Antiwestlicher Islamismus

Germanicus

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Immer wieder lese ich in diesem Forum von der Intolleranz des antiwestlichen Islamismus. Dies ist auch zutreffend, doch sollte die Frage erlaubt sein, wie viel Schuld eingentlich der Westen an dieser Entwicklung trägt. Dann wird man nämlich feststellen, dass diejenigen, die sich heute am meisten über den antiwestlichen Islamismus beschweren, am meisten Mitschuld haben.
Entstanden ist der Islamismus, eine ursprüngliche vergleichsweise kleine Bewegung innerhalb des Islam, durch mehrere Ereignisse: Das erste Ereignis war der endgültige Untergang des Osmanenreiches 1922 (in der Folge des Ersten Weltkrieges). Das Kalifat wurde unter Einfluss europäischer Ideale der Trennung von Staat und Kirche von einer ursprünglich staatlich-religiösen Institution in ein rein religiöses Amt verwandelt. Bald darauf wurde das Kalifat vollständig abgeschafft und aus dem Osmanischen Reich entstand eine Reihe vorwiegend säkularer Staaten. Diese Trennung von Staat und Religion empfanden viele Muslime als Machtverlust ihrer Religion. Nach Jahrhunderten der Einheit von politischer und religiöser Macht hatten die meisten dieser Länder kaum Erfahrungen mit Mehrparteiensystemen und Demokratie.
Eine weitere tiefe Zäsur war die arabische Niederlage gegenüber Israel im Sechstagekrieg 1967. Diese Niederlage wurde von vielen Muslimen als traumatisch empfunden. Waren die meisten islamistischen Länder vorher weitgehend offen gegenüber westlichen Einflüssen, empfanden sie nun dieses Debakel, dass Israel dank der Unterstützung des Westens gelungen war, als Schlag gegen ihre innersten religiösen Werte. Die Schwäche der säkularen Regime der arabischen Welt in diesem Krieg gegen Israel ließ die Rufe nach der Verteidigung des Islam und nach einem islamischen Gottesstaat lauter werden und die Islamistische Bewegungen erlebten einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung. Konzentrierte sich der Islamismus bis dahin auf die Bestärkung religiöser Grundsätze und auf politische Ziele innerhalb der arabischen Welt, bekam er nun eine deutliche antiwestliche Stimmung. Die weitere Schützenhilfe des Westens für Israel, im Kampf gegen andere arabische Länder, hat diese antiwestliche Stimmung noch verstärkt.
Anschließend ließ die islamistische Revolution des Ayatollah Kohmeini (1979) für die Muslime für eine bestimmte Zeit den Eindruck entstehen, dass nun die ideale Einheit von Macht und Religion wiedererstehen könne. Der neue islamistische Staat stieß auf große Widerstände aus dem Ausland, und Saddam Hussein griff 1980 (mit Unterstützung des Westens) das islamistische Regime an. Diese und viele weitere Ereignisse bestärken die Haltung der Islamisten, in einem unversöhnlichen Gegensatz zur westlichen Kultur und Politik zu stehen.
 
Ist der antiwestliche Islamismus nicht viel mehr eine radikale Art des friedlichen Islam?
Die islamische Kultur ist größtenteils um einiges gläubiger als das ein europäischer Christ ist.
Und natürlich gibts es im Islam verschiedene Glaubensgruppen. So gibt es auch die, die ihren Glauben,ihre Religion und so auch ihren Grott durch zunehmende Globalisierung und Einflüsse von "Außen" gefährdet sehen.
Hier spielen dann die verschiedenen Koranauslegungen entscheident mit. So legt die radikale Gruppe von Gläubigen den Koran so aus,dass wenn das zuvor genannte gefährdet wird sie sich mit allen Mitteln dagegen wehren müssen.Also Ausruf des Heiligen Krieges, des Dschihad/Djihad.
Somit würde ich sagen,dass nicht der Westen am antiwestl. Islamismus Schuld ist,sondern die falsche und radikale Auslegung des Korans.
Wobei falsch natürlich immer eine Ansichtssache ist,aber ist der Grundgedanke der Religionen denn nicht Weltfrieden,Nächstenliebe usw. ?
Und Terrorattentat sind dies wohl in keinster Weise.
Natürlich darf man jetzt auch nicht sagen,dass nur in diesem Fall eine "falsche" Auslegung besteht. Wie oft wurde schon die Bibel so ausgelegt,dass sie "passte". Ich erinnere mich noch schwach an Hitler,der dies wohl auch betrieben hat.
Und natürlich gibt es nicht DIE Auslegung,aber die des Koran in diesem Fall halte ich für falsch.
 
