Alkoholismus im Spiegel der Geschichte

Im franz.Fernsehen ging es mal um einen englischen Historiker,der das gleiche behauptet hat.Ich kann mich aber nicht an den Namen von dem Knaben erinnern.Möglicherweise hat seine These ja auch etwas mit dem Trinkverhalten seiner Stammesgenossen zu tun.

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Könnte es sich da um Ian Mortimer handeln?<o:p></o:p>
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Habe sein Interview gelesen, was er dem „Der Spiegel“ im Juli 2012 gegeben hat.<o:p></o:p>
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Allerdings stehe ich da zu wenig im Stoff, nicht doch... :)<o:p></o:p>
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Ich meine, ich kann diesen Herren nicht beurteilen.<o:p></o:p>
Wenn’s erlaubt ist, hier sein Interview:<o:p></o:p>
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http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-86653859.html<o:p></o:p>
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Um grausam zu sein muss der Mensch nicht betrunken sein. Waren die Lagerwächter der Nazis oder in den Gulaks alles Säufer.
Es gibt in der Tat Berichte, dass vor, während und nach Massenerschießungen Schnaps herumgereicht wurde.

So hart es klingen mag, aber es wird auch gern Alkohol als Belohnung gereicht. So nach dem Motto: "...jetzt wurde etwas geschafft, darauf trinken wir erstmal einen!"
Wenn es hier um ein oder zwei Schnäpple geht, kann ich mir den Benebelungseffekt nicht vorstellen.

Die Belohnungstrinkerei ist wohl auch die beste Lüge oder besser Grund (?) zum Saufen ...
 
Warum erfolgten denn bei kriegerischen Handlungen die Vergiftung von Brunnen des Gegners, wenn das Wasser sowieso nicht genießbar war? Wäre doch dann albern, oder?
Und die Festung Königstein galt auch deshalb als uneinnehmbar, eben weil sie eine gesicherte Wasserversorgung hatte.
sodann die These, man habe im Mittelalter mehr alkoholisches getrunken als etwa alkoholfreies Wasser - das scheint aus wirtschaftlichen Gründen eher unwahrscheinlich; d.h. die Hauptmenge an Flüssigkeitszufuhr wird Wasser gewesen sein, so frisch wie möglich (ein indirektes Indiz: bei Belagerungen pflegte man Zisternen/Brunnen mit Kadavern zu vergiften - dieselbe Technik zur Vernichtung großer Bierbehälter ist nicht überliefert)
@exci
da tuten wir ins selbe Horn :)
denkt man zusätzlich an die Produktionsweisen und -mengen im Mittelalter, könnte naheliegen, dass es damals in Relation zu heute kostspieliger war, Alkoholiker zu werden (selbst hohe Herren pflegten Wein verdünnt und gesüßt zu trinken, Met gab es nur zu sehr großen Anlässen usw.) - wie soll ein mittelalterlicher Tagelöhner sich einen ständigen 1,8 Promille Pegel erwirtschaftet haben?
 
In der Absolutheit, in der ich es oben formuliert habe, kann man die Aussage wahrscheinlich nicht stehenlasse. Es gibt ja auch genug Weltregionen mit knappen und schlechtem Wasser, in denen wenig Alkohol konsumiert/beigemischt wird.

Trotzdem: hier im Schwäbischen tranken Bauern und Handwerker praktisch nur Most - mit Wasser gestreckter Apfelwein mit 3-4 % Alkohol. Es wurde auch nicht nur die eigene Apfel- und Birnenernte vermostet. Bis in die 40er Jahre fuhren bzw. wanderten die Filderbauern mit Kuhgespannen auf den Obstmarkt nach Cannstatt, um Äpfel zuzukaufen. In den Kellern der alten Häuser stehen Fässer mit in Summe mehreren 1000 Litern Fassungsvermögen, die übers Jahr niedergekämpft wurden. Ich kannte noch alte Haken, die übers Jahr ihre 1000 Liter Most gemacht und getrunken haben. Das sind immerhin gut 2,5 Liter am Tag. Dazu noch der Morgen-Schnaps, wegen der Gesundheit, nicht wegen der Wollust, wie es ein österreichischer Dichter mal formulierte.

In den Gaststätten wurde das teurere Bier getrunken, das wegen der Wollust. Das könnte die o.a. nicht berauschenden Mengen in den Gaststätten erklären.

