Antike Witze?

Kann man auf Grund von Blondinenwitzen auf die psychologische und mentalitätsgeschichtliche Situation des postmodernen Menschen zurückfolgern?
 
Philogelos ? Wikipedia

Kann man aus diesen Witzen auf die psychologische und/oder mentalitätsgeschichtliche Situation der antiken Menschen zurückfolgern?
das Themenrepertoire unterscheidet sich doch nicht großartig von uns heute (ob nun Abderiten oder Schildbürger ist ziemlich egal) - fraglicher wäre, zu überprüfen, worin der Humor antiker Witze besteht und ob es da Unterschiede zu heute gibt;
wenigstens was die Literatur betrifft, so ist deren intellektuelle Spielerei des satirischen Romans späteren solchen sehr verwandt: von Petronius zu Heine ist es nicht weit, obwohl mehr als anderthalb Jahrtausende dazwischen liegen.

rustikaler und derber sind die humoristischen Stellen in der Edda sowie in den nordischen Sagas - die Wikinger müssen in Sachen Humor etwas grobschlächtiger gewesen sein
 
Aus den überlieferten Anekdoten und aus erhalten gebliebenen Bonmots lässt sich schon einiges auf die Mentalität der antiken Römer schließen.

Ja, worüber lachten die Römer? Erhaltene Anekdoten, Couplets, Spottverse etc. zeigen, dass die Römer über einen ausgesprochen treffsicheren, sarkastischen Humor und über ein feines Gespür für die Doppeldeutigkeit der Sprache verfügten. Die Römer, aber auch die Alexandriner galten als gefürchtete Lästermäuler, die keinerlei Respekt vor der Macht hatten, was mancher römische Kaiser erfuhr.

Aus der oskischen Stadt Atella stammte ein eigenes Unterhaltungsgenre, die Atellana, eine Art Burleske mit feststehenden Charakteren, die aktuelle Ereignisse spontan aufs Korn nahmen. So begleitete ein atellana- Schauspieler seinen Vortrag mit entsprechenden Gesten "Vale mater, vale pater", wobei er auf die Ermordung Claudius und Agrippinas anspielte und Schwimmbewegungen machte (Agrippina sollte bei einem inszenierten Bootsunfall sterben) und Claudius wurde vergiftet.

Nero blieb aber den Komödianten und Witzbolden gewogen und ließ sich vieles bieten.

als er den späteren Interimskaiser Otho nach Lusitanien weglobte, weil er ein Verhältnis mit Poppäa Sabina hatte, kursierte ein Couplet:

"Man musste Otho mit Exilö bestrafen,
denn er war so kühn, mit seiner eigenen Frau zu schlafen."

Auch Neros Baulust und seine Prunksucht animierte Spötter.

Locker sah Kaiser Vespasian die vielen Witze, die über ihn gemacht wurden, die er ebenso derb zurückgab.

Ein gewisser Mettius Florus, ein Konsular verbesserte einmal den Kaiser, es müsse plaustra und nicht plostra heißen, worauf ihn Vespasian mit Flaurus (Flauros= griech Nichtsnutz) begrüßte.

vespasian war wegen seines Geizes verrufen. Bei seinem Staatsbegräbnis zog dem Trauerzug ein bekannter Komiker und Imitator voran, der als vespasian verkleidet nach den Kosten des begräbnisses fragte.

"Gebt mir eine millionen und schmeißt mich in den Tiber!"

Seine letzten Worte waren ebenfalls ein Scherz:

"Oh weia, ich glaube, ich werde ein Gott!"

Von Claudius ist überliefert, dass er nicht über die Schlagfertigkeit Vespasians verfügte und häufig ausgesprochen frostige Witze riss.

Claudius selbst forderte durch seine Erscheinung und menschenscheue Art geradezu dazu auf, zur Zielscheibe von Witzen zu dienen. In diesem Fall ein eigenes Genre, den sogenannten Gelehrtenwitz.
Die Vorstellung eines weltfremden, unpraktischen oder verschrobenen Gelehrten kannte schon die Antike, und das berühmteste Beispiel war Archimedes, der im Bade die Beobachtung der Wasserverdrängung machte und entzückt über seine Erfindung nackt auf die Straße ließ und tanzend ausrief:

Heureka, heureka (Ich hab´s raus gefunden)!
 