In der Tat finden sich fundamentalistische Tendenzen im Islam schon seit seiner Entstehung, jedoch wird nur ein kleiner Teil direkt aus dem Koran entnommen. Als frühe Person des heutigen Islamismus gilt der aus dem 13.- 14 Jahrhundert stammende Taki-ed-Din Ibn Taimiya, der auf auf die rigide Durchsetzung religiöser Pflichten drängte. Zur Verwirklichung von Gottes Willen bedürfe es der Autorität eines Anführers, welcher berufen sei, die Pflichten der Anhänger des Islam, religiöse Hingabe, Rechtspflege, Pilgerreisen, öffentliche Gebete, Festtage und brüderliche Hilfe der Muslime untereinander durchzusetzen, so seine Aussagen. Der erste islamische Denker, dessen Reformvorschläge direkt im Hinblick auf die Abwehr der westlichen Kultur entstanden, war der Perser Dschamel-ed-Din al-Afghani (geb 1839). Er vertrat die Auffassung, dass die islamische Welt einheitlichen und koordinierten Widerstand gegen westliche Fremdherrschaft leisten. Die technologischen Errungenschaften des Westens sollten nicht kopiert, sondern von den islamischen Ländern übertroffen werden. Das Moral- und Rechtssystem brauche man jedoch nicht vom Westen zu übernehmen. Hier sei der Islam immer überlegen gewesen. Zu erwähnen wären noch Sayyid Qutb (1906-1966) und Abul a-Ala al-Maududi (1903-1979), die als klassische Begründer des Islamismus gelten.
Der Islamismus ist also eine Strömung des Islam, der sich auf die Grundlagen des islamischen Glaubens und islamischer Sitte beruft und alle Bereiche des Lebens nach diesen Prinzipien umgestalten möchte. Seine zentralen politischen Ziele sind die Errichtung eines islamischen Staates und die Durchsetzung des islamischen Sittenkodex, der Scharia, als universelles Moral- und Rechtssystem. Mit der Berufung auf den Islam meint der Islamismus die Texte des Korans der Sunna und die Regeln der Scharia. Er nimmt tatsächlich aber nur einen kleinen Teil dieser Quellen auf und ergänzt sie durch eigene Konstrukte. Jedoch sollte ich nochmals darauf hinweisen, dass nicht alle Islamisten gewaltbereit sind, ebensowenig Antiwestlich (weshalb ich auch antiwestlicher Islamismus schrieb). Viele möchten ihre Ziele mit friedlichen, politischen oder religiösen Mitteln durchsetzen. Daher ist es falsch, Islamismus mit Extremismus oder gar Terrorismus gleichzusetzen (wie dies hier in unserem Land oft getan wird). Ein Großteil der Islamisten sieht seine Aufgabe vielmehr in der vom Koran vorgeschriebenen Unterstützung der Armen und Ungebildeten sowie in der strengen Befolgung der Sitten und Bräuche, die die jeweilige Version der Scharia vorschreibt. Viele sozial-karitative Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser werden von islamistischen Bewegungen unterhalten. Die terroristischen Strömungen hingegen sind vergleichsweise gering, dürfen aber nicht unterschätzt werden. Wie man also sieht, ist der Islamismus eine sehr herterogene Bewegung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich unterstütze dich absolut indem was du als letztes gepostet hast und habe es genau so gemeint.

Was mir noch besonders aufiel (einfiel) :
Dschamel-ed-Din al-Afghani schrieb:
Die technologischen Errungenschaften des Westens sollten nicht kopiert, sondern von den islamischen Ländern übertroffen werden. Das Moral- und Rechtssystem brauche man jedoch nicht vom Westen zu übernehmen. Hier sei der Islam immer überlegen gewesen.

Genau das kenn ich aus eine Stalin Rede von 1928. Die Sowjetunion habe ein überlegenes Staatssystem,jedoch fehle es noch an der fortschrittlichen Wirtschaft,die die westl. kapitalistischen Länder schon hatten. Diese sollten "eingeholt und überholt" werden.
Und wenn ein Mensch wie Stalin genau das gleiche sagt wie der Islamist,dann spricht das wohl für sich.
 
