Anarchosyndikalismus

Anicca

Mitglied
Ein herzliches Hallo zusammen!

Gemeinhin wird "Kommunismus", respektive "Sozialismus" als denkbar, aber nicht praktikabel bezeichnet. Regime, die unter dem Deckmantel dieser politischen Systeme entstanden, haben zu desaströsen Verhältnissen geführt.

Eines der primären Ziele des Kommunismus im Sinne Marx ist die Klassenüberwindung durch die Abschaffung von Privateigentum (Produktionsgüter), die sodann dem Gemeinbesitz zugeführt werden und eine "Diktatur des Proletariats" entstehen lassen soll.

Der Anarchosyndikalismus will die Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaft und des Staates durch die Übernahme der Produktionsgüter in gewerkschaftlicher Selbstorganisation erreichen.

Anwendung fand derselbe vor allem in Spanien und erreichte seinen Höhepunkt 1936-37. Dort fand die Selbstverwaltung durch Arbeitende auf breiter Fläche und in verschiedenen Feldern statt. Bemerkenswert ist, dass so die katalanische Lebensmittelversorgung der Bevölkerung erstmals erreicht werden konnte. Spätr wurde er dann durch Stalinisten und Francos Faschismus niedergeschlagen.

Diesen groben Überblick kann man Wikipedia entnehmen: Anarchosyndikalismus

Zu den Vertretern zählen unter anderem der Linguist Noam Chomsky und der Historiker Rudolf Rocker. Was haltet ihr von dieser Art der "Selbstverwaltung"?

Über Literaturvorschläge zu diesem Thema wäre ich außerordentlich dankbar.

Euer Anicca
 
@Anicca

Auf mikroökonomischen Gebiet funktioniert die Selbstverwaltung, siehe auch die Kibbuzim in Israel. Ob ein derartiges Modell auch makroökonmisch funktioniert, wage ich zu bezweifeln, denn dieses würde m.E. nach in einer Zentralverwaltungswirtschaft, egal wie praktisch audgeprägt, enden, da eine marktwirtschaftliche Steuerung schnell an die Grenzen stieße, und zwar die Grenzen der ökonomischen Interessen der genossenschaftlich organisierten Betriebe und denen der Konsumenten (inkl. produktive Konsumtion), hinzu tritt ddas Problem Binnenmarkt <=> Weltmarkt.

M.

M.
 
Gemeinhin wird "Kommunismus", respektive "Sozialismus" als denkbar, aber nicht praktikabel bezeichnet. Regime, die unter dem Deckmantel dieser politischen Systeme entstanden, haben zu desaströsen Verhältnissen geführt.

"Gemeinhin" ist wohl ein problematischer Bezug. Deswegen eine Stimme, die einen differenzierten Zugang zu diesem Thema wählt.

Whither Socialism? - Joseph E. Stiglitz - Google Books

In der Wahrnehmung, auch durch ihre Gegner, bekannter, auch vor dem Hintergrund des spanischen Bürgerkriegs sind sicherlich als anarchistische Theoretiker, Proudhon, Bakunin und Kropotkin.

Insgesamt darf man für die damalige Zeit jedoch die theoretische Herleitung des Anarchosyndikalismus in Spanien nicht überbewerten, da er fast immer sehr regionale, häufig militante anti-klerikale Wurzeln hatte.
 
Auf mikroökonomischen Gebiet funktioniert die Selbstverwaltung, ...

Sehe ich auch so, insbesondere wenn es um die Selbstversorgung an Nahrungsmitteln, Kleidung im Grundbedarf geht.

Mit dem Sprung zur Makroökonomie werden Fragen der Arbeitsteilung, komplexer Fertigungsprozesse, Rohstoffbeschaffung, Vorratshaltung, Ausbildung und Spezialisierung, usw. relevant, die eine einfache Übertragung mikroökonomischer Beobachtungen - um das oben zu zitieren - "gemeinhin" ausschließen. Diese Problematik war schon Marx evident, wie seine diesbezüglichen Ausführungen zum Kapitalstock, Marktmechanismus, Preisbildung, Krisentheorie zeigen, wenn man sie mal unter "modernem" Blickwinkel betrachtet.
 
