Angelsachsen des 8./9. Jh. -Farben, Darstellung, Waffen, Heraldik(?)

semran

Neues Mitglied
Hallo, seid mir gegrüßt!

Derzeit überlege ich, mich eingehender mit dem Thema der Miniaturbemalung zu befassen.
Da ich dabei allerdings auch gerne etwas Authentizität walten lassen würde, ergaben sich für mich einige Fragen, deren Beantwortung mir nicht zu meiner Zufriedenheit gelungen ist.
Deswegen wende ich mich nun an dieses Forum und seine gewitzten Mitglieder.
Konkret gingen mir dabei diese Fragen durch den Kopf:

:confused: Farbwahl:
Dies betrifft zum einen die Kleidung, aber auch die Schildbemalung. Welche Farben sind für diese Epoche realistisch? Welche Farben würden eher zu Bauern passen, welche mehr zum niederen Adel/ professionellen Kämpfern bzw. gar einem Fürsten?

:confused: Helmformen/Schildformen:
Welche Helmformen sind realistisch? Ich habe da schon bei Wikipedia ein Bild von diesem Spangenhelm aus Sutton Hoo gefunden, allerdings ist dessen Träger schon im beginnenden 7. Jh. gestorben. War diese Helmform im 8./9.Jh. überhaupt noch in Gebrauch? Welche Helmformen waren in Gebrauch? Das selbe für Schilde.

:confused: Schildbemalung:
Konkret die Symbolik, die man auf einem angelsächsischen Schild der genannten Epoche erwarten kann. Würde man zu dieser Zeit schon eher eine christliche Symbolik erwarten? Oder eher noch heidnisch? Gemischt? Hat jemand vllt. Abbildungen zur Orientierung? Wie muss man sich sowas vorstellen?

:confused: Banner/Fahnen/Flaggen/Standarten:
Ich habe einige Bilder gesehen, in denen angelsächsische Aufgebote mit "Truppenfahne"(ich nenne es jetzt mal so) dargestellt wurden, nehme aber an, dass so etwas vom historischen Standpunkt aus keinen Sinn macht, so schön diese Banner auch waren.
Allerdings denke(hoffe) ich, dass auch die Angelsachsen irgendein Feldzeichen, vielleicht auch Banner hatten, das zur Orientierung oder was auch immer gedient haben mag und was ins Feld geführt wurde. Wie mag sowas ausgesehen haben?

:confused: Bewaffnung: Waren professionelle(!), wohlhabende Krieger der damaligen Zeit eher mit Schwert oder Axt bewaffnet? Sind Angelsachsen im Kampf für eine bestimmte Waffengattung besonders bekannt gewesen?

Mir ist keinesfalls klar, inwieweit diese Fragen überhaupt eindeutig zu beantworten sind, bin aber für alles von klarer Aussage bis zur Vermutung dankbar (aber bitte auch so formulieren ;-) ).
Literaturempfehlungen, die mir mit Abbildungen hilfreich sein könnten, wären auch spitze.

Vielleicht habt ihr noch Ideen und Ratschläge, was ich bei einer möglichst historisch akuraten Darstellung von Angelsachsen im 8./9.Jh. beachten sollte; das wäre auch ungemein klasse!

In diesem Sinne jetzt schon vielen Dank für eure freundlichen und hilfreichen Antworten :)
 
Terence Wise, Gerry Embleton, Sachsen, Wikinger und Normannen beschäftigt sich damit.

Zur Begriffsklärung erst einmal etwas zur Sozialen Schichtung. Das hat sich im Einzelnen im Laufe der Zeit verändert und ist häufig auch umstritten, aber eine kurze Übersicht ist nötig, um sich später verständigen zu können.

An der Spitze der jeweiligen Reiche stand der König. Wie in anderen germanischen Gesellschaften gab es einen Adel. Dieser bestand bei den Angelsachsen aus 2 Gruppen. Die Athelinge waren vereinfacht gesagt die königliche Sippe und waren im Recht besonders hervorgehoben. Daneben gab es die Eoldormen. Sie waren aus den Königen ehemaliger selbständiger Königreiche, und wahrscheinlich auch aus zuverlässigen Amtsträgern, genommen und verwalteten die Bezirke (Shires). Unter dänischem Einfluss änderte sich ihre Bezeichnung zu Earl. Auch die Bischöfe galten wohl als Adelige, aber diese religiösen Dinge lasse ich einmal beiseite.

