Auf dem Weg zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der Gründung des Kaiserreichs

Albschäfer

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Welche Auswirkungen hatten der Amerikanische Bürgerkrieg, die vorausgegangene Wirtschaftskrise und
der Krieg Frankreichs gegen México auf die Konstellationen in Europa und den Deutsch-Französischen Krieg
unter Napoleon III ? Warum und wie weit hielt England sich heraus?
 
Welche Auswirkungen hatten der Amerikanische Bürgerkrieg, die vorausgegangene Wirtschaftskrise und
der Krieg Frankreichs gegen México auf die Konstellationen in Europa und den Deutsch-Französischen Krieg
Keine nennenswerten.
Der amerikanische Bürgerkrieg tangierte die europäische Machtkonstellation eigentlich nur insoweit nachhaltig, dass er das Französisch-Habsburgische Mexiko-Abenteuer ermöglichte und damit die Wiederannäherung Frankreichs und Österreichs aneinander nach dem Krieg von 1859/1860 beschleunigte.

Das für sich genommen hätte allerdings die Mächtekonstellation nur dann entscheidend verändert, wenn Österreich-Ungarn anno 1870 in der Lage gewesen wäre Frankreich Waffenhilfe gegen Preußen zu liefern.
Nun hatte es aber 1866/1867 den Krieg gegen Preußen verloren, das Heer musste reorganisiert und wieder aufgebaut werden. Die österreichischen Staatsfinanzen waren zu diesem Zeitpunkt auch hinüber und bei einer Intervention gegen Preußen wäre es Gefahr gelaufen damit Russland und Italien auf die preußische Seite zu treiben.
Italien weil von dieser Seite her nach wie vor territoriale Amgitionen sowohl gegen Frankreich (Nizza, Korsika), als auch Österreich (Trentino, Isonzo, Istrien, Dalmatien im geringeren Maße) im Raum standen, Russland, weil es mit dem Habsburger Kaiserhaus wegen dessen Begünstigung der Westmächte im Krimkrieg durch die Besetzung der Donaufürstentümer und der russischen Niederlage in nämlichem Krieg, noch eine Rechnung offen hatte.
Ein Engagement Österreich-Ungarns auf preußischer Seite wäre demgegenüber völlig abwegig gewesen, immerhin war Preußen durch die Schaffung des Norddeutschen Bundes durchaus noch nicht zu stark, als dass man in Wien nicht darauf hoggen konnte in einigen Jahren gegebenenfalls im Verein mit Frankreich und den süddeutschen Staaten gegen Preußen vorzugehen und das Ergebnis von 1867 rückgängig zu machen oder wenigstens südlich der Mainlinie die österreischische Vormacht wieder herzustellen.

Was Britannien betrifft:

1. Fehlte den Briten ohnehin ein adäquart großes Landheer in Europa, um auf den Schlachtfeldern effektiv eingreifen zu können.
2. Waren sie damit ihre Position in Indien nach dem Aufstand von 1857 wierder zu stabilisieren und auszubauen bereits ganz gut beschäftigt. Zwar viel der deutsch-französische Krieg nicht aus heiterem Himmel, aber die Zuspitzung der Situation ging dann doch so schnell, dass die Rückführung größerer in den Kolonien eingesetzter Verbände, selbst wenn die frei gewesen wären, kaum rechtzeitig hätte bewerkstelligt werden können um auf dem Kontinent noch zur rechten Zeit das Zünglein an der Wage zu spielen.
3. Hatte Großbritannien kein wirkliches Interesse an der Änderung des Status Quo weder im Hinblick auf eine Vereinigung Deutschlands, noch im Hinblick auf eine Stärkung Frankreichs.




unter Napoleon III ? Warum und wie weit hielt England sich heraus?[/QUOTE]
 
Was war damals der oberste Leitsatz der Britischen Aussenpolitik seit sehr langer Zeit? Mit einem Verbündetem in Europa stärker zu sein als ein vereintes Europa. Frankreich war unter Napoleon III sehr expansiv. Das hat das UK sehr beunruhigt. Auf der anderen Seite der Aufschwung Preussens mit dem Norddeutschen Bund wird das UK auch etwas beunruhigt haben. Von daher hat sich UK erst einmal raus gehalten, als sich die beiden Großmächte gegenseitig an die Kehle gingen.
Beispiel für eine mögliche Bedrohung, die UK in Frankreich sah? Der Ausbau von Cherbourg zu einem formidablen Kriegshafen, etwa 100 sm vom Hauptkriegshafen, Portsmouth, der Briten entfernt. Die Reede ist auch heute noch beeindruckend, mit künstlichen Wellenbrechern, die auch noch befestigt sind.
Eine der folgen war, das der Solent mit Befestigungen gesichert wurde.
 
