Ansteckende Krankheiten in den Amerikas

Neddy

Aktives Mitglied
Ich stolpere gerade darüber, dass die indigenen Bevölkerungsgruppen in den Amerikas von aus Europa eingeschleppten Krankheitserregern fürchterlich dezimiert wurden - Pocken, Grippe, womöglich selbst Gelbfieber und Malaria etc. - es im Gegenzug aber scheinbar keine entsprechenden ansteckenden Krankheiten in den Amerikas gab, gegen die die Europäer nicht immun waren und die diese entsprechend dezimierten.

Syphilis, bzw. der gefährliche Stamm der Syphiliserreger scheint die einzige bekannte Ausnahme zu bilden.

Also: ein paar Hundert Leute kommen mit ihren Erregern in den Amerikas an. Diese Erreger verbreiten sich rasend schnell und töten in kurzer Zeit einen Großteil der indigenen Bevölkerung. Im Gegenzug scheint es praktisch keine Erreger gegeben zu haben, mit denen lediglich das Immunsystem der Indigenen klar kam, nicht dasjenige der Europäer und die den Tröpfchenweise einsickernden Europäern somit den Garaus machten.

Falls dem tatsächlich so ist/war: Gibt es Erklärungen dafür? Entwickelten sich auf Grund unterschiedlicher Weisen des Zusammenlebens in den Amerikas verglichen mit Eurasien gar nicht erst so viele Erregerstämme? Weniger enges Zusammenleben zwischen Mensch und Tier, was entsprechende Mutation und Übersprung von vornherein ausschloss oder unwahrscheinlicher machte? Oder sorgten Siedlungsinseln dafür, dass solche Erreger sich selbst ausrotteten, ehe sie sich über den ganzen Doppelkontinent verbreiteten? Eine Kombination von beidem? Oder was ganz anderes?
 
Haustiere ist der Unterschied, ja. Alle epidemie-/seuchenartigen Krankheiten stammen von unseren großen Haustieren (Rind, Schaf, Schwein etc), und die gab es in den Amerikas entweder gar nicht, oder in geringerem Umfang (Lamas uä im Andenraum).

Oder sorgten Siedlungsinseln dafür, dass solche Erreger sich selbst ausrotteten, ehe sie sich über den ganzen Doppelkontinent verbreiteten?

Das hat ja bei den europäischen Krankenheiten auch nicht wirklich gefunzt, die auch Populationen betrafen, die noch gar nicht in Kontakt mit den Europäern geraten waren.

Interessant könnte hier auch ein Vergleich mit Afrika (südlich der Sahara) sein. Auch mit diesen Regionen begann der ständige Kontakt ungefähr um die gleiche Zeit, aber Siedlungsversuche beschränkten sich lange auf die Küsten, und die Kap-Region, die noch nicht von einheimischen Ackerbauern in Beschlag genommen wurde.
 
Ich stolpere gerade darüber, dass die indigenen Bevölkerungsgruppen in den Amerikas von aus Europa eingeschleppten Krankheitserregern fürchterlich dezimiert wurden - Pocken, Grippe, womöglich selbst Gelbfieber und Malaria etc. - es im Gegenzug aber scheinbar keine entsprechenden ansteckenden Krankheiten in den Amerikas gab, gegen die die Europäer nicht immun waren und die diese entsprechend dezimierten.

Wir hatten das Thema schon zuvor diskutiert - hier mal der Link zu einem meiner Beiträge:
Indianer: demographische und gebietsmäßige Entwicklung
Es handelte sich sozus um einen Cluster von 10-12 Erkrankungen, die als Epidemien und Pandemien die Bevölkerung dezimierten, darunter Pocken, Masern, Cholera, Grippe, Diphterie, Scharlach, Tularämie, Malaria, Tuberkulose, Keuchhusten, Typhus, Mumps. Soweit ich mich erinnere, waren auch Rhinoviren (lösen Schnupfen aus) in den Amerikas unbekannt.