Läuft auf Arbeiterselbstverwaltung/kollektive Selbstverwaltung hinaus.

Da hatten wir, was schon erwähnt wurde, Katalonien in Spanien.

Man sollte aber nicht vergessen die Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien.
Da müsste es doch inzwischen auch ins deutsche übersetzte Bücher geben.

Und dann könnte auch hilfreich sein die Erfahrungen von Argentinien auszuwerten.

In Deutschland gabs wohl in den Jahren 1972 – 1986 das Unternehmen „Photo Porst“ als Selbstverwaltungsmodell.

Auch das jetzige Fahrradwerk in Nordhausen ist wohl ein solches Selbstverwaltungsmodell.

Ich persönlich bin mit dieser „Arbeiterselbstverwaltung/kollektive Selbstverwaltung“ sehr skeptisch.
Das könnte in einer kleinen wirtschaftlichen Einheit (temporär!?) funktionieren (Mikroökonomisch); für einen Staat (Makroökonomisch) – siehe Erfahrungen Jugoslawien - halte ich es für einen längeren Zeitraum für nicht machbar. Das endet im Chaos.

Skeptisch...

Die ökonomische Analyse die ich bei Wiki zur Arbeiterselbstverwaltung/ kollektive Selbstverwaltung finde, finde ich zutreffend.

Weil, ich war selbst fast 50ig Jahre in der Industrie tätig.
Bis 1990 in der VE – Industrie, nach 90ig bis zur Rente in einer mittleren GmbH.
Da kann man dann auch inhaltlich die dort 4 genannten Punkte gut verstehen und nachvollziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann mal ein paar Literaturvorschläge für die Threaderstellerin:

Zu Spanien zb:

Santillan Peiró, Ökonomie und Revolution, Verlag Monte Verita 1986 (Nachdruck Karin Kramer Verlag 1975)

Carlos Semprun-Maura, Revolution und Konterrevolution in Katalonien, Ed. Nautilus, Hamburg 1983

Augustin Souchy, Nacht über Spanien
(mit Erich Gerlach), Die soziale Revolution in Spanien. Kollektivierung der Industrie und Landwirtschaft in Spanien 1936–1939. Dokumente und Selbstdarstellungen der Arbeiter und Bauern.


F.Barwich, E.Gerlach, A. Lehning, R. Rocker, H. Rüdiger, Arbeiter-selbstverwaltung-Räte-Syndikalismus, Karin Kramer Verlag, Berlin 1971

Angela Vogel: Der deutsche Anarcho-Syndikalismus. Genese und Theorie einer vergessenen Bewegung, Berlin 1977


FAU-Bremen (Hg.): Kurze Einführung in die Geschichte des Anarcho-Syndikalismus und der FAU-IAA, Bremen 1998
FAU-Bremen (Hg.): Syndikalismus - Geschichte und Perspektiven. Ergänzungsband, Bremen 2006.

Sowie für weitere Lektüre:

Kategorie:person des Revolutionären Syndikalismus ? Wikipedia


Kategorie:Revolutionärer Syndikalismus ? Wikipedia
 
Ein kleiner Ausflug ins Allgemeine:

Systemisch sehe ich einen diametralen Gegensatz zwischen Top-Down- und Bottom-Up-Systemen.

In einem Top-Down-System werden die Entscheidungen an der Spitze der Hierarchie auf der Makroebene getroffen und nach unten durchgesetzt, in einem Bottom-Up-Ansatz entstehen die Entscheidungen auf der Mikroebene. Aus deren friedlichen Gegeneinander ergibt sich erst die Makroebene.

In der Biologie entspräche das dem Unterschied zwischen einen (bottom-up-gesteuerten) Ökosystem und (top-down gesteuerter) Landschaftgärtnerei.

Beispiele für ein "intelligentes" gesellschaftliches Bottom-Up-System wäre Anarcho-Syndikalismus und, wirtschaftlich, die Marktwirtschaft (z. B. Preisbildung durch Konkurrenz der wirtschaftlichen Element). Top-Down funktionier(t)en (realer) Kommunismus und Monopolkapitalismus (Prisbildung durch zentrale Entscheidung).

