Ausstellung: Imperium, Konflikt, Mythos

salvus

Aktives Mitglied
Hallo zusammen,

ich denke, daß die entsprechenden Ausstellungen jedem geläufig sind - schließlich befinden wir uns im Jubiläumsjahr: 2000 Jahre Varusschlacht!

Ich habe zu den entsprechenden Ausstellungen keinen Thread entdeckt. Also hoffe ich, daß ich mich hier nicht wiederhole.

Am letzten Wochenende war ich mit meiner Familie in Kalkriese, zu den Römer- und Germanentagen. Dies war sehr eindrucksvoll!

Aufgrund der (gerade für die Kinder) interessanten Aktivitäten, wie Z.B. Römer- und Germanenlager war es mir lediglich möglich, die erneuerte Dauerausstellung zu besuchen. Ich werde also noch einmal dorthin fahren, um alles in Ruhe entdecken zu können.

Auch von den anderen Ausstellungen hört man sehr positives. Gerade von Haltern hörte ich, daß es sich um eine "Weltausstellung" handelt.

Schön ist ja (für mich persönlich), daß sich alles in unmittelbarer, regionaler Nähe befindet.
Auch die entsprechenden Begleitbücher machten einen positiven Eindruck.

Der Preis: 18€ für alle drei Ausstellungen, ist sicherlich nicht zu hoch.

Wie sind eure Erfahrungen? Wollt, oder habt ihr die entsprechenden Ausstellungen schon besucht?
Wie sind die Erfahrungen?
 
Ich war in Detmold in "Mythos".

Leider hatte ich nur wenig Zeit, da quasi am Programm beteiligt, daher habe ich mir den Teil mit Gemälden aus dem 19. Jahrhundert gespart und mich mehr den archäologischen Funden gewidmet.
Schwerpunkt ist das germanische Leben.
Zu sehen sind der Hildesheimer Silberschatz, sowohl original als auch Repliken von WMF, eine echte Abschrift der Germania des Tacitus, sehr viele germanische Schmuckstücke, die echte Thorsberg-Hose (!) und ein Schädel mit Suebenknoten.
Des weiteren Funde aus dem Opfermoor in Oberdorla, sowie römische Skulpturen die Germanen darstellen, z.B. die "Thusnelda".

Wirklich vom Feinsten.:anbetung:
 
Ich war auch passend zu den Römer- & Germanentagen in Kalkriese. Trozt sehr mäßigem Wetter hat es mir gut gefallen. Die neue Dauerausstellung dort versucht sein Bestes mit den eher unauffälligen Funden und vor allem den Schlussfolgerungen aus ihnen zu punkten. Scherenschnittartig wird die Welt der ungleichen Gegner kurz angerissen und dann durch Modelle einer marschierenden römischen Armee einleitend der Hintergrund für das anzunehmende Defileegefecht bereitet. Besonders Kinder hatten ihren Spaß mit den "Murmeln", welche das "Schwinden" der römischen Armee im Verlauf der Gefechte darstellten. Insofern hat man das Beste versucht die schwierig zu fassende Lage kurz nach der Zeitenwende dem Besucher klar zu machen. Kriminalistisch zeigt sich auch der Spürsinn um die Deutung der Funde. Der rekonstruierte Grassodenwall auf dem Gelände mit der in Szene gesetzten Schlacht während der Römer- & Germanentage, kommentiert durch Marcus Junkelmann machte das Geschehen plastischer.

Die Sonderausstellung zu Konflikt befasst sich mit dem relativ abstrakten Thema des germanischen Kriegertums, zu dem es wenig historische Überlieferung gibt. Der Bogen wird von der vorrömischen Eisenzeit bis zur Völkerwanderung geschlagen und zeigt vor allem die materielle Veränderung in archäologischen Funden. Durch Einschübe wie die Schatzfunde aus germanischen Beutezügen wird zudem auch Motivation und angenommene Hintergründe für germanische Kriegergefolgschaften eingebunden. Alles in allem relativ abstrakt und "mythisch-dunkel" präsentiert. Man sollte sich Zeit nehmen und sich nicht scheuen das Personal vor Ort anzusprechen.