Tempus schrieb:
Und wenn ein Mensch wie Stalin genau das gleiche sagt wie der Islamist,dann spricht das wohl für sich.
Mit Verlaub, aber das spricht fuer gar nichts. Wenn beide ueber dasselbe System gesprochen haetten, dann haette man etwas daraus schliessen koennen, aber so...
 
Zitat:" Der erste islamische Denker, dessen Reformvorschläge direkt im Hinblick auf die Abwehr der westlichen Kultur entstanden, war der Perser Dschamel-ed-Din al-Afghani (geb 1839). Er vertrat die Auffassung, dass die islamische Welt einheitlichen und koordinierten Widerstand gegen westliche Fremdherrschaft leisten. Die technologischen Errungenschaften des Westens sollten nicht kopiert, sondern von den islamischen Ländern übertroffen werden"


War das ist eine Reaktion, auf die Koloniesierung der islamischen Länder durch die Europäer? Das hat die islamischen Völker ganz schön ins Herz getroffen, das ie sich quasi fast widerstandslos erobern lassen haben. Als Reaktion darauf gründete sich die Wahabitenbewegung, sie nehmen an die Kolonisierung sei die Strafe Gottes, weil sie vom "reinen" Islam abgewichen sind.
 
askan schrieb:
War das ist eine Reaktion, auf die Koloniesierung der islamischen Länder durch die Europäer? Das hat die islamischen Völker ganz schön ins Herz getroffen, das ie sich quasi fast widerstandslos erobern lassen haben. Als Reaktion darauf gründete sich die Wahabitenbewegung, sie nehmen an die Kolonisierung sei die Strafe Gottes, weil sie vom "reinen" Islam abgewichen sind.
Ja, das war es. Deswegen forderte Dschamel ed-Din al-Afghani die Rückkehr zu den ursprünglichen Lehren und Werten des Islam, weil nur dadurch der Unterdrückung und Herabsetzung der Muslime durch die europäischen Kolonialmächte begegnet werden könne:"Ich habe einen großen Teil meines Lebens damit verbracht, das Unheil des Orients zu ergründen. Meine Nachforschungen führten zu folgendem Ergebnis: Der Orient ist krank, weil die Muslime uneins sind. Das höchste Ziel meines politischen und spirituellen Kampfes war seither sie zu einen und sie auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die ihnen sonst drohen."
Al-Afghani versprach sich von der Erneuerung der Umma (=Gemeinschaft der Muslime) die Überwindung des politischen wie religiösen Partikularismus und die Einheit aller Muslime, die notwendig sei im Kampf gegen die Kolonialmächte.
 
Böse Islamisten, gute Europäer.
Gute Moslems, böse Kolonialisten.
Böse Christen, gute Moslems.
Böse Europäer, gute Christen.

Die Frage: Wer hat Schuld? Immer die Menschen, die nach Schuldigen suchen.
Ich mag diejenigen, die nicht nach Schuld bei anderen suchen, sondern diejenigen, die für sich Verantwortung übernehmen. Wer für sich Verantwortung übernimmt, hat keine Zeit nach Schuldigen zu suchen. Wer für sich Verantwortung übernimmt, lernt im Miteinander von Anderen.

So! Bitte wieder grüne Bobbels :teach:
 
manganite schrieb:
Mit Verlaub, aber das spricht fuer gar nichts. Wenn beide ueber dasselbe System gesprochen haetten, dann haette man etwas daraus schliessen koennen, aber so...

Natürlich geht es nicht um genau das gleiche System und natürlich lebten diese beiden Männer in einem ganz unterchiedlichen Umfeld und natürlich war dies auch nicht zeitgleich.
Jedoch sehe ich Stalins Herrschaft nicht als gut an. Zwangskollektivierung,zig Todesurteile,Pakt mir Hitler usw. ist ja im groben alles bekannt. Und wenn ein solcher Mensch vom Inhalt her genau das gleiche sagt wie al-Afghani,dann denke ich doch das das was aussagt,denn das impelmentiert,dass dieser Mensch ja genau so denkt und somit auch nicht "gut" sein kann oder?
 