Die Briten wollten nach "der Pleite" von 1864 nicht den gleichen Fehler ein zweites Mal begehen. Die Briten hatten 1864 sehr deutlich Stellung zugunsten der Dänen bezogen, waren aber letzten Endes nicht zu militärischen Schritten bereit. In der sich immer deutlicher abzeichnenden Auseinandersetzung zwischen Preußen und Österreich lagen die britischen Sympathien ganz eindeutig auf der Seite der Österreicher. Vielleicht hätte man sich im Verbunde mit Frankreich zu energischen Schritten aufraffen können, aber Frankreich wollte definitiv nicht eingreifen. Außerdem hatte man in Irland zu tun und die Beziehungen zu den USA waren sehr angespannt.

Napoleon III. wollte im Trüben fischen, deshalb missfiel ihm ja auch das Gasteiner Abkommen von 1865. Bismarck musste Napoleon deutlich machen, das dieses Abmachung nur ein Provisorium war. Österreich hätte Napoleons Sympathien 1864/65 gewinnen können, in dem man auf Venedig zugunsten Italiens verzichtet hätte. Dazu war man lange in Wien nicht bereit und so gravitierte Napoleon III. zu Bismarck. Bismarck musste sich die französische Neutralität nicht erkaufen; ein paar schwammige Zusagen reichten.
 
Napoleon III. wollte im Trüben fischen, deshalb missfiel ihm ja auch das Gasteiner Abkommen von 1865. Bismarck musste Napoleon deutlich machen, das dieses Abmachung nur ein Provisorium war. Österreich hätte Napoleons Sympathien 1864/65 gewinnen können, in dem man auf Venedig zugunsten Italiens verzichtet hätte. Dazu war man lange in Wien nicht bereit und so gravitierte Napoleon III. zu Bismarck. Bismarck musste sich die französische Neutralität nicht erkaufen; ein paar schwammige Zusagen reichten.

Ich denke, da wird zu unterscheiden sein, zwischen der französischen Neutralität im Kontext der preußisch-österreichischen Auseinandersetzung an und für sich und einem allgemeinen Plazet seitens Frankreich an Preußen, sich nördlich der Mainlinie zu nehmen, was es wollte, zumal Frankreich selbst ja unter den Mittelstaaten mindestens auf Sachsen doch immer einen gewissen Einfluss hatte, als Gegengewicht zu Preußen und Österreich an den jeweiligen Grenzen.
Als Napoléon III. Bismarck Neutralität recht wohlfeil zusagte, rechnete er nicht mit einem überwältigenden preußischen Sieg und ein Blankoschek zur beliebigen Machtausweitung innerhalb des Territoriums des vormaligen Deutschen Bundes war das auch nicht.
 
Napoleon III. rechnete fest mit einem Sieg Österreichs und genau deshalb musste Wien sich die Neutralität Frankreichs mit der Abtretung Venetiens erkaufen.
 
Welche Auswirkungen hatten der Amerikanische Bürgerkrieg, die vorausgegangene Wirtschaftskrise und
der Krieg Frankreichs gegen México auf die Konstellationen in Europa und den Deutsch-Französischen Krieg
unter Napoleon III ? Warum und wie weit hielt England sich heraus?

1870 hielt sich England heraus, weil man übereinstimmend Frankreich als den Aggressor ausgemacht hatte. Das hinderte England aber nicht daran, Paris Waffen zu verkaufen.
 
