Die Existenz der Verbände in ihren Landeköpfen war ernsthaft gefährdet.
Die deutsche Generalität ahnte von allem nichts"...

Apropos "6. Juni 1944: Pleiten, Pech und Pannen?" (Zitat Salvus) noch folgende Begebenheit unmittelbar während der Invasion (ebenfalls aus meinen alten Aufzeichnungen von 1985/86):

"Am 8. Juni 1944 trieb ein zerschossenes alliiertes Landungsboot mit toten amerikanischen Seeoffizieren bei Géfosse - Fontenay in die Mündung der Vire. Einer der Toten war der für den gesamten Operationsplan des VII Corps im westlichen Landekopf "Utah" zuständige Beachmaster. Er lag über einem Koffer mit allen Geheimunterlagen für die Zeitpunkte der Teillandungen und die konkreten Ziele des D-Day im Raum der Halbinsel Cotentin. Diese Top Secret Papiere enthielten auch sämtliche strategischen und taktischen Maßnahmen zur Verschmelzung mit dem östlich davon im zweiten Landekopf "Omaha" operierenden V Corps bei der Stadt Carentan. Anschließend sollte die Vereinigung mit dem aus den Landeräumen "Gold" und "Juno" nach Südwesten vorstoßenden XXX britischen Corps bei Bayeux erfolgen.
Den deutschen Feindlagespezialisten war zumute wie Alice im Wunderland, sie wussten mit einem Schlag, was ihnen ein Heer bester Agenten nicht zu liefern vermochte: VII US-Corps dreht nach Westen auf Coutance ein, bildet nach Süden Abwehrfront, greift nach Norden an. Strategische Ziele: der Hafen von Cherbourg.
Seite für Seite offenbarte sich ihnen alles Wissenswerte über den Angriff, dazu vielfältiges anderes Material. z.B. "The German Forces", ein Handbuch über die deutschen Streitkräfte im Invasionsraum, wo sich jeder der Lesenden mit seinem Verband präzise eingeordnet sah.
Die Divisionskommandeure erhielten auszugsweise Abschriften über sie unmittelbar betreffende Einzelaktionen. Ein Stabsoffizier raste zu Rommel, er berichtete, legte vor. Raste am gleichen Tag weiter nach St. Germain zu Rundstedt.
Man nahm zur Kenntnis und besaß damit die wesentlichen Planteile über den Ablauf der Invasion. Leitete wiederum weiter bis ganz nach oben. Man konnte dort ebenfalls nur zur Kenntnis nehmen und: zusehen. Es gab keine strategische und keine taktische Luftwaffe zur Verhinderung der Operationen.

Zwei Tage später legte die Rote Armee ein dreistündiges Trommelfeuer von bisher ungekanntem Ausmaß auf die finnischen Stellungen beiderseits der Eisenbahnstrecke Leningrad - Wiborg, drückte in wenigen Stunden die Hauptkampflinie auf vierzig Kilometer breite ein und zertrümmerte die Sperre auf der karelischen Landenge.
Damit wurde die Hand auf den Riegel zwischen Ladoga- und Onegasee gelegt, und die Bewegungsfähigkeit des deutschen Generalstabes war entscheidend eingeschränkt.
Diese Großoffensive der Roten Armee wurde gemäß der Vereinbarung mit den Alliierten geführt, um ihre Operation in der Normandie mit einem machtvollem Schlag an der sowjetisch-deutschen Front zu unterstützen. Dadurch waren die deutschen Truppen im Osten gebunden und es konnte von dort keine Verstärkung in die Normandie abgezogen werden".



Saludos!
 
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Der Zweite Weltkrieg ist nicht mein Spezialthema. Aber ich kann mich daran erinnern, dass in den Protokollen der Lagebesprechungen (oder dem, was davon übrig geblieben ist, ich meine die Edition von Heiber), immer wieder deutlich wird, dass zwischen dem Wehrmachtführungsstab und dem Generalstab des Heeres um jede einzelne Division gerungen wurde. Es gelang eben nicht, im Westen eine strategische Reserve aufzubauen.

General Walter Warlimont schreibt in seinen Memoiren, dass Hitler bis zum Tag der Invasion sich "immer von neuem verleiten ließ, die Abwehrvorbereitungen im Westen zugunsten des Ostens und sogar auch Italiens zu durchbrechen." (Walter Warlimont, Im Hauptquartier der deutschen Wehrmacht 1939 bis 1945. Grundlagen, Formen, Gestalten, Augsburg 1990, S. 430, ich zitiere aus einer Lizenzausgabe).
 
