Auswertung eines Bildes

Rikadea

Mitglied
Guten Tag zusammen,

ich hätte einmal eine Frage bzw. würde gerne wissen wie ihr das seht, da ihr über viel mehr wissen verfügt als ich, auch um zu schauen ob ich mit meinen Gedanken auf dem richtigen Weg bin.
Sollte das Thema an dieser Stelle völlig falsch sein, dann bitte ich um Entschuldigung.

Es geht um die Auswertung eines Bildes im Hinblick auf die hygienischen Verhältnisse und der Haushaltsausstattung.

Das Bild um das es geht:

Das Bild als Quelle.JPG

Haushaltsausstattung
  • Bett
    • Bettvorhang
    • Bettdecke (möglicherweise 2 Bettdecken, auf Grund der unterschiedlichen Farben, es könnte aber auch nur eine sein)
    • Bettlaken
    • 2 verschieden farbige Kissen
  • Tisch
    • Brot
    • Zwiebeln (?)
    • Holzkörbchen
    • Trinkbecher
    • Messer
    • Kanne
    • Tischdecke
  • beschlagene Truhe
    • Schüssel (Farbe erinnert an Bronze , könnte Wasser enthalten)
    • Halsketten / Perlenkette
    • Gürtel mit Schlüssel (Hausschlüssel, Vorratskammer, Truhen etc.)
  • Bank / Hocker (Frau ,die das Neugeborene (Maria) hält, sitzt darauf)
  • Wanne mit Wasser
  • Karaffe links von der Wanne
  • Vase mit Henkel und Kräutern / Pflanzen darin (rechts von der Wanne auf Boden)
  • Teller (in der Hand der Frau ganz rechts)

Hygienische Verhältnisse

Nur an Hand eines einzelnen Bildes auf die hygienischen Verhältnisse Rückschlüsse der damaligen Zeit zu ziehen finde ich schwierig, da das was man sieht ja nicht allgemeingültig sein muss, sondern nur das was der Betrachter sehen soll.
Auf der anderen Seite heißt das wiederum ja nicht das es nicht tatsächlich so gewesen sein kann / muss.

An sich macht das Bild hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse einen sehr guten Eindruck auf mich.
Es ist sehr sauber, selbst wenn Lebensmittel auf dem Tisch liegen, was ich jetzt aber nicht zwangsläufig als Kritikpunkt sehen würde. Möglich das die Gebärende vor oder während der Geburt etwas gegessen hat und man danach keine Zeit hatte es zügig wieder weg zu räumen.

Da die Frau ganz links im Altarbild die Füße im Wasser hat, gehe ich stark davon aus das sich auch gewaschen wurde. Vermutlich aber bei weitem nicht so regelmäßig wie wir das heute gewohnt sind, da man nur den Wasserhahn aufdrehen braucht um an Wasser zu kommen.
Meines Wissens nach musste im 15. Jahrhundert das Wasser per Hand herangeschafft werden. Je nachdem wo man lebte und zu welcher Gesellschaftsschicht gehörte, war es ungleich schwerer an Wasser zu kommen. Auch war die Vorbereitung viel aufwendiger, wenn man sich nicht mit eiskaltem Wasser waschen wollte.
Dementsprechend wurde Wasser sparsamer oder häufiger genutzt.

Neben der Körperpflege wurde Wasser auch zum Kochen und Reinigung im Haushalt, bspw. des Geschirrs und der Böden gebraucht / verwendet.
Da das Altarbild die Geburt Marias darstellt, käme hier noch hinzu das nach der Geburt das Bettlaken und alle anderen Elemente der Bettstatt vermutlich gewechselt wurden.
Ob das Standard war bin ich mir unsicher. Ich vermute hier spielte wieder die Gesellschaftsschicht eine Rolle, aber auch welche Möglichkeiten man gerade verfügbar hatte und wo das Kind zur Welt kam.

Was denkt ihr, könnte man das so im allgemeinen stehen lassen?

Vielen Dank für Antworten im Voraus!
 