Auch die Ausstellungen in Haltern am See habe ich inzwischen besucht. Die Sonderausstellung zum Thema Römisches Imperium ist uneingeschränkt sehenswert und sehr gut präsentiert. Auch für Besucher, die nur schlendern und schauen wollen!

Die Dauerausstellung zum römischen Stützpunkt Haltern und der Versorgungsroute entlang der Lippe ins Innere der entstehenden Provinz Germanien ist ebenfalls gut gelungen und präsentiert. Auch die Filmchen (vielleicht mit Ausnahme der "Tagesschau") sind sehr gut. Es beleuchtet gut die Probleme Roms in einem Land, das durch fehlende Überschußproduktion die Versorgung eines Invasiionsheeres von der Art der römischen Armee erschwerte.

Ich denke dass ich im Laufe der Zeit auch in Detmold nachsehen werde. Erst Recht nach der Empfehlung von Secundus :)
Wenn ich das so lese würde es sich wohl empfehlen, erst in Haltern und Detmold und dann erst Kalkriese zu besuchen?
 
Eigentlich kann ich mich den Worten von tejason nur anschließen. Die Römer- und Germanentage in Kalkriese waren eine perfekte Ergänzung zu den Ausstellungen. Leider aber nur auf die 4 Tage beschränkt, so dass künftige Besucher darauf verzichten müssen. Ein Teil der Sonderausstellung beinhaltete die aus dem Rhein geborgenen Beutestücke, die bereits in einer vergangenen Ausstellung („Versunken im Rhein“ oder so ähnlich?) gezeigt wurden.

Interessant auch die an der abschüssig verlaufenden Metallwand dokumentierten Fund-Schichten auf dem Freigelände und der Versuch, ein Stück sumpfiges Gelände wieder „herzustellen“. Aber das gehört nicht zur Sonderausstellung.

Wer in Zeitnot ist, sollte in Haltern nur in die Sonderausstellung in der Seestadthalle gehen. Das LWL-Römermuseum vervollständigt das Bild; die Ausstellung ist aber nicht zeitlich beschränkt.

Detmold fehlt mir auch noch. Durch Gesprächsfetzen anderer Besucher hatte ich bisher eigentlich keine großen Erwartungen daran geknüpft. Aber von Secundus klingt das anders. Auch durch das, was ich im Katalog bei flüchtigem Durchblättern gesehen habe, scheint es doch einen Besuch wert. Die Gemälde werde ich wohl im Eiltempo „durchnehmen“.

Zu empfehlen ist der Kauf des Schubers mit den 3 Ausstellungskatalogen in einem der Museen für 59 €. Für den Preis ist er „draußen“ nicht zu bekommen.
 
Ihr seid alle so schön begeistert von den Ausstellungen, da kann ich mal eine schwierige Frage loswerden: Auf welche der drei kann am ehesten verzichten?

Hintergrund: Ich fahre am Wochenende in die Gegend, werde ansonsten dieses Jahr nicht mehr dorthin kommen können. Und habe nur zwei Zeitfenster frei: Am Freitag 15.00-18.00 Uhr und am Sonntag den Vormittag bis frühen Nachmittag.

Also die Frage: Welcher Ausstellung sollte man die meiste Zeit widmen, welcher die drei Stunden, welche läßt man weg?
 
...
Also die Frage: Welcher Ausstellung sollte man die meiste Zeit widmen, welcher die drei Stunden, welche läßt man weg?
Niemand von uns war offensichtlich bereits in allen 3 Ausstellungen, daher kann ich nur zu Haltern und Kalkriese etwas sagen. Ich würde an Deiner Stelle in beiden Orten nur die Sonderausstellungen besuchen; die Dauerausstellungen laufen Dir nicht weg, die sind nächstes Jahr auch noch da. Die 3 h wären für Kalkriese angebracht und das größere Zeitfenster würde ich in Haltern investieren. Aber das ist meine persönliche Ansicht, andere sind vielleicht anderer Meinung.
 