Tempus schrieb:
Natürlich geht es nicht um genau das gleiche System und natürlich lebten diese beiden Männer in einem ganz unterchiedlichen Umfeld und natürlich war dies auch nicht zeitgleich.
Jedoch sehe ich Stalins Herrschaft nicht als gut an. Zwangskollektivierung,zig Todesurteile,Pakt mir Hitler usw. ist ja im groben alles bekannt. Und wenn ein solcher Mensch vom Inhalt her genau das gleiche sagt wie al-Afghani,dann denke ich doch das das was aussagt,denn das impelmentiert,dass dieser Mensch ja genau so denkt und somit auch nicht "gut" sein kann oder?
Nein, da gibt es keine Korrelation. Wenn Stalin und Gahndi gesagt haben das sie gerne Gemuesesuppe essen, sind dann beide gut oder beide boese?

Wie eine Aussage zu bewerten ist, haengt nicht davon ab, wer sie sonst noch gesagt hat, auch sind nicht alle Aussagen eines Menschen zu werten. Sind alle Vegetarier und Nichtraucher Faschisten nur weil Hitler von beidem ueberzeugt war?

Aber das fuehrt jetzt immer mehr vom Thema weg...
 
manganite schrieb:
Nein, da gibt es keine Korrelation. Wenn Stalin und Gahndi gesagt haben das sie gerne Gemuesesuppe essen, sind dann beide gut oder beide boese?

Wie eine Aussage zu bewerten ist, haengt nicht davon ab, wer sie sonst noch gesagt hat, auch sind nicht alle Aussagen eines Menschen zu werten. Sind alle Vegetarier und Nichtraucher Faschisten nur weil Hitler von beidem ueberzeugt war?

Aber das fuehrt jetzt immer mehr vom Thema weg...
Essen ist wohl ein wenig was anderes als Staatsführung? Bei seinen Essenvorstellungen ist nur eine Person betroffen -> man selbst,jedoch bei politischen Dingen,die ein Oberhaupt vorhat alle. Aber wie du schon sagtest führt das an diesem Punkt zu weit.
 
Nur mal als Einwurf: Ein großer Teil der heute islamistischen Bewegungen hat sich als Opposition gegen die eigenen korrupten Regime gegründet.
 
Religion als Hilfsmittel der Politik.

Das alles hat gar nicht so viel mit Religion zu tun wie alle immer denken ausser dass sie zweckentfremdet wird zur Förderung der Anliegen der Islamisten. Es geht in erster Linie darum dass diese Leute sich legitimieren müssen und dazu verwenden sie den Islam. Das Resultat ist ein grosses Missverständnis: Für die arabische Bevölkerung ist es schwierig gegen die Islamisten zu argumentieren ohne den Eindruck zu erwecken gegen den Islam zu sein. Die Europäer denken zunehmend der Islam sei eine gewalttätige Religion.

Der Irak zeigt klar dass es nur um Macht geht. Die Sunniten und die Schiiten sind sich gegenseitig so feindlich gesinnt wie den Amerikanern obwohl sie beide Moslems sind.

Jihad = der tägliche Kampf für eine islamische Welt jedes Einzelnen, nicht mit Waffen sondern indem sich die Gläubigen bemühen mit ihrem Leben einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten. Nicht einmal so weit entfernt vom christlichen Ideal.

Die Ursachen des Disasters sind folgende:
- Die Sekte der Wahabiten in Saudi Arabien die mit viel Geld die Moslems in aller Welt beeinflussen. Immer mehr Moslems nehmen dadurch die radikalen Ansichten der Wahabiten an und vergessen den moderaten Islam in ihren (Heimat-)Ländern.
- Die wirtschaftliche und politische Misere in den meisten arabischen Ländern. Das macht die Leute empfänglich für radikale Ideen.
- Nicht zuletzt Amerika das seit Jahrzehnten dem Geschehen in Palästina/Israel zuschaut und sehr einseitig Partei ergreift.
 
