Ann Gibbons Artikel „Busting myths of origin“

Dieses Thema im Forum "Völkerwanderung und Germanen" wurde erstellt von BerndHH, 7. Januar 2023.

  1. BerndHH

    BerndHH Aktives Mitglied

    Hallo zusammen,


    wie bereits angekündigt, würde ich gerne einmal folgenden Artikel der Wissenschaftsjournalistin Ann Gibbons zur Diskussion stellen:

    https://www.science.org/doi/abs/10.1126/science.356.6339.678 Busting myths of origin. Despite their tales of origin, most people are the mixed descendants of many migrations. Science 19. Mai 2017

    There's no such thing as a 'pure' European—or anyone else There is no such thing as pure European.


    Merkwürdig finde ich ihre Anspielung auf die aktuelle Migration in Sumte und den sonderbaren Bogen, den sie daraus spannt, aber okay das mag vielleicht jemand anderes verstehen. Gibbons Thesen mögen da sehr kontrovers sein, kann da nicht ganz folgen.



    Darauf wollte ich aber eigentlich weniger hinaus, sondern eher auf die angesprochenen Einwanderungswellen, die vor der Bronzezeit eingesetzt haben und demnach den Ursprung der Germanen begründeten.

    Als Einwanderungswellen werden folgende identifiziert:

    · 14.000 bis 19.000 v. Chr. 1. Große Einwanderungswelle: Jäger und Sammler aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Europa.

    · 9.000 v. Chr. 2. Große Einwanderungswelle: Bauern aus dem Nordwesten Anatoliens mit starker genetischer Hinterlassenschaft

    · 5.000 v. Chr. 3. Große Einwanderungswelle: Jamnaja-Kultur/Grubengrab- oder Ockergrab-Kultur (nomadic herders left strong genetic mark europeans and asians). Halbnomadisches Steppenreitervolk aus Vorderasien (?)


    Was lernt man daraus? Diese drei benannten Einwanderungswellen haben sich offenbar im mitteleuropäischen Klima akklimatisiert, sich dort mit der Topographie auseinandergesetzt und lokalen Ackerbau und Viehhaltung etabliert.

    Okay ein „Mischmasch“ und was will sie uns damit auf der Metaebene sagen? Ehrlich gesagt, verstehe ich das Problem überhaupt nicht. Ja es hat mit riesigen zeitlichen Abständen eine – wahrscheinlich nicht unbedingt friedliche Migration – gegeben und was soll das jetzt mit „Nationalismus“, „Angst vor Überfremdung“ oder „Deutschtümelei“ zu tun haben, wenn man z.B. in der Zeit der Augusteischen Germanenkriege willkürlich den Anker setzt? Danach setzte irgendwann die Völkerwanderung der Langobarden, Wandalen und Goten gegeben und danach lange Zeit nicht mehr (?).

    Humangenetik. Ein weiterer Kritikpunkt geht in den Bereich DNS-Analyse.

    Wenn Gibbons diesen Mischmasch „germanischer Gene“ definiert, wo wird denn da der Standard gesetzt? Was und wie definiert sie denn das „germanische Genom“?

    Vielleicht kann das jemand von Euch erklären, der sich mit der Materie besser auskennt.


    Quellen:

    · https://www.igenea.de/de/germanen DNS-Herkunftsanalyse

    · https://www.welt.de/wissenschaft/article1398825/Nur-wenige-Deutsche-sind-echte-Germanen.html Nur wenige Deutsche sind echte Germanen Wissen 25.11.2007

    · Wir Migranten aus dem Nahen Osten. Warum es keine Biodeutschen gibt. Wir Migranten aus dem Nahen Osten. Warum es keine Biodeutschen gibt.

    · Warum es "die deutschen Wurzeln" nicht gibt Warum es “die deutschen Wurzeln” nicht gibt, Bild der Wissenschaft 18. Mai 2017

    · Kolumne Mithulogie: Wer sind die deutschen Ureinwohner? Wer sind die deutschen Ureinwohner? TAZ 9. April 2019.
     
  2. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Das ist quasi der Aufhänger des Artikels um Leser aus dem heute abzuholen. Und es entbiert ja auch nicht einer gewissen Ironie, dass der self-described neo-Nazi, der der NY Times ein Interview gegeben hat, seine genetischen Wurzeln mutmaßlich im Nahen Osten hat, aber bei Neuzuwanderern aus dem Nahen Osten die destruction of our genetic heritage zu einem grauen Mischmasch (a gray mishmash) befürchtet.
     