Interessant sind auch die Meldungen der bayrischen Gesandten. So meldete der bayrische Gesandte in Paris Graf Quadt Anfang Juli: " Die oppositionellen Zeitungen speien Feuer und Flamme gegen die hohenzollerische Thronkandidatur. Bald beschränken sie sich nicht mehr auf Protest, sondern erheben Forderungen an Deutschland. Schon liest man in der Zeitung "Paix", das der Rhein für die Sicherheit Frankreichs unentbehrlich sei", schon verheißt ein französischer Deputierter in der gesetzgebenden Versammlung:" Wenn wir den Rhein nehmen, alsdann werden wir die Armee um 100.000 Mann verringern können."

Am 12.Juli kommen folgende Meldungen. Der Gesandte von Tautphöus in Berlin berichtete: " Trotz der etwas günstigeren Auspiezen beharrt Herr von Thile bei seiner Ansicht, daß der Krieg unvermeidlich sei." Und weiter:" Es ist sehr auffallend, das Herr von Thile auch Diplomaten gegenüber mehrmals die Überzeugung ausgesprochen Hat, das es Kriege kommen wird."

Graf Quadt meldete am gleichen Tag aus Paris: "Die französische Politik hat es entschieden darauf angelegt, in kürzester Frist den Krieg gegen Preußen einzuleiten."

Auch aus Wien meldet Graf Fugger:" Sowohl in diplomatischen Kreisen als im großen Publikum ist man hier der Ansicht, das Kabinett der Tuilerien die Thronbesetzung Spaniens durch einen Prinzen aus dem hohenzollerischen Hause benutzen wolle, um mit Preußen den großen Kampf zu beginnen und es ist auch schwer, sich das Auftreten des Herzogs von Gramont in der spanischen Frage gegenüber der französischen Kammer zu erklären, wenn nicht Absicht bestünde ein Konflikt herbeizuführen."

Freiherr von Gasser aus Stuttgart berichtet: "Der Herzog von Gramont und Herr Ollivier eröffneten die Unterhandlungen in einer derart undiplomatischen Weise, daß ein Nachgeben Preußens fast ausgeschlossen wird und man unwillkürlich an einem parti pris von seiten Frankreichs zu denken gezwungen ist. Ist das dann der Krieg der Revanche für 1866 und die spanische Thronkandidatur bloß der Vorwand? Die französische Regierung verfolgt alsdann eine Entschädigung auf Kosten Preußens - das heißt Deutschlands. In demselben Augenblicke tritt aber auch die Frage der Verpflichtung an Süddeutschland heran."
 
9. März 1869: Bismarcks spanische »Diversions«-Depesche an Gesandten
Prinz Reuß (St. Petersburg):

E.D. erwähnen in Ihrem gefälligen Bericht Nr. 36 vom 1. d.M.' einer Mitteilung S.M. des Kaisers von Rußland,
wonach ich Herrn v. Oubril unter anderm gesagt hätte: im Falle eines Konfliktes würde Rußland auf Preußen
und den Norddeutschen Bund zählen können. Um diese ohne den Zusammenhang unklar dastehende Äußerung zu erklären, will ich E.D. zu Ihrer eigenen Orientierung ein kurzes Resümee desjenigen geben, was Herrn v. Oubril zu seiner Äußerung gegen S.M. den Kaiser veranlaßt hat.

Ich sprach Herrn v. Oubril von der Tendenz der Politik des Grafen Beust - welche ich auch E.D. gegenüber schon wiederholt signalisiert habe - eine Komplikation der europäischen Verhältnisse herbeizuführen, in welcher für Preußen nur die Wahl bliebe, entweder Rußland in einem Konflikt mit Frankreich im Stich zu lassen und dadurch unser Verhältnis zu unserem östlichen Bundesgenossen zu verderben oder zugunsten Rußlands einen unpopulären Angriffskrieg gegen Frankreich zu führen. Ich bemerkte, daß wir diese Politik durchschauten, aber nicht fürchteten. Wir würden in die uns damit gestellte Falle nicht hineingehen.