Bei der "Halsketten / Perlenkette" handelt es sich um einen Rosenkranz...
Zwiebel und Knoblauch waren wichtig für die Geburts-Nachsorge.

Gruss Pelzer
 
Zuletzt bearbeitet:
Es geht um die Auswertung eines Bildes im Hinblick auf die hygienischen Verhältnisse und der Haushaltsausstattung.
Paar Punkte zu Deiner Bildanalyse:
• Rückschlüsse lassen sich insofern ziehen, dass etwas zumindest bekannt war.
• »beschlagene Truhe« = Bettstiege, die häufig mit abschließbaren Deckeln versehen war. (Vgl.: Renaissance-Bett im Met)
• »Tisch« = Wangentisch (Wangen = die beiden seitlichen Stützplatten).
• In Deiner Liste hast Du die Bekleidungen (inkl. Kopfbedeckungen) vergessen. Dabei ließe sich spekulieren, dass es sich bei der als Hebamme fungierenden, (sehr) vornehmen Frau (rechts) um eine adelige Stifterin des Bildes handeln könnte.(auch wenn das Museum als Stifter Leonhard Pogenhofer, Inhaber der Burg Ibm und Stiefbruder des Passauer Bischofs Friedrich Mauerkircher vermutet. @ landesmuseum.at) Möglich wäre aber auch eine Patronin des Stifters.(?)
• Eher nur kunsthistorisch relevant (hier jedoch stark bildbestimmend) ist die Technik der räumlichen Darstellung.(hier bereits mit Fluchtpunkten, bei der Bettstiege und der Figurgröße der Hl. Anna allerdings inkonsequent)
Maiglöckchen erzählen übrigens, dass es bei der dargestellten Person um Maria handelt. Das bekannteste und auch im 15. Jh. häufig verwendete Mariensymbol ist die weiße Lilie. Hier wurde vermutlich das Maiglöckchen gewählt, da es bei Maria noch um ein Baby handelt.
• Insbesondere bei Darstellungen des Spätmittelalters empfiehlt es sich, unbedingt auch andere Werke mit dem gleichen Thema zu konsultieren. Hier bei Wikimedia Commons mal eine Version von Hans Holbein (wo Du auch erfährst, warum die Frau ihre Füße im Wasser hat)
 
Zuletzt bearbeitet:
Dabei ließe sich spekulieren, dass es sich bei der als Hebamme fungierenden, (sehr) vornehmen Frau (rechts) um eine adelige Stifterin des Bildes handeln könnte.(auch wenn das Museum als Stifter Leonhard Pogenhofer, Inhaber der Burg Ibm und Stiefbruder des Passauer Bischofs Friedrich Mauerkircher vermutet. @ landesmuseum.at) Möglich wäre aber auch eine Patronin des Stifters.(?)
Du bist in der Kunstgeschichte bewandert als ich, aber ich kenne Stifterfiguren in Heiligenbildern eigentlich nur in anbetender Pose und bedeutungsperspektivisch ungefähr um den Faktor 2 verkleinert. Hast du Bsp.e für ins biblisch-historische Geschehen eingreifende Stifterfiguren?
 
Du bist in der Kunstgeschichte bewandert als ich, aber ich kenne Stifterfiguren in Heiligenbildern eigentlich nur in anbetender Pose und bedeutungsperspektivisch ungefähr um den Faktor 2 verkleinert. Hast du Bsp.e für ins biblisch-historische Geschehen eingreifende Stifterfiguren?
Na ja, zumindest in der Flämischen Primitive und in der Altniederländischen Malerei soll es vorgekommen sein, dass die Darstellung des Stifters nicht unbedingt von der Hauptszene abgetrennt wurde.(mitunter werden auch Selbstportraits vermutet) Da die Ära nicht unbedingt mein Steckenpferd ist, habe ich im Moment kein konkretes Beispiel im Kopf (nur vage eine Kreuzabnahme mit einem helfenden Stifter). Werde noch nachschauen...