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  3. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    müsste der seine Wurzeln nicht beim anhören von Wagnerpomp am Fuße von Yggdrasil haben? :D
     
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  4. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Er hat sich jedenfalls nicht an den Füßen reinhängen lassen und in Mimirs Brunnen sein Auge geopfert.
     
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  5. Heine

    Heine Aktives Mitglied

    Das mit den 6% Germanenabstammung väterlicherseits stand mal reißerisch in der Bildzeitung. Da gehört es auch hin. Germanengene gibt es nicht. Meiner Erinnerung nach wurde das hier schon einmal diskutiert. Ich würde auch empfehlen, bei Interesse die Originalstudien zu lesen und nicht das, was "Wissenschaftsjournalisten" sensationsheischend aus den Forschungsergebnissen machen.
     
    Zuletzt bearbeitet: 7. Januar 2023
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  6. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Meinst Du diesen Thread?
    Ethnogenese der Deutschen.
     
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  7. Heine

    Heine Aktives Mitglied

    Ich denke, das ist er.

    Noch ergänzend: in einem Nachbarthread wird deutlich, wie schwierig es ist, die Germanen überhaupt zu fassen, zu definieren, wer oder was Germanen sind. Es gibt sprachliche, archäologische, politische, geographische, kulturelle Aspekte, die aber nicht deckungsgleich sind. Bei den Kelten ist es ähnlich. Wie soll es da das eine Germanen- oder Keltengen geben?
     
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  8. Neddy

    Neddy Aktives Mitglied

    Krause, Andreas, Die Reise unserer Gene

    ist da vielleicht noch etwas näher an der aktuellen Forschung. Gibt auf dem beliebten Videokanal einige Mitschnitte von Vorträgen von ihm, die nach meinem Verständnis sein Buch zusammenfassen (ich hab es zwar schon hier, aber noch nicht gelesen). Da geht es im Wesentlichen auch um die genetischen Spuren, die die verschiedenen Einwanderungswellen in den heutigen Europäern hinterlassen haben.
     
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  9. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Um ein Germanengen geht es natürlich nicht. Aber man kann sich beispielsweise fragen, ob die Bevölkerungsgruppen, die zur Zeit Caesars Germanisch sprachen, untereinander engere Verwandtschaftsbeziehungen hatten als Teile diese Gruppen zu in der Nähe siedelnden Gruppen, die etwa keltisch sprachen. Fragen solcher Art sind sicher schwer oder manchmal gar nicht zu beantworten, sie sind aber nicht unsinnig.
     
    Stilicho gefällt das.
  10. BerndHH

    BerndHH Aktives Mitglied

    Top! Ethnogenese der Deutschen ist das richtige Stichwort!
    Besten Dank für den Hinweisgeber! Da werde ich mich mal einlesen.
     
  11. BerndHH

    BerndHH Aktives Mitglied

    Johannes Krause: Die Reise unserer Gene ist exakt die richtige Lektüre für mich. Auch dafür besten Dank!
     
  12. Heine

    Heine Aktives Mitglied

    Es soll auch nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden, aber eine Abrenzung zu Unseriösem ist wichtig.
     
  13. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Sprache und Gene

    Das Thema wird ja immer wieder hier im Forum angerissen.

    Sprache wird von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben. Wir sprechen nicht von ungefähr von Muttersprache und muttersprachlichen Kenntnissen. Insofern ist natürlich erwartbar, dass es eine gewisse Korrelation zwischen Gruppen gemeinsamer Muttersprache und Genen gibt.

    Nun ist Sprache aber ein Kommunikationsmittel und die Menschen siedeln seit jeher nicht in sprachlich umgrenzten Gebieten. Sprich: Seit jeher ist es zu Sprachkontakten gekommen und seit jeher haben Menschen oft mehr als eine Sprache gesprochen (Multilingualismus, Polyglossie).

    In Situationen der Diglossie (also Zweisprachigeit) haben sich zwei Sprachen gegenseitig beeinflusst (Adstrat), meist lexikalisch, manchmal auch syntaktisch (siehe Balkansprachbund).

    Wer sich sprachlich in der Diaspora befindet, neigt dazu seine Sprache zu Gunsten der Umgebungssprache aufzugeben, die Muttersprache wird vielleicht zunächst noch über ein paar Generationen im Hausgebrauch verwendet, aber langfristig wahrscheinlich aufgegeben. Spätestens dann, wenn die Beschränkungen zwischen Gruppen keine Rolle mehr spielen, die eine Intermarriage verhindert hätten.
    Das ist aber kein Naturgesetz, denn sicherlich werden die Römer nicht die Gallier oder Berber oder Iberer in die Situation einer sprachlichen Diaspora gestürzt haben. Hier ist das sprachliche Prestige der Sprache von Verwaltung, Philosophie und Religion maßgeblich daran beteiligt, dass die Sprecher die Sprache ihrer Vorfahren allmählich aufgeben und die Verkehrssprache mittelfristig zur Muttersprache der nachfolgenden Generationen wird.
    Wenn hier ein Prozess der militärischen Unterwerfung* durch die Träger der Verkehrssprache vorausgegangen ist, sprechen die Linguisten von einem Substrat. Die Substratsprachen sind die (in einem Gebiet) untergegangenen Sprachen, welche eine meist lexikalische Spur in der durchgesetzten Sprache der Eroberer* hinterlassen haben.