Es gelang eben nicht, im Westen eine strategische Reserve aufzubauen.
Hätte eine strategische Reserve denn wirklich was ändern können?

Meiner Meinung nach nicht, denn wichtiger wäre eine einheitliche Strategie gewesen (also kein Kompetenzgerangel und die verlässliche Zuordnung von Ersatz und neu aufgestellten Einheiten). Die verfügbaren Reserven wurden ja in der Phase gar nicht eingesetzt, man dachte ja immer noch an eine Landung an der Kanalküste (wobei ich nicht weiß, wie sehr objektive Tarnung durch die Alliierten oder die Vorbehalte Hitlers und die langen Kommunikationswege - jede wichtige Entscheidung musste abgesegnet werden - den Ausschlag gegeben haben). Hier ist es natürlich nur schwer möglich die Gedanken in einem alternativen Verlauf zu erraten.

Was die militärische Stärke angeht, so war das wochenlange Ringen um den Ausbruch aus der Normandie ja letztlich ein Gewinn für die Alliierten. Ein Zurückdrängen war ja nicht wirklich möglich. Hier ist der Verlauf der ersten paar Tage ausschlaggebend gewesen.

Solwac
 
Aber ich kann mich daran erinnern, dass in den Protokollen der Lagebesprechungen (oder dem, was davon übrig geblieben ist, ich meine die Edition von Heiber), immer wieder deutlich wird, dass zwischen dem Wehrmachtführungsstab und dem Generalstab des Heeres um jede einzelne Division gerungen wurde. Es gelang eben nicht, im Westen eine strategische Reserve aufzubauen.

General Walter Warlimont schreibt in seinen Memoiren, dass Hitler bis zum Tag der Invasion sich "immer von neuem verleiten ließ, die Abwehrvorbereitungen im Westen zugunsten des Ostens und sogar auch Italiens zu durchbrechen."

Die Stimmungsbilder und Meinungen sind schon ganz richtig wiedergegeben. Allerdings wäre der Schluss so nicht korrekt, dass keine strategische Reserve im Westen aufgebaut worden wäre. Etwas anderes sind natürlich zeitgenössische und ex-post-Äußerungen, diese seien nicht ausreichend gewesen. Darüber wurde eben gestritten. Fakten sind jedoch der massive Aufbau und die Ausstattung der Streitkräfte im Westen Ende 1943 bis Juni 1944.
 
Es gelang eben nicht, im Westen eine strategische Reserve aufzubauen.

Zu der Angabe [die Streitereien darüber hast Du zitiert] habe ich noch nachgeschlagen. Hier die Meldungen über die sog. "Panzerlage West", nach der Anweisung zum Aufbau der Reserven (ohne Beute-Panzer):

November 1943: 727
Dezember 1943: 823
Januar 1944: 923
Februar 1944: 1.233
März 1944: 1.205 (9. und 10. SS-PD zur Ostfront abgezogen)
April 1944: 1.608
Mai 1944: 1.994
Bestand 10.6.1944 laut Stärke-Meldungen: 1.982

Aus den Zahlen wird klar, wie der Aufbau betrieben wurden, und das - auch unter Berücksichtigung der Hin- und Herverlegungen - hier ein Schwerpunkt geschaffen wurde. Dabei handelt es sich auch nicht um minderwertiges Material, siehe Aufgliederung für 31.5.1944 (inkl. Zuweisungen Mai):
114 P III(7,5), 731 P IVlg., 776 P V, 146 P VI, 227 StuG III.

Zum Vergleich gesamte Ostfront, Panzerlage 23.2.1944: einsatzbereit 1.519, in Instandhaltungen im Osten 1.534.
Quelle: Monatsberichte GenInspPzTr
 
"Pleiten, Pech und Pannen", woher sollten die Militärs denn wissen, wo die Westalliierten landen, wenn keine Aufklärung und Spionage richtig funktionierte?
Man hat sich hinter dem Westwall einfach zu sicher gefühlt und die Aufklärung vernachlässigt.

Vor zwei Jahren war ich an Kap Skagen in Dänemark und dort stehen auch deutsche Bunker des Westwalls.
Erlebnis nebenbei: Gerade ging ich an einer japanischen Reisegruppe vorbei, da donnerten zwei dänische Saab 39 im Tiefstflug über den Strand. Die Fotoapparate klickten, auch meiner.
Deutsche Bunker, Japaner und dänische Kampfflugzeuge schwedischer Produktion. Das sind immer Momente bei mir, da trifft sich vieles.

Jetzt aber mal wieder zurück zum Thema, die deutsche Spionage, war das vielleicht das Problem?
Kursk; Der Russen wussten alles, vielleicht sogar, was Hitler an Müsli zum Mittag aß.
Der Deutsche? Der griff an!
 
