Mummius Picius
Premiummitglied
Es ist wohl klar, dass die heute als „Ausoniusstraße“ bezeichnete Römerstraße über den Hunsrück schon im 1. Jahrhundert angelegt wurde. Berühmt wurde sie erst durch die Erwähnung zu Beginn des Gedichts „Mosella“ des Burdigaleser und römischen Bürgers und Prinzenerziehers Decimus Magnus Ausonius, das ist zwar nur knapp die Hälfte der Zeilen, die dem Dichter der Lobpreis z. B. des Welses als Moselflussfischs wert sind, aber was soll man machen. Das Gedicht heißt eben „Mosella“ und nicht „Montes Mediomatricorum“, man kann dem Dichter nicht böse sein, dass der Hunsrück gegenüber dem landschaftlich, landwirtschaftlich, architektonisch und (fischmäßig) gastronomisch attraktiveren Moseltal, wie man heute so sagt, abkackt.
Dennoch wird auf dem Ausoniusweg viel und gern auf diesen ersten, eigentlichen Löwenanteil der Reise Bezug genommen. Es gibt ein schönes Buch des Hunsrücker Reisejournalisten Uwe Anhäuser – ein archäologischer Reiseführer -, das mit seiner Liebe zum Detail und zur Heimat Appetit auf die alte Römerstraße macht, die sich da so wanderbar und wunderbar ungestört durchs Hunsrück zieht, eine Gegend, die nicht gerade durch seine Überlaufenheit von sich Reden macht. Seit ich mit meinen Brüdern und dem Vater im Frühjahr ein Stück am Limes entlang wanderte, hat mich eh die Wanderlust gefangen wie eine romantische Romanfigur. Also los.
Diesmal wanderten meine Frau und ich, witterungsmäßig kurz entschlossen, ohne Hotelreservierungen und Versorgungstreck. Bei Ausonius führt der „einsame“ Weg auf der damaligen Hauptverkehrsstraße durch „vom Menschen unbebaute Gegenden“, bis Rheinböllen trifft das durchaus zu. Von Bingen aus zeigt an vielen Bäumen, Pfählen, Zäunen einem das frische grüne AU-Zeichen den einsamen Weg, hier und da auch ein handgemaltes AU, der Weg führt schnell zum Binger Wald, hinauf, hinein und weiter durch die immer noch vom Menschen unbebauten Gegenden. Die Römerstraße sieht aus wie ein ganz normaler geschotterter forstwirtschaftlicher Weg. Die Steigung ist mäßig, aber über ein paar Stunden hinweg beträchtlich, dafür wird man mit einer tollen Aussicht vom größten Hügel „Kandrich“ belohnt, die einem grüne, bewaldete Hügel ohne Ende und an einer Stelle ein Tälchen mit einem winzigen Stück Mosel zeigt, der man sich nun auf dem Weg tangential nähern soll.
Rheinböllen liegt von dort aus relativ nahe und damit die erste Station. Die industrielle Vergangenheit liegt schon lange zurück - die halbe Innenstadt steht zum Verkauf und zur Vermietung, dafür werden im Westen großzügig Neubaugebiete in gesichtslose Beethoven- und Lessingstraßen umgewandelt. Dort verliert sich auch der Weg, ob von Baufahrzeugen umgefahren oder von gelangweilten Jungrheinböllenern umgerissen ist nicht klar. Er lässt sich aber leicht wiederfinden.
Auch im Fortlauf gibt sich die Römerstraße unspektakulär, sofern man überhaupt auf ihr läuft – eine grade Schneise durch den Wald, dann wieder Drehungen und Windungen entlang von Äckern und Feldern, viele Hügel und hinter den Hügeln geduckte Dörfer machen das Kilometerfressen zum reinen Vergnügen, der „Kandrich“ sieht nun aus der Distanz riesengroß und ewig weit entfernt aus. Hinter den Wäldern liegt Simmern, Kreisstadt, der Ausoniusweg ist nun wieder schlechter ausgezeichnet, zwischendrin ein offensichtlich altes Wegzeichen mit dem Bild eines Kerls im Profil – wahrscheinlich eine ältere Wegführung – dann kommen „Grüne Wiese“ Kaufhausgebiete, seelenlos wie der Golem und austauschbar wie Legosteine, dann Simmern selbst, eine glücklose Stadt mit vielen Katastrophen und Heimsuchungen in der Geschichte. Zu Merians Zeiten bilderbuchschön mit Türmen, Mauern, riesigem Schloss, haben der spanische Erbfolgekrieg und nachfolgende Brandkatastrophen des 19. Jahrhunderts die Stadt mit dem Schloss-Äquivalent Rheinböllener Neubaugebietshäuser zurückgelassen. Der Wanderführer preist die Kirchen und den Schinderhannesturm. Wir preisen das Eis des Café Rizzardini.