Mindestens hier oben auf der SchwAlb hatte das konkret mit der lausigen Qualität des Wassers zu tun, das zu einem großen Teil aus Hülen, also offenen Regenwassersammelbecken stammte, zu tun. Billig war der Most nicht, gerade hier musste Obst aus den tieferen Lagen zugekauft werden.

Ich hab noch eine Klassifizierung von Wein-Wasser-Mischungen in Ungarn gefunden:
Kisfröccs: 1 dl Wei + 1 dl Sodawossa
Nagyfröccs: 2 dl Wei + 1 dl Sodawossa
Hosszúlépés: 1 dl Wei + 2 dl Sodawassa
Házmester: 3 dl Wei + 2 dl Sodawossa
Viceházmester: 2 dl Wei + 3 dl Sodawassa

Das könnte ein Indiz für die gebräuchliche Beimischung von Alkohol in Weinbaugebieten sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
@exci
da tuten wir ins selbe Horn :)
denkt man zusätzlich an die Produktionsweisen und -mengen im Mittelalter, könnte naheliegen, dass es damals in Relation zu heute kostspieliger war, Alkoholiker zu werden (selbst hohe Herren pflegten Wein verdünnt und gesüßt zu trinken, Met gab es nur zu sehr großen Anlässen usw.) - wie soll ein mittelalterlicher Tagelöhner sich einen ständigen 1,8 Promille Pegel erwirtschaftet haben?
In der Tat!
Da du den wirtschaftlichen Aspekt ansprichst, hier ein paar Preise von 1812:
1 Maas Deßauer Stadt-Bier à 7 Pf.
1 Maas Sanderslebische Sose à 1 Gr.
1 Maas Oranienbaumer Breyhan à 7 Pf.
(Herzogl. Fürstl. Anhalt-Deßauische wöchentliche öffentliche Nachrichten., No XII., 21. März 1812)
Sicherlich klingen die Preise - gemessen an Oktoberfest-Preisen - sehr gemütlich, dennoch musste auch damals dieses Geld erst einmal übrig sein.

Und, wenn wir von Bier reden, dann dürfen wir nicht unterschlagen, dass zum Brauen klares reines Wasser notwendig ist...

Grüße
excideuil
 
Einen recht guten Eindruck von dem Bierkonsum liefert, wenn auch nur für England gültig, "The complete servant" (Samuel Adams) von 1825. Dieses Werk über die Tätigkeiten und die Vergütung spiegelt die Verhältnisse des späten 18. und frühen 19.Jh. wider, als Adams als Dienstbote in verschiedenen Haushalten fungierte. Die Mengen an Stark- und Dünnbier, die man dort findet, und die als Naturalentlohnung oder schlicht ein Teil der Verpflegung vorgesehen waren, sind äußerst überschaubar. Nur der Spitze der Dienerschaft wie dem weibl. Housekeeper und je nach dem, ob vorhanden, dem Steward oder Butler wurde noch sowas wie Wein zugestanden.
 
Bei dem Wasser sind verschiedene Dinge in einen Topf geworfen worden.

1- Im Mittelalter wußte man recht wenig zu Krankheitsursachen. Brunnen direkt neben einer Kloake und die Einleitung von Unrat oberhalb von Wasserentnahmestellen sind nicht gerade gesund. Das ist u.a. durch die Archäologie bekannt.
2- Dann gibt es gesundheitsschädliche Quellen. Im Gegensatz zu giftigen merkt man das nicht unbedingt, da ja die Leute nicht sofort sterben. Noch heute lernt jeder Rekrut, dass man einer Quelle nicht ansieht, ob sie giftig oder ungesund ist. Keine 10 km von hier gibt es ungesundes Wasser. Das wurde bis in die 70er Jahre ganz selbstverständlich genutzt.
3- In der frühen Neuzeit galt dann Wasser als gesundheitsschädlich. Also trank man lieber Wein und Bier. Das alltägliche Bier hatte allerdings einen geringeren Alkoholgehalt als heute. Eine weitere Konsequenz war es, zu vermeiden, sich zu waschen. Das war eine Ursache für das Aufkommen von Unterwäsche. Später fand man Erklärungen. Doch bis in das 19. Jh. war Bier für viele das einzig halbwegs sichere Getränk. Dazu gibt es dann schon Schriftquellen. Angaben habe ich nicht parat und auch keine Zeit sie zu suchen.

