Ab wann lohnte sich Krieg nicht mehr ökonomisch?

L

Lothar

Gast
In der Uni hat unser Wirtschaftsdozent einmal gesagt, in einer Zeit, in der das jährliche Wachstum des BIP nur minimal war, waren Krieg und Raub die wichtigste Methode, um eigenes, echtes Wirtschaftswachstum zu erzielen. Er meinte damit das Mittelalter, aber eigentlich die gesamte vorindustrielle Epoche. Ab wann lohnte sich Krieg ökonomisch nicht mehr und wurde die Konzentration auf den Ausbau der eigenen Wirtschaft profitabler? Oder anders formuliert: Ab wann wirkte das allgemeine Wirtschaftswachstum pazifizierend?
 
aus einer ganz anderen Perspektive eine Rückfrage: warum hat unsere Sprache den Begriff Kriegsgewinnler hervorgebracht?

ansonsten: ich finde gerade keinen Link zu einem kompletten amerikanischen Essay über Kriegsfinanzierung - sinngemäß: bisher war immer und überall Geld zur Kriegsfinanzierung vorhanden, unabhängig davon, wie "reich" oder wirtschaftskräftig das Kriegführende Land ist. Insofern wäre die Antwort auf deine Frage das verweisen auf eine bessere Zukunft...
 
https://krautreporter.de/1721-wer-die-bomben-zahlt

Ich würde meinen, dass ein Krieg, rein auf die Ökonomie bezogen, sich dann nicht mehr rentiert, wenn man ökonomisch mehr hineinstecken muss als man Beute macht. Im Zeitalter von Territorialkriegen ist das meist dann, wenn der Krieg auf dem eigenen Territorium geführt wird.
Der Mensch geht allerdings bei einer solchen, rein ökonomischen Betrachtung, schnell verloren.

warum hat unsere Sprache den Begriff Kriegsgewinnler hervorgebracht?
Der Staat oder der Kaiser können sich verschulden, während die Fugger, Welser oder Heckler&Koch reichlich Gewinn machen.
 
Bei dem Link muss man, um es vollständig lesen zu dürfen, Probemitglied werden (vor paar Tagen war das och nicht so, da hatte ich das gelesen)
 
In der Uni hat unser Wirtschaftsdozent einmal gesagt, in einer Zeit, in der das jährliche Wachstum des BIP nur minimal war, waren Krieg und Raub die wichtigste Methode, um eigenes, echtes Wirtschaftswachstum zu erzielen. Er meinte damit das Mittelalter, aber eigentlich die gesamte vorindustrielle Epoche. Ab wann lohnte sich Krieg ökonomisch nicht mehr und wurde die Konzentration auf den Ausbau der eigenen Wirtschaft profitabler? Oder anders formuliert: Ab wann wirkte das allgemeine Wirtschaftswachstum pazifizierend?
(Hervorhebung durch mich)

.. schwierige Frage. Ich mach mal einen Versuch.

Norman Angell hat wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg ein berühmtes, sehr kluges und weitsichtiges Buch zu eben diesem Thema geschrieben
Darin beschreibt er 1910 z. B. die Unmöglichkeit im Falle einer Eroberung Werte zu konfiszieren. (Chapter IV - THE IMPOSSIBILITY OF CONFISCATION) – und dieses Kapitel ist ein guter Einstieg in seine Argumentation, dass eine international hoch vernetzte Gesellschaft keinen wirtschaftlichen Erfolg durch einen Krieg erringen kann.
1898 veröffentlicht Iwan Bloch ein einflussreiches sechsbändiges Werk, das die Unmöglichkeit einen Krieg wirtschaftlich zu gewinnen ebenfalls darlegt. Allerdings weniger aus der Perspektive der wirtschaftlichen Vernetzung sondern der Evolution der Waffentechnik. Deren Zerstörungspotenz sei so gewachsen, dass deren Wirkung jeden möglichen Gewinn übertreffen müsse.

Ich denke das ist ungefähr die Zeit (Jahrhundertwende) ab der Krieg sich ökonomisch nicht mehr lohnen konnte. Vielleicht auch etwas früher.

„Ab wann wirkte das allgemeine Wirtschaftswachstum pazifizierend?“
Tat es das? Es ermöglichte doch auch den „totalen Krieg“.
Und dieses Wachstum ging Hand in Hand mit einer technischen Evolution, die auch eine Erhöhung der Zerstörungskraft bewirkte, während die möglichen Reaktionszeiten geringer wurden. (wie Bloch bereits 1898 feststellt)

Aber eigentlich bezog sich die Frage auf den Raubkrieg.
Fällt jemandem dazu ein erfolgreicher ein?


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Norman Angell: The Great Illusion
https://archive.org/details/in.ernet.dli.2015.88977 (Das ist sozusagen die Jubiläumsausgabe von 1933, des Jahres in dem Angell den Friedensnobelpreis erhielt)

Das Buch kannst Du ohne Weiteres als PDF runter laden.
Übrigens auch die Werke Blochs.
 
