Alpenüberquerung vor dem Langobardenfeldzug

Marbod schrieb:
Ich hab mir mal die Gegend in Karten etwas genauer angeguckt.
Wo, wenn ich fragen darf? Ich suche nämlich auch eine detailierte Karte der Gegend. Angeblich soll es dort auch einen "Frankensteig" geben, also den Schleichweg, den Karls Special Unit genommen hat.

Marbod schrieb:
Nachdem man den Monte Cenisio überquert hat, ergeben sich zwei Möglichkeiten nach Süden zu gelangen. Die eine führt relativ strikt das Tal nach Süden, die andere Möglichkeit führt am erwähnten Kloster Novalesa vorbei.
Letztlich gibt es vom Mont Cenis bis Susa (und weiter) aber nur einen Weg, nämlich den im Dora Riparia Tal. Das heißt, dass das von Oheim Bernd geführte Heer nur von Osten kommend, an Susa vorbei, zu den "Klausen" gekommen sein kann. Um sich dann dort mit Karls Heeresteil zu vereinen. Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn, aus militärischer Sicht. Viel eher ein Vereinigung der Heere bei Turin.

Marbod schrieb:
Ich stelle mal daher einfach die Behauptung auf, daß auf diesem Weg sich die Langobarden nicht den Franken in den Weg stellten. Dies steht ja auch nicht so in der Überlieferung. Es hängt halt alles an der Frage wo sich nun diese ominösen Klausen befunden haben. Oder was man sich darunter vorstellen soll.
Die Klausen sind, sofern ich das richtig verstanden habe, eine Engstelle im Gebirge. Und wenn ich weiter richtig verstanden habe, liegt diese in der Nähe von Susa in Piemont. Ich nehme an zwischen Susa und Mt. Cenis, aber das ist nur eine Vermutung. Man findet auch in keinem Lexikon etwas darüber. :S
 
Zwei Fragen, die ich noch hab:

1. Kennt jemand Quellen zu Karls Langobarden-Feldzug? Die fränkischen Reichsannalen (Annales regni Francorum) und die Einhardannalen (Annales qui dicuntur Einhardi) hab ich schon. Soweit ich weiß müsste im Päpst-Jahrbuch (Liber pontificalis) auch etwas dazu stehen. Weiß jemand wo man die Bio von Hadrian I. findet (die Quelle, nicht eine Sekundärliteratur)?

2. Was gibt es in der Geschichte noch für Beispiele, dass ein zahlmäßig unterlegener Verteidiger einen geografischen Engpunkt sperrt und dadurch versucht, die Kräfte auszugleichen? Außer jenem Zug von Karl fällt mir nur die Schlacht bei den Thermopylen ein, als die Griechen den Vormarsch der Perser stoppen wollten. Gibt es noch weitere Beispiele?
 
Oh Bender, Entschuldige bitte, ich hatte dich jetzt völlig vergessen. Also zu den Karten: Ich hatte zuerst bei Map24 mir mal die Gegend angeguckt, da kann man schon sehr stark reinzoomen, allerdings sind da die topographischen Begebenheiten nicht erkenntlich. Ich hatte dann den Straßenatlas vom ADAC genommen, der hat eben schon die Berge gut drinne. Für ein grobes Bild reicht das schon.
Vom etymologischen Standpunkt sollten die Klausen eben eine "Sperre" gewesen sein. Allerdings entnehme ich dem von dir zitierten Text keine geographische Angaben darüber. Da müßten die anderen Quellen vielleicht noch genauer Auskunft geben. Soviel vorerst...
 
Also ich hab mal im Buchladen sämtliche Atlanten und Reiseführer von Piemont und Norditalien durchgesehen, und ich finde keine Karte von Susa, die detailliert genug ist. Es auf jedenfall eine physische Übersicht der Gegend sein, denn sonst sieht man schlecht was und wo am besten gesperrt werden könnte. Außerdem würde ich gerne mal wissen, wo der Schleichweg der Franken war. Angeblich trug er bis in die Neuzeit den Namen "Frankenstieg".
 