    Von Superstrat sprechen die Linguisten, wenn die Sprache der Eroberer sich nicht durchsetzen konnte, aber eben eine - wiederum meist lexikalische - Spur in der Sprache der Ursprungsbevölkerung hinterlassen haben. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Sprache der militärisch Unterlegenen* aufgrund der 'höheren' Kultur (Schreibkultur z.B.) ein größeres Prestige besitzt, als die der militärisch Überlegenen*.

    Da ich Hispanist bin: Das Iberische und Keltische ist ein Substrat des Spanischen, da diese Sprachen in Spanien untergangen sind und das Lateinische sich durchsetzen konnte. Das Baskische ist ein Adstrat, denn es existiert ja noch, hatte lange das Schicksal, zum Substrat zu werden (und ist es in einigen Gegenden ja auch, wo die Ortsnamen eindeutig baskischen Ursprungs sind, aber wo kein Baskisch mehr gesprochen wird), hat aber im Moment gute Aussichten, dialektal glattgebügelt, Adstratsprache zu bleiben.
    Das Germanische (Suebisch, Westgotisch, vielleicht Fränkisch, ggf. auch Vandalisch) ist ein Superstrat. Auf der iberischen Halbinsel (PI) konnte sich keine dieser Sprachen halten, aber es gibt Spuren im Lexikon (tejón, Dachs - wahrscheinlich schon aus dem Germanischen ins Vulgärlateinische eingegangen, lange bevor Germanien auf die PI kamen, ganso - Gans, yelmo - Helm, albergue - Herberge - vermutlich fränkisch, einige Farbadjektive - auch diese vermutlich bereits früher als Adstrat ins Lateinische gekommen). Das Arabische wird gerne als Adstrat gehandelt, zum einen, weil es ja vom Iraq bis nach Marokko die Hauptverkehrssprache ist, und somit in direkter Nachbarschaft gesprochen wird, zum anderen, weil es lange ein Superstrat (ca. 750 - 1300) war, um dann ein Substrat zu werden (v.a. nach 1492).

    Wenn man also die Frage stellte: "Hat Sprache etwas mit Genen zu tun?", müsste man diese Frage mit einem 'klaren Jein' beantworten.

    *Beim Adstrat ergibt sich die Problematik nicht, aber Sub- und Superstrat impliziert immer eine vorausgegangene (militärische) Unterwerfung. Jedes Sub- oder Superstrat war aber zunächst auch ein Adstrat.
     
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  14. BerndHH

    BerndHH Aktives Mitglied

    Guten Morgen,

    okay, sprachlich ist eine Sache aber ich frage mich, welche Fertigkeiten und Kenntnisse haben besagte drei Einwanderungswellen mitgebracht. Das Verständnis für Ackerbau und Viehzucht, Eisengewinnung und -verarbeitung? Was hatten diese Migranten geprägt und was hat sich ausgemacht?
     
  15. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Tja, das ist halt die Frage. Man geht davon aus, dass in Südeuropa augfrund des Zusammentreffens vieler Gruppen während der Norden unter einem Eispanzer lag, besonders viele technologische Entwicklungen stattfanden. nach einem Fundort in Frankreich heißt diese Zeit Magdalénien. In dieser Zeit soll die Speerschleuder aufgekommen sein, der Bogen, die Nähnadel. Verbesserte Technik allerorten. Vor allem in den Pyrenäen und in Kantabrien, wo die berühmten Höhlenmalereien (Tito Bustillo, Miramar, Lascaux etc.) gefunden wurden, ist das Zentrum des Magdalénien, wenn man das so vereinfacht sagen kann.

    Die Neolithisierung Europas fand auf "zwei" Wegen statt. Der Hauptweg ging über den Balkan. Ein Nebenweg kam über das Mittelmeer über Italien bis nach Spanien. Aufgrund des Umstandes, dass diese Kultur ihre Keramik mit Hilfe von Abdrücken der Herzmuschel verzierte Cardial-Kultur, seltener auch nach der Methode Impresso-Kultur genannt.