Drei Ausstellungen - zwei Dauerausstellungen

So, hab es gestern auch endlich mal geschafft, mir die Ausstellungen anzuschauen - hier meine Meinung:

Haltern hat zwei Ausstellungen zu bieten, die im Westfälischen Römermuseum und die in der Seestadthalle.
Bei der im Römermuseum handelt es sich um eine Dauerausstellung. Das Museum ist eher klein; in einer halben Stunde hat man alles gesehen. Der Vorteil: hier kriegt man den kompaktesten regionalen Überblick über die Kastelle der Lippe-Linie und ihre Eigenschaften. Viele Funde (auch in Kopien) stammen aus benachbarten Lagern wie Oberaden oder anderen Gegenden. Ein schöner Computeranimationsfilm zeigt die Fahrt eines Getreideschiffs an rekonstruierten Kastellen vorbei die Lippe aufwärts. Unsäglich hingegen der witzig gemeinte Film einer römischen "Tagesschau" auf Ohnsorg-Theater-Niveau.
Die Sonderaustellung "Imperium" in der Seestadthalle war für mich die beeindruckendste der drei Ausstellungen. Ästhetisch sehr schön präsentiert, hält die Klasse der derzeit im kleinen Haltern versammelten Funde meiner Meinung nach selbst mit namhaften Museen wie der Münchener Glyptothek mit. Unter anderem sind dort zahlreiche Leihgaben aus den römischen Museen, darunter etwa Skulpturen und Büsten von Cäsar und der Familie des Augustus, zu sehen. Den inhaltlichen Faden bilden parallel der Aufstieg des Imperiums und die Karriere des Varus; abgeschlossen wird die Ausstellung mit einem knappen Einblick ins römische Germanien. Unbedingt empfehlenswert!
In Kalkriese gibt es ebenfalls die Dauerausstellung des dortigen Museums und eine der drei Sonderausstellungen zu sehen.
Kurz noch ein Wort zum Außengelände: ein Paradebeispiel, denke ich, wie man recht unansehnliche Befunde interessant präsentieren kann (ohne mal jetzt das Fass aufzumachen, dass nun mal tatsächlich hier sehr stark Kalkriese als Ort der Varusschlacht propagiert wird). Auch die archäologischen Befunde und die Arbeit werden hier anschaulich erläutert. Der Rundweg erfolgt über Metallplatten, die unter anderem Auszüge aus den Quellentexten enthalten.
Die Dauerausstellung im potthässlichen rostfarbenen Museumsbau ist ein Meisterstück der modernen Museumspädagogik. Nur noch wenig wird über die Zurschaustellung der Funde gearbeitet, viel mehr über modellhafte Gegenüberstellungen römischen und germanischen Lebens. Bei den Kindern kam besonders ein "Kugelspiel" an, in der die "Diffusion" römischer Truppen als Metallkügelchen in der Kalkrieser Senke "simuliert" wurde. Manches mag zu ästhetisiert erscheinen; dafür liegen aber auch alle wichtigen Quellentexte und Auszüge aus den früheren Forschungen (z.B. Mommsen) vor.
Die Sonderausstellung "Konflikt" hat mir gut gefallen, ist m.E. aber mehr was für den Kenner. Diese Ausstellung ist eher klein, lohnt daher nicht unbedingt die ganz weite Anfahrt. Hier geht es mehr um die Germanen des späten 2. bis 4. Jahrhunderts; die Varusschlacht an sich wird eigentlich nicht mehr behandelt. Der Schwerpunkt liegt bei der Darstellung und Untersuchung der Kriegergesellschaften. Dabei werden anschaulich einige neuere Forschungserkenntnisse und -hypothesen geschildert - anhand ritueller Waffenniederlegungen gehen Archäologen etwa von heftigen innergermanischen Konflikten während des 3. Jahrhunderts in Dänemark aus. Auch auf hierzulande weniger populäre Themen wie den Markomannenkrieg wird eingegangen. Das spektakulärste Exponat ist hier wohl der Silberschatz von Neupotz.
Im lippischen Landesmuseum Detmold residiert die Ausstellung "Mythos". Ja, auch hier gibt es beeindruckende Funde; unter anderem eine Tacitus-Abschrift aus dem Mittelalter und Teile des Hildesheimer Silberschatzes und eine übermannsgroße Thusnelda-Statue. Mir persönlich haben allerdings die Idole aus dem Moor bei Oberdorla am besten gefallen. Dennoch hat mir diese von den drei Sonderausstellungen am schlechtesten gefallen. Zum einen finde ich die Räume recht überfrachtet; was störend ist, weil dabei ein Bogen über 2000 Jahre Geschichte geschlagen wird und Exponate aus quasi allen Epochen, dass Frühmittelalter mal ausgenommen, zu finden sind. Zum einen wurde das Konzept nicht so strikt eingehalten; man hat sich nicht auf Mythos und Rezeption beschränkt, sondern wollte gleichzeitig auch noch verschiedene Aspekte des germanischen Lebens schildern. Die beeindruckenden antiken Funde stellen die auch noch räumlich abgetrennten Säle zur neuzeitlich-modernen Rezeption doch sehr in den Schatten. Die Multimedia-Präsentation in einem Raum hat mir auch nicht gefallen. Über Computerterminals kann man sich durch Massen von Titelblättern erschienener Varus-Belletristik (manchmal auch mit Leseproben) klicken; nur erfährt man darüber nicht mehr, als dass es seit der Neuzeit Unmengen an Arminius-Literatur gibt. Dazu gibt es merkwürdige, auch recht langweilige Filmchen mit Prominenten (u.a. eine Eva-Herman-Rezension eines Thusnelda-Romans oder Mo Asumang, die politisch überkorrekt Afrikanismen und Germanismen vergleichen will). Dafür ist der "Comedy"-Einschlag hier besser gelungen als in Haltern: ein Schauspieler bringt in kurzen Filmen recht witzig die unterschiedlichen Epochenperspektiven zur Varusschlacht rüber (unter anderem als preußischer Offizier verkleidet). Ein Besuch lohnt sich trotz der Mängel.

