Adorantinnen

H

Hurvinek

Gast
In Neubrandenburg stehen an zwei Stadttoren in luftiger Höhe insgesamt 17 Adorantinnen in Terrakotta stadteinwärts schauend.
Die Heimathistoriker haben keine plausible Erklärung für diese Terrakotta-Figuren an zwei der vier Stadttore. Letztendlich holte man sich das Naheliegendste heran, ausgebreitete Arme - Adorantinnen - fertig.

Leider ist das keine zufriedenstellende Erklärung, da die Frauen dort oben ihre Handflächen nicht nach oben offen halten sondern sie zur Faust ballen. Am älteren Stadttor dieser zwei Tore sind die Arme der Figuren tiefer und die Fäuste seitlich gestaltet, während am anderen Tor die Fäuste nach vorn zeigen.

Ich hab zwei Links von einem Neubrandenburger Fotografen, der glasklare Fotos von den Terrakotta-Figuren gemacht hat:
Neues Tor - Neubrandenburg - Die Stadt der vier Tore
Stargarder Tor - Neubrandenburg - Die Stadt der vier Tore

Anbetung per Faust halte ich völlig daneben.
Habt ihr vielleicht Ahnung, was die Damen darstellen könnten?
 

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Wie wäre es mit Engelschören?
Gisbert Kranz
Die Engelchöre an Neubrandenburger Toren
Zeitschrift für Kunstgeschichte, 61 Bd., H. 2 (1998), pp. 256-266
 
Dankeschön.
Entweder ich geh noch mal ins Heimatmuseum oder ich klau mir irgendwo die Zeitschrift, die für Normalverbraucher nicht zugänglich ist.
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Im Link wird man nur angefüttert.
 
Aber die Sprache... ich bin kein Fan von Fremdwörtern, besonders nicht wenn sie so unnötig gehäuft erscheinen wie in diesem Werk. Muss von Probabilitäten gesprochen werden? Tun es Wahrscheinlichkeiten nicht auch? Und als er dann von den Adorantinnen
 
Mir ist nicht ersichtlich ob das nur so eine Art "Gattungsname" ist oder ob das eine untermauerte Behauptung ist.
Die Figuren erinnern mich an Gesten aus der Südsee, ausgestreckte Arme und Fäuste sagen mir aber nichts wenn ich das mit europa assoziieren soll.
 
Adoranten (lat.: adoro oder adoratio = Anbetung) nennt man in der Kunstgeschichte, der Anthroposophie und den Religionswissenschaften Figuren früher Kulturen, deren besonderes Kennzeichen ausgebreitete Arme sind und die im allgemeinen Anbetende oder Huldigende darstellen sollen, was für prähistorische Darstellungen jedoch umstritten ist
http://de.wikipedia.org/wiki/Adorant
 
Die ihre Arme nach oben angewinkelt halten könnte man als Tänzerinnen beschreiben, die vielleicht so eine Art Dankestanz veranstalten.
Aber selbst wenn die Danktänze in der Region so waren, muss man doch nicht ausgerechnet solche Tanzmomente darstellen, wo man die Fäuste ballt. Oder?

Sind das überhaupt Frauen?
 
Hm, vom Kopf her würde ich ja sagen, aber da habe ich auch meine Zweifel, die Kleider erscheinen mir irgendwie komisch, und auch kurz, sie werden andernorts als Plissee Gewänder bezeichnet, aber war so etwas eigentlich üblich am Ende des Mittelalters?
Das war ja so um 1440 aufwärts wenn ich nicht irre, oder?
 
Die Kleidchen würden auf Frauen deuten, der unverhüllte Pagenschnitt eher auf Männer, die breit erhobenen Arme lassen sie von Ferne wie Betende aussehen, dazu passen aber die Fäuste nicht.
Hypothese: Die Fäuste werden etwaigen Feinden der Stadt, seien es reale Angreifer seien es Feinde anderer Art entgegengeschüttelt. Eine Drohgebärde. Diese Hypothese ist allerdings ad acta zu legen, wenn die Figuren ins innere der Stadt schauen.
 
Wenn Ihr die Bilder anschaut auf denen man die Figuren aus der Nähe sieht, werdet Ihr feststellen, dass die "Fäuste" nicht geschlossen sind. In der Hand liegt eine Art Zilinder. Die Figuren trugen vermutlich früher etwas, z.B. einen Kranz. Sie tanzten womöglich ein Erntedankreigen.
 

