antike Kriegsdefinition

Amalaswintha

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Jetzt habe ich auch mal eine Frage:
Ich suche nach antiken Autoren, die sich mit dem Begriff des Krieges beschäftigt haben. Also ich meine NICHT Fragen nach dem gerechten Krieg, sondern danach wie Krieg evtl. in der Antike definiert wurde: Was ist Krieg? Ich finde irgendwie nichts dazu. Es gibt die Kriegsbegriffsdefinition der Neuzeit, aber nichts dazu im Altertum wie´s scheint. :weinen:
Falls es hier doch Autoren gibt, dann wäre ich für die Info schon im Voraus sehr dankbar. :)
 
sondern danach wie Krieg evtl. in der Antike definiert wurde: Was ist Krieg?

Mein erster Gedanke war die Frage nach der "Ilias". Sie kombiniert die individuelle Motivation, die Interaktion zwischen den Kontrahenten, das komplexe Umfeld der menschlichen und der nicht-menschlichen Einflüsse (in diesem Fall der Götter etc.) und die Art des Beschlusses über den Krieg, seine Durchführung inklusive der Beendung.

Es wird deutlich, welch komplexen Normen die Begründung von Kriegen unterliegt, damit sie von anderen, die mit kämpfen sollen/wollen auch akzeptiert wird. Somit wird vor allem die soziale Legitimation von Kriegen als ein wesentliches Merkmal bereits deutlich.

In diesem Sinne ist sie m.E. der Blueprint für alle folgende Kriege und die Analyse der Ursachen von Kriegen.

Ilias ? Wikipedia
 
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Zunächst einmal Euch beiden meinen herzlichen Dank für die schnelle Antwort.
@thanepower In Deiner Sicht will ich Dir nicht widersprechen, aber das ist ja eigentlich eine Analyse aus dem Werk, das kann sich ein Leser denken, wenn er Homer liest, aber Homer selbst hat das nicht so ausdrücklich vorgestellt. Ich meinte in meiner Frage, ob es einen antiken Autor gab, der sich darüber Gedanken machte: Was ist Krieg eigentlich? Wie lässt er sich beschreiben, auf den Punkt bringen, begrifflich fassen?
@ Dekumatland: Genau Cicero hätte ich da auch gesehen, aber das ist - wie Du auch sagst - eine Diskussion um die Frage der Gerechtigkeit bzw. Rechtfertigung und damit seiner Legitimation von Krieg.

Die Frage nach der Begrifflichkeit setzt aber schon vorher an, denn um entscheiden zu können, ob er iustum oder iniustum ist, müssen wir überhaupt einen haben. Gut, rituell ist er fassbar durch Kriegserklärung usw. schon klar, aber ich dachte mir, ob es in der Antike nicht auch eine Art Clausewitz gab, der sich mit der Begrifflichkeit des Krieges auseinandersetzte, der sich überlegte woraus sich Krieg zusammensetzt und wie er sich charaktersieren ließe. Und es lässt erahnen, dass das wohl nicht so war.

Es gibt ja heute eine durchaus umfangreiche und bisher relativ erfolglose Theorienbildung über den Versuch den Krieg begrifflich zu fassen zu bekommen, aber bemerkenswerterweise hat man in der Antike - wo ja viel unserer heutigen Fragestellungen eigentlich herkommen - sich nicht angeregt gefühlt über den Krieg nachzudenken, über den Frieden wohl, aber nicht über den Krieg. Ich denke auch, dass es daran lag, dass der Krieg als etwas zu Selbstverständliches gesehen wurde, wiederum aber interessant, weil man Krieg rituell aber wiederum stark zu bannen und abzugrenzen suchte, er eigentlich ja dann doch als so distanziert gesehen hätte werden können, dass sich ein Zivilist einmal die Frage hätte stellen können: Was ist das eigentlich was wir da bannen, wie lässt es sich definieren? Sie hatten danach eine eher rituelle Trennung, die ihnen aber reichte, ohne sich - wie heute - intensiver zu fragen: Wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir über Krieg reden?
Es ist dann wohl so eine Art Wahrnehmungs- bzw. Sensibilisierungsdefizit gegenüber uns Heutigen.
Ich dachte schon ich stehe total auf dem Schlauch.
Nochmals ganz herzlich Danke! :0)
 
aber bemerkenswerterweise hat man in der Antike - wo ja viel unserer heutigen Fragestellungen eigentlich herkommen - sich nicht angeregt gefühlt über den Krieg nachzudenken, über den Frieden wohl, aber nicht über den Krieg.