Die Bände zu den Ausstellungen habe ich mir auch besorgt, freilich erst überflogen. Man kann allerdings schon sagen, dass die ganz große Kalkriese-Euphorie verflogen zu sein scheint und viele Autoren sich sehr viel kritischer als noch vor einigen Jahren zur Lokalisierung der Varusschlacht äußern; mit Peter Kehne durfte außerdem ein Gegner der Kalkriese-Hypothese mitmachen.
Des weiteren durchzieht ein angenehmer Humor viele der Zwischen- oder Bildüberschriften; ob es am Lektor lag oder ein neues Stimmungshoch unter Archäologen gibt?
Am interessantesten fand ich hier bisher den "Konflikt"-Band, auch aufgrund persönlicher Interessen. Hier werden aber sehr viele interessante Themen rund um die germanische Welt gestreift, etwa die Feldzüge der Römer in der Slowakei während der Markomannenkriege.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank Ashigaru für deinen ausführlichen und informativen Bericht.

Dem kann ich mich nur anschliessen!

Nachdem ich jetzt alle drei Ausstellungen gesehen habe, fällt mir eine abschliessende Bewertung wirklich schwer. Über den Inhalt der Ausstellungen hat Ashigaru entsprechend berichtet.

Kalkriese hat mir wirklich sehr gut gefallen. Die Sonderausstellung war wirklich toll präsentiert. Durch das eher spärliche Licht wirkte alles ein wenig geheimnisvoll. Die Fundstücke waren wirklich sehr sehenswert, stammten aber überwiegend aus einer Zeit deutlich nach der Varusschlacht.
Haltern hatte in der Sonderausstellung wirklich die wohl beeindruckensten Exponate zu bieten. Allerdings muß ich auch eine Lanze für die Dauerausstellung brechen. Diese ist wirklich beeindruckend. Vieleicht liegt es daran, daß die Funde hier überwiegend aus der "Nachbarschaft" stammen. Das Leben eines Legionärs in Germanien läßt sich in dieser Ausstellung anhand der alltäglichen Gegenstände sehr gut nachvollziehen. Auch der bereits erwähnte Animationsfilm gefiel mir sehr gut.
Detmold war schließlich meine letzte Station. Hier war ich sehr positiv überrascht. Gerade die germanischen Funde, welche hier präsentiert wurden, waren sehr eindrucksvoll.

Alles in allem muß ich sagen, daß all diese Ausstellungen sehr eindrucksvoll waren. Kalkriese war wohl von allen die am besten besuchte. Über 150.000 Besucher wurden gezählt. Die Ausstellung wird daher bis in den Januar 2010 verlängert. Wer noch nicht vor Ort war, dem empfehle ich: Hinfahren!
 
Zurück
Oben