Alkoholismus im Spiegel der Geschichte

Köbis17

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Hallo Zusammen,

ich möchte ein Thema im Zusammenhang mit der Geschichte zur Diskussion bringen, dass selbst heute noch keinen nennenswerten Abschluss gefunden hat und leider als normaler Teil unserer Gesellschaft gilt.

Nur mit dem Wink auf die heutigen Zustände, das Alkohol bei weitem nicht als Droge und somit extrem gesundheitsgefährdend in der Gesellschaft angesehen wird, würde mich die Entwicklung des Alkohol in allen Epochen der Gesellschaft des Menschen interessieren und der Wertegang des Alkohol, vor allem mit einer bewussten Initialisierung und Einsatz zu einem bestimmten Zweck, um entsprechende Ereignisse zu bewirken.


Es gibt einfach nix wichtigeres, wie darüber zu reden. Find ich zumindest und ein Verständnis zu geschichtlichen Entwicklung lässt uns vielleicht heute manche Dinge in einem anderen Licht erscheinen ...
 
Zum 18.Jh. kann ich sagen, dass Bier und Wein als ganz gewöhnliche Lebensmittel angesehen wurden die man auch bedenkenlos Kindern gab.

Im Leipziger Kochbuch von 1715 steht im Nachwort (einer Art Ernährungsberater) man solle Kinder dran gewöhnen Wasser zu trinken, so man sauberes zur Hand hätte, da das nichts ungesundes sei und man nur rechtzeitig damit anfangen solle, damit man sich daran gewöhne.

In einer Quelle aus den 1770ern ermahnt ein deutscher Offizier, der in Amerika weilte und seine Frau und Kinder zu sich holen ließ, seine Frau, dass sie die Kinder an das Biertrinken gewöhnen solle, und ihnen auf der Überfahrt unter keinen Umständen Wasser zu trinken geben solle...
Klar Alkohol war in vielen Fällen die sauberere Alternative zu Wasser.

Wobei Bier (ausser Starkbier) ja damals durchaus weniger Prozente hatte und Wein auch meist verdünnt mit Wasser (wobei dann der "gesündere" Faktor wieder draussen war) genossen wurde.
 
Es kommt gewissermaßen darauf an, woher das Wasser kam. Ein Gebirgsbach dürfte ziemlich sauberes Wasser geführt haben, wohingegen ein innerstädtischer Brunnen, um den mehrere Aborte lagen und wo Schweine, Geflügel und Hunde in der Nähe gehalten wurden bzw. herumstreunten, dürfte dagegen durch Bakterien (Coli, Cholera, Typhus etc.) verseucht gewesen sein.
 
Was nun die Geschichte des Alkohols angeht, so ist es eine Geschichte von Genuss, Restriktionen und Verboten.
Manche Prähistoriker gehen z.B. davon aus, dass der Anlass für den Beginn des Ackerbaus nicht die Herstellung von Brot gewesen sei, sondern die von Bier.
Alkohol gibt es in allen möglichen Kulturen, er wird aus vergorenem Getreide (Bier, Schnäpse), Honig (Met), Früchten (Wein, Cider, Pflaumenwein), Wurzeln (Maniok -> Chicha, Kartoffeln -> Wódka), ja sogar Milch (Kumys) hergestellt. Es gab aber auch immer wieder Versuche, den Alkoholkonsum zu reduzieren bzw. ganz zu verbieten. Man denke nur an das Alkoholverbot der Sunna, welches im sunnitischen Islam Kontroversen auslöst, weil es eine Unklarheit gibt, ob Alkohol überhaupt verboten ist, oder ob es nur verboten ist, angeheitert zu beten. Man denke aber auch an die Sufragetten, welche den Alkohol als Übel ansahen - vermutlich, weil es die Erfahrung gab, dass übermäßiger Alkoholkonsum die Gewaltbereitschaft der Männer gegenüber Frauen und Kindern erhöhte - oder die Prohibition in den USA, die den Alkoholkonusm gerade erst chique machte. Bis heute ist es ja in den USA in einigen Staaten verboten, auf der Straße offen Alkohol zu trinken (wenn die Flasche aber in eine Papiertüte eingewickelt ist, stellt das kein Problem mehr da). In Zeiten, in denen der Monatslohn noch nicht auf's Konto, sondern der Wochenlohn in die Lohntüte ging, fingen die Frauen ihre Ehemänner zu den Zahltagen regelmäßig vor den Werkstoren ab, um wenigstens einen Teil des Geldes für die Grundversorgung der Familie zu retten, bevor es in der Kneipe mit den Kumpeln verspielt und versoffen wurde.
 