Marbod schrieb:
Interessante Theorie, aber ich denke in dem von Bender angesprochenen Fall kämen auch andere "Einheimische" genauso in Frage wie Schäfer. Es gibt südlich des Monte Cenisio das Kloster Novalesa. Dieses Kloster wurde Anfang des achten Jahrhunderts gegründet, stellte die "letzte" fränkische Außenbastion dar und wurde auch von Karl dem Großen reich beschenkt. Alles nicht so ungewöhnlich, aber die Mönche dieses Klosters waren im MA dafür bekannt, den Pilgern als Führer über den Pass zu dienen. Ortskundig waren sie also auf jeden Fall. Fraglich ist allerdings ob sie als Führer für Karl tätig waren. Insofern bleibt es nur eine hübsche Hypothese.
Ja, stimmt. Hübsche Hypothese. Weißt du zufällig, ob dieses Kloster Jahrbücher führte, und wenn ja, wo die heute sind, bzw. wo man sie nachlesen könnte? So etwas wie Karls Feldzug gegen die Langobarden müsste da eigentlich Erwähnung finden.
 
Ich bin mir ziemlich sicher, daß auch dieses Kloster Jahrbücher führte. Allerdings kann ich dir beim besten willen nicht sagen, wo die heute sind und wie weit die noch zurückreichen.
 
Schade. Naja, ich werd mich selbst mal auf die Suche machen.

Übrigens weiß ich jetzt, woher die Legende von dem langobardischen Spielmann stammt, der Karls Armee auf einem Schleichweg an den Langobarden vorbeiführte. Man glaubt es kaum, aber das steht in "Deutsche Sagen" von den Gebrüder Grimm (Link).

Außerdem hab ich noch was interessantes gefunden.
[...] At times, though, a peaceful Frankish takeover was attempted. Charlemagne first became directly involved with italy as a result of the attempt by his mother, Bertrada, to marry him, in 770, to the Lombard princess Desiderata, daughter of the last Lombard king, Desiderius. Frankish and Italian sources alike skirt around the reasons for this marriage, but it seems that Bertrada wanted to end the uncertain political situation in Frankia, which had arisen after the death of her husband Pippin in 768. Charlemagne and his older brother Carloman had started to compete for pre-eminence in Italy soon after this, as is demonstrated by the grants made by each of them in 769, 770 and 773, to the strategically-placed monastery of Novalesa in the Alps, which controlled access to Lombardy from Frankia. Charlemagne repudiated his new wife a year later. This must have been very controversial - Einhard does not know why and other sources disagree. The most likely reason would seem to have been the hostility of Carloman to the match. The result was of great future importance: a Lombard-Frankish alliance was never to be. [...]
Deine Vermutungen gingen also in die richtige Richtung.
 
Sorry wegen dem Doppelposting, aber ich hab wieder was rausgefunden.
Marbod schrieb:
Ich bin mir ziemlich sicher, daß auch dieses Kloster Jahrbücher führte. Allerdings kann ich dir beim besten willen nicht sagen, wo die heute sind und wie weit die noch zurückreichen.
Die Jahrbücher des Klosters Novalesa heißen "Chronicon Novaliciense", und die gibts in einer schönen Edition von Georg H. Pertz und Ludwig K. Bethmann in der MGH SS 21. Nur falls auch mal jemand danach sucht.

Und die Sage vom lombardischen Spielmann, die in Grimms "Deutsche Sagen" steht, stammt auch aus eben dieser Chron. Novalic. (exakt: Liber 3, caput 10-14).
 
bender schrieb:
Übrigens weiß ich jetzt, woher die Legende von dem langobardischen Spielmann stammt, der Karls Armee auf einem Schleichweg an den Langobarden vorbeiführte. Man glaubt es kaum, aber das steht in "Deutsche Sagen" von den Gebrüder Grimm
und die haben es aus

MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim
Chronicon Novaliciense. Herausgegeben von Ludwig Bethmann. 1846
 
bender schrieb:
Sorry wegen dem Doppelposting, aber ich hab wieder was rausgefunden.

Die Jahrbücher des Klosters Novalesa heißen "Chronicon Novaliciense", und die gibts in einer schönen Edition von Georg H. Pertz und Ludwig K. Bethmann in der MGH SS 21. Nur falls auch mal jemand danach sucht.

Und die Sage vom lombardischen Spielmann, die in Grimms "Deutsche Sagen" steht, stammt auch aus eben dieser Chron. Novalic. (exakt: Liber 3, caput 10-14).

:autsch: Klar, wenn sie irgendwo stehen, dann bei den Scriptores! Da hätte ich auch selber dran denken können, aber jetzt hast du es ja. Schon reingeschaut? :winke:
 
Ja, schon getan. Aber könntest du mir noch sagen, wo du das her hast?