Mich erinnert der moderne Islamismus sehr oft an die Hyterie in Europa zur Zeit der Kreuzzüge. Sogar Bin Ladens Rede hat mich an Papst urban erinnert: ungläubige Truppen entweihen heiliges Land usw.
 
tarik schrieb:
Das alles hat gar nicht so viel mit Religion zu tun wie alle immer denken ausser dass sie zweckentfremdet wird zur Förderung der Anliegen der Islamisten. Es geht in erster Linie darum dass diese Leute sich legitimieren müssen und dazu verwenden sie den Islam. Das Resultat ist ein grosses Missverständnis


Das ist einerseits richtig. Wenn man an einen Bin Laden denkt, kann man mitnichten im entferntesten von religiöser Legitimität sprechen. Allerdings gab es auch eine Initialzündung der islamischen Welt, die als eine Art Prototyp eingegangen ist: Die islamische Revolution im Iran. Zwar sind das Schiiten....aber dennoch liefern sie (und Ruhollah Chomeini) die ideologische Basis für ein theokratisches System. Darin kann man eine Art "französische Revolution" des Islam sehen. Nun will ich das um Gottes Willen nicht vergleichen, aber in der Folge kam es durchaus zu einem Widererstarken des politischen Islam, ganz gleich ob das nun (religiös gesehen) Fassade ist oder nicht. Es ist geradezu signifkant auffällig, wie rasch vom Panarabismus zum Islamismus geschwenkt wurde...


tarik schrieb:
- Die Sekte der Wahabiten in Saudi Arabien die mit viel Geld die Moslems in aller Welt beeinflussen. Immer mehr Moslems nehmen dadurch die radikalen Ansichten der Wahabiten an und vergessen den moderaten Islam in ihren (Heimat-)Ländern.


Richtig und treffend.
 
Meiner Meinung werden transkulturelle Aspekte beim Thema "Islamismus" zu oft übersehen.
Die besagten Ideologien entstanden unter dem Eindruck des Kolonialismus und der Globalisierung, teilweise auch unverkennbar nach westlichen Vorbild.

Ein "antitwestlicher" Islamismus ist ohne den Westen undenkar und enthält in der Regel auch immer progressive Elemente.
Und die Iranische Revolution ist auch ohne die Französische Revolution nicht denkbar.

Problematisch ist auch der Begriff des Islamismus, da im Westen fast alle Bewegungen in islamischen Läändern so bezeichnet werden und der Begriff meist abwertend verwendet wird. Edward Said bezeichnete mit dem Begriff "Islamismus" interessanterweise den westlichen Blick auf den Islam bzw. den im westlichen Diskurs als Gegenbild zu Christentum und Säkularismus konstruierten Islam (vgl. Orientalismus).

Viele sozial-karitative Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser werden von islamistischen Bewegungen unterhalten. Die terroristischen Strömungen hingegen sind vergleichsweise gering, dürfen aber nicht unterschätzt werden.
Diese zwei Seiten der Medaille habe bei meiner Meinung nach nichts mit der Rückbesinnung auf dem Islam an sich zu tun, sondern können auch als Einzug der "Moderne" betrachtet werden.
Jedenfalls hat die Errichtung von Kindergärten, Krankenhäusrn u.a. rein gar nichts mit einer islamische Renaissance zu tun, sondern viel mehr mit dem Vorbild der Industriestaaten mit ihren sozialen Bewegungen.
Ebenso muss beim Thema Terrorismus auch das Vorbild des modernen Guerilla-Krieges betrachtet werden, wie er im 20. Jahrhundert entstanden ist. Das hat eigentlich mehr mit Mao als mit Mohammed zu tun. Gern wird übersehen, dass die ersten Terroristen im Orient gar keine Muslime waren. Ich meine jetzt die Palästinensische Befreiungsfront (PFLP), die panarabisch-nationalistisch und sozialistisch ausgerichtet werden, und deren Führungskräft häufig sogar aus christlichen Familien stammten (z.B. Geoge Habasch).
 
Zuletzt bearbeitet:
Meiner Meinung werden transkulturelle Aspekte beim Thema "Islamismus" zu oft übersehen.
Die besagten Ideologien entstanden unter dem Eindruck des Kolonialismus und der Globalisierung, teilweise auch unverkennbar nach westlichen Vorbild.

Ein "antiwestlicher" Islamismus ist ohne den Westen undenkar und enthält in der Regel auch immer progressive Elemente.
Und die Iranische Revolution ist auch ohne die Französische Revolution nicht denkbar.