Mozart Champagnerarie
Verdi Trinklied (La Traviata)
Strauß jun. Cjampagner hats verschuldet (Fledermaus)

Saufexzesse in Wikingersagas
meum est propositum in taberna mori (Archipoeta) *)
Saufzenen im simplicius simplicissimus (Grimmelshausen)
Dostojewskis Trinkerfiguren (z.B. Lebjadkin in "böse Geister")

auch die Malerei verfügt über diverse Trunk- bzw. Trinkermotive (erschütternd hier Repins Portrait des Komponisten Mussorgski, komisch hingegen manche Genreszene von Zille oder Buschs "Abenteuer einer Silvesternacht")

...es scheint, als seie die Architektur als einzige Kunst eher frei von der Historie des Alkohols (sieht man davon ab, dass sie natürlich Kneipen etc zu bauen vermag)

soweit ein paar Streiflichter in die Kultur- oder Kunstgeschichte

____________
*) mein Vorsatz ist, in der Kneipe zu sterben (womit nicht sich überfressen gemein ist) :grübel: das taucht sowohl in Orffs Carmina burana als auch als Studentenlied auf
 
Was nun die Geschichte des Alkohols angeht, so ist es eine Geschichte von Genuss, Restriktionen und Verboten.
Manche Prähistoriker gehen z.B. davon aus, dass der Anlass für den Beginn des Ackerbaus nicht die Herstellung von Brot gewesen sei, sondern die von Bier.
Alkohol gibt es in allen möglichen Kulturen, er wird aus vergorenem Getreide (Bier, Schnäpse), Honig (Met), Früchten (Wein, Cider, Pflaumenwein), Wurzeln (Maniok -> Chicha, Kartoffeln -> Wódka), ja sogar Milch (Kumys) hergestellt. Es gab aber auch immer wieder Versuche, den Alkoholkonsum zu reduzieren bzw. ganz zu verbieten. Man denke nur an das Alkoholverbot der Sunna, welches im sunnitischen Islam Kontroversen auslöst, weil es eine Unklarheit gibt, ob Alkohol überhaupt verboten ist, oder ob es nur verboten ist, angeheitert zu beten. Man denke aber auch an die Sufragetten, welche den Alkohol als Übel ansahen - vermutlich, weil es die Erfahrung gab, dass übermäßiger Alkoholkonsum die Gewaltbereitschaft der Männer gegenüber Frauen und Kindern erhöhte - oder die Prohibition in den USA, die den Alkoholkonusm gerade erst chique machte. Bis heute ist es ja in den USA in einigen Staaten verboten, auf der Straße offen Alkohol zu trinken (wenn die Flasche aber in eine Papiertüte eingewickelt ist, stellt das kein Problem mehr da). In Zeiten, in denen der Monatslohn noch nicht auf's Konto, sondern der Wochenlohn in die Lohntüte ging, fingen die Frauen ihre Ehemänner zu den Zahltagen regelmäßig vor den Werkstoren ab, um wenigstens einen Teil des Geldes für die Grundversorgung der Familie zu retten, bevor es in der Kneipe mit den Kumpeln verspielt und versoffen wurde.


