Ausrüstung und "Look" von Hannibals Armee

Eigentlich sollten Schleuderer auf Distanz bleiben. Wenn die Römer den Schleuderern der Karthager so nahe gekommen wären, dass diese innerhalb der Reichweite der römischen Pila geraten wären, hätte Hannibal beim Einsatz der Schleuderer schon etwas falsch gemacht.

Andererseits: Warum sollten die römischen Leichtbewaffneten, deren größte Reichweite ja nur mit pilum zu erreichen war, brav auf einer Distanz bleiben, die sie vollkommen nutzlos gemacht hätte? Die Bewaffnung war radikal unterschiedlich, und wir können davon ausgehen, dass die römischen Plänkler heftig einstecken mussten, bevor sie überhaupt zum Zuge kamen, aber die Distanz werden sie geschlossen haben. Die Quellen berichten von einem unentschiedenen Gefecht.

Was Schilde oder nicht Schilde angeht: Da trifft Historiker auf Designer. Das Problem habe ich derzeit ja auch. Der Historiker darf nichts dazuerfinden, nicht einmal Dinge, die plausibel, aber nicht hinreichend belegt sind. Wenn der Designer sich aber auf Dinge beschränkt, die hieb- und stichfest sind, dann hat er unter umständen das schlechter-Comic-Prinzip - kleine gleich ausgerüstete Klone. Vor dem gleichen Problem stehen Hollywood-Kostümdesigner. Die ertragen es nicht, hundert alte Männer in purpurbestreifte Tuniken und identische Togen zu stecken, also kommen Mäntel, Muster, Blumenranken, Paisleys, und wenn wir Pech haben, Hosen dazu, und keine zwei Togen sind gleich gewickelt...

Ich versuche einen Mittelweg zu finden, der dem Historiker nicht die Zehennägel kräuselt, aber doch des Designers Wunsch nach Auflockerung entspricht, in dem ich sehr behutsam auflockere. ;)

In diesem Sinne zwei weitere Bilder: Hannibal und Maharbal auf dem Hügel hinter den punischen Linien, während des Aufmarsches, und Numider beim Überqueren des Aufidus.
 

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Ich halte diese kleinen Schilde bei Schleuderern für plausibel. Solche Truppen träfen im Einsatz wahrscheinlich auf ähnliche Truppen des Gegners, also Fernwaffen; vollkommene Schutzlosigkeit wäre da schon leichtsinnig (die Bogenschützen auf der Traianssäule tragen sehr lange Körperpanzer).
Auch nubische Bogenschützen wurden auf altägyptischen Darstellungen halbnackt und ohne Schilde dargestellt. Das war zwar eine andere Epoche, aber Schilde gab es auch im alten Ägypten schon - ebenso gegnerische Bogenschützen.
Ich verweise aber auch auf eine viel spätere Epoche, nämlich das 18. Jhdt. und seine Linieninfanterie, als die Einheiten ohne Deckung und ohne Schutz einander gegenüberstanden und aufeinander schossen.
Dass mit Fernwaffen ausgestattete Truppen sich schutzlos dem feindlichen Feuer preisgeben, war also nicht so selten.

Polybios beschreibt an einer Stelle die Verwendung von Panzern, darunter einfachen Brustplatten. Ich weiß die genaue Stelle nicht aus dem Kopf und habe ihn im Original gerade nicht verfügbar. Welchen Begriff verwendet er für die Panzer der Bessergestellten, die nicht die Brustplatten (die nennt er glaub ich kardiophylakes, oder?) benutzten? Falls man darunter auch Leinenpanzer fassen könnte, wäre ihre Verwendung ab und zu für einzelne Legionäre jedenfalls nicht völlig abwegig. Eventuell schreibt er "thorakes", was mich an eine anstrengende Diskussion auf romanarmytalk erinnert, ob thorax bei den Griechen nur Bronzepanzer oder auch Leinenpanzer bezeichnen konnte; ich gehe von letzterem aus.
Um das auch noch mal zu beantworten:
Ja, das pectorale nennt Polybios (6,23) kardiophylax. Das Kettenhemd der Bessergestellten nennt er alysidotos thorax, wobei alysidotos das Adjektiv zu "Kette" ist, also "thorax aus Ketten".
Ob thorax auch allein (also ohne Hinzusetzung von lineos bzw. in der Form linothorax) einen Leinenpanzer bezeichnen konnte, vermag ich auch nicht zu sagen.
 
