Alexander der Große - Die Menschheitsidee

Aber unabhängig von Tarn gibt es eine Vielzahl aktueller Autoren / Wissenschaftler (ja, sogar Filmemacher!), die Alexanders Gedanken vom Frieden unter den Völkern als eindeutigen Fakt hinstellen.

Ich hab hier Hermann Bengtsons Alexanderbiographie vor mir. Ein grauenhaftes Werk, eine einzige Lobhudelei. Auch wenn er Tarns Idee einer Weltverbrüderung durch Alexander ablehnt, so schildert er doch einen Übermenschen der auf allen Ebenen brilliert, während die negativen Ereignisse durch widrige, externe Umstände zu Stande kommen
 
Aber unabhängig von Tarn gibt es eine Vielzahl aktueller Autoren / Wissenschaftler (ja, sogar Filmemacher!), die Alexanders Gedanken vom Frieden unter den Völkern als eindeutigen Fakt hinstellen.

Dagegen spricht schon Alexanders Biografie. Seit er mit seinem Heer nach Kleinasien aufbrach, war sein Leben von Schlachten und Eroberungen gekennzeichnet.

Als friedlichen Administrator, der in Babylon sein ferneres Leben verbirngt, kann ihn sich wohl kaum jemand vorstellen.
 
Mich verwundert das ganze irgendwie sehr. Hast du vielleicht ein paar kritische Stimmen / Aufsätze / Werke zu dieser Thematik gefunden, bzw. parat? Also jemanden, der die Sache mal etwas nüchterner betrachtet und die Behauptung von Alexanders "Menschheitsidee" argumentativ widerlegt?
Das passiert wohl, wenn man sich erstens zu weit von den Quellen entfernt und zweitens in eine Gestalt das hineininterpretiert, was man in ihr sehen möchte. Da können dann Selbstläufer entstehen, die sich verselbstständigen und mit den Quellen nicht mehr viel zu tun haben. Denn bei aller Bewunderung, die die antiken Autoren Alexander entgegenbrachten: Unkritisch sahen sie ihn nicht (wenngleich sie eher anderes kritikwürdig fanden als wir heute), und von einem Weltfriedensplan schrieben sie auch nichts.

Dazu hätte ich doch ein konkretes Beispiel.
Da wäre z. B. sein brutaler Feldzug gegen die Kossaier.

In Indien hat sich Alexander der Forderung seines Heeres zur Umkehr gebeugt. In Opis erlaubte er den revoltierenden Truppen den Rückmarsch in die Heimat.
Seine Armee war ja auch seine Machtbasis. Mit ihr konnte er es sich freilich nicht komplett verscherzen, er war auf sie angewiesen.

Und wenn jetzt mal wieder die Zerstörung von Theben angeführt wird, dann ist dazu anzumerken, dass Alexander dort als Hegemon des korinthischen Bundes einen Beschluss des Synhedrion gegen ein abtrünniges Bundesmitglied umgesetzt hatte.
Formal stimmt das. Aber die Versammlung hätte nach der Eroberung Thebens wohl kaum anders als in etwa Alexanders Wünschen entsprechend zu entscheiden gewagt, außerdem waren vor allem Vertreter der alten Rivalen Thebens anwesend.

Tyros war vielleicht nicht direkt ein Aufstand, es ging "nur" um das Opfern im Melkarttempel. Aber auch hier reagierte Alexander mit äußerster Brutalität.
Tyros war kein Einzelfall, Gaza z. B. erging es nicht viel anders. Wenn eine Stadt Alexander härteren Widerstand leistete, ging er nach ihrem Fall mit großer Härte gegen sie vor. Das war in der Antike zwar nicht ungewöhnlich, zeigt aber, dass, wie Du selbst schon angemerkt hast, Alexanders Einstufung als Friedensbringer und Humanist ungerechtfertigt ist.

Folgt man Quellen der Zeitgenossen, so schwebte Alexander eine Verschmelzung von Griechen und Iranern zu einer einheitlichen Reichsbevölkerung vor.

Selbst wenn uns das heute völlig unrealistisch erscheint, so ist es doch eine kühne Utopie.
Aber nicht im heutigen Sinn und wie sie heute gerne interpretiert wird. Die heutige europäische Einigung z. B. erhebt den Anspruch, einen Raum der Demokratie, der Freiheit, des Rechts, der Sicherheit und des Wohlstands zu schaffen. Im Mittelpunkt soll der europäische Bürger stehen, die Einigung soll ihm nützen, um in Freiheit und Wohlstand und ohne Angst vor Kriegen der Nationalstaaten untereinander leben zu können. Für Alexander hingegen waren seine Untertanen nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.

Ich sehe allerdings keinen besonders moralisierenden Blick auf Alexander, sondern eher einen idealisiert überhöhenden.
Sehe ich auch so.

Niemand würde Kyros oder Dareios als Friedensstifter oder Völkervereiniger glorifizieren
Na dann lies' einmal Wielands unvollendetes Epos "Cyrus" ...
Irgendwelche Glorifizierer finden sich wohl bei jedem großen Eroberer und Erschaffer/Herrscher eines Großreichs.
 
Aber unabhängig von Tarn gibt es eine Vielzahl aktueller Autoren / Wissenschaftler (ja, sogar Filmemacher!), die Alexanders Gedanken vom Frieden unter den Völkern als eindeutigen Fakt hinstellen. Bei Fischer-Fabian sicher wenig wissenschaftlich, bei Demandt hingegen, gibt es gleich mehrere Kapitel in denen er diese Ansicht verbreitet und dabei behauptet, dass sich dies aus den Quellen eindeutig ergeben würde. Und Robin Lane Fox? Der hat beim Alexander-Film von Oliver Stone als Berater zur Seite gestanden und ist ein großer Verfechter von dem Gedanken, dass Alexander ein friedensstiftender Heilsbringer und zugleich Globalisierungspionier gewesen sei.

I

Ich frage mich was für Leute so einen Schmarrn verzapfen. Ganz zu schweigen, dass es nach ihm einen Bürgerkrieg gab da hielt die Pax Romana oder Pax Mongolica länger.
 
Jeder Geschichtsstudent lernt ganz früh das eherne Gesetz, dass man Menschen nach den Maßstäben ihrer Zeit beurteilen muss.

In der Geschichtswissenschaft wird man sicherlich eher die Frage nach der Sacherkenntnis stellen, aber die Geschichtdidaktik beschäftigt sich sehr wohl mit dem Sach- als auch Werturteil.
Karl-Ernst Jeismann ? Wikipedia

Dennoch gibt es einige Herrscher, die selbst nach den Maßstäben ihrer Zeit besonders grausam waren und alle gebotenen Regeln verletzten. Das schlägt sich dann auch in den Beurteilungen der Zeitgenossen nieder. Legt man also diese Messlatte an, dann war Alexander weder besonders tyrannisch oder grausam, noch ein ein ungerechter oder feiger Herrscher - jedenfalls nicht nach den Maßstäben seiner Zeit. Und er hat ja sogar etwas bewirkt (wenn auch unabsichtlich): Ohne den Hellenismus, der auf seinem Lebenswerk basiert, wäre die Geschichte vermutlich vielfach anders verlaufen.

Du kennst ja den Tacitus-Ausspruch: "Sine ira et studio". Tacitus warf seinen Kollegen vor, dass sie über lebende Herrscher lobend, über Verstorbene geifernd schrieben und dass das unehrlich weil ungerecht sei.
 
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