Es ist auch in vielen deutschen Städten auf öffentlichen Plätzen der Konsum von Alkohol verboten. Die documentastadt Kassel regt sich seit Jahren über die Alki/Berberszene in der Innnenstadt auf. Eigentlich ist es nicht wirklich verboten, denn der Alkohol ist das Schmiermittel der Geselllschaft, das gerade bei großen Sportereignissen in Strömen fließt. Den Stoff soll man sich aber bei den Geschäftsleuten und nicht im Aldi kaufen. Das heisst kaufen schon, aber dann schleunigst aus den glitzernden Einkaufspalästen verschwinden. Die Alkis stören das Stadtbild, weshalb nach Kieler Modell ein Trinkerraum eingerichtet werden sollte. Zur Documenta, auf dem Weihnachtsmarkt und auch beim Public Viewing der EMs und WMs, präsentiert von Krombacher wollen die Leistungsträger der Gesellschaft unter sich sein. Stimmung und gute Laune kommen bei solchen "Events" zwar auch nicht vom Sprudel, aber wer mit beiden Beinen im Leben und in der Mitte der Gesellschaft steht, ist lediglich angeheitert und gut drauf, während es bei den Berbern heißt: "Da seht sie euch an, die Kerle (und weiber) sind mal wieder besoffen. Trockene Alkoholiker wissen ein Lied davon zu singen, wie vielfältig die Anlässe sind, bei denen man förmlich zum trinken genötigt wird, wo man schnell zum Außenseiter wird, wenn man O- Saft oder Cola trinkt.

Ein Bekannter von mir, der inzwischen mehrere Jahre abstinent lebt, sagt immer: "Danke, lassen Sie mal, ich hab früher zu viel getrunken." Er sagte, er habe noch nie erlebt, dass er darauf ausgegrenzt worden wäre, statt dessen habe er eher Anerkennung gefunden und vor allem unglaublich viele Zeitgenossen getroffen, die einräumten, selbst Alkoholiker zu sein.
 
Was nun die Geschichte des Alkohols angeht, so ist es eine Geschichte von Genuss, Restriktionen und Verboten.
Manche Prähistoriker gehen z.B. davon aus, dass der Anlass für den Beginn des Ackerbaus nicht die Herstellung von Brot gewesen sei, sondern die von Bier.
Alkohol gibt es in allen möglichen Kulturen, er wird aus vergorenem Getreide (Bier, Schnäpse), Honig (Met), Früchten (Wein, Cider, Pflaumenwein), Wurzeln (Maniok -> Chicha, Kartoffeln -> Wódka), ja sogar Milch (Kumys) hergestellt. Es gab aber auch immer wieder Versuche, den Alkoholkonsum zu reduzieren bzw. ganz zu verbieten. Man denke nur an das Alkoholverbot der Sunna, welches im sunnitischen Islam Kontroversen auslöst, weil es eine Unklarheit gibt, ob Alkohol überhaupt verboten ist, oder ob es nur verboten ist, angeheitert zu beten. Man denke aber auch an die Sufragetten, welche den Alkohol als Übel ansahen - vermutlich, weil es die Erfahrung gab, dass übermäßiger Alkoholkonsum die Gewaltbereitschaft der Männer gegenüber Frauen und Kindern erhöhte - oder die Prohibition in den USA, die den Alkoholkonusm gerade erst chique machte. Bis heute ist es ja in den USA in einigen Staaten verboten, auf der Straße offen Alkohol zu trinken (wenn die Flasche aber in eine Papiertüte eingewickelt ist, stellt das kein Problem mehr da). In Zeiten, in denen der Monatslohn noch nicht auf's Konto, sondern der Wochenlohn in die Lohntüte ging, fingen die Frauen ihre Ehemänner zu den Zahltagen regelmäßig vor den Werkstoren ab, um wenigstens einen Teil des Geldes für die Grundversorgung der Familie zu retten, bevor es in der Kneipe mit den Kumpeln verspielt und versoffen wurde.