Also: ein paar Hundert Leute kommen mit ihren Erregern in den Amerikas an. Diese Erreger verbreiten sich rasend schnell und töten in kurzer Zeit einen Großteil der indigenen Bevölkerung.
Nein, so war das Szenario nicht. Die Erreger verbreiteten sich zwar rasch - vor allem durch die etablierten Handelsbeziehungen der indigenen Völker untereinander, die durch die Europäer ergänzt wurden und sie trafen auf eine Virgin-Soil-Situation. Von der war bereits in der ersten Welle die Zahl der Todesopfer recht hoch. Von grob über den Daumen 1500 rollte für die nächsten (grob vereinfachend) 400 Jahre eine Epidemie bzw Pandemie nach der anderen über die amerikanischen Kontinente. Daher wird heute davon ausgegangen, daß ca. 90-95% der indigenen Bevölkerung durch die eingeschleppten Erkrankungen umkamen.

Da man in den Amerikas mit weniger Haustieren auskam bzw mit diesen auch nicht so eng zusammenlebte, konnten die bei diesen Tierarten vorhandenen Viren etc offenbar nicht so erfolgreich die Artenschranke überspringen.
 
Auf den Schiffen aus Europa sind immer wieder Krankheiten und Epidemien ausgebrochen. Meist sind die Leute dann ausgebootet worden und an Land in Quarantäne gepflegt worden. Meine Vermutung ist das die Matrosen, die die Krankheiten überlebt haben immunisiert waren.
Der große Unterschiedt dürfte gewesen sein, das die Schiffe, welche aus Europa kamen die Krankheiten eingeschleppt haben in Amerika, da die Europäer Immun gegen die Erkrankungen waren. Am Land konnten sich dann die Krankheiten sofort verteilen, ohne Quarantäne.
Und die Schiffe der Europäer auf dem Rückweg waren quasi hinter Karibik in Quarantäne.
Das Zauberwort könnte Quarantäne sein, welche in Amerika zuerst wohl unbekannt war.
Quarantine - Wikipedia

P.S. Habe doch noch eine Erkrankung gefunden die aus Südamerika und Afrika südlich der Sahara kam, das Gelbfieber.

Gelbfieber – Wikipedia
 
Und die Schiffe der Europäer auf dem Rückweg waren quasi hinter Karibik in Quarantäne.
Das Zauberwort könnte Quarantäne sein, welche in Amerika zuerst wohl unbekannt war.
Quarantine - Wikipedia
Dagegen spricht m. E., dass zum einen, zumindest bevor das Gelbfieber vor allem in der Karibik virulent wurde, es dann ja entsprechende Berichte über Pandemien an Bord zurückkehrender Schiffe bzw. in den Kolonien hätte geben müssen, oder eine hohe Zahl an Schiffen, die verloren gingen, weil die Lama- oder Tomatenpest die Besatzung mit Stumpf und Stiel ausgerottet hatte. Soweit ich weiß, ist das nicht der Fall.
 
Wenn man sich die Berichte über die Expeditionen von Magelan oder Drake ansieht, wie fot hier die Leute krank wurden, so das Schiffe aufgegeben wurden,,,
Das kann nicht alles Skorbut, die Geisel der Europäischen Seefahrer gewesen sein.
 
Im 16. Jhdt. war das noch ein Betriebsunfall, im 19. Jhdt. hat man das in den USA, in Kanada, Argentinien und Chile zum Teil mit Absicht gemacht, indem man mit Krankheitserregern verseuchte Decken an Indianer verteilt hat. In Argentinien und Chile hat man in den 1850er Jahren auf Araukarier Kopfgelder ausgesetzt, um das Kopfgeld zu kassieren musste man pro Ermordeten zwei Ohren präsentieren.
 