Hinter Simmern zeigt sich schon von weitem Kirchberg, bei Ausonius „Dumnissus, ringsum von dürstenden Äckern umgeben“. Die Sichtbarkeit simuliert Nähe; der Weg führt allerdings entlang einer stressigen Möchtegern-Autobahn hin zu einem weithin sichtbaren, eindrucksvollen Hügelgrab und verschwindet dort in der Interpretierbarkeit. Die Römerstraße ist längst Autostraße geworden, der Umweg für Wanderer führt nochmals in einem hohen Bogen an Kirchberg heran, dessen Sichtbarkeit – wie man nun feststellen kann – auch Größe simuliert. Zweite Station. Im Ort nur ein Hotel, der Hunsrück ist kein Allgäu und erst recht kein touristisches Moseltal. Dafür füllen sich die Wegweiser: Neben dem AU stehen jetzt auch ein K und ein S sowie eine Freiherr-von-Drais-Radroute und eine Schinderhannes-Radroute. Trotz Routenreichtum finden wir an diesen wunderschönen Herbstabenden eines wandermäßig idealen langen Wochenendes eigentlich nur lokale Gassigänger auf den Wegen.
Bei den Füßen meiner Frau verschlimmerte sich nun die Blasensituation, trotzdem will sie durchhalten. Hinter Kirchberg wird nun der Ausoniusweg zur schieren Prachtstraße, zuerst mit einem bizarr verkitschten „Bissula-Pfad“ (inklusive „Asterix-Ruh“ und anderen grotesken Holztafeln), dann mit einem wirklich schönen Weg auf bzw. parallel zum Original. Die Straße geht fast schnurgerade, ist durch den Damm eindeutig als Römerstraße auszumachen, Heimatvereine haben in unregelmäßigen Abständen anschauliche Tafeln über Legionäre beim Straßenbau aufgestellt, fürs bürgerliche Halbwissen; fürs „leibliche Wohl“ (das ja im Kontext auch wieder betont wird) sind alle paar hundert Meter Bänke aus Recyclingplastik aufgestellt. Auf der Höhe von Dill wird es dann endgültig zum Abenteuerspielplatz: eine Hütte mit „Römerspielen“ (keine „munera“, sondern Kinderspiele), wenig später ein Limes-Wachturm, so fehl am Platze wie ein Wal in der Mosel und über und über mit den gekritzelten Liebesschwüren russischer Spätaussiedler bedeckt, die in seltsamer Wiederholung der Geschichte dort wohnen, wo zu Ausonius Zeit „Äcker sarmatischen Siedlern zugemessen worden sind“.
In der ausonischen Wegbeschreibung fehlt nur noch „Tabernae, das immer fließendes Wasser hat" (im Gegensatz zum dürstenden Kirchberg). Wo dieses Tabernae lag, weiß heute keiner. Eine relativ große Nekropole entlang der Straße im nahe gelegenen Eichholzwald legt nahe, dass es in der Nähe von Niederweiler gelegen haben muss (wenn nicht sogar heute noch drunter liegt) – andererseits streitet man sich ja immer noch über die Bedeutung und Aussage des Namens „Tabernae“. Andere „Gaststätten“ haben (wie Bergzabern) sich durchaus zu Städten weiterentwickeln können. Hier wäre uns, ehrlich gesagt, eine richtige Taverne lieber gewesen; vor allem auf dieser Strecke hinter Kirchberg führt der Wanderweg an jeglicher Form von Ortschaft vorbei.
Kurz vor Horbuch, nur ein paar Kilometer vor dem eigentlichen Höhepunkt der Wanderung im Archäologiepark „Belginum“ war dann Sense, das Fußweh zu groß und Weiterwandern sinnlos. Streng genommen endete damit unsere „Mosella“-Wanderung bei Zeile 9 von 483. Doch wir haben es den Gastgebern unserer letzten Station versichert, wir werden wiederkommen und den Weg zu Ende gehen, den wir angefangen haben.
Noch ein paar Worte zum Wanderführer: Das Buch „Die Ausoniusstraße“ liest sich am besten während der Wanderung häppchenweise. Vorher ist die blumig-lobpreisende Sprache Uwe Anhäusers ziemlich ermüdend und auch etwas verwirrend, so habe ich keine Erklärung für die abweichenden Routen der „Ausoniusstraße“ und des „Ausoniuswegs“ gefunden (die zwischen Kirchberg und Elzerath deckungsgleich verlaufen). Der „archäologische Reise- und Wanderführer“ besticht durch Kenntnisreichtum, was die links und rechts des Wegs anzutreffenden Sehenswürdigkeiten und –keitchen anbelangt und kann einen durch hinweistechnisch unklare Situationen weiter weisen wie eine Schatzkarte; insgesamt würde ich mir aber wünschen, dass die Region etwas besser erschlossen wäre. Der Hinweis auf ein Gasthaus oder Übernachtungsmöglichkeiten wäre uns willkommener gewesen als der dritte identische Erklärungstext über die fleißig straßenbauenden Legionäre auf zwei Kilometern. Aber wahrscheignlich ist der Reiseführer auch eher an die Golden-Retriever-ausführenden Ausflugs-Wanderer gerichtet als an Fernwanderer.