Ich bin nicht so ganz mit Deiner "harten" Trennung zwischen Erzählung und Theorie für die Antike einverstanden, wenngleich ich Dein Anliegen durchaus verstehe.

Meine These bezogen auf den damaligen Zeitraum wäre, dass Erzählungen oder auch historische Darstellungen wie bei Thukydides, durchaus indirekt auch eine theoretische Reflektion über den Krieg im Rahmen der historischen Darstellung darstellten.

Sie problematisierten Normen und Verhalten und manche dieser politischen Verhaltensweisen werden positiv beurteilt und andere negativ. Und in diesem Sinne bildeten sie eine Instanz für die politische Sozialisierung ihrer antiken Leserschaft.

Wenngleich es natürlich richtig ist, dass sie keine theoretischen "Traktate" über den Krieg darstellten, wie das Nachdenken von Clausewitz über eben diesen.

Thukydides ? Wikipedia
 
Ciceros Ansatz ist ja, den allgemein als "normal" gegebenen Kriegszustand (der je kein Wunder ist, wo Beute machen der Haupterwerbszweig von Kriegern ist) zu kanalisieren bzw. zu zivilisieren, indem Krieg aus römischer Perspektive quasi zur Folge eines politischen Strafprozeßes werden soll (bellum iustum)

Insofern ist die große Ausnahme in dieser agonalen Wettbewerbswelt und darum von den antiken Autoren besonders bedacht der augustäische Friede bzw. die pax romana Pax Romana ? Wikipedia

man unterschied römischerseits marodierende Raubzüge von offiziellen Angriffen (wobei letztere auch ohne Fehdehandschuh, d.h. ohne Kriegserklärung stattdfanden) - man rächte sich mit Strafexpeditionen ins Barbarenland, man reagierte auf den Versuch von Annexionen, ja man handelte sogar eigens via Tributen (die man Geschenke nannte) Waffenstillstände aus - - - - all das spricht dafür, dass der Versuch, innerhalb der römischen Grenzen Frieden zu garantieren, keine allgemeine Ideologie über das Miteinander der Völker/Mächte wurde, sondern dass der allgegenwärtige agonale Kriegszustand lediglich nicht die Grenzen des Imperiums überschwappen sollte.

In diesem Sinne war Frieden, den es stets zu erkaufen oder zu gewinnen galt, der Ausnahmezustand - jedenfalls an den Grenzen.

so weit zur römischen Perspektive
 
Stadler setzt sich mit der Frage des "Polemos", des Krieges oder des Konflikts in der Antike und folgend auseinander.

Grundbegriffe der europäischen Geistesgeschichte: Krieg / Christian Stadler. ... - Christian Stadler - Google Books

Für die Antike sieht er die Arbeiten von Heraklit von Ephesos als die Fundierung der philosophischen Reflektion über den Krieg an.

Heraklit ? Wikipedia

Und in den "Eris-Fragment 80", dem Aphorismus 53 entwickelt er eine Positionsbestimmung des Krieges, indem er formuliert: "Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen - die einen läßt er Sklaven werden, die anderen Freie." In diesem Sinne fundiert Heraklit den Krieg nicht als politische Kategorie, sondern als ontologisches und anthropologisches Prinzip des Werdens, des Seins und des Vergehens. Der Krieg muss, symbolisiert durch den Logos der "Flamme/Feuer", vernichten, um neues zu schaffen.

Gleichzeitig weist er aber auch auf die Notwenigkeit zur Begrenzung des Zerstörens hin, indem er den Vernuftsweg in der Form eines codifizierten Rechts einführt.

Und Stadler formuliert resümierend: "Damit wird ebenfalls bereits bei Herkalit die kulturelle Hegung des Kultur ermöglichenden Krieges angesprochen und damit der Grundstein der Naturrechtslehre gelegt." (S. 18).

Für die Antike sieht Stadler noch Platon und seine Arbeiten im Rahmen der "Politeia" und der "Nomoi" (vgl. S. 25) als relevant für die philosophische Durchdringung des Krieges an. Sowie Cicero, zu dem dekumatland bereits etwas schrieb und Augustinus.

Eine vernunftmäßige Begründung sieht man dabei bereits bei Platon, der die Ursachen von Kriegen in der zivilisatorischen Entwicklung von "Gemeinden" sah, die sich den Lebensraum eroberten, den sie für die weitere Entwicklung benötigten.