Die Schützenformationen des 18. und frühen 19. Jhs. waren in erster Linie der schlechten Zielleistung der Musketen geschuldet, als diese besser wurde verschwanden die Männer in losen Schützenlinien und -Gräben, um Deckung zu suchen. Die durchschlagende Kraft von Musketenkugeln machte Körperpanzer, ohnehin an der Grenze der Tragbarkeit durch Erschöpfung im Kampf und auch Preis (statte mal ein Heer von 100.000 Mann mit Brünnen aus, das ist gerade mal bei den Cuirassieren drin, welche auf Pferden saßen) obsolet. Bogenschützen haben keine Hand frei für einen Schild, mobile Schutzwände für sie gab es aber zumindest im Belagerungskampf durchaus.
Wir wissen wenig über die Balearen. Da sie aus Hirten rekrutiert wurden, denen die Schleuder die einzige Waffe gegen Tiere und Menschen war, mutmaße ich bei ihnen eine sehr hohe Professionalität – anders als bei einer "Wolke von Pfeilen" konnte bei ihnen ein Stein oder Blei wohl sehr genau gezielt worden sein. Gerade dieser Hirtenhintergrund spricht natürlich auch gegen Schilde, Wölfe schmeißen nicht zurück, menschliche Gegner würden aus dem Hinterhalt operieren.
Deshalb halte ich vereinzelte, kleine Schilde als Anpassung an den Massenkampf immernoch für plausibel. Übrigens warfen römische Plänkler auch keine Pila sondern "Iacula", kleine Wurfspieße, mit einer weiteren Reichweite und geringeren Durchschlagskraft.
 
Ich gebe zu, für "vereinzelt" sind's im Bild ein paar zu viele. Sie brachen die Figuren so schön auf.

(Aber als ich am Freitag mal wieder in morbider Faszination vor "Spartacus - War of the Damned" saß, hatte ich doch die Hoffnung, das Meckern ist bei mir auf einigermaßen hohem Niveau...)

Gestern noch die Restferien genutzt für die Illu auf der ersten Seite: Leibwächter Bomilkar auf der Suche nach Hannibal, der mal wieder irgendwo geschlafen hat, nur nicht in seinem Zelt. :O
 

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Wir wissen wenig über die Balearen. Da sie aus Hirten rekrutiert wurden, denen die Schleuder die einzige Waffe gegen Tiere und Menschen war, mutmaße ich bei ihnen eine sehr hohe Professionalität – anders als bei einer "Wolke von Pfeilen" konnte bei ihnen ein Stein oder Blei wohl sehr genau gezielt worden sein.
Können sicherlich - aber ob die Schleuderer auch im Schlachteinsatz so gezielt schossen, halte ich doch für fraglich.
 
Ich brauche mal eben ein frisches Paar Augen, oder mehrere.

Das hier werden drei Illus für einen der emotionalen Höhepunkte des Buches. Aemilius Paullus wankt verwundet und völlig unter Schock durch das Gemetzel im eingeschlossenen römischen Zentrum, bevor es auch ihn trifft.

Wie wirken diese Bilder auf euch? Sie werden links und rechts versetzt auf einer Doppelseite zu sehen sein.