Jack London begann schon in seiner Jugendzeit Alkohol zu trinken, und seine autobiographische Erzählung "John Barleycorn" setzt sich sehr anschaulich mit Konsumritualen und -Zwängen auseinander. Jack London gehörte übrigens zu den Verfechtern der Prohibition in den USA, die bereits vor 1920 in einigen Bundesstaaten und Counties verhängt wurde.

Alkoholismus ist vermutlich so alt wie der Alkohol selbst, doch wirklich aktuell wurde als Thema im Bewusstsein der Öffentlichkeit mit der industriellen Revolution, die indirekt den massenhaften Konsum von vorwiegend hochprozentigen Getränken förderte. Nicht nur die Produktionsmittel und Fabriken, auch die Kneipen und Destillen befanden sich in der Hand der Unternehmer. Die wollten am Konsum verdienen, gleichzeitig aber auch "gesittete" und nüchterne Arbeitskräfte. Dank eifriger Produktion von Schlafmohn in Bengalen, wurden Opiumprodukte wie Laudanum billiger als Alkohol. Thomas de Quincey schreibt, dass zu Beginn des 19. Jhds ein Pfund Opium etwa drei Guineas kostete, während er einige Jahre später bemerkte, dass in Manchester Apotheker Opium in Portionen von einigen Gran (1 gran= ca 60 mg) an Arbeiter verkauften, die sich keinen Schnaps leisten konnten.
Das 19. Jahrhundert betrachtete Morphinisten mit weit größerer Toleranz, als Alkoholiker oder auch Homosexuelle, die noch im 20. Jahrhundert mit Elektroshocks von ihrer "perversen Neigung" geheilt werden sollten. Im 20. jahrhundert haben sich die Wertmaßstäbe verschoben, doch die Doppelmoral und Bigotterie ist die gleiche geblieben.

In der Mitte
 
Bei Prohibitionen wird gern das Verbot von Drogen ohne bestimmte Eingrenzungen bezeichnet.

Alkoholgenuss bzw. übermässiger Genuß, kann wohl erst erfasst werden, wenn die Gesellschaft ohne Stände und somit finanziellen Schranken offen steht, für jeglicher Art von Alkoholgenuss.

Interessant ist eigendlich das Gesellschaftsprojekt des Alkoholsverbots in den Mittelkriegsjahren in der USA.

"Nimm dem Kind die Flasche und es schreit!" Verbote für die Einfuhr von Alkohol gab es doch aber nicht nur zu diesem Zeitpunkt, auch die Kontinentalsperre, sollte u.a. den Rum vom Festland fern halten ...

Große Frage, gab es eine Gesellschaft, die ohne Alkohol für das Leben in der Gesellschaft stand oder erfolgreich überlebte?

Oder ist der Mensch ohne Alkohol kein Mensch!?
 
Vielleicht sollte man die Frage wirklich etwas eingrenzen. Wir können hier ja theoretisch in jede beliebige Richtung abdriften, wie allein schon El Quijotes beeindruckender Rundumschlag deutlich gemacht hat. Also warum lassen wir nicht das Thema "Alkohol an und für sich" außen vor und bleiben beim Thema "Alkoholismus," also ein Konsum von Alkohol, der ein Problem für den Trinkenden und seine Gesellschaft darstellt. Denn das sind ja unter Umständen ganz andere Situationen.

Ich würde grundsätzlich einen ritualisierten, streng reglementierten und sozial ständig beobachteten Konsum von Alkohol in einer Gesellschaft anders bewerten als etwa die lebens- und gesellschaftszerstörenden, jeder Regulierung außer Geldmangel enthemmten Alltagsexzesse, die besonders seit der Industrialisierung und eben auch heute noch mit Alkoholismus identifiziert werden.

Also wären doch eher die Fragen: Was für historische Bedingungen müssen gegeben sein, dass ein so definierter Alkoholismus für breitete Gruppen eine Gefahr darstellt als (sagen wir mal) gelangweilte Adelige und die absolut untersten Randgruppen? Wie kann Alkoholismus zu einem gesellschaftlichen Problem werden, und wie wird darauf reagiert? Unter was für Bedingungen wird ein verbreiteter Alkoholismus vielleicht als Symptom gesellschaftlicher Probleme gedeutet, wie etwa Dekadenz, aber vielleicht auch das Gegenteil einer nicht mehr hinzunehmenden, hoffnungslosen Armut? Wessen Alkoholismus wird überhaupt sichtbar gemacht?