Anarcho-Syndikalismus wäre also eine dem Kommunismus diametral entgegengetzte Gesellschaftsform - genau so wie die Marktwirschaft durch eine Ausschaltung der Kräfte an der Basis (Monopolbildung) ihre Intelligenz und ihre Funktionsfähigkeit verliert und durch eine zentrale Steuerung (zweifelhafter Intelligenz) ersetzt werden muss. Marktwirtschaft ist also das Gegenmodell zum Kapitalismus !
 
Systemisch sehe ich einen diametralen Gegensatz zwischen Top-Down- und Bottom-Up-Systemen.

In einem Top-Down-System werden die Entscheidungen an der Spitze der Hierarchie auf der Makroebene getroffen und nach unten durchgesetzt, in einem Bottom-Up-Ansatz entstehen die Entscheidungen auf der Mikroebene. Aus deren friedlichen Gegeneinander ergibt sich erst die Makroebene.

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Beispiele für ein "intelligentes" gesellschaftliches Bottom-Up-System wäre Anarcho-Syndikalismus und, wirtschaftlich, die Marktwirtschaft (z. B. Preisbildung durch Konkurrenz der wirtschaftlichen Element). Top-Down funktionier(t)en (realer) Kommunismus und Monopolkapitalismus (Prisbildung durch zentrale Entscheidung).

Anarcho-Syndikalismus wäre also eine dem Kommunismus diametral entgegengetzte Gesellschaftsform -

Nur wenn man die Diktaturen, die sich selbst als kommunistisch bezeichneten oder noch bezeichnen heranziehen würde. Das Räte-Modell, also bottom up in deiner Terminologie, ist Bestandteil der kommunistischen Ideologie. Die Sowjetunion war sogar danach benannt. Und die Arbeiter- und Soldatenräte, die sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs bildeten, wären sehr irritiert gewesen, wenn sie mit deinen Ausführungen konfrontiert worden wären.



Marktwirtschaft ist also das Gegenmodell zum Kapitalismus!

Das ist mal wieder eine äußerst eigenwillige Interpretation.
 
Systemisch sehe ich einen diametralen Gegensatz zwischen Top-Down- und Bottom-Up-Systemen.

In einem Top-Down-System werden die Entscheidungen an der Spitze der Hierarchie auf der Makroebene getroffen und nach unten durchgesetzt, in einem Bottom-Up-Ansatz entstehen die Entscheidungen auf der Mikroebene. Aus deren friedlichen Gegeneinander ergibt sich erst die Makroebene.
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Anarcho-Syndikalismus wäre also eine dem Kommunismus diametral entgegengetzte Gesellschaftsform - genau so wie die Marktwirschaft durch eine Ausschaltung der Kräfte an der Basis (Monopolbildung) ihre Intelligenz und ihre Funktionsfähigkeit verliert und durch eine zentrale Steuerung (zweifelhafter Intelligenz) ersetzt werden muss. Marktwirtschaft ist also das Gegenmodell zum Kapitalismus !

Was Du unter "systemisch" formulierst ist schlichtweg nicht zutreffend, da die Rückkopplung im Rahmen derartiger Systeme ein wichtiges Element, bei Parsons, Eaton, Deutsch, Luhmann und Münch ist (und natürlich bei allen anderen Struktur-Funktionalisten).

Bezogen auf Managementansätze ist auch die Unterscheidung der Entscheidungfindung nach bottom-up/top-down so nicht korrekt (vgl. z.B. Aaker: Strategisches Markt-Management oder Becker: Marketing-Konzeption etc.) Auch bei diesen Ansätzen ergeben sich zwingend Rückkopplungen.

Deine Verwendung von Makro- und Mikro-Ebene ist zudem irreführend. Entscheidungen von Eliten finden nicht auf einer Makro-Ebene statt, sondern ebenfalls auf einer Mikro-Ebene (vgl. beispielsweise Michels zum "ehernen Gesetz der Oligarchie), wenngleich diese Entscheidungen auf einer Makro-Ebene sich auswirken können.