Man hat sich hinter dem Westwall einfach zu sicher gefühlt und die Aufklärung vernachlässigt.

Naja, den deutschen Militärs war schon klar, dass der Atlantikwall (der Westwall war "am Rhein") in erster Linie ein Propagandamythos war und man fühlte sich hinter ihm alles Andere als Sicher.
 
Naja, den deutschen Militärs war schon klar, dass der Atlantikwall (der Westwall war "am Rhein") in erster Linie ein Propagandamythos war und man fühlte sich hinter ihm alles Andere als Sicher.

Das mit dem Sicherfühlen ist von mir wohl nicht so glücklich ausgedrückt.
Was der noch klar denkende Militär wusste oder hinter dem weltanschaulichen Schleier ahnte, war, dass der Westwall eine "dünne" Mauer war.
Irgendetwas musste man ja machen, und wenn man alle veralterten Beutewaffen in Betonbunkern an der Küste gegenüber England aufstellte.
Im Osten zerrann alles zwischen den Fingern, was konnte man noch für den Westen entbehren?
Zahlen sind das eine. Andererseits saßen Ukrainer in den Bunkern der Normandie. Was verlangt man da an Kampfmoral?
Amis, Briten oder Kanadier waren nicht wenig verwundert, dass nicht wenige Kriegsgefangene eher Russisch als Deutsch verstanden. Ich will sagen, im Westwall standen drittklassige, wenn nicht noch ... Truppen.
 
Ich habe mal die wenigen Überblicksdarstellungen, die in meinem Bücherregal stehen, durchgeblättert (Heinz Magenheimer, die Beiträge von Bernd Wegner in Band 8 des Reihenwerkes "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg", John Keegan und die bereits erwähnten Memoiren von Walter Warlimont).

Warlimont spricht davon, dass Hitler 1944 viermal Kontingente aus Frankreich abzog (oder Einheiten des Heimatheeres, die für Frankreich bestimmt waren), um sie in Italien, Russland, Ungarn und noch einmal Italien einzusetzen. Gleichwohl gelang es, die Abwehrkraft im Westen zu verstärken, wenn auch der Kampfwert einiger Divisionen gering war (vgl. auch Geoffrey P. Megargee, Hitler und die Generäle. Das Ringen um die Führung der Wehrmacht 1933-1945, Paderborn 2006, S. 256). Das Buch von Dieter Ose über die Invasion 1944 - eine von Andreas Hillgruber betreute Dissertation - müsste sich mit dem Thema ebenfalls näher beschäftigen.

Tatsache ist: Der Westen war auch im Bewusstsein der deutschen Führung ab Ende 1943 kein Nebenkriegsschauplatz mehr. Doch der von Deutschland entfesselte Krieg überstieg längst die Möglichkeiten des Reiches.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Michael Salewski schon Mitte der siebziger Jahre in seinem Standardwerk über die deutsche Seekriegsleitung nachwies, dass Hitler und das OKW in der Invasion auch so eine Art Chance sahen. Sollte es der Wehrmacht gelingen, die Landung abzuwehren, dann böte sich die Möglichkeit, noch einmal den Schwerpunkt an die Ostfront zu verlegen. Gleichzeitig ging man im "Führerhauptquartier" wohl davon aus, dass dieser Rückschlag auch Wege zu einem Sonderfrieden mit den Engländern und Amerikanern eröffnete.
 
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Michael Salewski schon Mitte der siebziger Jahre in seinem Standardwerk über die deutsche Seekriegsleitung nachwies, dass Hitler und das OKW in der Invasion auch so eine Art Chance sahen. Sollte es der Wehrmacht gelingen, die Landung abzuwehren, dann böte sich die Möglichkeit, noch einmal den Schwerpunkt an die Ostfront zu verlegen. Gleichzeitig ging man im "Führerhauptquartier" wohl davon aus, dass dieser Rückschlag auch Wege zu einem Sonderfrieden mit den Engländern und Amerikanern eröffnete.

Ich sehe das dann als Fantasterei von Spinnern, die sich die Situation schönreden wollten.
Das wäre so, als klopfe die Polizei an meine Tür und wenn ich denen von oben einen Eimer Wasser über den Kopf gieße und sie erst einmal die Uniform wechseln müssen, hat sich für mich alles erledigt.

Im Angesicht, dass deutsche Städte im Bombenhagel versanken, war das sicher ... unrealistisch. Das wusste auch der Letzte, nur wer zweifelte öffentlich am Endsieg? Wenige und um die kümmerte sich die Gestapo.
 
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