Drei Ausstellungen - zwei Dauerausstellungen
So, hab es gestern auch endlich mal geschafft, mir die Ausstellungen anzuschauen - hier meine Meinung:
Haltern hat zwei Ausstellungen zu bieten, die im Westfälischen Römermuseum und die in der Seestadthalle.
Bei der im Römermuseum handelt es sich um eine Dauerausstellung. Das Museum ist eher klein; in einer halben Stunde hat man alles gesehen. Der Vorteil: hier kriegt man den kompaktesten regionalen Überblick über die Kastelle der Lippe-Linie und ihre Eigenschaften. Viele Funde (auch in Kopien) stammen aus benachbarten Lagern wie Oberaden oder anderen Gegenden. Ein schöner Computeranimationsfilm zeigt die Fahrt eines Getreideschiffs an rekonstruierten Kastellen vorbei die Lippe aufwärts. Unsäglich hingegen der witzig gemeinte Film einer römischen "Tagesschau" auf Ohnsorg-Theater-Niveau.
Die Sonderaustellung "Imperium" in der Seestadthalle war für mich die beeindruckendste der drei Ausstellungen. Ästhetisch sehr schön präsentiert, hält die Klasse der derzeit im kleinen Haltern versammelten Funde meiner Meinung nach selbst mit namhaften Museen wie der Münchener Glyptothek mit. Unter anderem sind dort zahlreiche Leihgaben aus den römischen Museen, darunter etwa Skulpturen und Büsten von Cäsar und der Familie des Augustus, zu sehen. Den inhaltlichen Faden bilden parallel der Aufstieg des Imperiums und die Karriere des Varus; abgeschlossen wird die Ausstellung mit einem knappen Einblick ins römische Germanien. Unbedingt empfehlenswert!
In Kalkriese gibt es ebenfalls die Dauerausstellung des dortigen Museums und eine der drei Sonderausstellungen zu sehen.
Kurz noch ein Wort zum Außengelände: ein Paradebeispiel, denke ich, wie man recht unansehnliche Befunde interessant präsentieren kann (ohne mal jetzt das Fass aufzumachen, dass nun mal tatsächlich hier sehr stark Kalkriese als Ort der Varusschlacht propagiert wird). Auch die archäologischen Befunde und die Arbeit werden hier anschaulich erläutert. Der Rundweg erfolgt über Metallplatten, die unter anderem Auszüge aus den Quellentexten enthalten.
Die Dauerausstellung im potthässlichen rostfarbenen Museumsbau ist ein Meisterstück der modernen Museumspädagogik. Nur noch wenig wird über die Zurschaustellung der Funde gearbeitet, viel mehr über modellhafte Gegenüberstellungen römischen und germanischen Lebens. Bei den Kindern kam besonders ein "Kugelspiel" an, in der die "Diffusion" römischer Truppen als Metallkügelchen in der Kalkrieser Senke "simuliert" wurde. Manches mag zu ästhetisiert erscheinen; dafür liegen aber auch alle wichtigen Quellentexte und Auszüge aus den früheren Forschungen (z.B. Mommsen) vor.
Die Sonderausstellung "Konflikt" hat mir gut gefallen, ist m.E. aber mehr was für den Kenner. Diese Ausstellung ist eher klein, lohnt daher nicht unbedingt die ganz weite Anfahrt. Hier geht es mehr um die Germanen des späten 2. bis 4. Jahrhunderts; die Varusschlacht an sich wird eigentlich nicht mehr behandelt. Der Schwerpunkt liegt bei der Darstellung und Untersuchung der Kriegergesellschaften. Dabei werden anschaulich einige neuere Forschungserkenntnisse und -hypothesen geschildert - anhand ritueller Waffenniederlegungen gehen Archäologen etwa von heftigen innergermanischen Konflikten während des 3. Jahrhunderts in Dänemark aus. Auch auf hierzulande weniger populäre Themen wie den Markomannenkrieg wird eingegangen. Das spektakulärste Exponat ist hier wohl der Silberschatz von Neupotz.
Im lippischen Landesmuseum Detmold residiert die Ausstellung "Mythos". Ja, auch hier gibt es beeindruckende Funde; unter anderem eine Tacitus-Abschrift aus dem Mittelalter und Teile des Hildesheimer Silberschatzes und eine übermannsgroße Thusnelda-Statue. Mir persönlich haben allerdings die Idole aus dem Moor bei Oberdorla am besten gefallen. Dennoch hat mir diese von den drei Sonderausstellungen am schlechtesten gefallen. Zum einen finde ich die Räume recht überfrachtet; was störend ist, weil dabei ein Bogen über 2000 Jahre Geschichte geschlagen wird und Exponate aus quasi allen Epochen, dass Frühmittelalter mal ausgenommen, zu finden sind. Zum einen wurde das Konzept nicht so strikt eingehalten; man hat sich nicht auf Mythos und Rezeption beschränkt, sondern wollte gleichzeitig auch noch verschiedene Aspekte des germanischen Lebens schildern. Die beeindruckenden antiken Funde stellen die auch noch räumlich abgetrennten Säle zur neuzeitlich-modernen Rezeption doch sehr in den Schatten. Die Multimedia-Präsentation in einem Raum hat mir auch nicht gefallen. Über Computerterminals kann man sich durch Massen von Titelblättern erschienener Varus-Belletristik (manchmal auch mit Leseproben) klicken; nur erfährt man darüber nicht mehr, als dass es seit der Neuzeit Unmengen an Arminius-Literatur gibt. Dazu gibt es merkwürdige, auch recht langweilige Filmchen mit Prominenten (u.a. eine Eva-Herman-Rezension eines Thusnelda-Romans oder Mo Asumang, die politisch überkorrekt Afrikanismen und Germanismen vergleichen will). Dafür ist der "Comedy"-Einschlag hier besser gelungen als in Haltern: ein Schauspieler bringt in kurzen Filmen recht witzig die unterschiedlichen Epochenperspektiven zur Varusschlacht rüber (unter anderem als preußischer Offizier verkleidet). Ein Besuch lohnt sich trotz der Mängel.
Die Bände zu den Ausstellungen habe ich mir auch besorgt, freilich erst überflogen. Man kann allerdings schon sagen, dass die ganz große Kalkriese-Euphorie verflogen zu sein scheint und viele Autoren sich sehr viel kritischer als noch vor einigen Jahren zur Lokalisierung der Varusschlacht äußern; mit Peter Kehne durfte außerdem ein Gegner der Kalkriese-Hypothese mitmachen.
Des weiteren durchzieht ein angenehmer Humor viele der Zwischen- oder Bildüberschriften; ob es am Lektor lag oder ein neues Stimmungshoch unter Archäologen gibt?
Am interessantesten fand ich hier bisher den "Konflikt"-Band, auch aufgrund persönlicher Interessen. Hier werden aber sehr viele interessante Themen rund um die germanische Welt gestreift, etwa die Feldzüge der Römer in der Slowakei während der Markomannenkriege.