Ein guter Freund, der das Projekt von Beginn an verfolgt hat, selber zeichnet und die Geschichte in- und auswendig kennt, meint, der Gesichtsausdruck wirkt unfreiwillig komisch. Ich sehe das überhaupt nicht, aber ich habe da jetzt so lange draufgestarrt, dass ich vermutlich kein guter Urteiler mehr bin. Welche Wirkung haben diese Bilder auf euch? Passend oder unpassend?

Diese Seiten sind so mit das Herzstück, das darf ich nicht versauen. ;)
 

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Moin, nach dem ersten Kaffee :fs: starre ich jetzt mit leidlich geöffneten Augen auf die Bilder, und tatsächlich lächelte mich der römische Konsul auf dem ersten Bild verschämt an! Vielleicht fehlt deinem Freund das Schmerzhafte, es ist halt die Frage was Du abbilden willst:
den Strategen, der schockiert ist, was gerade strategisch um ihn passiert, oder den Feldherren, der schon erkennt, das es kein Entkommen mehr gibt...der erste wird vielleicht noch fieberhaft überlegen, wie er das Schicksal wenden kann, der zweite erstarrt vor dem nahen Tod...
 
Das zweite Bild finde ich sehr überzeugend, schmerzvoll, erschrocken, beim dritten bin ich nicht sicher, einerseits geht es in Richtung Akzeptanz, daher ein Verarbeiten der Situation, die erkannt ist, andererseits noch weit aufgerissene Augen, als müsse er noch erkennen was geschieht. Da ich selbst zwar schon mit dem Tod konfrontiert war, mich dabei natürlich nicht fotografiert habe, fällt es mir sehr schwer, der inneren Bewegung eine äußere Gestalt zu geben.
 
Wenn der Gesichtsausdruck interpretierbar ist, dann ist das völlig okay. Wichtig ist nur, dass es nicht komisch wirkt.
 
Wenn der Gesichtsausdruck interpretierbar ist, dann ist das völlig okay. Wichtig ist nur, dass es nicht komisch wirkt.
Er wirkt auf mich überhaupt nicht komisch. Wenn er unter Schock stehen soll ist das vollkommen richtig dargestellt. Als verletzter hätte er den Mund wahrscheinlich nicht fest geschlossen, sondern würde nach Atem ringen, da ja ein Kampf eine große körperliche Anstrengung darstellt. Erst recht bei Blutverlust und Schmerzen. Bei dem dritten Bild fehlt mir etwas das Entsetzen.
Das ist aber keine Kritik, denn Du beherrschst es, Gesichtsausdrücke ganz hervorragend und glaubwürdig darzustellen. Ganz großes Lob. :yes:
 
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Wenn der Gesichtsausdruck interpretierbar ist, dann ist das völlig okay. Wichtig ist nur, dass es nicht komisch wirkt.
So etwas hängt wohl zu einem Gutteil vom Betrachter ab. Wer etwas komisch finden (bzw. ins Lächerliche ziehen) will, wird es auch eher komisch finden als jemand, der unvoreingenommen an die Betrachtung herangeht oder sich wirklich intensiv auf die Geschichte einlässt. (Wenn sich z. B. eine Gruppe gemeinsam einen Film ansieht, ist oft auch ein "Spaßvogel" dabei, der mit blöden Kommentaren im Film alles lächerlich zu machen versucht und damit auch gewissen Erfolg hat, obwohl er, wenn man ihn sich allein ansieht, ganz und gar nicht lächerlich wirkt.)
Somit ist es vermutlich ohnehin nicht möglich, den Gesichtsausdruck so zu zeichnen, dass ihn niemand komisch finden kann.
 
Das erste Bild wirkt seltsam, nicht komisch. Ich kann aber nicht genau sagen, was mich stört.

Vielleicht die Augenpartie.
 
An dem war zu viel radiert.

Das hier (s. u.) war übrigens die erste Version - zu der ich mittlerweile wieder tendiere... da ist viel mehr Entsetzen drin und auch der geöffnete Mund.

Allerdings war das die Version, die mein Freund für viel zu überzogen hielt.
 