Da ist also wieder ein guter Teil aus der Neuzeit übertragen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
In der Vormoderne erkrankten Menschen reihenweise an alkoholinduzierter Gicht. "Podagra". Sie erkannten die Ursache nicht im Fleisch- und Alkoholkonsum. In die 1970er Jahre hinein war es in meiner Gegend üblich, per Pressung gewonnenen Apfelmost vor Gärung mit Wasser zu strecken. Das bedeutete, dass ein Getränk mit wenig Alkohol herauskam, das haltbar und sicher war. Es wurde auch kleinen Kindern gegeben. Ich erinnere mich, wie ich in Bayern sah, dass Kleinkindern Bierschaum vom Fass verabreicht wurde und dass Kinder über 10 Jahre ein kleines Glas Bier bekamen. Meine Großeltern tranken zeitlebens täglich alkoholische Getränke wie Wein oder Bier. Sie sind steinalt geworden. Das ist natürlich nicht Mittelalter, sondern Zeitgeschichte, aber ich denke, so sehr unterschieden sich die Epochen nicht. Das Moralisieren über Alkohol ist meines Wissens mehr eine Sache des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
 
In der Vormoderne erkrankten Menschen reihenweise an alkoholinduzierter Gicht. "Podagra". Sie erkannten die Ursache nicht im Fleisch- und Alkoholkonsum. In die 1970er Jahre hinein war es in meiner Gegend üblich, per Pressung gewonnenen Apfelmost vor Gärung mit Wasser zu strecken. Das bedeutete, dass ein Getränk mit wenig Alkohol herauskam, das haltbar und sicher war. Es wurde auch kleinen Kindern gegeben. Ich erinnere mich, wie ich in Bayern sah, dass Kleinkindern Bierschaum vom Fass verabreicht wurde und dass Kinder über 10 Jahre ein kleines Glas Bier bekamen. Meine Großeltern tranken zeitlebens täglich alkoholische Getränke wie Wein oder Bier. Sie sind steinalt geworden. Das ist natürlich nicht Mittelalter, sondern Zeitgeschichte, aber ich denke, so sehr unterschieden sich die Epochen nicht. Das Moralisieren über Alkohol ist meines Wissens mehr eine Sache des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Das man dem Alkohol den Kampf ansagte und Alkoholismus gezielt behandelte, schließlich sogar eine Prohibition politisch durchsetze, war ein Phänomen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, aber geharnischte Philippiken über unmäßige Freß- und Sauflust war schon in der Reformationszeit ein beliebtes Prediktthema von Geistlichen aller Konfessionen.
 
...dem Alkohol den Kampf ansagte...
Ob das Mittelalter so schäbig war, dass viele Menschen es sich schön trinken mussten...:S
Zur Geschichte des übermaßigen Trinkens und den Rangplatz Deutschlands hierbei siehe bereits http://www.geschichtsforum.de/f287/deutschlands-ruhm-um-1600-a-22725/. Einige interessante Informationen über den mittelalterlichen "Kampf" liefert Spode [1], z.B.:
Der Kampf gegen die Trunkenheit setzte nördlich der Alpen mit der Heidenmission ein und gründete für gut ein Jahrtausend fest in der jüdisch-christlichen Tradition; seine argumentative Struktur war klar und äußerst stabil: Als eine Gabe Gottes ist der Wein per se gut. Sein Mißbrauch ist – wie jede Maßlosigkeit, resp. Verschwendung – eine schwere Sünde; aus ihr entspringt eine Vielzahl weiterer Sünden (Unkeuschheit, Totschlag etc.) und damit vor allem außer-, aber auch innerweltliche Folgeschäden, die allerdings im Gegensatz zu den Höllenqualen selten näher beschrieben werden.
...
In der Theorie waren die kirchlichen Strafen hart. Ein reuiger Zecher hatte ein bis zwei Wochen bei Wasser und Brot Buße zu tun. Die Teilnahme an einem Wettrinken wurde mit vierzig Tagen geahndet. Wer einen anderen betrunken machte, hatte hundert Tage zu büßen, und war dies noch in böser Absicht geschehen, betrug der Preis für die Absolution mehrere Jahre – wie für einen Mörder. Kleriker hatten noch höhere Strafen zu gewärtigen. Eine Mainzer [ausgerechnet!] Synode verhängte 813 sogar über jedermann, der dem Trunke ergeben war, so lange bis er Besserung zeigte, die Exkommunikation."
Siege in diesem Kampf wurden freilich nur spärlich errungen.:cry:


[1] Hasso Spode: Die Macht der Trunkenheit. Opladen 1993, S. 47, 48.
 