Wir würden, wenn die Aussicht auf eine solche Komplikation vorhanden wäre, es immer in der Hand haben,
rechtzeitig der Entwickelung eine andere Wendung zu geben. Wir würden dann unsere Beteiligung an der Seite Rußlands durch eine Haltung und ein Vorgehen herbeizuführen suchen, welches Frankreich zum Angriffe oder zur Bedrohung Deutschlands nötigte. Truppenaufstellungen, nationale Manifestationen in Deutschland und Italien sowie unsere Beziehungen zu Belgien, selbst zu Spanien, würden uns Gelegenheit zu Diversionen bieten, welche unser Eingreifen herbeiführten, ohne demselben gerade die Form eines aggressiven Cabinetskrieges zu geben.
[...]​

Q: Josef Becker (Hg.), Bismarcks spanische 'Diversion' 1870 und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg. Quellen zur Vor- und Nachgeschichte der Hohenzollern-Kandidatur für den Thron in Madrid 1866-1932. Band 1, 2003, Nr. 64 S. 104-107.
 
Am 10. Juli meldet Graf Quadt aus Paris:

"Offizielle Blätter erklären heute bereits einen Verzicht des Hohenzollern für ungenügend, Verlangen Ausführung des Prager Friedens (Anmerkung von mir: Frankreich war gar nicht Vertragspartner), Emanzipation Süddeutschlands von Preußen, Räumung von Mainz. Welches auch immer das Verhalten des Grafen Bismarck in der spanischen Thronkandidatur gewesen sein mag, so berechtigen doch alles Symptome zu der Annahme, daß die französische Politik darauf abzielt, diesen erwünschten Prätext zu verwerten, um den Krieg mit Preußen einzuleiten."

Am 11.Juli erhielt Karl Anton ein Telegramm aus Ems, welches ihm die Ankunft eines Offiziers zur mündlichen Besprechung ankündigte. Karl Anton hatte auch am 11.Juli ein Brief vom Konsul Bamberger aus Paris erhalten. In diesem Brief brachte Bamberger zum Ausdruck, das der den begründeten Verdacht habe, die spanische Angelegenheit sei für die französische Regierung nur ein erwünschter Vorgang, um den Krieg mit Preußen zu beginnen.

Die englische Botschafter Lord Lyons hatte am 08.Juli 1870, welches für das weitere Agieren der Regierung wurde. In diesem Gespräch drohte Gramont mit einer Beschleunigung der Eskaltion durch die Einleitung militärischer Vorbereitungen. Gleichzeitig verwies Gramont auf die Lösung der Krise, nämlich den Verzicht von Leopold.
Lord Granville warnte die französische Regierung vor einem Abbruch aller britischen Friedensbemühungen, falls Frankreich an dieser Politik festhalten sollte. Aber die englische Regierung unternahm auch entsprechende Anstrengungen zur Rücknahme der Kandidatur.
Seit dem 10.Juli 1870 befürchtete Lord Lyons und auch der britische Militärattché, das die Franzosen einen Krieg anstrebten. (Schaarschmidt, Außenpolitik und öffentliche Meinung in Großbritannien während des deutsch-französischen Krieges).

Am 08.Juli hatte Gramont noch erklärt gehabt, das der Verzicht des Erbprinzen die Krise beenden würde, verlangte er ab dem 10.Juli eine Einbindung des preußischen Königs in die Regelung. Gramont war bemüht die Geschäftsgrundlage zwischen London und Paris vom 08.Juli einseitig im französischen Interesse zu verändern.

Am 12.Juli 1870 verzichtete Fürst Karl Anton für seinen Sohn auf die Thronkandidatur. Schon am Nachmittag des 12.Juli stellte Gramont die Weichen für sein weiteres Vorgehen. Er verlangte von Wilhelm I. nunmehr, das es zu einer künftigen Wiederaufnahme der Kandidatur nicht zustimmen würde.
In einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Lord Lyons und Gramont erinnerte der englische Botschafter Gramont an dessen Aussage vom 08.07. und warnte ihn gleichzeitig vor dem Verdammungsurteil Europas, falls Frankreich einen Krieg von Zaun brechen sollte.
 
Ich habe ein sehr interessantes Telegramm von Bismarck gefunden.