Marbod schrieb:
Interessante Theorie, aber ich denke in dem von Bender angesprochenen Fall kämen auch andere "Einheimische" genauso in Frage wie Schäfer. Es gibt südlich des Monte Cenisio das Kloster Novalesa. Dieses Kloster wurde Anfang des achten Jahrhunderts gegründet, stellte die "letzte" fränkische Außenbastion dar und wurde auch von Karl dem Großen reich beschenkt. Alles nicht so ungewöhnlich, aber die Mönche dieses Klosters waren im MA dafür bekannt, den Pilgern als Führer über den Pass zu dienen. Ortskundig waren sie also auf jeden Fall. Fraglich ist allerdings ob sie als Führer für Karl tätig waren. Insofern bleibt es nur eine hübsche Hypothese.
Den fettmarkierten Abschnitt meine ich.
 
Sorry, ich such mich da seit Tagen dumm und dappisch, aber die Seite, von der ich die Info hatte, die ist nicht aufzufinden. Ich hab keinen Schimmer was ich da noch so an Suchwörtern bei google eingeben soll.
 
Naja, macht ja nix.

Zumindest weiß ich jetzt, was mit clusas gemeint ist. Die deutsche Entsprechung ist "Klausen" (siehe Wiktionary). Das ist eine allgemeingültige Bezeichnung für eine Engstelle bzw. ein Tal im Gebirge, insb. den Alpen. Die Klausen, die bei Karl vs. Desiderius gemeint sind, sind die "Klausen des Sankt Michael", nach dem Kloster des St. Michael ganz in der Nähe. Ein Dorf an der Stelle der Klausen heißt heute "Chiusa di San Michele" (Chiusa = Klause).
An dieser Engstelle des Gebirges, genauer gesagt des Susatals, befand sich ein Wall oder eine Mauer auf über einem Kilometer Länge. Ähnliche Projekte kennt man ja von den Römern (Limes, Hadrianswall), Dänen (Danewerk) und Chinesen (die Große Mauer), natürlich in größeren Dimensionen.
Diese Engstelle hat Karl nun also umgangen.

Ich würde nun zu gerne wissen, ob das Kloster des St. Michael (ital.: Sacra di San Michele) schon zu Karls Zeiten bestand. Hat jemand eine Idee, wie ich das rausbekomme?

EDIT: Die Mönche dieser Abtei scheinen richtig modern zu sein. Das Kloster hat eine fünfsprachige Website, wo man die Geschichte nachlesen kann. 983 wurde die "Sacra di San Michele" wohl gegründet, also nach Karl.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
bender schrieb:
Hier teilte der genannte König sein Heer, zog selbst über den Mont Cenis und schickte seinen Oheim Bernhard mit seinen andern Getreuen über den Gr. St. Bernhard. Und als nun beide Heere an den Klausen anlangten, zog Desiderius selbst dem König Karl entgegen. Da schlug König Karl mit den Franken ein Lager vor diesen Klausen und schickte eine Schar von sich durchs Gebirge. Als Desiderius das merkte und die Klausen räumte, zog der genannte König Karl durch Gottes Hilfe und das Eingreifen des sel. Apostels Petrus ohne Verluste oder irgendwelche Störung durch die offenen Klausen nach Italien mit all seinen Getreuen. Und er kam vor die Stadt Pavia und belagerte diese Stadt, nachdem er Desiderius eingeschlossen hatte.
Die fränkischen Reichsannalen berichten hier nicht von der Vereinigung der beiden fränkischen Heeresabteilungen, sondern von dem Zusammentreffen des fränkischen und des langobardischen Heeres an den Klausen im Tal des Flusses Dora Ripuaria, wo Desiderius selbst Karl gegenübertrat, also die Klausen besetzt hielt. Die Meldung der Lorscher-Annalen, daß die beiden fränkischen Heere vor den Klausen sich vereinigt hätten, muß auf Irrtum beruhen. Die Abteilung, welche über den Großen St. Bernhard gegangen war, müßte noch über den unwegsamen Gletschergebirgsstock zwischen Aosta und dem Mont Cenis gezogen sein, während der Weg nach Italien, das von zwei Seiten angegriffen werden sollte, offen lag. Diese Nachricht fehlt auch in den Einhard-Annalen und in der Chronik des Klosters Moissac, die von der Vereinigung der beiden fränkischen Heeresabteilungen in der Ebene bei Chivasso/Turin (Po-Ebene) berichten.
Marbod schrieb:
... die Mönche dieses Klosters waren im MA dafür bekannt, den Pilgern als Führer über den Pass zu dienen.
Bei der Einsiedelei Novalese befand sich eine Herberge, insbesondere für Wallfahrer. Dort sollte den Reisenden, die damals zu Fuß den Pass überquerten, Schutz und Hilfe geboten werden.
 
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