Dennoch wird auf dem Ausoniusweg viel und gern auf diesen ersten, eigentlichen Löwenanteil der Reise Bezug genommen. Es gibt ein schönes Buch des Hunsrücker Reisejournalisten Uwe Anhäuser – ein archäologischer Reiseführer -, das mit seiner Liebe zum Detail und zur Heimat Appetit auf die alte Römerstraße macht, die sich da so wanderbar und wunderbar ungestört durchs Hunsrück zieht, eine Gegend, die nicht gerade durch seine Überlaufenheit von sich Reden macht. Seit ich mit meinen Brüdern und dem Vater im Frühjahr ein Stück am Limes entlang wanderte, hat mich eh die Wanderlust gefangen wie eine romantische Romanfigur. Also los.
Diesmal wanderten meine Frau und ich, witterungsmäßig kurz entschlossen, ohne Hotelreservierungen und Versorgungstreck. Bei Ausonius führt der „einsame“ Weg auf der damaligen Hauptverkehrsstraße durch „vom Menschen unbebaute Gegenden“, bis Rheinböllen trifft das durchaus zu. Von Bingen aus zeigt an vielen Bäumen, Pfählen, Zäunen einem das frische grüne AU-Zeichen den einsamen Weg, hier und da auch ein handgemaltes AU, der Weg führt schnell zum Binger Wald, hinauf, hinein und weiter durch die immer noch vom Menschen unbebauten Gegenden. Die Römerstraße sieht aus wie ein ganz normaler geschotterter forstwirtschaftlicher Weg. Die Steigung ist mäßig, aber über ein paar Stunden hinweg beträchtlich, dafür wird man mit einer tollen Aussicht vom größten Hügel „Kandrich“ belohnt, die einem grüne, bewaldete Hügel ohne Ende und an einer Stelle ein Tälchen mit einem winzigen Stück Mosel zeigt, der man sich nun auf dem Weg tangential nähern soll.
Rheinböllen liegt von dort aus relativ nahe und damit die erste Station. Die industrielle Vergangenheit liegt schon lange zurück - die halbe Innenstadt steht zum Verkauf und zur Vermietung, dafür werden im Westen großzügig Neubaugebiete in gesichtslose Beethoven- und Lessingstraßen umgewandelt. Dort verliert sich auch der Weg, ob von Baufahrzeugen umgefahren oder von gelangweilten Jungrheinböllenern umgerissen ist nicht klar. Er lässt sich aber leicht wiederfinden.
Auch im Fortlauf gibt sich die Römerstraße unspektakulär, sofern man überhaupt auf ihr läuft – eine grade Schneise durch den Wald, dann wieder Drehungen und Windungen entlang von Äckern und Feldern, viele Hügel und hinter den Hügeln geduckte Dörfer machen das Kilometerfressen zum reinen Vergnügen, der „Kandrich“ sieht nun aus der Distanz riesengroß und ewig weit entfernt aus. Hinter den Wäldern liegt Simmern, Kreisstadt, der Ausoniusweg ist nun wieder schlechter ausgezeichnet, zwischendrin ein offensichtlich altes Wegzeichen mit dem Bild eines Kerls im Profil – wahrscheinlich eine ältere Wegführung – dann kommen „Grüne Wiese“ Kaufhausgebiete, seelenlos wie der Golem und austauschbar wie Legosteine, dann Simmern selbst, eine glücklose Stadt mit vielen Katastrophen und Heimsuchungen in der Geschichte. Zu Merians Zeiten bilderbuchschön mit Türmen, Mauern, riesigem Schloss, haben der spanische Erbfolgekrieg und nachfolgende Brandkatastrophen des 19. Jahrhunderts die Stadt mit dem Schloss-Äquivalent Rheinböllener Neubaugebietshäuser zurückgelassen. Der Wanderführer preist die Kirchen und den Schinderhannesturm. Wir preisen das Eis des Café Rizzardini.