Am 26.02.1869 telegraphierte Bismarck an dem preußischen Gesandten Werthern in München nachfolgende Zeilen:


„Das die deutsche Einheit durch gewaltsame Ereignisse gefördert werden würde, halte auch ich für wahrscheinlich. Aber eine ganz andere Frage ist der Beruf, eine gewaltsame Katastrophe herbeizuführen, und die Verantwortlichkeit für die Wahl des Zeitpunkts. Ein willkürliches, nach nur subjektiven Gründen bestimmtes Eingreifen in die Entwicklung der Geschichte hat immer nur das Abschlagen unreifer Früchte zur Folge gehabt; und das die deutsche Einheit in diesem Augenblicke keine reife Frucht ist, fällt meines Erachtens nach in den Augen.“


Es wird doch deutlich, dass Bismarck nicht willens war, den Krieg direkt herbeizuführen.


Bismarck Gesammelte Werke Band VI B
 
Am 24.02.1870 lehnte Bismarck in einer großen Reichstagsrede die Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund ab.

Da Bismarck daran lag, erläuterte er in einem Erlaß an den preußischen Gesandten in Karlsruhe seine Entscheidung. Bismarck nannte mehrere Gründe für seine Entscheidung:

1. Die Rücksichtnahme auf dem König von Bayern, auf dessen Stimmung bei de Entwicklung der süddeutschen Verhältnisse viel ankommen werde;

2. Die Rücksichtnahme auf Frankreich, wo er das konstitutionelle System schonen wolle, das sich bis jetzt nicht unbefriedigend entwickelt.

Zu Moritz Busch äußerte sich Bismarck sehr ähnlich. Es gelte die konstitutionelle Entwicklung in Frankreich, die von Berlin in jeder Weise gefördert werde, das sie den Frieden verheißt, nicht einen neuen Frühjahrsfrost auszusetzen. (1)

Dazu muss man wissen, das in Frankreich am 02.Janaur 1870 ein weiterer Schritt mit der Bildung des Kabinetts Ollivier in Richtung konstitutionelle getan worden war. Napoleon III. riskierte es nach der Wahl vom Mai 1869 über die Änderung der Verfassung zum Übergang zur konstitutionellen Monarchie nicht mehr, sich den Forderungen der Mehrheit nach liberalen Reformen zu widersetzen.

Busch, Tagebuchblätter Band 1, S.6ff
 
Nach der aggressiven Kammerrede des französischen Außenminister Gramonts vom 06.Juli 1870, die mehr oder weniger unverhohlen mit dem Krieg drohte, es wurden ja nicht einmal die Ergebnisse der eingeleiteten diplomatischen Schritte abgewartet, eine Pressekampagne wurde ebenfalls von Gramont auf die Schiene gesetzt, wurde der Botschafter der Österreich-Ungarns Richard Metternich vom französischen Regierungschef Ollivier empfangen. Metternich schrieb anschließend an seinem Vorgesetzten Beust. Metternich berichtet, Ollivier habe genug von den preußischen „Erniedrigungen.“ Es sind nicht mehr Rouher oder La Valette, die die französische Politik leiten. Ich bin es, ein Minister des Volkes, hervorgegangen aus dem Volke.“

Am gleichen Tage wurde Metternich von Napoleon III. empfangen. Auf dem Hinweis Metternichs, das Preußen wohl zurückweichen würde, erwiderte der französische Kaiser: „Glauben Sie wirklich, das angesichts unseres höchst energischen Rufes zur Ordnung man in Berlin unmittelbar zurückweichen kann.?“

Und die Kaiserin traf Metternich auch noch am 06.Juli. Die war sehr auf Krieg gegen Preußen gestimmt.

All dies berichtete Metternich unter dem Datum des 08.07.1870. an Beust.

Die Franzosen hoben sehr stark auf das europäische Gleichgewicht ab; es ging also um die Sicherung der französischen Vormachtstellung in Europa und nicht so sehr, wer denn nun auf dem Throne Karl V. sitzen würde. Spanien war kein Machtfaktor und hätte für Frankreich keine ernsthafte Bedrohung sein können. Stattdessen wurde die französische Ehre angeführt; wo wäre die eigentlich genau verletzt worden und eben die französische Hegemonialstellung.
 
Auf dem Weg zum deutsch-französischen Krieg 1870/71 - haben wir schon einen Faden zum Auslöser, zur Ursache (wenn nicht gar Kriegsschuld)?