Dein Ausflug in die VWL im letzten Abschnitt, inklusiver der These "Marktwirtschaft ist also das Gegenmodell zum Kapitalismus" ist nicht unerheblich erklärungsbedürftig, oder sollte es heißen ...zum Ordoliberalismus.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ordoliberalismus

Ansonsten: Eine Betrachtung derartiger anarchosyndikalistischer Ansätze kann von zwei Warten aus formuliert werden:

- Tabula-Rasa-Modell: In diesem Modell stellt sich nicht die Frage der globalisierten Ökonomie, sondern nur die Frage, ob im Rahmen einer idealisierten Gesellschaft derartige Ansätze praktikabel sind und den Menschen im Sinne der universellen Menschenrechte ein sinnvolles Leben, weil an einer authentischen Selbstverwirklichung orientiert, ermöglichen. Als grundsätzliches Modell ist es sicherlich organisierbar, problematisch ist es am ehesten, sofern es auf Märkten mit anderen Unternehmen zusammentrifft, die die Märkte effektiver bearbeiten können. Das verweist auf das zweite Modell.

- Real-Modell: In diesem Modell stellt sich die Frage, ob es Zonen gibt, in denen sich in Abgrenzung oder in Kooperation zur globalisierten Ökonomie, anarchosyndikalistische Modelle realisieren lassen. Ein Modell,das in diese Richtung weist ist Christiania.

Freistadt Christiania ? Wikipedia

Für dieses Modell, wie für alle Formen alternativer Ökonomie, stellt sich letzlich die Frage der Selbstausbeutung, um auf den kapitalistisch organisierten Märkten in Konkurrenz treten zu können. Mit fatalen, möglichen Konsequenzen für die Mitglieder der Syndikate und ihrer Idee der Realisierung von Menschrechten bzw. Selbstverwirklichung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist also so, dass der Anarchosyndikalismus eine dem gesellschaftlichen Bedarf (!) angepasste Güterproduktion anstrebt, wobei natürlich die Qualität des Anspruchs mit der Größe und "Komplexität" der jeweiligen Gesellschaft korreliert. Sind nun die Gesellschaftsteilnehmer "bescheiden", eine effiziente Autarkie in der Herstellung von Nahrungsmittel und so fort wäre gewährleistet, zudem könnten Exportgüter hergestellt und Handel betrieben werden würde der AS funktionieren? Großflächig würden jedoch die hier bereits genannten Faktoren greifen und zwangsläufig zu hohen Arbeitslosenquoten und wirtschaftlichen Siechtum führen? Sorry der vielleicht eindimensionalen Sichtweise wegen, aber ich bin gerade nicht firm was Wirtschaftswissenschaften anbelangt.
Ich werde mich erstmal in die katalanische AS-Geschichte einlesen, um das Phänomen des kollektiven Erfolges via Anarchosyndikalismus begreifen zu können.
 
Ich fürchte, du überschätzt die Ergiebigkeit der Handbibliothek :D .

Trotzdem Danke, auch für die zusätzlichen Erläuterungen per PN.

Obwohl OT, eine Erklärung:
Die Überlegung zielte auf die Kombination des AS mit der Bergbauindustrie, in der größere Unternehmenseinheiten anzutreffen sind. Hintergrund ist, dass mit der Publikation von Seidman, Victorious Conterrevolution - Nationalist Efforts in the Spanish Civil War, eine Analyse zu den industriellen bzw. ökonomischen Anstrengungen des Franco-Regimes während des bürgerkrieges vorliegt. Hier beschritt man den Weg der Zentralisierung und schuf Konglomerate, um die Produktivität zu erhöhen und die militärische Stärke zu steigern. In der Landwirtschaft tobte die "Weizenschlacht", in der die republikanische Seite - die "Experimente" wurden mit verantwortlich gemacht - flächig mit großen Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte: es waren zunächst die großen Städte im republikanischen Gebiet zu versorgen, außerdem lagen 2/3 der Farmen bzw. der landwirtschaftlichen (Vorkriegs-)Produktion 1937 im Franco-Gebiet. Diesen Kontext sollte man sehen, wenn von Selbstversorgung kleiner AS-Inseln ausgegangen wird. Der völlige Kollaps konnte nur durch unzureichende Lieferungen zB der SU vermieden werden. Wäre nun interessant, ob es solche AS-Inseln auch in den industriellen Sektoren gegeben hat.
 