    Mit der Neolithisierung kamen Ackerbau, Viehzucht und Keramikherstellung nach Europa. Es gab ein akeramisches Neolithikum, also die Anfänge von Ackerbau und Viehzucht liegen noch vor den Anfängen der Gebrauchskeramik, aber in Europa kam das Ganze schon als Gesamtpaket an.

    Die Jamnaja kamen in der Bronzezeit nach Europa, archäologisch werden sie mit der Schnurkeramik verbunden (Schnüre werden verwendet, um Muster in Keramik zu prägen). Sie waren womöglich die ersten berittetenen Krieger, die in Europa auftauchten, die Bronzetechnologie kam aber eher aus dem Süden/Südosten.

    Es gibt Matriarchatsforscher*innen, die die Jamnaja-Kultur mit patriarchalen Strukturen in Verbindung bringen, ihnen zufolge hätten die Jamnaja einem bis dahin matriarchalen Europa das Patriarchat übergestülpt. Andere Matriarchatsforscher*innen glauben allerdings, dies sei schon im Gepäck der neolithischen Revolution dabei gewesen. Die Mehrheit dürfte aber auf dem Standpunkt stehen, dass Matriarchat und Patriarchat sich archäologisch kaum nachweisen lassen und daher all diesen Thesen eigentlich eine solide Basis fehlt.
    Man darf Matri- oder Patrilokalität bzw. -linearität nicht mit Matriarchat und Patriarchat verwechseln.

    Biologisch wissen wir folgendes: Das Männchen ist im Durchschnitt kräftiger und ausdauernder, als das Weibchen. Ergo war das durchschnittliche Männchen immer in der Lage, sich körperlich gegen das durchschnittliche Weibchen durchzusetzen. Wenn wir also unterstellten, dass Körperkraft das non plus ultra war, dann müssten wir patriarchale Strukturen bis ins ultimo verlängern. (bitte beachten: Kon-junk-tiv!)
    Auf der anderen Seite scheinen Frauen intelligenter als Männer zu sein. Zumindest, wenn man sich en Vergleich von Männern und Frauen im Notendurchschnitt und im Studienerfolg ansieht, da schneiden Frauen besser ab, als Männer.

    Für ein Matriarchat werden dann gerne die mesolithische Venus von Willendorf oder neolithische Keramik aus Çatal Höyük (besonders bekannt die als 'Göttin auf dem Leopardenthron' titulierte Figurine) ins Feld geführt.
    Nun, das sind Figuren, deren Bedeutung wir nicht kennen. Sie können in der Tat Fruchtbarkeitsgöttinen darstellen. Das heißt aber nicht, dass es ein Matriarchat gab. Sie müssen aber auch keine Göttinnen darstellen, sondern können die steinzeitliche Entsprechung dessen sein, was man oft auf Männertoiletten findet.
    Die 'Göttin auf dem Leopardenthron' hat die Diskussion einige Jahre bestimmt, bis mal jemand sich die Mühe gemacht hat, die 1.800 Figurinen, die man in Çatal Höyük gefunden hat, einer Untersuchung zu unterziehen: Da waren sowohl anthopomorphe (also menschenförmige), als auch zoomorphe (tierförmige) Gestalten darunter. Die anthropomorphen Figuren waren sowohl männlich als auch weiblich oder zum größten Teil unbestimmbar. Die Fundorte der Figurinen ließen keine Schlussfolgerung auf einen kultischen Zusammenhang zu, manchmal fand man sie in Abfallgruben. Es ist denkbar, dass es sich schlicht um Kinderspielzeug handelte.
     
  16. BerndHH

    BerndHH Aktives Mitglied

    Liebe Leute, kommen wir doch bitte wieder auf den Punkt Germanen zurück.

    Ich glaube es ist unbestritten, dass es so etwas wie ein germanisches Matriarchat nicht geben konnte.
    Eine Frau konnte ihr Gehöft unmöglich gegen eine Horde blutgieriger und möglicherweise auch "notgeiler" Chatten (sorry für das Plakative! ;-)) verteidigen.
    In meiner Vorstellung und ich denke auch nach allem, was wir wissen, war die germanische Frau Eigentum und Beute des Mannes, zumal sie, wie einige von Euch schon berichtet hatten, nicht erbberechtigt war.

