Außenpolitik der europäischen Großmächte (1. WK)

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Gast

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kann mir jemand hierbei helfen? es geht um eine charakterisierung der Außenpolitik der einzelnen Mächte anahand ihrer kriegsziele und darum wie ein europäischer Krieg hätte verhindert werden können...

die kriegsziele habe ich soweit schon herausgesucht... denke auch dass ich so ziemlich alles oder das wichtigste habe:

Deutsches Reich:
- Hegemonie auf dem Kontinent und deren wirtschaftliche Grundlage durch Gewinnung wichtiger Wirtschaftsgebiete im Westen und ein vom Deutschen Reich kontrollierter „Großraum“ im Osten Europas
- Vergrößerung des Kolonialbesitzes
- Beseitigung der englischen Vorherrschaft zwischen Gibraltar und In*dien
- Sonderfriede mit Russland („Rücken gegen Westmächte frei bekom*men“)

Österreich-Ungarn:
- Erhaltung des Vielvölkerstaates
- Sicherung des Großmachtstatus in Südosteuropa → österreichische Dominanz auf dem Balkan ausbauen, Russland als Konkurrent aus*schalten

Frankreich:
- Revanche für 1870/71
- Rückgewinnung von Elsass-Lothringen
- Annexion des Saarlandes
- sichere Ostgrenzen → Schaffung zwei neutraler Rheinstaaten als Puffer
- Rückgewinnung der kontinentalen Hegemonie (Hauptziel)

Großbritannien:
- Hauptziel: Verhindern, dass Deutschland Weltmacht wird → Weg*nahme der dt. Kolonien in Afrika und Asien, Ende der dt. Seemacht
- keine direkten territorialen Ziele in Europa; unterstützt jedoch die Wiederherstellung Belgiens, die Unabhängigkeit Polens und der Völker der Donaumonarchie → „Krieg als Kreuzzug der Demokratie gegen Ty*rannei und Despotismus“

Russland:
- Gewinnung der Dardanellen (Zugang zum warmen Meer), Ostpreu*ßens und Galiziens (Südosten Polens)
- Zusammenfassung aller Slawen in einem von Russland geführten panslawistischen Reich
 
Da gilt es m.E. erst einmal zu unterscheiden zwischen Kriegszielen und Kriegspropaganda („Kreuzzug gegen Tyrannei und Despotismus“). Weiterhin zwischen Maximalzielen und Minimalzielen. Letzteres hängt deutlich mit der jeweiligen militärischen Lage zusammen. Da fehlt mir als Kriegsziel bei Ö-U der eigentliche Auslöser des Konflikts: Das Attentat von Sarajewo!

Viele der von dir genannten Punkte entwickelten sich auch erst während des Krieges. Vor allem in Deutschland war lange Zeit kein wirkliches Kriegsziel zu erkennen. So war im Gespräch Belgien e.v. auf Kosten Frankreichs zu erweitern, aber auch Belgien als Staat aufzulösen. Der „Sonderfriede mit Russland“ um den Rücken gegen die Westmächte frei zu haben, etwa ist ein klassischer Plan kriegsbedingter Strategie.
Für Deutschland wurde letztlich recht Konkret angegangen, das dauernde Dilemma mit Frankreich als Gegner endgültig zu lösen, da Frankreich den Revanchegedanken in den immerhin mehr als 30 Jahren seit 1870 niemals aufgegeben hatte. Für England die Verhinderung Deutschlands als Weltmacht anzugeben halte ich für übertrieben. Dies hätte nur nach einem Sieg im 1. Weltkrieg erreichbar werden können. In der Folge des Krieges mit seiner Fernblockade gegen Deutschland entwickelte man hier auch mehr und mehr Gedanken für ein Blockadefestes Festlandeuropa unter deutscher Führung. Die davon ausgesponnenen Gedanken haben vermutlich auch die Kriegsziele und die ganze Ideologie Hitlers eine Generation später beeinflusst.

Für Frankreich sind die Hauptziele mit Sicherheit die Wiedergewinnung der Hegemonie in Zentraleuropa, die seit der Reichsgründung verloren gegangen war, Dazu Revision der Grenzen – wenigstens bis zu den Grenzen vor 1871. Hinzu kommt der alte französische Traum von der Rheingrenze mit allen Konsequenzen und Kompromissen (Pufferstaaten).

Für Russland gilt nach dem Panslawismus sicherlich die Gewinnung der Dardanellen. Dies war aber erst durch den späteren Kriegseintritt des Osmanischen Reiches zu erzielen. Im August 1914 war die Türkei aber noch kein Kriegsteilnehmer, erst seit Oktober/November 1914 kann sie als Teil der Mittelmächte angesehen werden.

Für England gilt das alte Prinzip des Balance of Power in Europa und das keine europäische Großmacht die Kanalküste Belgiens besitzt. England machte schon vor dem Kriege klar, dass dies als Kriegsgrund gilt. Dazu kam das Flottenwettrüsten mit Deutschland. Betreffs der Kolonien hegte man keinen ausgeprägten Appetit auf deutsche Besitzungen. Im „Kongoabkommen“ (das von England nicht umgesetzt wurde) war etwa eine Neutralität vieler afrikanischer Kolonien für den Kriegsfall vorgesehen worden und es sollte erst nach einem Friedensvertrag zu Änderungen dort kommen. Die Kämpfe dort waren auch ein Bruch der Berliner Afrikaverträge, begründet auf der Flottenrivalität und der Jagd auf das deutsche Auslandsgeschwader.

Ö-U hatte bei Kriegsbeginn sicherlich kein Interesse Russland zu zerschlagen (oder auszuschalten)! Für Habsburg begann der Krieg als gewöhnliche, territoriale Auseinandersetzung um den Erhalt der Vielvölkermonarchie, die Vorherrschaft auf dem Balkan und das endgültige Abgrenzen der Interessensphären mit Russland (um es positiv zu formulieren).