Sowas halt.
 
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Also wären doch eher die Fragen: Was für historische Bedingungen müssen gegeben sein, dass ein so definierter Alkoholismus für breitete Gruppen eine Gefahr darstellt als (sagen wir mal) gelangweilte Adelige und die absolut untersten Randgruppen? Wie kann Alkoholismus zu einem gesellschaftlichen Problem werden, und wie wird darauf reagiert? Unter was für Bedingungen wird ein verbreiteter Alkoholismus vielleicht als Symptom gesellschaftlicher Probleme gedeutet, wie etwa Dekadenz, aber vielleicht auch das Gegenteil einer nicht mehr hinzunehmenden, hoffnungslosen Armut? Wessen Alkoholismus wird überhaupt sichtbar gemacht?

Sehr gute Fragen, top, aber nicht im Spiegel unterschiedlicher Herrschaftssysteme vor dem 19. Jahrhundert, da hier schon allein der finanzielle Aspekt selektierte, sondern die von Dir angesprochenen Aspekte und Problem bringen so ein wenig explosiven Diskussionstoff auf die Zeit, in der die Gesellschafft gesellschaftlicher wurde. Sagen wir z.B., die von Dir aufgestellten Phasen im direkten Zusammenhang der verschiedenen Ideologien, Kapital- und Kommunismus ...

Im Spaß, wer Soff mehr?
 
die von Dir angesprochenen Aspekte und Problem bringen so ein wenig explosiven Diskussionstoff auf die Zeit, in der die Gesellschafft gesellschaftlicher wurde. Sagen wir z.B., die von Dir aufgestellten Phasen im direkten Zusammenhang der verschiedenen Ideologien, Kapital- und Kommunismus ...

Im Spaß, wer Soff mehr?

Im Spaß...? Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich das nicht gerade doch einen Hauch zu frivol finde bei einem Problem, das du selbst so emphatisch-sensibilisierend als Thread eingeführt hast, so im Sinne von

Es gibt einfach nix wichtigeres, wie darüber zu reden.

Aber ok, Ernst beiseite. Also wenn wir schon vergleichen, dann definier mir doch mal vorher Kapitalismus und Kommunismus in ihrer nationalgeschichtlich-übergreifenden Bedeutung, damit wir erstmal die kommunistischen und dann die kapitalistischen Länder bestimmen und jene dann unter Berücksichtigung der spezifischen Einflussnahme des ideologisch-ökonomischen System intern vergleichen können. Dann vergleichen wir die beiden Blöcke miteinander und werden, nach Auswertung aller Daten und unter Berücksichtigung aller Werte wahrscheinlich rausbekommen, dass die kalten Länder immer noch am meisten saufen. :D
 
Wie kann man über den Alkoholkonsum diskutieren ohne die alten Griechen? Nichts im Übermaß, ein Spruch, der wohl den Apollontempel von Delphi zierte, galt auch beim Weintrinken. Kultivierte tranken den Wein mit Wasser verdünnt, unverdünnt die Barbaren. Um die strengen Regeln des Maßhaltens zu konterkarieren, berichtet die Kunst, zum Beispiel auf vielen Vasenbildern, von den Exzessen, die beim und nach dem Symposion auftreten konnten. Dionysos, der Gott des Rausches, war quasi der Gegenpol zu Apollon, dem Gott der Maßhaltung, beide galten als Herren in Delphi. Die Exzesse und das rauschhafte Treiben des Dionysos und seines Gefolges waren quasi das ventil, welches zu strenge Nomrgebung verlangte.
 