    Ein rechtloser Mensch zweiter Klasse?
    Je nach Stand. Eine Fürstenfrau, Fürstentochter hatte vielleicht schon ihre eigene Magd, Sklavin, über die sie dann verfügen konnte. Ihre eigene Aufgabe war dann einfach nur verheiratet zu werden und männliche Nachkommen zu produzieren.
    Wer weiß denn schon wie es damals gewesen war? Vielleicht konnte man zur Eisenzeit bei den Germanen Frau für x Rinder als Brautgeld heiraten? Der klassische Kuhhandel. Oder politische Heiraten. Eine cheruskische Fürstentochter wird an den schlimmsten chattischen Widersacher verheiratet, um diesen zu "besänftigen".

    Ich denke mal, die Rolle der Frau in der Eisenzeit war knallhart auf Arbeit/Knechten, ausgebeutet zu werden, Haushalt (Sauberkeit, Vorratshaltung, bestimmte Handarbeiten etc.), ihrem Mann, ihrem Eigentümer jederzeit sexuell zu Willen zu sein (gut, das wissen wir natürlich wirklich nicht) und vor allem möglichst viele kräftige und vitale Nachkommen zu gebären.

    Woher die These eines germanischen Matriarchats kommt, kann ich mir nicht erklären.
    Es ist die Rede von weisen Frauen, von Seherinnen wie eben jene Veleda der Brukterer. Nun, vielleicht waren sie nicht weise, sondern schizophren und man hat dies als Kontakt mit der Götterwelt gedeutet.
    Eine einfache Bauernfrau hat doch gar nicht die Möglichkeit, auf dem Feld umzufallen, in Trance zu fallen, Schaum vor dem Mund, Veitstanz ... auf einmal wird sie aus ihrer Bauernrolle herausgenommen und ist die Seherin des Stammes?
    Ich habe keinerlei Erklärung dafür.
    Also ich bin mit der Vorstellung verhaftet, dass sie damals wie eine Fátima auf einmal eine Marienerscheinung hatte - analog bei den Germanen, dass jemand aus dem Volk, eine Frau mit dem siebten Sinn ganz plötzlich und völlig überraschend Kontakt mit den Göttern aufnimmt.
    Kurzum die Rolle der germanischen Geistlichen/Zwischenwesen/Mittler zwischen Menschen und Göttern bleibt absolut schleierhaft.
     
  17. Stilicho

    Stilicho Aktives Mitglied

    Von einem germanischen Matriarchat war doch nirgendwo die Rede.
    Und welchen Fantasien das Bild der blutgierigen Chatten entsprungen ist möchte ich gar nicht wissen.

    Von kriegerischen "Germanen" wissen wir erst aus einer Zeit, als diese an einer Kriegsgrenze lebten, und eben dieser Krieg ging von einem hochzivilisierten Volk im Süden Europas aus.
     
  18. Riothamus

    Riothamus Aktives Mitglied

    Das mit der Erbberechtigung ist so eine Sache. Im späteren 'Germanischen Recht' wird sauber unterschieden, was der Mann und was die Frau an Sachen erben konnte. Es kann durchaus sein, dass das bis in diese Zeit zurückgeht. Solche Aufteilungen gibt es bei vielen schriftlosen Ethnien. Die Römer sahen dabei natürlich die Waffen und evt. die Höfe, wenn Grundbesitz schon so organisiert war, eher als den Hausrat und vielleicht das Haus.
     
  19. Stilicho

    Stilicho Aktives Mitglied

    Und genausogut kann es nicht sein. Wir reden hier von etwa 700 Jahren.
    Dann müssten wir für die Jetztzeit diskutieren, ob Bestimmungen aus dem 14. Jahrhundert heute noch gültig sind oder nicht.
     
  20. Nikias

    Nikias Aktives Mitglied

    Ganz generell dürfte bei Vorstellungen von vorgeschichtlichen Matriarchaten der Wunsch Vater des Gedanken sein.

    Na ja, die ersten Kampfhandlungen zwischen Germanen und Römern wurden wohl durch die Züge der Kimbern und Teutonen ausgelöst, auch wenn die ersten konkreten Kampfhandlungen dann von den Römern ausgingen. Man kann aber wohl davon ausgehen, dass der Zug der Kimbern und Teutonen von Jütland bis in den Alpenraum auch nicht immer ganz friedlich war. Generell muss man wohl davon ausgehen, dass es unter den germanischen Stämmen immer wieder mal zu Auseinandersetzungen gekommen sein muss, auch wenn wir darüber wenig wissen. Auch zu der Grenze zwischen römischem Reich und dem germanischen Siedlungsraum ist es ja auch z. T. dadurch gekommen, dass die germanischen Stämme in vielen Regionen (z. B. Süddeutschland) die vormals dort lebenden Kelten verdrängten (oder gegebenenfalls assimilierten). Das ist sicher auch nicht nur friedlich abgelaufen.

    Kimbernkriege – Wikipedia
     
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