Dann gab es die Thegns/Thanes, zu deutsch Degen. Das waren die Gefolgsleute, also die, die das Gefolge bildeten. Im Heliand werden die Jünger Jesu so bezeichnet. Wohl dadurch, dass die Könige verdiente Thanes mit Land ausstatteten, wurde Landbesitz einer gewissen Größe ursächlich für die Zugehörigkeit zu dieser sich entwickelnden Adelsschicht. Wer 5 Höfe besaß oder 3mal ein Schiff zu einer überseeischen Unternehmung (ursprünglich im Dienst des Königs) ausgestattet hatte, galt als Thane. Thanes konnten auch zu Earls ernannt werden. Auch Earls und die reichsten Thanes konnten ein Gefolge und somit Thanes um sich scharen. Die Thanes, welche tatsächlich bei ihrem Gefolgsherrn dienten, waren besonders herausgehoben. Ob man, bzw. wann man die Thanes zu Adeligen oder Freien zählen muss/soll, darum will ich mich nicht streiten.

Die einfachen Freien, die Ceorls (dt. Kerl) werden nach der Rechtsform ihres Besitzes eingeteilt: Geneatas, Kotsetla und Geburs. Besaß ein Ceorl 5 Höfe, konnte er zum Thane werden, aber in derselben Generation nicht weiter 'aufsteigen', was natürlich ein heutiger Begriff ist. Darunter standen die Unfreien, Serfs oder Bondmen.

Die Wehrverfassung stand auf mehreren Füßen: Verwandtschaft, Gefolgschaft, die beim König wird oft Hearthguard genannt, Amtsträgerschaft, Söldnerschaft und das allgemeine Aufgebot der freien Krieger, der Fyrd. Um die Wirtschaftskraft zu berücksichtigen, hatte eine bestimmte Anzahl von Höfen einen Krieger zum Fyrd zu stellen. Der mögliche Ersatz durch Geldzahlung wurde in jener Zeit eingeführt. Im Notfall wurden weiterhin alle Wehrfähigen einberufen, aber der "selected Fyrd" bestand mit der Zeit aus professionellen Kriegern.

So, zu den Waffen: Speer und Schild waren die Waffen der Adeligen und Freien Krieger. Ein Teil des Fyrd kämpfte mit Bogen oder Schleuder. Auch Wurfspeere waren bekannt und wurden wahrscheinlich zusätzlich zum Speer getragen. Auch die vor ´Kurzem im Forum diskutierte frühmittelalterliche 'Glefe' wird für die Angelsachsen erwähnt.

Schilde: Hölzerne Rundschilde mit Schildbuckel aus Metall. Schilde waren nicht immer mit Leder überzogen und oft auch mit einem Metallrand versehen.

Schwerter: Ein Sachs trug jeder Krieger. Es konnte aber in der Größe von Kurzschwert bis Messer variieren. Ein Spatha hingegen wurde typischerweise vom König verliehen. Adel und Thanes sind regelmäßig Träger.

Kettenhemd: Adlige, evt. reiche Söldner. (Kurze Ärmel, gezackter Saum ist umstritten)

Helme: Adelige, evt. reiche Söldner und viele Thanes, aber nicht alle. Als Fund war aus der Zeit nur der Helm von Benty Grange bekannt. (Googeln.) Als Helmzier trägt er einen Eber. Mittlerweile sind, glaube ich, einige Helmbeschläge gefunden worden.

In zeitgenössischen Abbildungen sind Mützen, die meist wie phrygische Aussehen abgebildet. Diese folgen in der Form verschiedenen Spätantiken Helmen. Sie waren aber sicher aus Textilien. Fraglich ist nur, ob darunter eine Art Kaskett getragen wurde, was für das Bemalen aber nicht von Bedeutung ist.

Feldzeichen: Römische Drachen sind noch in angelsächsischer Zeit abgebildet. Daneben gab es wahrscheinlich Fahnen mit Heiligenbilder und Kreuze, wie sie in Abbildungen auftauchen.

Farbauswahl, Schildbemalung folgt später.
 
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Die Farbauswahl ist schwierig. Einen Hinweis dürften schon zeitgenössische Illustrationen geben, wie man sie über Wikipedia und Google finden kann. Leider handelt es sich bei einem Großteil um einfarbige Zeichnungen. (Ich habe gerade nicht die Muße, Links zu suchen.)

Oft nimmt man Bezug auf die älteren, mitteleuropäisch-skandinavischen Mooropferfunde. Die Annahme gleicher Verhältnisse ist zwar nicht ganz einleuchtend, zumal die Illustrationen zwar wahrscheinlich nicht immer die Realität wiederspiegeln, aber doch eine zeitgenössische Sichtweise zeigen, womit es ein gewichtiges künstlerisches Argument zu ihren Gunsten gibt.