Im Laufe des Krieges wurde es allen Seiten immer schwerer ihre Soldaten und Völker zu motivieren. Hehre- & weniger edle Motive wurden bemüht. Etwa der „Kreuzzug gegen Tyrannei“, oder ein Großraumbildung Deutschlands in Europa. Es geisterte das Wort herum, wonach dieser Krieg den Krieg ein für allemal überflüssig machen würde, indem die Kräfteverhältnisse für immer geregelt werden würden. Ein weiteres Klischee…

Ist dies eine Schulaufgabe oder in welchem Kontext stellst du diese Frage? Dann würde ich die Frage präzisieren. Ich halte gerade die relative Unberechenbarkeit der deutschen Außenpolitik für einen bedeutenden Faktor für den Kriegsausbruch. An sich galt Deutschland mit Bismarcks Worten als "saturiert" und hätte einzig für den Erhalt des Status Quo in Europa stehen müssen. Dies war ein Grund für Ö-U die eigene Macht in die Waagschale zu werfen. Flottenpolitik und die strategisch begründete Erstschlagsidee gegen Frankreich mussten aber diesen Status Quo konterkarieren. Wie hätte man auch nach einem "schnellen Sieg und Kriegsende bis Weihnachten 1914" dagestanden, wenn der Kaiser Frankreich wieder geräumt hätte mit den Worten: "Das war nur nötig, damit ihr uns nicht in den Rücken fallt"?


Im Übrigen gibt es hier bereits eine Reihe von Thrads im Forum in dem dieses Thema diskutiert wird. Schau doch einmal nach oder präzisiere die Frage :winke:
 
die frage habe ich so ("Charakterisieren Sie anhand der Kriegsziele die Außenpolitik der europäischen Großmächte und überlegen Sie, unter welchen Voraussetzungen ein europäischer Krieg in dieser Zeit hätte vermieden werden können") im "Abiturwissen Geschichte - Erster Weltkrieg und Weimarer Republik" vom Klettverlag gefunden. Diese Bücher benutze ich um mich auf das Abi vorzubereiten. Jedenfalls sind hinten im Buch Fragen zu den einzelnen Kapiteln/Themengebieten, die ich jetzt alle zu beantworten versuche... Musterlösungen sind leider nicht vorhanden :)
 
("Charakterisieren Sie anhand der Kriegsziele die Außenpolitik der europäischen Großmächte und überlegen Sie, unter welchen Voraussetzungen ein europäischer Krieg in dieser Zeit hätte vermieden werden können")

Der zweite Teil der Frage ist subjektiv. Da kann man alles mögliche fabulieren.
Gibt es im Abitur auch die Fragestellung: Was hätte Karl Marx im Londoner Exil machen können, um seine Familie zu ernähren?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
ich hab mir die frage nicht ausgedacht :)
ich muss sie bzw würde sie gerne beantworten.
 
Diese Art der öffnenden Frage, die den Leser dazu nötigt sich seine eigenen Gedanken zu machen, ist Teil einer jeden Abiturarbeit. Hier soll der Prüfling sein kritisches und auch sein kreatives Denken unter Beweis stellen. Ansonsten würde es ja genügen alles auswendig zu lernen.:fs: Den 1. Teil, die Kriegsziele betreffend, hast du recht gut zusammengefasst, wichtige Ergänzungen hat ja schon tejason gegeben. Die Außenpolitik ist nicht mit den Kriegszielen identisch, diese müsstest du noch genauer betrachten. Es kommt aber entscheidend darauf an, wie du den 2. Teil beantwortest und auch wie du die beiden Frageteile miteinander in Beziehung setzen kannst. Es stellt sich dir also die Frage: Welche außenpolitischen Maßnahmen hätten zu einer Entspannung der Situation beigetragen?

Im Übrigen ist die Frage von Klett nicht gelungen. Sie suggeriert irgendwelche Voraussetzungen, die es anscheindend unmöglich machten, den Krieg zu vermeiden. Nicht die schlechten Voraussetzungen, sondern immer noch das Handeln und Entscheiden der Verantwortlichen führte letztendlich zum 1. Weltkrieg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke du könntest loslegen, alles ist irgendwie schon da:

Indem du die Punkte aus deinem Katalog differenzierst in Voraussetzungen durch die Außenpolitik, Kriegsziele/Strategienotwendigkeiten und einander gegenüberstellst wird dir einiges klar werden. Das hohle Kriegspropaganda letztlich keine kriegsauslösenden Momente sind, sondern Moralschübe während des Krieges, ist klar und fällt damit aus dem Katalog. Weiter: Was von diesen Kriegszielen waren erkennbare Ziele der Außenpolitik bereits vor dem Kriege und in wie weit werden sie von "Notwendigkeiten der Planungsstrategie" tangiert. Damit sind weitere Eskalationsstufen ausgearbeitet.

Zurück bleiben relativ wenige, direkt auslösende Motivationen und die kannst du hier gerne hinterfragen. Wenn du deine Aufgabe hier lösen willst, sind wir gerne dein kritisches Publikum^^
Meiner Meinung nach steht hier bereits genug zum Sortieren.

Wenn du weiter blicken willst ohne dich in Details verwirren zu lassen, fallen mir momentan einige laufende Threads ein, die sich irgendwie auch mit deinem Thema beschäftigen. Als da wären:

http://www.geschichtsforum.de/f62/w...eifellos-gro-e-schuld-am-kriegsausbruch-6895/

und indirekter auch hier:
http://www.geschichtsforum.de/f62/gro-er-aufmarsch-ost-praktikabel-15552/
 
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