Im Spaß...? Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich das nicht gerade doch einen Hauch zu frivol finde bei einem Problem, das du selbst so emphatisch-sensibilisierend als Thread eingeführt hast, so im Sinne von


Okay, vielleicht habe ich ein wenig übertrieben, was die Diskussionswürtigkeit angeht.

Aber Hand aufs Herz, der Alk wird grade in moderner Zeit bzw. gesellschaftlicher Ordnung Mittel zum Ausbrechen, aus ebend dieser Ordnung.

Gab es die Problematik in diesem Blick auch schon vor dem 19.Jahrhundert?
War Alk zu diesen Zeitpunkt durch gewisse Destillen nicht gleich für -Jedermann- ?

Hat die Industrie, die Fließbandproduktion, auch den Alk "verfließbandet" um einfach den monotonen Alltag zu "ertränken" ...

Es gab schon immer Alkohol zum Trinken und auch immer wurde in gewissen Kreisen zuviel davon genommen, doch war der Alk als gesellschaftliches Problem im gleichen Schritt der Industrialisierung gekommen? Egal auf welchem Kontinent?
 
Trunkene_Alte1.jpg

Ein Bild, das mehr sagt als tausend Worte: Die trunkende Alte aus der Münchner Glyptothek
 
Also wären doch eher die Fragen: Was für historische Bedingungen müssen gegeben sein, dass ein so definierter Alkoholismus für breitete Gruppen eine Gefahr darstellt als (sagen wir mal) gelangweilte Adelige und die absolut untersten Randgruppen? Wie kann Alkoholismus zu einem gesellschaftlichen Problem werden, und wie wird darauf reagiert? Unter was für Bedingungen wird ein verbreiteter Alkoholismus vielleicht als Symptom gesellschaftlicher Probleme gedeutet, wie etwa Dekadenz, aber vielleicht auch das Gegenteil einer nicht mehr hinzunehmenden, hoffnungslosen Armut? Wessen Alkoholismus wird überhaupt sichtbar gemacht?
Könnte man vielleicht auch den Spieß umdrehen und sagen, dass Alkoholismus der hoffnungslosen Unterschichten eine streng hierarchische Gesellschaft stabilisiert? Ich hab u. a. die relativ bekannte Karrikatur mit der englischen Straßenszene aus dem 18. Jahrhundert im Hinterkopf (muss mal suchen), in der eigentlich die ganzen Typen, die sonst zu Mobs, Gewalttaten und Revolutionen neigen, an Ihren Ginfläschchen nuckeln und chaotisch, aber (politisch) ruhig sind. Ähnlich die Marine: Unsern täglich Rum gib uns heute und wir tun, wie uns geheißen?
Also: (Billiger) Alkohol als Ersatz-Opium fürs Volk?
Ich meine, gerade bei Militär, im Penner-Milieu (sorry) sowie bei Arbeiterns und Bauerns war die Bereitstellung billigen Alkohols doch häufig ein für die Herrschaft durchaus wohlfeiler Teil der Löhnung, der für (politische) Ruhe und Frieden sorgte. Und der berühmt-berüchtigte "Navy-Rum" war ja nun wirklich ein Abfallprodukt...

Post-Schreibulum: Das hier meinte ich:
http://www.google.de/imgres?um=1&hl=de&biw=1366&bih=683&tbm=isch&tbnid=NPAuNeZiWsynaM:&imgrefurl=http://en.wikipedia.org/wiki/File:Beer-street-and-Gin-lane.jpg&docid=4a4qB9H4yPvTqM&imgurl=http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1e/Beer-street-and-Gin-lane.jpg&w=1330&h=825&ei=T6geUInuI8TLtAbSuICICQ&zoom=1&iact=hc&vpx=174&vpy=225&dur=946&hovh=177&hovw=285&tx=146&ty=104&sig=113795444499413309433&page=1&tbnh=120&tbnw=193&start=0&ndsp=24&ved=1t:429,r:0,s:0,i:72
Beer Street and Gin Lane von William Hogarth
 