In einem Top-Down-System werden die Entscheidungen an der Spitze der Hierarchie auf der Makroebene getroffen und nach unten durchgesetzt, in einem Bottom-Up-Ansatz entstehen die Entscheidungen auf der Mikroebene. Aus deren friedlichen Gegeneinander ergibt sich erst die Makroebene.

Hört sich in der Theorie alles sehr schön an, aber die Praxis...

Im Ernst und im Falle Spaniens: Die CNT war zwar eine sehr große Organisation, die (laut Selbstangabe) bis zu 2 Mio Mitlgieder hatte, und in jedem Fall in den entsprechenden Situationen einen nach hundertausenden zählenden Anhang mobilisieren konnte. Dabei waren die ganze Organisationsstrukuren, gerade im zentralen Bereich, sehr schwach; u.a. weil das, was Du "Bottom-Up" nennst, zentral für die Politik und Weltanschauung der CNT war. MWn hatte die CNT-Zentrale in Madrid vor dem Krieg einen (1) bezahlten Sekretär, und auf regionaler und lokaler Ebene gab es gar keine Vollzeit-Funktionäre.

Der Hintergrund ist, dass die große Mehrzahl der Mitglieder sich aus den ärmsten Schichten der Gesellschaft rekrutierte, die Beiträge dementsprechend zwischen "gering" und "nicht vorhanden" lagen, und die finanzielle Situation der Gesamtorganisation wie fast aller ihrer Unterorganisationen entsprechend dauerhaft miserabel war. Dies wirkte sich auch auf die Arbeitskämpfe aus. Während die UGT (die sozialistisch-sozialdemokratisch Gewerkschaftsorganisation) über eine Streikkasse verfügte, und so ihre Mitglieder während Streiks unterstützen konnte, waren die Kassen der CNT (wenn vorhanden) nach wenigen Tagen leer, und die Mitglieder gezwungen, wieder an die Arbeit zu gehen. Streiks der Anarchosyndikalisten waren daher meist kurz, da von Verzweiflung getrieben oft gewalttätig und spätestens wenn die Staatsmacht einschritt ausgesprochen blutig...

Als sich CNT/FAI 1936 in der Regierung wiederfand, musste auch sie sich allerdings in gewisser Weise anpassen. Auch wenns Anarchisten sind, hervorzuheben ist hier die Rolle des Diego Abad de Santillan, auf den Ingeborg dankenswerterweise schon verwiesen hat:

Santillan Peiró, Ökonomie und Revolution, Verlag Monte Verita 1986 (Nachdruck Karin Kramer Verlag 1975)

Dieser bekleidete ab 1936 den Posten des Wirtschaftsministers. Das Dilemma, jetzt selbst an den Schalthebeln der Macht zu sitzen (zumindest an einem, aber einem großen), führte tatsächlich zu vielen Diskussionen; bzw wurden diese schon vor dem Regierungseintritt eifrig geführt. Von Santillan stammten mWn auch maßgeblich die Pläne, die die CNT-Regierungspolitik in Wirtschaftsfragen prägten (oder zumindest stand sein Name drauf...). Zu diesen hab ich mich vor Jahren erfolglos umgeschaut, aber das war vor I-Net, und spanisch kann ich nicht... Das oben erwähnte Buch ist gut, umfasst aber mWn nur Quellen vor 1936, oder irre ich da?

Anarcho-Syndikalismus wäre also eine dem Kommunismus diametral entgegengetzte Gesellschaftsform

Für die CNT/FAI war der "comunismo libertario" das erklärte Ziel und ein ständig benutztes Schlagwort. Kommt halt alles auf die Begriffsdefinition an. ;)
 
Wäre nun interessant, ob es solche AS-Inseln auch in den industriellen Sektoren gegeben hat.

Die gab es wohl besonders in Katalonien bzw Barcelona; dies wird oft als "große AS-Insel" dargestellt... ;)

Hier einige Texte (aus anrchistischer Sicht) zur Kollektivierung in Spanien 1936:

Spaniens Kollektive 1936 - real, widersprüchlich und mythenbehaftet - www.anarchismus.at

An einen Begriff erinnere ich mich noch, der mir im Zusammenhang mit Spanien und CNT/FAI untergekommen ist: "Organisierte Indisziplin". Ich kann leider nicht sagen, ob das nur die Organisierung des Widerstandes gegen Staat und Arbeitgeber meint, oder auch irgendwie ein inneres Organisationsprinzip umschreiben soll.