Ich weiß im Augenblick leider nicht genau, wo ich das gelesen habe, entweder bei Cortés oder bei Díaz del Castillo. Einer von beiden schreibt über eine Epidemie, die über das Land hereingebrochen ist und die Indianer sehr schwächte.
 
Syphilis, bzw. der gefährliche Stamm der Syphiliserreger scheint die einzige bekannte Ausnahme zu bilden.

Interessant an dem Punkt könnte sein (so die Syphilis oder ein besonders aggressiver Stamm derselben tatsächlich aus Amerika stammt), dass diese Krankheit mWn in der ersten Zeit ihres Auftretens in Europa noch wesentlich drastischer und schneller verlief als in späteren Zeiten; also unabhängig von mehr oder minder erfolgversprechenden Behandlungsversuchen. Könnte an den umgekehrt den Europäern fehlenden Abwehrkräften gelegen haben.

Einer ähnlich flächenbrand-ähnlichen Ausbreitung (wie bei Seuchen a la Pest, Pocken, Cholera...) steht mWn allerdings entgegen, dass die Syphilis va durch sehr engen Körperkontakt übertragen wurde und wird, und nicht durch Tröpfcheninfektion, verschmutztes Trinkwasser etc. Wäre das anders gewesen, hätte auch das Europa des 16. Jh. wohl sehr viel stärker unter dieser Krankheit gelitten.

P.S. Habe doch noch eine Erkrankung gefunden die aus Südamerika und Afrika südlich der Sahara kam, das Gelbfieber.

Das Gelbfieber kommt ursprünglich aus Afrika. Könnte einer der wichtigen Unterschiede zwischen Afrika und Amerika gewesen sein; neben der Malaria (für die zwar ganz andere Umstände gelten, gegen die die einheimische afrikanische Bevölkerung aber wohl stärkere Abwehrkräfte hat als europäische Kolonisatoren).
 
Die Schätzungen zur Bevölkerung der Karibik wurden jetzt auf rund ein Zehntel der bisherigen Zahlen aufgrund von genetischen Analysen korrigiert:

Ancient Caribbean people avoided close kin unions despite limited mate pools that reflect small effective population sizes, which we estimate to be a minimum of 500–1,500 and a maximum of 1,530–8,150 individuals on the combined islands of Puerto Rico and Hispaniola in the dozens of generations before the individuals who we analysed lived. Census sizes are unlikely to be more than tenfold larger than effective population sizes, so previous pan-Caribbean estimates of hundreds of thousands of people are too large

Fernandes et al. (unter Beteiligung von David Reich)
A genetic history of the pre-contact Caribbean | Nature

Die ältere Diskussion über Populationsgröße war auch durch die Diskussion über Opferzahlen der eingeschleppten Krankheiten und der Kolonisation aufgeladen.
 
Die Schätzungen zur Bevölkerung der Karibik wurden jetzt auf rund ein Zehntel der bisherigen Zahlen aufgrund von genetischen Analysen korrigiert:

Ancient Caribbean people avoided close kin unions despite limited mate pools that reflect small effective population sizes, which we estimate to be a minimum of 500–1,500 and a maximum of 1,530–8,150 individuals on the combined islands of Puerto Rico and Hispaniola in the dozens of generations before the individuals who we analysed lived. Census sizes are unlikely to be more than tenfold larger than effective population sizes, so previous pan-Caribbean estimates of hundreds of thousands of people are too large

Fernandes et al. (unter Beteiligung von David Reich)
A genetic history of the pre-contact Caribbean | Nature

Die ältere Diskussion über Populationsgröße war auch durch die Diskussion über Opferzahlen der eingeschleppten Krankheiten und der Kolonisation aufgeladen.

hier noch eine populärwissenschaftliche Zusammenfassung (auf Englisch), die auf dem Nature-Artikel beruht:

Invaders nearly wiped out Caribbean’s first people long before Spanish came, DNA reveals
 
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