Die Frage des Fadens ist ja allgemein: Ab wann lohnte sich Krieg nicht mehr ökonomisch? Ein Krieg, der nicht sehr lang zurück liegt und sich für die siegreiche Kriegspartei vermutlich auch ökonomisch gelohnt hat, war der Golfkrieg 1991. Da wurde ja dem Irak das im Vorjahr durch einen Angriffskrieg erbeutete Kuwait wieder entrissen und verhindert, dass die Diktatur Saddam Husseins zum (neben Saudi-Arabien) dominierenden Anbieter auf dem Welterdölmarkt aufsteigt, was den ökonomischen Interessen der USA und ihrer Verbündeten widersprochen hätte.
Das Besondere im Fall Kuwaits war eben, dass der Zankapfel nicht die Gesellschaft oder das sozioökonomische System des Landes war, sondern seine natürlichen Ressourcen, die man wie im Mittelalter einfach rauben konnte.
 
Was heißt hier nur? :D
Es würde mich interessieren welche Raubkriege sich wirtschaftlich gelohnt haben.
Für das 20. Jhd. z. B. fällt mir kein Beispiel ein.
 
Kriege lohnen sich für einzelne wirtschaftliche Akteure, wozu die jeweiligen Machthaber gehören können (aber nicht müssen). Für Volkswirtschaften an sich sind sie kontraproduktiv, zumal sich schon zu vorindustriellen Zeiten regelmäßig kaum kalkulierbare Verwerfungen ergaben, welche selbst große Zugewinne an Ländereien und Sachwerten nivellieren konnten (bspw. blieben auch die ungeheuren Erfolge Eduards III. und Heinrichs V. in ihren Frankreichkriegen wirtschaftliche Verlustgeschäfte für das Königreich England.) Ich glaube auch nicht, dass jemals ein Krieg in der aufrichtigen Absicht begonnen wurde, eine gesamte Volkswirtschaft zu bereichern, anstatt nur Partikularinteressen zu bedienen. Ich sehe nicht, wie sich ein solcher Plan fassen ließe.
 
Hier ist schon einige Unlogik im Spiel. Die Tatsache, daß es Krieg ständig gab, beweist bereits hinlänglich, daß er sich genug gelohnt haben muß, um sich mindestens zu refinanzieren.

Denn wenn Krieg sich nicht gelohnt hätte, wären Staaten und Reiche, die Kriege gewannen, ja nicht expandiert, sondern kontrahiert. Und zwar umso stärker, je erfolgreicher sie Krieg geführt hätten. Das würde aber die historische Realität auf den Kopf stellen.

Und selbst wenn der Krieg nur einigen Schichten oder Gruppen genutzt hat, so müssen diese Schichten oder Gruppen das Nationaleinkommen unter dem Strich so weit angehoben haben, daß die Führung weiterer Kriege finanziell möglich gewesen war. Wenn es anders gewesen wäre, wären Staaten und Reiche, die Kriege gewannen, ja nicht expandiert, sondern kontrahiert. Und zwar umso mehr, je erfolgreicher sie Krieg geführt hätten. Das würde aber die historische Realität auf den Kopf stellen.

QED.
 
Hier ist schon einige Unlogik im Spiel.
Auf welche/n Beitrag/Beiträge beziehst du dich konkret?

Die Tatsache, daß es Krieg ständig gab, beweist bereits hinlänglich, daß er sich genug gelohnt haben muß, um sich mindestens zu refinanzieren.
Marx hätte vielleicht ähnlich argumentiert. Krieg als besonders unschöne Art der Gewinnmaximierung. Dieser Ansatz geht aber davon aus, dass Krieg führen immer in irgendeiner Form - wenn auch in einer sehr pervertierten Form von Rationalität - rational sei. Aber der Mensch ist ein vernunftbegabtes, nicht zwingenderweise ein vernünftiges Wesen. Gerade ideologisch motivierte Kriege können teilweise ignorieren, dass der Krieg ein wirtschaftliches Desaster für seine Urheber darstellt.

Denn wenn Krieg sich nicht gelohnt hätte, wären Staaten und Reiche, die Kriege gewannen, ja nicht expandiert, sondern kontrahiert. Und zwar umso stärker, je erfolgreicher sie Krieg geführt hätten. Das würde aber die historische Realität auf den Kopf stellen.
Setzt du hier nicht unausgesprochen Krieg und Sieg gleich? Und territoriale Expansion und wirtschaftliche Prosperität?
 
Und selbst wenn der Krieg nur einigen Schichten oder Gruppen genutzt hat, so müssen diese Schichten oder Gruppen das Nationaleinkommen unter dem Strich so weit angehoben haben, daß die Führung weiterer Kriege finanziell möglich gewesen war.
Nö, weil das ja vollkommen die Möglichkeit ausblendet einen Krieg auf der Basis von Subsidien, Verschuldungen, dem Verkauf von Land, Titeln und Ämtern, Abwertung der Währung oder anderen Formen von Anleihen zu finanzieren.

Diverse Akteure in der Geschichte führten Krieg ohne dass sie selbst die Mittel dazu eigentlich gehabt hätten, mitunter mit katastrophalen Folgen.

Nimm als Beispiel die französischen Könige von Louis XIV. bis Louis XVI.
Da wurde mitunter für Unsummen Krieg geführt, die nicht vorhanden waren und zu massiver Verschuldung führten, die so weit ging, dass man in einem Ausmaß, Ämter, Titel und Rechte verkaufen musste, dass das zum nachhaltigen Ruin der Staatsfinanzen führte.
Unter anderem, weil man die Rechte Steuern einzutreiben über die Maßen an Privatiers verpachtete, die sich damit ausgestattet über das Maß der ökonomischen Vernunft hinaus bei den Steuerpflichtigen bediehnen konnten, was der wirtschaftlichen Entwicklung und damit den Staatseinnahmen enorm schadete.
 
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