Zuletzt bearbeitet:
Könnte man vielleicht auch den Spieß umdrehen und sagen, dass Alkoholismus der hoffnungslosen Unterschichten eine streng hierarchische Gesellschaft stabilisiert? Ich hab u. a. die relativ bekannte Karrikatur mit der englischen Straßenszene aus dem 18. Jahrhundert im Hinterkopf (muss mal suchen), in der eigentlich die ganzen Typen, die sonst zu Mobs, Gewalttaten und Revolutionen neigen, an Ihren Ginfläschchen nuckeln und chaotisch, aber (politisch) ruhig sind. Ähnlich die Marine: Unsern täglich Rum gib uns heute und wir tun, wie uns geheißen?
Also: (Billiger) Alkohol als Ersatz-Opium fürs Volk?
Ich meine, gerade bei Militär, im Penner-Milieu (sorry) sowie bei Arbeiterns und Bauerns war die Bereitstellung billigen Alkohols doch häufig ein für die Herrschaft durchaus wohlfeiler Teil der Löhnung, der für (politische) Ruhe und Frieden sorgte. Und der berühmt-berüchtigte "Navy-Rum" war ja nun wirklich ein Abfallprodukt...

Guter Punkt. Das hat sich wahrscheinlich alles gut ergänzt - das politische Stillhalten, das leichtere Ertragen der eigenen Situation, und die am wenigsten verseuchte Flüssigkeitszufuhr.
 
Neddy schrieb:
Ich meine, gerade bei Militär, im Penner-Milieu (sorry) sowie bei Arbeiterns und Bauerns war die Bereitstellung billigen Alkohols doch häufig ein für die Herrschaft durchaus wohlfeiler Teil der Löhnung, der für (politische) Ruhe und Frieden sorgte. Und der berühmt-berüchtigte "Navy-Rum" war ja nun wirklich ein Abfallprodukt...
Nicht nur während der Dienstzeit, sondern auch bei der Anwerbung kam dem Alkoholismus eine besondere Rolle zu. Noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Hafenspelunken und zwielichtigen Pubs ahnungslose Männer von Militäranwerbern abgefüllt, und wachten aus ihrem Rausch mit einer jahrelangen Verpflichtung für die Armee oder Marine wieder auf.

Und um noch einmal auf Alkohol in der Kunstwelt zurückzukommen: Nicht zu vergessen ist hier natürlich van Gogh, der sich im Absinthrausch ein Ohr oder ein Teil des Ohres abgeschnitten haben soll. "Die Grüne Fee" war ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich das Szenegetränk der Kunstschaffenden.
 
In diesem Zusammenhang vielleicht auch ganz interessant, wenn auch neuere Geschichte; in der DDR herrschte bekanntlich Mangel an allem und jedem, nur Bier und Schnaps gab es immer und überall, und zwar reichlich und sehr billig.
Die Restriktionen in puncto Alkohol im Straßenverkehr waren allerdings deutlich strenger als heutzutage.
 
Eine der ältesten Geschichte des Abendlandes um übermäßigen Alkoholkonsum findet sich in Homers Odysee. Odysseus füllt den Zyklopen einfach ab.

Eine ganz andere Geschichte findet sich in der Bibel. Nach der Sintflut betrinkt sich Noah hemmungslos mit dem ersten Wein und bleibt als nackte Schnapsleiche liegen. Bestraft wurde jedoch nicht der Trinker selbst, sondern sein Sohn Ham, der den betrunkenen Vater seinen Brüdern vorführte. Nach biblischer Moral hätte Ham die Blöße des Zechers bedecken und Stillschweigen halten müssen.
 
Interessant finde ich auch die ablehnende Haltung, die die griechische Mythologie gegenüber Abstinenzlern einnimmt: Personen, die gegen den Konsum von Alkohol agitieren, werden grausam bestraft: König Pentheus von Theben wird von seiner berauschten eigenen Mutter zerrissen. Der thrakische König Lykurgos wird wahnsinnig, tötet seinen eigenen Sohn und endet auch selbst schlimm.
 
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