Eine Mainzer [ausgerechnet!] Synode verhängte 813 sogar über jedermann, der dem Trunke ergeben war, so lange bis er Besserung zeigte, die Exkommunikation."
das war die große Reformsynode unter dem aus der Wetterau stammenden Mainzer Bischof Richulf († 9. August 813 in Mainz ) Es war wohl einer der Beschlüsse,die eigentlich keinerlei Auswirkungen hatten , zumindest ist selbst in Mainz keine Abnahme des Alkoholkonsums zu verzeichnen-im Gegenteil : Bistum und Klerus verdienten gut an Weinerzeugung und Konsum- es gab Abgaben auf Wein und viele Klöster im Bistum betrieben extensiven Weinbau und -handel, und das nicht nur für heilige Zwecke,
für einige Klöster war die Haupteinnahmequelle die Erlöse aus dem Weinbau .
 
Hier ist ein Artikel über das Trinken von Wasser in der Antike und dem Mittelalter, welcher tatsächlich moderne und zeitgenössische Quellen auflistet:

Les Leftovers: The great Medieval water myth

Es schaut es so aus als ob die Idee dass man im Mittelalter wenig Wasser trank tatsächlich ein moderner Mythos ist, welcher auf keiner vernüftiger Quellenlage basiert. Auch über die Qualität des mittelalterlichen Wassers gibt es noch keine forensische Forschung.

Aquino
 
Wenn du in einer beengten Stadt neben deinen Brunnen sch**ßt, dann hat das auch einen spürbaren Effekt auf dein Wasser. Aber natürlich ist die Situation in der Stadt oder an einem Fluss anders, als in einer kaum besiedelten Gegend.

In Köln ist für das ausgehende Mittelalter nachgewiesen, dass dort pro Kopf und Tag 2ℓ Wein konsumiert wurden (wobei es sich dabei mehr um Essig als um alles andere handeln dürfte). Das entspricht zumindest von der Quantität her in etwa dem, was ein erwachsener Mensch am Tag trinkt. Hinzu kommen diverse Grutbiere etc.
 
In Köln ist für das ausgehende Mittelalter nachgewiesen, dass dort pro Kopf und Tag 2l Wein konsumiert wurden...
Da es möglicherweise auch Kölner gegeben hat, die weniger Wein getrunken haben (Frauen?) oder gar nicht (Kinder?), dürfte der Pro-Kopf-Konsum der "echten" Weintrinker deutlich höher gewesen sein, vielleicht bei 3 oder 4 Litern. Frage: Wer hat diesen Nachweis geführt?

...wie soll ein mittelalterlicher Tagelöhner sich einen ständigen 1,8 Promille Pegel erwirtschaftet haben?
Ich habe keine Vorstellung davon, welchen Alkohol-Pegel 2/4/4 Liter Wein, über den Tag verteilt getrunken, ergeben? Kann jemand mit einem Erfahrungsbericht dienen?

Im Übrigen ist die Frage der Pegel-Finanzierung natürlich berechtigt und sollte zur einer differenzierten Betrachtung anhalten: Was und wieviel tranken ein Adeliger, ein Prälat, ein Kaufmann, ein Bauer, ein Tagelöhner?

... während Stiefsohn Tiberius ... später einem seiner Zechkumpane ein hohes Amt verlieh, weil er es geschafft haben soll, eine ganze Amphore (ca 6 l) auszutrinken.
6 Liter sind stramm, zumal der Gastgeber wohl nicht das allerbilligste Zeug ausgeschenkt haben dürfte. Plausibel ist die Angabe trotzdem, wenn man bedenkt, dass kein Geringerer als William Pitt der Jüngere es schaffte, bis zu 6 Flaschen Portwein täglich zu verzehren, was ihm den Ehrentitel "Sechsflaschenmann" (6-bottle man) einbrachte [1] – und seine Staatskunst nicht beeinträchtigte. (Oder erst ermöglichte?)


[1] Rod Phillips: Alcohol – a history, Chapel Hill 2014, S. 263. – Pitts Fassungsvermögen wurde unter anderem auch von Jean Paul in "Dr. Katzenbergers Badereise" gewürdigt (Drittes Bändchen, 3. Abteilung, 43. Summula).
 
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