Alt Wien - Die Stadt, die niemals war

Schini

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All jenen, die es in den nächsten drei Monaten an den Donaustrand verschlägt, kann ich diese sehr schöne Ausstellung zur Stadtgeschichte Wiens sehr ans Herz legen.

Da man anhand der Homepage - anders als bei Ausstellungen des Kunsthistorischen Museums - nur sehr wenig über Schaustücke und deren historischen Hintergründe erfährt, müßt ihr euch bislang auf meine Eindrücke verlassen - oder selbst hingehen.

In einem der Schatzkästchen humanistischen Historismus der Jahrhundertwende, dem Künstlerhaus am Karlsplatz, veranstaltet das Historische Museum der Stadt Wien (neuerdings umbenannt in Wien Museum) eine gar nicht sentimentale Rückschau auf "die gute alte Zeit". Ein Großteil der Ausstellung beschäftigt sich mit der Baugeschichte dessen, was heute als Weltkulturerbe Millionen Touristen staunen läßt, die nur allzuof vergessen, dass ein Großteil dessen kaum älter ist als hundert Jahre. Denn bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Wiener Innenstadt ein dichtgedrängter Haufen aus mittelalterlichen bis spätbarocken Häusern, wo Paläste neben unsauberen Hinderhöfen standen, eingeschlossen in einer mächtigen Stadtmauer. Dann ließen Moderisierungswille, Angst vor den hygienischen Umständen und kolportierterweise auch die Angst vor den aufrührerischen Wienern in engen Gassen die Stadtmauern schleifen und eine ungeheure Bautätigkeit setzte ein. Schon damals wurde Protest gegen die "Demolierer" laut, viele Nostalgiker wünschten sich die Erhaltung des alten Zustands, sprachen von Verschandelung durch "Zerschönerer" und "Barbaren".

Unglaublich: Nichts ändert sich - denn voriges Jahr wurde ein Hochhausprojekt in Innenstadtnähe mit ähnlichen Argumenten verhindert. Diese Episode setzt dann auch den Schlußpunkt der 200-jährigen Stadtgeschichte. Dazwischen wird eine kritische Sicht geboten, auf das, was Wien war und ist. Dabei gingen die Kuratoren jedoch umsichtig vor - wer sich eines senitmentalen Rückblicks anhand der ausgezeichneten und gekonnt arrangierten Schaustücke erfreuen mag, kann dies ungestört gestört tun. Ist ja auch was schönes!

Allen zukünftigen Besuchern der Stadt Wien kann ich schließlich nur jenen Ausspruch des genialen Karl Kraus ans Herz legen, der die Ausstellung inspiriert hat: "Ich muss den Ästheten eine niederschmetternde Mitteilung machen: Alt-Wien war einmal neu."

Die Ausstellung läuft noch bis zum 28.03.2005 im Künstlerhaus, 1., Karlsplatz 7, Dienstag bis Sonntag von 10-18 Uhr (Donnerstag bis 21 Uhr). Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 5,50 Euro.
 
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