Bei Wikipedia ist zu lesen
Die Ursachen des Deutsch-Französischen Krieges reichten mehrere Jahrzehnte zurück und sind in der Forschung bis heute umstritten. Uneinigkeit besteht vor allem darin, welchen Anteil die beiden Hauptkriegsparteien Preußen und Frankreich an der militärischen Eskalation hatten.
Ich muss gestehen, dass ich mit meinem Tunnelblick auf Festungsbau noch nie über den Tellerrand veraltete französische Festungen vs moderne preussische Artillerie geschaut habe.
 
Im Prinzip hatte Frankreich am 06.07. alle Brücken hinter sich verbrannt. Durch die von Gramont ausgesprochene Kriegsdrohung, gab es nur die Optionen eines Nachgeben Preußens oder eben Krieg.

Am 08.07. erhielt Bismarck, er hielt sich gerade in Varzin auf, den vollständigen Text der Rede des französischen Außenministers, die dieser am 06.07. vor der Kammer gehalten hatte. Nach Keudell war Bismarck überrascht über den aggressiven Ton der Rede; er hielt diese für plump.
Nur wenn Bismarck überrascht gewesen war, dann passt der von vornherein geplante Krieg nicht so recht ins Bild.
 
Der französische Regierungschef Ollivier verteidigte seinen Entschluss zum Kriege mit der Ausführung, das die preußische Regierung die Verhandlungen in Ems den europäischen Kabinetten bekanntgegeben habe. Ollivier hatte also die Notifikation der Emser Depesche als den entscheidenden Kriegsgrund gesehen. Die Kandidatur spielt keine Rolle mehr; sie war ja auch bereits liquidiert worden. Die Kammer erfuhr zwar, das Wilhelm I. den Verzicht zwar gebilligt habe, aber eben nur in entstellter, für Parlament und Öffentlichkeit so nicht zufriedenstellender Form.

Spannend wurde es abends am 14.07. und morgens am 15.07. . Pariser Zeitungen brachten die zutreffende Information: „Nach anderen Informationen aus Ems soll der König Benedetti gesagt haben, das er den Verzicht seines Vetters auf dem spanischen Thron gebilligt habe, und dass er den Konflikt als beendet ansehe. (1)

Nun war der Widerspruch zwischen der Emser Depesche und der Meldung der französischen Blätter offenkundig.

Ein Antrag Favres die diplomatischen Aktenstücke offenzulegen wurde abgelehnt. Das Parlament beschloss ein Ausschuss einzurichten, der die Akten prüfen sollte. In diesem Ausschuss verbog Gramont die Wahrheit, das die Balken sich bogen. Beispielsweise wurde die Frage gestellt, ob die Forderungen an Preußen immer dieselben gewesen waren. Gramont führte aus, das die Forderungen, als Verzicht der Kandidatur und königliche Befehl zum Verzicht an Leopold. Explizit wurde die verlangte Garantieerklärung nicht erwähnt. Und das geforderte Entschuldigungsschreiben von Wilhelm I. blieb ebenfalls seitens Gramonts und Olliviers unerwähnt. Oder die Frage, ob Frankreich über Bündnisse verfüge. Gramont antwortete, die Botschafter Italiens und Österreich-Ungarn wären bei ihm gewesen und er hoffe nicht mehr ausführen zu müssen.


Wir wissen, dass es Gramont um den vollständigen diplomatischen Triumpf, der Demütigung Preußens, gegangen war. Natürlich wurde das nicht zugegeben.

Der Temps berichtete, dass ein Telegramm, dessen offizieller Text der Kammer nicht einmal vorgelesen worden ist, genügte der Regierung, um das Land in den größten Krieg des 19.Jahrunderts hineinzuziehen.

Jules Favre trieb seine Opposition so weit, dass er meinte, die Depesche Bismarcks gebe es gar nicht; sie sei eine Erfindung der Regierung, um den Krieg entsprechend zu begründen.

Die französische Regierung empfand offenbar selbst, wie schwach ihre Argumentation war und brachte nunmehr eine gefälschte, erheblich verschärfte Version des Bismarckschen Schreiben an einige in- und ausländische Zeitungen. (2)

(1) Brase, Olliviers Memoiren und die Entstehung des Krieges, S.144

(2) Les origines diplomatiques de la guerre 1870/71
 
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