Und interessant ist zudem, die bereits bei Platon ausformulierte Spezialisierung der Gesellschaft, indem er für die Durchsetzung der Interessen und der Verteidigung den "Wehrstand" als notwendigen Teil der Gesellschaft einführt. Ein Gedankengang, der wohl auch teilweise den Konflikt zu Sparta mit reflektiert.
 
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Auch jenseits der Frage nach dem gerechten Krieg sind antike Aussagen erhalten.
Bei Heraklit z.B. hat er geradezu kosmogonische Bedeutung. Aber er bezieht sich auch auf den Krieg der Menschen, wobei natürlich die Analogie zum kosmologischen Werden und Vergehen zu beachten ist:
Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.
und
Kämpfen muß das Volk für den Nomos wie für die Stadtmauer.
(zitiert nach dem Wikipedia-Artikel zu Heraklit)
Auf der einen Seite hält hier der Krieg der Menschen also die Welt in Bewegung, auf der anderen Seite bedeutet er eine Gefährdung des Rechts der Menschen und des Rechts Mensch zu sein, wie auch der materiellen Existenz.

Auch Aristoteles hat sich in der Nikomachischen Ethik zum Krieg geäußert: als Gefährdung und Chance für ein erfülltes Leben. Außer Philosophen äußern sich die antiken Geschichtsschreiber hierzu. Thukydides wurde schon genannt. Sicherlich lässt sich auch die berühmte Grabrede, die er den Perikles halten lässt ausbeuten, auch wenn die Verteidigung der eigenen Lebensart erst die Reaktion auf den Krieg ist, der im Melierdialog ja als eine Art Durchsetzung des Rechts des stärkeren betrachtet wird und der für den Überlegenen mit der Gefahr der Hybris und des unethischen Handelns verbunden ist. Dieser Gefahr erliegen die Athener im Falle Melos, was Thukydides geradezu als Ursache ihrer späteren Niederlage wertet: Der Krieg wird also auch bei ihm von einer höheren Macht gelenkt.

Daneben hatte die Antike aber auch echte Militärschriftsteller. Denken wir nur an die verlorene Schrift Plinius d.Ä. dazu, wie man den Speer vom Rücken eines Pferdes wirft. Andere befassen sich allgemeiner mit dem Thema. Es würde mich wundern, wenn sich keiner dieser Schriftsteller mit dem Begriff des Krieges selbst auseinandergesetzt hätte.

Edit: Dieser Post überschnitt sich mit dem thanepowers.
 
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Ob gerade Krieg war, konnte man in Rom am Janus-Tempel erkennen. Die Tore des Tempel wurden geschlossen, wenn an allen Grenzen des Imperiums Frieden herrschte und das war äußerst selten der Fall.


Res gestae divi Augusti
Den Ianus Quirinus, der nach dem Wunsch unserer Vorväter geschlossen sein sollte, wenn im gesamten römischen Reichsgebiet zu Wasser und zu Lande durch Siege errungener Friede herrschte – dies soll, so wird überliefert, vor meiner Geburt seit Gründung der Stadt überhaupt erst zweimal geschehen sein – dieser wurde, während ich der erste Mann des Staates war, auf Anordnung des Senats dreimal geschlossen.​

Frieden kann es daher nur direkt nach einem gewonnen Krieg geben.:grübel:
Der Krieg wird formell durch den Triumph beendet.
 
Aus den in Post #8 wiedergegebenen Zitaten Heraklits, kann man abgesehen von den schon angesprochenen Aspekten auch auf eine modern wirkende Sichtweise des Krieges abstellen: Um frei zu sein, muss der Mensch die Freiheit anderer einschränken. Dies gilt auch für ganze Gemeinwesen, die Recht (Nomos) und Besitzstand (Stadtmauer), also ihre Interessen wahren wollen. Hierzu wird durch den Demos einer Polis Krieg geführt. Diese Sichtweise des Krieges liegt ganz nahe bei der Definition Clausewitz.
Eine solche Sichtweise kann auch bei Cäsar aufgezeigt werden. Die Begründung für ein bellum iustum gegen die Helvetier ist teilweise an den Haaren herbeigezogen oder von ihm provoziert. Die eigentliche Begründung für sein Vorgehen liegt in der Darlegung der gefährdeten Interessen Roms und seiner Verbündeten. Hierbei gibt er sich m.E. wesentlich mehr Mühe. Die Interessen Roms sind ihm dementsprechend wichtiger als der gerechte Anlass des Krieges.