Hinter Simmern zeigt sich schon von weitem Kirchberg, bei Ausonius „Dumnissus, ringsum von dürstenden Äckern umgeben“. Die Sichtbarkeit simuliert Nähe; der Weg führt allerdings entlang einer stressigen Möchtegern-Autobahn hin zu einem weithin sichtbaren, eindrucksvollen Hügelgrab und verschwindet dort in der Interpretierbarkeit. Die Römerstraße ist längst Autostraße geworden, der Umweg für Wanderer führt nochmals in einem hohen Bogen an Kirchberg heran, dessen Sichtbarkeit – wie man nun feststellen kann – auch Größe simuliert. Zweite Station. Im Ort nur ein Hotel, der Hunsrück ist kein Allgäu und erst recht kein touristisches Moseltal. Dafür füllen sich die Wegweiser: Neben dem AU stehen jetzt auch ein K und ein S sowie eine Freiherr-von-Drais-Radroute und eine Schinderhannes-Radroute. Trotz Routenreichtum finden wir an diesen wunderschönen Herbstabenden eines wandermäßig idealen langen Wochenendes eigentlich nur lokale Gassigänger auf den Wegen.
Bei den Füßen meiner Frau verschlimmerte sich nun die Blasensituation, trotzdem will sie durchhalten. Hinter Kirchberg wird nun der Ausoniusweg zur schieren Prachtstraße, zuerst mit einem bizarr verkitschten „Bissula-Pfad“ (inklusive „Asterix-Ruh“ und anderen grotesken Holztafeln), dann mit einem wirklich schönen Weg auf bzw. parallel zum Original. Die Straße geht fast schnurgerade, ist durch den Damm eindeutig als Römerstraße auszumachen, Heimatvereine haben in unregelmäßigen Abständen anschauliche Tafeln über Legionäre beim Straßenbau aufgestellt, fürs bürgerliche Halbwissen; fürs „leibliche Wohl“ (das ja im Kontext auch wieder betont wird) sind alle paar hundert Meter Bänke aus Recyclingplastik aufgestellt. Auf der Höhe von Dill wird es dann endgültig zum Abenteuerspielplatz: eine Hütte mit „Römerspielen“ (keine „munera“, sondern Kinderspiele), wenig später ein Limes-Wachturm, so fehl am Platze wie ein Wal in der Mosel und über und über mit den gekritzelten Liebesschwüren russischer Spätaussiedler bedeckt, die in seltsamer Wiederholung der Geschichte dort wohnen, wo zu Ausonius Zeit „Äcker sarmatischen Siedlern zugemessen worden sind“.
In der ausonischen Wegbeschreibung fehlt nur noch „Tabernae, das immer fließendes Wasser hat" (im Gegensatz zum dürstenden Kirchberg). Wo dieses Tabernae lag, weiß heute keiner. Eine relativ große Nekropole entlang der Straße im nahe gelegenen Eichholzwald legt nahe, dass es in der Nähe von Niederweiler gelegen haben muss (wenn nicht sogar heute noch drunter liegt) – andererseits streitet man sich ja immer noch über die Bedeutung und Aussage des Namens „Tabernae“. Andere „Gaststätten“ haben (wie Bergzabern) sich durchaus zu Städten weiterentwickeln können. Hier wäre uns, ehrlich gesagt, eine richtige Taverne lieber gewesen; vor allem auf dieser Strecke hinter Kirchberg führt der Wanderweg an jeglicher Form von Ortschaft vorbei.
Kurz vor Horbuch, nur ein paar Kilometer vor dem eigentlichen Höhepunkt der Wanderung im Archäologiepark „Belginum“ war dann Sense, das Fußweh zu groß und Weiterwandern sinnlos. Streng genommen endete damit unsere „Mosella“-Wanderung bei Zeile 9 von 483. Doch wir haben es den Gastgebern unserer letzten Station versichert, wir werden wiederkommen und den Weg zu Ende gehen, den wir angefangen haben.
Noch ein paar Worte zum Wanderführer: Das Buch „Die Ausoniusstraße“ liest sich am besten während der Wanderung häppchenweise. Vorher ist die blumig-lobpreisende Sprache Uwe Anhäusers ziemlich ermüdend und auch etwas verwirrend, so habe ich keine Erklärung für die abweichenden Routen der „Ausoniusstraße“ und des „Ausoniuswegs“ gefunden (die zwischen Kirchberg und Elzerath deckungsgleich verlaufen). Der „archäologische Reise- und Wanderführer“ besticht durch Kenntnisreichtum, was die links und rechts des Wegs anzutreffenden Sehenswürdigkeiten und –keitchen anbelangt und kann einen durch hinweistechnisch unklare Situationen weiter weisen wie eine Schatzkarte; insgesamt würde ich mir aber wünschen, dass die Region etwas besser erschlossen wäre. Der Hinweis auf ein Gasthaus oder Übernachtungsmöglichkeiten wäre uns willkommener gewesen als der dritte identische Erklärungstext über die fleißig straßenbauenden Legionäre auf zwei Kilometern. Aber wahrscheignlich ist der Reiseführer auch eher an die Golden-Retriever-ausführenden Ausflugs-Wanderer gerichtet als an Fernwanderer.