Aus dem sumerischen :
Was es noch nie gab; eine junge Frau die nicht in den Schoss ihres Mannes gefurzt hätte.

Ansonsten Sarkasmus etc. war dort auch schon sehr beliebt.
 
Vom äußerst rührigen, aber immer lesenswerten Karl-Wilhelm Weeber gibt es zum Thema ein passendes Heftchen von Reclam mit dem Tiel „Humor in der Antike“. Er teilt das Thema auch in einige Kategorien ein. Manches Beispiel, das er in seinem Buch auch zitiert, wurde hier bereits im Thread gebracht. Durchaus kurzweilig und vielleicht für das Thema geeignet?
 
Bei Suetonius bin ich gerade auf einen Superspruch von Kaiser Domitian gestoßen.
"Ich wünschte ich wäre so schön, wie Mettius sich vorkommt."

Mit dem könnte man noch heute bei manchen Zeitgenossen ins Schwarze treffen.

Von Hadrian gibt es auch noch eine ganz witzige Geschichte
Der Kaiser hielt sich in den öffentlichen Thermen auf. Da sah er einen altgedienten Soldaten, der sich den Rücken an einer Säule rieb. Auf die Frage des Herrschers, weshalb er die tue, antwortete dieser: " Ich bin zu arm und habe keinen Sklaven, der mir den Rücken abreibt." Hadrian gab ihm daraufhin Geld für einen Sklaven. Als er wenig später wieder in dem Bad weilte, sah er mehrere Veteranen, die sich an Säulen rieben. Als er das sah, sagte er: "nun seid ihr genug Männer um euch gegenseitig zu kratzen " und gab ihnen nichts.
 
Karikaturen mit Textzeilen gab es auch. "Alexamenos betet seinen Gott an" greift sicher ein kursierendes Gerücht - oder eher den kursierenden Spott - über die Eigentümlichkeiten des Christentums auf.
 
Eine Berufsgruppe, die gerne auf die Schippe genommen wurde, waren die "zerstreuten Gelehrten". Für die sind eine Vielzahl von Witzen oder Bonmots überliefert (im erwähnten, sehr lesenswerten Buch von Weeber zu finden), darunter z.B.:

Einem Scholastikos schrieb ein Freund, der auf Reisen war, er möge ihm Bücher kaufen. Der Scholastikos vergaß das. Als er dem Freund nach der Rückkehr begegnete, entschuldigte er sich: "Den Brief, den du mir wegen der Bücher geschickt hast, habe ich nicht bekommen.

Ein Scholastikos, der schlafen wollte, aber kein Kopfkissen hatte, befahl seinem Sklaven, ihm einen Tonkrug unterzulegen. Als der Sklave antwortete, der sei recht hart, trug er ihm auf, ihn mit Federn zu füllen.

Und etwas vielleicht zeitloses...
Cicero nahm die Koketterie seiner Bekannten Fabia mit ihrem Alter aufs Korn. Als sie einem gemeinsamen Freund erzählte, sie sei 30 Jahre alt, bestätigte Cicero diese Aussage mit den Worten: "Stimmt genau! Denn das höre ich schon seit 20 Jahren von ihr!"
 
Vom äußerst rührigen, aber immer lesenswerten Karl-Wilhelm Weeber gibt es zum Thema ein passendes Heftchen von Reclam mit dem Tiel „Humor in der Antike“.

Daraus etwas aus Ciceros De oratore, was mir besonders gefällt:

"Ein Sizilianer bat Scipio, ihm einen Anwalt zu besorgen. Scipio nannte spontan einen guten Bekannten auf Sizilien. Der war zwar ein liebenswürdiger Mann aus bestem Hause, als Anwalt jedoch eine Null. Das brachte den anderen dazu, seine Bitte zu modifizieren: 'Den enpfiehl der Gegenpartei als Sachwalter, dann brauchst du mir keinen anderen zu benennen!' "


Karikaturen mit Textzeilen gab es auch. "Alexamenos betet seinen Gott an" greift sicher ein kursierendes Gerücht - oder eher den kursierenden Spott - über die Eigentümlichkeiten des Christentums auf.