Dass man sich auch später mit den Begrifflichkeiten des Krieges auseinandergesetzt hat, zeigt die Einleitung zu Frontinus Stratagemata, hier bei Lacus Curtius. Er unterscheidet hier zwischen "στρατηγικῶν et στρατηγημάτων ". Leider ist sein allgemeines Werk "De re militari" verloren.
 
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Alles sehr interessante Gedanken.

@Riothamus: Das von Dir angeführte Heraklit-Zitat, in dem das Volk ermahnt wird für Gesetz und Stadtmauer zu kämpfen, hätte ich anders interpretiert, nämlich dahingehend, dass das Volk sich dazu berufen sehen sollte, seine Unversehrtheit sowohl im Inneren (Nomos), wie auch im Äußeren (Stadtmauer) zu schützen, also Aggression durch Tyrannen etc., wie auch durch äußere Feinde abzuwehren.
 
@ Amalaswintha: Auch das entspricht der in Post #8 von mir aufgeführten Interpretation. Bei Heraklit wunderte es mich im Übrigen nicht, wenn dies Zitat mehrschichtig zu interpretieren ist. Post #10 schrieb ich, um diese zumindest interessante Interpretation nicht zu unterschlagen. (Auch würde die Verteidigung des Staates nach Innen und Außen dem nicht wirklich wiedersprechen: Nach innen geht es um die als gerecht empfundene Verfassung [z.B. Tyrannis in Athen, Hellenismus in Palästina, Cicero gegenüber Cäsar], nach außen in der Antike um die Existenz [z.B. Karthago, Korinth, Jerusalem; ganz deutlich von Tacitus über Cremona im Vierkaiserjahr Gesagtes].

Auch Cäsar muss ja nicht über den Begriff des Kriegs oder den Krieg an sich reflektiert haben. Er kann ja auch ganz einfach nach dem Schema dies für die Götter und dies für Rom (oder: uns) vorgegangen sein, was zu einer dualen Sichtweise des Krieges führen würde. Zum eigenen Nutzen bleibt das oben Gesagte, zum Krieg aus der Warte der Götter, mag hier bei Onasander auf Lacus Curtius nachgelesen werden.
 
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Ich habe da noch etwas gefunden:
Xenophon, Erinnerungen an Sokrates, Buch III, Kapitel 2:
"... und der Zweck des Feldzugs erreicht wird? Sie ziehen doch ins Feld, um durch den Sieg über die Feinde ihre Lage zu verbessern. ... Man unternimmt ja allgemein einen Feldzug, um die eigene Lebenslage zu verbessern, und man wählt Feldherren nur deshalb, damit sie Führer zu diesem Ziel seien."
(nach der Übersetzung von Paul Laskowsky)

Aus des Aristoteles Politik scheint mir Folgendes relevant:

I, 8:
"... Daher wird auch die Kriegskunde in gewissem Sinne von Natur eine Erwerbskunde sein. Denn die Jagdkunst ist ein Teil von ihr, und sie kommt teils gegen die Tiere, teils gegen solche Menschen zur Anwendung, die von Natur zu dienen bestimmt sind, aber nicht freiwillig dienen wollen, so daß ein solcher Krieg dem Naturrecht entspricht. ..."
VII, 14:
"... Ferner muß man auf die Übung im Kriegswesen nicht zu dem Ende Bedacht nehmen, um solche, die es nicht verdienen, zu knechten, sondern der Zweck soll erstlich sein, nicht selbst von anderen geknechtet zu werden, sodann zweitens die Hegemonie zum Besten der Beherrschten, nicht behufs der Knechtung aller zu erlangen, endlich drittens, ein Herrenregiment über die zu gewinnen, die es verdienen, Sklaven zu sein.
Darin aber, daß der Gesetzgeber vielmehr bemüht sein soll, die auf das Kriegswesen bezügliche wie die gesamte übrige Gesetzgebung den Interessen der Muße und des Friedens dienstbar zu machen, vereinigt sich das Zeugnis der Erfahrung mit dem Urteil der Vernunft. Die meisten Staaten mit ausschließlich kriegerischer Richtung bleiben, solange sie Krieg führen, wohlbehalten, gehen aber nach Erlangung der Herrschaft zugrunde. Denn sie verlieren, wenn sie Frieden haben, dem Eisen gleich ihre Schneide, und daran ist der Gesetzgeber schuld, der sie nicht zu der Fähigkeit erzogen hat, edler Muße zu pflegen."
 
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