Problematisch ist auch der Begriff des Islamismus, da im Westen fast alle Bewegungen in islamischen Läändern so bezeichnet werden und der Begriff meist abwertend verwendet wird. Edward Said bezeichnete mit dem Begriff "Islamismus" interessanterweise den westlichen Blick auf den Islam bzw. den im westlichen Diskurs als Gegenbild zu Christentum und Säkularismus konstruierten Islam (vgl. Orientalismus).
In der aktuellen Debatte wird Islamismus gleichgesetzt mit dem radikalen Salafismus und dabei gerne übersehen, dass der terroristische Salafismus vor allem auch innerhalb der islamischen Länder wütet. Den dschihadistischen Islamismus als antiwestlich wahrzunehmen ist eine Frage des POW (point of view), die übersieht, dass die meisten Opfer dschihadistischer Terroranschläge Muslime sind. Das heißt nicht, dass Islamisten nicht antiwestlich wären, die meisten Islamisten verachten "den Westen", aber er ist nicht ihr dringendstes Problem.

Was ist Islamismus? Islamismus ist in erster Linie die Verquickung der islamischen Religion mit Politik.
Was ist Salafismus? Salafismus ist eine sunnitische Strömung, die einen Islam leben will, wie er nach Auffassung der Salafiten (sic!) zu Muḥammads Zeiten gelebt worden sein soll.
Was ist Dschihadismus? Zunächst einmal ein westlicher Begriff, wie am -ismus zu sehen. Ǧihād bedeutet 'Anstregung', aber in einer Nebenbedeutung eben auch die Kriegführung im Namen der Religion, wobei die Dschihadisten von heute dabei gerne übersehen, dass es für den Ǧihād eng umgrenzte Regeln gab: Man durfte keine Muslime, Frauen und Kinder behelligen und musste dem Gegner die Gelegenheit geben, Frieden zu schließen oder idealerweise sogar den Islam anzunehmen. Heutige Dschihadisten meinen, sie hätten die Wahrheit gepachtet (und akzeptieren daher keine andere Auslegung des Islam als die ihre und die Regeln des Ǧihād kennen sie schon mal gar nicht). Neben den Šīʿīten dürften die Ṣūfīs, unabhängig davon, ob sie sich einer šīʿītischen oder sunnitischen Glaubensrichtung zugehörig fühlen, bevorzugtes Ziel salafitischer Anschläge sein.

Salafismus ist also eine von vielen möglichen Formen des Islamismus. Salafismus und Islamismus können dschihadistisch ausgerichtet sein, müssen es aber nicht. Nicht jeder Salafit muss zwingend Sympathien für dā‘iš haben, wobei das tatsächlich wohl leider meist der Fall ist. In den arabischen Ländern macht man sich gerne über (dschihadistische) Salafiten lustig, die sollten doch bitte keine Autos, Handys (Internet, Youtube) oder Kalashnikoffs verwenden, wenn sie denn wirklich so leben wollten, wie zu Muḥammads Zeiten.

Diese zwei Seiten der Medaille habe bei meiner Meinung nach nichts mit der Rückbesinnung auf dem Islam an sich zu tun, sondern können auch als Einzug der "Moderne" betrachtet werden.
Jedenfalls hat die Errichtung von Kindergärten, Krankenhäusrn u.a. rein gar nichts mit einer islamische Renaissance zu tun, sondern viel mehr mit dem Vorbild der Industriestaaten mit ihren sozialen Bewegungen.
Ebenso muss beim Thema Terrorismus auch das Vorbild des modernen Guerilla-Krieges betrachtet werden, wie er im 20. Jahrhundert entstanden ist. Das hat eigentlich mehr mit Mao als mit Mohammed zu tun. Gern wird übersehen, dass die ersten Terroristen im Orient gar keine Muslime waren. Ich meine jetzt die Palästinensische Befreiungsfront (PFLP), die panarabisch-nationalistisch und sozialistisch ausgerichtet werden, und deren Führungskräft häufig sogar aus christlichen Familien stammten (z.B. Geoge Habasch).
Ḥamās und Ḥizbu 'llāh sind zwar islamistische Organisationen, erstere sunnitisch, letztere šīʿītisch, aber eben keine Salafiten (die šīʿītische Ḥizbu 'llāh hat (oder hatte zumindest zeitweise) sogar christliche Mitglieder*). Diese Organisationen - auch die Muslimbrüder in Ägypten, die ja gewissermaßen die ideologische Mutterorganisation der Ḥamās sind (aber auch von al-Qa'ida) - sind im Prinzip dort eingestiegen, wo die despotischen Diktaturen des Nahen Ostens versagt haben. Das erklärt auch ihren Zulauf. Weil sie Krankenhäuser, Tafeln etc. unterhalten, haben sie Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit ist das größte politische Kapital, was man haben kann. Das Versagen der PLO und Fat(a)ḥ bzgl. der Korruption ihrer Funktionäre ist ein wichtiges Element für den Aufstieg der Ḥamās (und es hat sicher nicht geholfen, dass israelische Ministerpräsidenten der mittlerweile gemäßigten PLO Steine in den Weg schmeißen und Ḥamās-Kämpfer freilassen. Aber die Stärke der rechten Parteien in Israel liegt in der Gefahr durch Ḥamās und die Stärke von Ḥamās liegt in unkooperativen rechtsgerichteten israelischen Regierungen, also haben Likud und Ḥamās bei kein Interesse am Frieden sondern am Erhalt des Status quo, sie ernähren sich vom Konflikt - man kann das beobachten: Wenn in Israel die Wahltermine näherrücken, erhöht sich der Katjuscha-Beschuss).