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In Neubrandenburg stehen an zwei Stadttoren in luftiger Höhe insgesamt 17 Adorantinnen in Terrakotta stadteinwärts schauend.
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Hypothese: Die Fäuste werden etwaigen Feinden der Stadt, seien es reale Angreifer seien es Feinde anderer Art entgegengeschüttelt. Eine Drohgebärde. Diese Hypothese ist allerdings ad acta zu legen, wenn die Figuren ins innere der Stadt schauen.

Sie schauen ins Innere der Stadt.

Dass die Figuren mal was in der Hand gehabt haben könnten oder jedes Jahr im Herbst was reingesteckt bekommen könnte möglich sein. Allerdings kommt man bei dem einen Tor so ohne weiteres nicht an die Figuren heran. Bei dem andern Tor ist in der Mitte der Figuren ein Fenster. Aber ob man an den Figuren lang schleichen kann, wäre hoch gefährlich.
Doch warum sind dann die Hände der Figuren an einem Tor so, als ob man den Ristgriff am Reck vollführt?
 
Neben der Vermutung es könnte sich um den Engelschor handeln, wie auch Mercy geschrieben hat, las ich letztens einen Hinweis auf die Zünfte der Stadt. Könnte es ein, dass die "Adorantinnen" ursprünglich Zeichen der jeweiligen Zunft trugen? :grübel:

@Hurvinek,
sorry, ich habe es selbst noch nicht ganz durch, weil es nicht gar so einfach zu lesen ist, aber vielleicht findest du hier eine Info dazu. Jedenfalls wird in der "Geschichte der Vorderstadt Brandenburg" geschrieben 1783 das Stargader Tor erwähnt und beschrieben, und die Aufteilung der Stadt in Quadrate bzw. Quartale. Wobei dem Stargader Tor leider sieben, nicht acht Bereiche zugeordnet sind, wie ich vielleicht erwartet hätte ...
Interessant ist es in jedem Fall http://books.google.de/books?id=Wd4-AAAAcAAJ&pg=PA46&lpg=PA46&dq=Z%C3%BCnfte+neubrandenburgs&source=bl&ots=AN-Z1HvlSB&sig=Bh9FEM4zR-5ea4iLtrtK9DQK7XA&hl=de&ei=ZSaXTJayO8T6lwfywLmoCg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=10&ved=0CCsQ6AEwCQ#v=onepage&q=Stadttore&f=false
 
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Dankeschön @caro1.
Hab das durchsucht. Zu den Figuren steht da nichts. Die Quartalsunterteilung müßte erst später erfolgt sein, da das Stargarder Tor dem Buch nach diesen Namen erst später bekam. Davor hatte es zwei andere Namen (Wendische bzw. Wanzkaer Tor).
Ist schon merkwürdig, dass selbst dieser Autor (um 1710) diese Figuren nicht erwähnt. Anscheinend sind die ohne größere Bedeutung.
 
Nebenbei:
Wie waren die Frisuren der Frauen im Spätmittelalter? Alle einheitlich, sozusagen Kochtopfschnitt? In Filmen sieht man sie in allerhand Freestyle-Frisuren rumlaufen.
 
Ich glaube so unrecht hast du nicht. Damals trug man außer Haus immer irgendwas auf dem Kopf.
Aber wie sah Ackerbau-Frau auf dem Kopf aus? Die Hauben sind wohl nur in Städten und bei Reichen zu finden.
Oder ist das Armenfrisur bei den Adorantinnen? Jungfrauen?
 
Die Frauen auf Gemälden sind aus den "höheren Ständen" und sie tragen keine Alltagskleidung. Daher sind ihre Hauben, wie "feine Kleidung", "Sonntagsstaat", "Haute Couture" zu allen Zeiten, relativ unpraktisch. Einfachere Hauben oder Kopftücher waren aber durchaus üblich, schon aus praktischen Gründen, wie dem Sonnenschutz bei der Feldarbeit. Der Habit der Nonnen ist auch aus Alltagskleidung entstanden. So konnten christliche Frauen im Mittelalter aussehen. Meine Anspielung auf den Habit heutiger Musliminnen war nicht ganz grundlos.
Kopftuch ? Wikipedia
Habit ? Wikipedia

Zum Kern des Themas: Es wundert mich, dass es keine verlässliche Überlieferung geben soll, wen oder was die Figuren darstellen sollen. Über die Gewänder muss man sich nicht unbedingt wundern. Sie könnten als Chorhemden durchgehen.
Ministrant ? Wikipedia
 
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