Ähnliche volkstümliche Spott-Graffiti in demselben Reclam-Heft:

"Rodinus" - darunter die Zeichnung eines Schweins (CIL IV 3443)
"Peregrinus" - darunter ein Kahlköpfiger mit Adlernase und Lorbeerkranz (CIL IV 1810)
 
Als Vespasian zum Kaiser ausgerufen wurde, weilte er noch auf dem Feldzug in Judea. Bis er in Rom eintreffen würde, führte sich dort sein zweitgeborener Sohn Domitian als Stellvertreter auf. Er setzte willkürlich Amtsträger ab und ernannte andere. An einem einzigen Tag vergab er 20 Stellen in Rom und den Provinzen. Als Kaiser Vespasian davon hörte sagte er: "Ich wundere mich, dass er mir noch keinen Nachfolger geschickt hat."

Über Kaiser Domitian gab es das Gerücht, dass er, wenn er allein in seinem Zimmer war, Fliegen fing und diese mit einem Schreibgriffel aufspießte. Ein gewisser Vibius Crispus antwortete, als er gefragt wurde ob jemand beim Kaiser wäre, "Nicht einmal eine Fliege"
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Hofbediensteter bat Vespasian um eine Verwalterstelle für seinen angeblichen Bruder. Der Kaiser ließ diesen vor sich bringen , verlangte von ihm die Bestechungssumme, die er seinem Fürsprecher gezahlt hätte und gab ihm die Stelle. Als am nächsten Tag der Bedienstete nochmals wegen der Stelle nachfragte antwortete der Kaiser: "Suche Dir einen anderen Bruder, der den du für den deinigen hälst ist mein Bruder."
 
Eine Berufsgruppe, die gerne auf die Schippe genommen wurde, waren die "zerstreuten Gelehrten". Für die sind eine Vielzahl von Witzen oder Bonmots überliefert (im erwähnten, sehr lesenswerten Buch von Weeber zu finden), darunter z.B.:

Einem Scholastikos schrieb ein Freund, der auf Reisen war, er möge ihm Bücher kaufen. Der Scholastikos vergaß das. Als er dem Freund nach der Rückkehr begegnete, entschuldigte er sich: "Den Brief, den du mir wegen der Bücher geschickt hast, habe ich nicht bekommen.
Noch einer von der Sorte: Bei den Wettspielen zur Tausendjahrfeier Roms wurde ein favorisierter Athlet trotz großer Anstrengung nur zweiter. Da kam ein Scholastikos auf ihn zu und tröstete ihn: "Sei nicht traurig, bei der nächsten Tausendjahrfeier wirst DU siegen!"
 
„Thaida Quintus amat.“ Quam Thaida? „Thaida luscam.“
Unum oculum Thais non habet, ille duos.


"Quintus liebt Thais." "Welche Thais?" "Die einäugige Thais."
Thais hat ein Auge nicht, jener zwei.

(Martial, Epigramm - 03, 08)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin heute noch auf der "Schon gewußt?"-Rubrik auf der Wiki-Hauptseite auf einen Witz aus der Antike aufmerksam geworden:

L(ucius) Calidius Eroticus / sibi et Fanniae Voluptati / v(ivus) f(ecit) / copo computemus habes vini / Ɔ (sextarium) I pane(m) / a(sse) I pulmentar(ium) a(ssibus) II convenit puell(am) / a(ssibus) VIII et hoc convenit faenum / mulo a(ssibus) II iste mulus me ad factum / dabit


Demnach hat Lucius Calidius Eroticus schon zu Lebzeiten den Grabstein für sich und Fannia („seiner Lust“ oder – wahrscheinlicher als Namensform – „für Fannia Voluptas“) setzen lassen. Danach folgt ein witziger Dialog mit dem Betreiber einer Herberge: „Wirt, lass uns abrechnen!“ – „Du hattest einen Sextarius Wein sowie Brot für ein As, Zukost für zwei Asse.“ – „In Ordnung.“ – „Ein Mädchen, acht Asse.“ – „Auch in Ordnung.“ – „Heu für das Maultier, zwei Asse.“ – „Dieses Maultier wird mich ruinieren!“


https://de.wikipedia.org/wiki/Grabstein_des_Lucius_Calidius_Eroticus
 
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