Den panarabischen Sozialismus halte ich für eine Chimäre des Kalten Kriegs. Die USA waren die Schutzmacht Israels also hielt man sich an die UdSSR und gab sich einen entsprechenden ideologischen Anstrich.

Im Übrigen eine "schöne" Parallele zu Lateinamerika: In den 1960er/70er Jahren grassierte die Befreiungstheologie und linke Strömungen (gegenüber den herrschenden Militärdiktaturen), heute breiten sich die Pfingskirchen und charismatische evangelikale Sekten aus und predigen einen Konservativismus vom "allerfeinsten".

In der historischen Perspektive ist natürlich richtig, dass Panarabismus und Dschihadismus von europäischen Mächten (z.B. im Ersten Weltkrieg) gefördert wurden, um vor allem Araber - je nachdem, auf welcher Seite man stand - gegen das osmanische, englische oder französische Joch aufzustacheln. Den wahhābitischen und salafitischen Islamismus sehe ich eher als mit dem Faschismus verwandt an: Es handelt sich um im Prinzip moderne, dabei aber dezidiert antimodernistische Strömungen.



*Es mag schon 15 oder 20 Jahre her sein, da war in der SZ ein Artikel über einen Funktionär der Ḥizbu 'llāh, der selber Christ war
 
Den wahhābitischen und salafitischen Islamismus sehe ich eher als mit dem Faschismus verwandt an: Es handelt sich um im Prinzip moderne, dabei aber dezidiert antimodernistische Strömungen.
Betrachte ich die Wahabiten bzw. Saudi Anfang des 20. Jahrhunderts, so will ich auch bei ihnen moderne Elemente erkennen. Sie stehen zwar für den Aufbau eines autoritären Staates, aber immer haben sie staatliche Strukturen erst aufgebaut und die zuvor zerstrittenen Beduinenstämme als wahabitische Ichwan vereinten und in einer staatliche Struktur führten. Die Gründung einer Islamische Religionspolizei muss in der Rückschau durchaus als innovativ kennen. Die Religionspolizei hat jedenfalls eine historischen Vorbilder innerhalb der islamischen Welt, dafür aber inzwischen zahlreiche Nachfolger.

Die Bewegung war zu Beginn nicht "antiwestlich", sondern vielmehr antitürkisch. Aufgrund der Plünderung der Grabstätte Mohammed in Medina und Zerstörung zahlreicher islamischer Heiligtümer (die die Wahabiten als Götzendienst abllehnen) könnte man die Wahabiten genauso gut als antiislamisch bezeichnen.

Die Wahabiten in Verbindung mit dem saudischen Herrscherhaus richteten sich anfangs gegen die traditionellen Eliten und das Kalifat. Zuerst bekämpften sie die Osmanen. Als sich nach dem Ende der Osmanen der haschemitische König von Hedschas zum neuen Kalifen ernannte, stürtzten die Wahabiten auch ihn. (Mit der Instutionalisierung des saudisches Königshauses zog dieses die Feindschaft der moderne Salafisten auf sich.)

Ein tiefer Hass auf die islamischen Traditionen und ihre Repräsentanten scheint jedenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts der Motor der Bewegung zu sein. Im Laufe des Jahrhunderts wurde die größten Kritiker der Ellche, natürlich selber welche. ;-)
 
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