Antisemitische Karikatur Kaiserreich

G

Giesswein

Gast
Werte Forumsgemeinschaft,

ich bitte um eine kurze Rückmeldung zu eigentlich zwei Fragen.
Mich treibt zunächst um, ob ich als Lehrer, welcher im Unterricht eine antisemitische Karikatur zeigt und bespricht, aufgrund der Wirkmacht von Bildern nicht genau das Gegenteil erreicht in dem Sinne, dass Vorurteile bzw. Stereotype übermittelt werden bzw. den Gedanken hervorrufen, dass ja vielleicht doch etwas Wahres darin steckt. Hier mein Beispiel von 1882:
F%C3%BCnftes+Kapitel


Und mich würde interessieren: was war der Zweck, der hinter antisemitischer Agitation in dieser Zeit (1880er) Jahre steckte?
Über Antworten würde ich mich freuen!
Freundliche Grüße
 
Hi Giesswein, im Gaststatus wird es leider nichts mit dem Hochladen von Bildern, dazu müßtest du Mitgliedsstatus haben. Magst du dich bei uns anmelden? Ersatzweise kannst du einen Link posten, wo man die Karikatur einsehen kann (natürlich keine rechtsauslegenden Seiten...).
 
Einiges dazu findest du im Wikipedia-Artikel zu Wilhelm Busch im Teil „Antisemitismusvorwurf“. Sieh dir das mal genauer an, auch die Hinweise auf Relativierungen wie „Schöner ist doch unsereiner“ und dergleichen.

Karikaturen und Witze über Juden im 19. Jh. decken wohl ein weites Spektrum von vergleichsweise harmlosen Scherzen bis zu Rassismus und antijüdischer Hetze ab. Wir sehen das heute natürlich durch die Brille historischer Erfahrungen, aber diese Brille verzerrt auch mitunter. Was nichts daran ändert, dass die Nazis sich später auf dergleichen berufen konnten.

Wie populär Witze und abwertende Bemerkungen über Juden auch unter Gebildeten waren, sieht man zum Beispiel bei Fontane, nicht in seinen literarischen Texten, aber in Briefen. Das Erstaunliche ist, dass sich solche Witzchen und Bemerkungen vor allem in den Briefen an seinen Freund, eigentlich seinen besten Freund Georg Friedlaender finden, der einer berühmten und erfolgreichen jüdischen Gelehrtenfamilie entstammte. Friedlaenders Briefe sind nicht erhalten, aber nach dem, was man aus Fontanes Antworten schließen kann, kamen von ihm nicht weniger antijüdische Spitzen und Witzchen. Ein aus heutiger Sicht recht merkwürdiges Gesellschaftsspiel.

Auch Sigmund Freuds „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ (1905) fand ich in der Hinsicht immer höchst bezeichnend. Dort sind etwa die Hälfte der Beispiele Witze über Juden (geschätzt, ich hab nicht nachgezählt). Es waren eben Witze, die Freud sich notiert hatte, weil sie in seinem Umfeld erzählt wurden, natürlich auch unter Gebildeten und Medizinern. Er gibt sie neutral als Beispiele wieder, fühlt sich als Jude offenbar auch nicht weiter davon betroffen und wundert sich nur, dass viele dieser Witze von Juden gerissen werden: „Ich weiß übrigens nicht, ob es sonst noch häufig vorkommt, daß sich ein Volk in solchem Ausmaß über sein eigenes Wesen lustig macht.“

Aber ein paar Jahre später war es dann blutiger Ernst und Freud konnte froh sein, dass er mit Hilfe von Freunden nach England fliehen konnte.
 
Ohne jetzt die Texte im Einzelnen zu kennen: Zu unterscheiden ist zwischen jüdischem Witz und Antisemitismus. Jüdischer Witz betrifft vielfach jüdische Eigenarten aus jüdischer Perspektive, Antisemitismus ist despektierlich (und i.d.R. rassistisch, wie auch im Busch-Bsp. oben: Der Jude wird mit körperlichen Auffälligkeiten und charakterlich negativ dargestellt, selbst die Hunde können ihn als solchen erkennen...).
 
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