Die Disziplin der Gewerkschaftsmilizen, die ab 1936 gebildet wurden, war mW jedenfalls mit "kläglich" noch sehr euphemistisch umschrieben; mit Moral und Enthusiasmus sah es freilich anders aus. Daher stimmten auch anarchistische Politker und Kommandeure (berühmtes Beispiel ist Buenaventura Durruti) der Eingliederung der Milizen in eine Volksarmee mit herkömlicher militärischer Disziplin, Hierarchie und Subordination zu, eigentlich alles nicht die anarchistischen Traumvorstellungen...

Literarisch lässt sich das an der (eigentlich nicht anarchistisch gesinnten) POUM und den von ihr geführten Milizen schon in George Orwells "Mein Katalonien" nachlesen; die Unterschiede in alltäglichen Fragen des "Milizlebens" dürften sich kaum unterschieden haben, zumal mWn oft nur die Offiziere POUM-Mitglieder waren, die Rekruten und Soldaten sich aber eher mit der "großen" CNT sympathisierten

Meint Katalonien gibts inzwischen auch vollständig im I-Net:

George Orwell - Mein Katalonien (1938)

Meine literarische Lieblings-Reminiszenz ist allerdings aus Joe Haldemans Roman "Der Ewige Krieg":

Es hatte mal eine Armee gegeben, in der so verfahren worden war, sagte mir mein militärgeschichtliches Gedächtnis. Die marxistische POUM-Miliz im Spanischen Bürgerkrieg, frühes zwanzigstes Jahrhundert. Man gehorchte einem Befehl nur, wenn er genau begründet worden war; ergab die Begründung keinen Siinn, so konnte man den Gehorsam verweigern. Offiziere und Mannschaften betranken sich zusammen und gebrauchten keine Rangbezeichnungen. Sie verloren den Krieg. Aber auf der anderen Seite gab es überhaupt keinen Spaß.

Sry für die Abschweifung...
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch eine Lieraturempfehlung zum Thema "spanische Anarchisten", diesmal kein Roman: ;)

Das von Enzensberger herausgebrachte Werk "Der kurze Sommer der Anarchie" über Buenaventura Durruti besteht fast ausschließlich aus zeitgenössischen Zitaten und Textfragementen über Durruti, zT auch von ihm selbst, wenn ich mich richtig erinnere. Gerade was das Selbstverständnis der zitierten Menschen angeht ein sehr spannendes Werk.
 
Die gab es wohl besonders in Katalonien bzw Barcelona; dies wird oft als "große AS-Insel" dargestellt... ;)

Hier einige Texte (aus anrchistischer Sicht) zur Kollektivierung in Spanien 1936

Danke für die Hinweise.
Irgendwie auch ein Beleg dafür, dass am "Bedarf" vorbeiproduziert wurde. Die Franco-beherrschte Kriegsgesellschaft scheint dagegen straff geführt worden sein.
 
Danke für die Hinweise.
Irgendwie auch ein Beleg dafür, dass am "Bedarf" vorbeiproduziert wurde. Die Franco-beherrschte Kriegsgesellschaft scheint dagegen straff geführt worden sein.

Neben ideologischen Unterschieden war dieses auch ein Grund für die Konflikte innerhalb des republikanischen Lagers.

Und entzündete sich beispielsweise auch an den Konflikt einer national denkenden und agierenden Zentralregierung und den zahlreichen partikularen Interessen von "Separatisten", wie den Catalanen, und den anarchistischen Gruppierungen.

Deutlich kann man dieses an der Ausrüstungsdebatte und der Unterstellung von Einheiten sehen. So forderten die anarchistischen Verbände ihren Anteil an der Ausrüstung, die von der UdSSR bereitgestellt worden ist, lehnten jedoch eine vollständige Integration in die Struktur der republikanischen Armee ab.

Mit negativen Konsequenzen für die Verteidigung des wichtigen nordspanischen Industriegebiets.
 
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