Die Mehrheit der gefundenen Textilien war gefärbt. Am wenigsten kam Rot vor. 16% der gefundenen Textilien wies blauen Farbstoff auf, 60% gelb oder grün. Dazu muss man bedenken, dass es nicht nur weiße Wolle gibt. Da man aber nur die weiße gut färben konnte, wird man zur Zeit der Angelsachsen schon lange Zeit in diese Richtung gezüchtet haben. Aber schwarz, braun und grau sind nicht auszuschließen. Genauere Zahlen müsste ich nachsehen, aber da das eigentlich eine andere Zeit betrifft und nur eine Anregung zu einer vielleicht realistischen Farbauswahl ist, dürfte es ausreichen, wenn man noch nach zeitgenössischen Abbildungen sucht.

Schildbemalung: Hier haben wir als Quelle vorwiegend Buchillustrationen. Auch der Teppich von Bayeux zeigt noch schon in älteren Illustrationen vorkommende Schildillustrationen. Typisch ist z.B. eine Art Kreuz, das zum Schildrand hin gebogen ist. Auf den langen Schilden des Teppichs sieht dies seltsam aus, aber dieser Typ der Schildbemalung entstand auf Rundschilden. Dass er nun auf diesen anderen Schilden auftaucht, zeigt, dass die Illustratoren keine Fantasiebemalung zeigten, sonst hätten sie die Ästhetik angepasst. Auch einfarbige Schilde und Sternenmuster kommen vor. Auch gibt es zum Rand gebogene Bahnen, die mit Punktreihen, Punktmustern (oder Sternbildern?) versehen sind. Solche Kombinationen gab es auch mit den genannten Kreuzen. Aber das sind die Dinge, die mir besonders aufgefallen sind, und die ich daher betone. Ich würde nicht darauf verzichten, selbst nach Bildern zu suchen und einen eigenen Eindruck zu gewinnen. Da wir es bei den Quellen mit Kunstwerken zu tun haben, ist der eigene Eindruck unverzichtbar. Die Literatur, insbesondere die günstige Literatur für Wargamer und Reenactor, ist oft aus nur wenigen Quellen illustriert.

(Das im Vorpost angegebene Werk fast drei solcher Büchlein zusammen, aber wenn es um eine plausible Bemalung geht, reicht Dir das vielleicht schon. Die Farben werden darin, wenn ich mich recht erinnere, nicht erwähnt. Aber das empfehle ich, wie gesagt, sowieso nach ergoogelbaren Illustrationen selbst zu recherchieren.

Einen Vorteil haben diese oft als 'militärhistorische Pixiebücher' verschrienen Werke aber: Während die Fachliteratur häufig versucht sich mit den Abbildungen zu ergänzen, in dem noch nicht Gezeigtes abgebildet wird, geben diese meist die zur Bemalung von Miniaturen interessanten Details zumindest in 1 Abbildung wieder, die man sich sonst zusammensuchen muss.)

Da ich gestern etwas durchgefroren war, haben sich im Vorpost ein paar Unachtsamkeiten eingeschlichen:

Die Ceorls hatte ich nach den Pachtverhältnissen eingeteilt. Das ist nicht unbedingt falsch. Es sollte aber noch erwähnt werden, dass Freie, die selbst Eigentümer waren, zur Ausnahme wurden, indem sie zu Thanes aufstiegen, oder Pächter wurden.

Bei den Schilden dürfte Dich noch interessieren, dass es wohl einige Ärmere gab, die auf einen regelrechten Schildbuckel verzichteten, und ihn durch gebogene Metallbänder ersetzten, bzw. Lösungen aus Holz und Leder bevorzugten. Das scheint aber nicht sehr häufig gewesen sein. Im Gegensatz zum Karolingerreich ist es bezüglich Englands ja sicher, dass der Fyrd auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit umgestellt wurde.

Die Drachenstandarten kannst Du Dir auch auf dem Teppich von Bayeux anschauen. Und der Sachs wird eher Sax geschrieben.

Falls das mit den Mützen als seltsam empfunden wird: Ursprünglich wurden sie wohl unter den Helmen, oder, wenn kein Helm getragen wurde getragen. Für beides gibt es Argumente. Dies erklärt, dass bei Abbildungen unter Severus die Legionäre plötzlich Mützen tragen. Auf einigen Abbildungen schauen unter den Mützen Helme hervor. Die Helme dürften irgendwann reduziert worden sein, bis ein Kaskett übrig blieb, dass dann auch nicht mehr jeder trug. Dass eine barbarische Ethnie eine Römische Gewohnheit, insbesondere Militärausrüstung übernahm kam durchaus vor, da ja Barbaren in der Römischen Armee dienten. Das mit der Entwicklung von Helmen und Mützen ist aber umstritten. Naturgemäß gibt es ja wenig Textilienfunde und man neigt ja auch dazu, anzunehmen, dass Rüstung und Helme eher selten waren. Für die Bemalung, spielt es, wie gesagt, keine Rolle.
 
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