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Allerdings war das die Version, die mein Freund für viel zu überzogen hielt.
Finde ich absolut nicht überzogen. Dein Freund scheint noch nicht viele Menschen in Ausnahmesituation und Todesangst gesehen zu haben. Will man Emotionen in Bildern zeigen, darf man nicht keine falsche Rücksicht auf die Betrachter nehmen.
 
Allerdings sind es die Leser, die das Gesehene interpretieren. Wenn sie die gezeichneten Emotionen falsch interpretieren oder für überzogen halten (und dann zu lachen beginnen), nützt der beste Wille des Zeichners nichts.
 
Die Version ist gut. Man sieht regelrecht die Entwicklung des Minenspiels.

Das Komische wird darin liegen, dass Hollywood mit ganz anderen Sachen durchkommt. Wer Rüstung trägt, hat ernst und düster zu wirken oder eine Witzfigur zu sein. Kriegsverherrlichend eben.

Aber das dürfte ja nicht Deine Zielgruppe und Intention sein.
 
Allerdings sind es die Leser, die das Gesehene interpretieren. Wenn sie die gezeichneten Emotionen falsch interpretieren oder für überzogen halten (und dann zu lachen beginnen), nützt der beste Wille des Zeichners nichts.
Da der Leser keine Einzelperson ist, sondern Viele, wird man es nie allen recht machen. Die Meisten sind ohnehin zu faul sich Bilder näher anzusehen. Man macht sich manchmal Gedanken, wie man etwas darstellt und zerbricht sich den Kopf und dann sieht man die Leute ein Buch im Eilzugtempo durchblättern und fragt sich warum man sich so viel Arbeit gemacht hat.
 
Galeotto, er hat eine völlig andere Herangehensweise im Zeichnen als ich: Er drückt Stimmungen über Körpersprache, Perspektive und sehr viel Hintergrundatmosphäre aus, während ich in erster Linie ein Gesichterfetischist bin. Insofern kann ich schon nachvollziehen, dass ihm das zuviel ist. ;)

Die Meisten sind ohnehin zu faul sich Bilder näher anzusehen. Man macht sich manchmal Gedanken, wie man etwas darstellt und zerbricht sich den Kopf und dann sieht man die Leute ein Buch im Eilzugtempo durchblättern und fragt sich warum man sich so viel Arbeit gemacht hat.

Die meisten Vorbesteller sind bei mir witzigerweise Fans meiner Bilder und haben vielfach mit Hannibal gar nichts am Hut - aber ansonsten stimmt das natürlich. Ich finde es manchmal selber absolut tragisch, dass man einen Comic in einer Stunde liest, an dem der Künstler ein Jahr gezeichnet hat. Aber das weiß man ja auch, während man's macht. Der Text war in 2 Monaten geschrieben - die Bilder brauchen sieben, und sind noch nicht mal so viel Arbeit, als wär's ein Comic!

Ihr habt mir aber sehr geholfen, danke in die Runde!
 
Entsetzen und Schock finde ich in #286 eher wieder. In #294 wirken die Augen weiter aufgerissen und ich verbinde damit eher Panik.

Bin nur angelernter Hilfssanitöter, Küchenpsychologe und ein grottenschlechter Zeichner. Deswegen nur schüchtern ein ganz leiser Gedanke: würde bei Schock oder gar Akzeptanz des Unvermeidlichen der ganze Gesichtsausdruck nicht dazu tendieren, gänzlich ausdruckslos zu sein, stumpf sogar - insbesondere die Augen? Gerade die Augen wirken in allen sechs Bildern recht lebendig und agitiert. Ist es vielleicht das, was Deinen Gesprächspartner irritiert?

Nachtrach: Hatte beim Schreiben den Kameraden hier vor meinem inneren Hühnerauge: http://i120.photobucket.com/albums/o168/gporta/Rooting%20for%20Laughton/NaKedDeadBookCover.jpg
 
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