Wie dem auch sei, die Frau rechts trägt eigentlich kaum etwas zum Geschehnis bei und gehört durch ihre Kleidung eindeutig zum Hochadel. Ihre Züge deuten auf ein gewisses Alter hin, das mit Heiligendarstellungen kaum zu vereinbaren wäre.
Würde hier übrigens nicht mehr von einer Bedeutungsperspektive reden, obschon die Übergröße der Hl. Anna sicherlich noch von dieser Tradition beeinflusst worden ist. Die Bildkonstruktion wird viel eher vom Versuch einer (konstruierten) perspektivischen Darstellung dominiert, sodass die Skalierung der Figuren eher den räumlichen Verhältnissen folgt, womit die Körpergröße der Frau rechts aus meiner Sicht keinen verlässlichen Anhaltspunkt bietet.
 
Wasser ist zum Waschen da .... Aber stimmt das so? Ging man nicht eher davon aus, das Wasser schlecht war und krank machte? Bevor die Seife erfunden wurde, griff man doch eher zum Puder und zum Duftwasser. Oder liege ich jetzt zeitmässig voll daneben?
 
Wasser ist zum Waschen da .... Aber stimmt das so? Ging man nicht eher davon aus, das Wasser schlecht war und krank machte? Bevor die Seife erfunden wurde, griff man doch eher zum Puder und zum Duftwasser. Oder liege ich jetzt zeitmässig voll daneben?
Ja, das ist etwas früh. Dass man Wasser für gefährlich hielt, hing paradoxerweise mit der Aufklärung und mit der Entdeckung im Wasser lebender Minimaloranismen zusammen, deren Eindringen durch die Hautporen man für möglich hielt.
 
Werde noch nachschauen...
Auf seiner Grablegung Christi soll Rogier van der Weyden Nikodemus mit den Zügen des Auftraggebers abgebildet haben. (@ en. Wikipedia. Siehe auch Dirk de Vos, Rogier van der Weyden, Hirmer Vlg., München, 1999, S. 330.)
Nicht separierte Stifter sind auf der Mitteltafel des in Wien befindlichen Kreuzigungstriptychons van der Weydens zu sehen. (@ dt. Wikipedia)
Bemerkenswert auch das Andachtsgemälde Medici Madonna, worin van der Weyden die Maria lactans mit den Schutzheiligen der Medici zeigt. (@ staedelmuseum.de)
 
Guten Tag zusammen,

zuerst einmal möchte ich mich bei allen für die vielen Antworten bedanken.
Sie haben gut weiter geholfen, aber auch einige Fehler aufgedeckt, die ich gleich korrigiert habe.

Bei der "Halsketten / Perlenkette" handelt es sich um einen Rosenkranz...
Zwiebel und Knoblauch waren wichtig für die Geburts-Nachsorge.

Gruss Pelzer

Nicht nur da - Knoblauch wirkt allgemein entzündungshemmend.

Da es sich um ein Altarbild handelt macht natürlich ein Rosenkranz viel mehr Sinn als seine Perlenkette, auch wenn die Richtung mit den Perlen vielleicht nicht ganz falsch war.

Zum Knoblauch habe ich noch etwas weitergelesen und habe bisher dazu folgendes herausgefunden:

Ursprünglich in Zentral- und Südasien beheimatet, gilt aber seit etwa dem 8.  Jahrhundert auch in Deutschland als Nutzpflanze.
(Brockhaus, Knoblauch. Knoblauch - Enzyklopädie - Brockhaus.de )

-> Knoblauch würde auch zur Vorbeugung von Krankheiten, Bspw. der Pest, genutzt
(Vermutlich auf Grund der entzündungshemmenden Wirkung bzw. wegen dem Geruch)
-> bereits als Opfergabe im Alten Ägypten benutzt, auch als Zahlungsmittel, aber man gab es auch den Sklaven zur Stärkung und zur Unterstützung der Ausdauer beim Pyramidenbau
-> in Griechenland erhielten die Athleten ihn und die Soldaten bevor sie in die Schlacht zogen
-> über die Kreuzfahrer verbreitete sich der Knoblauch nach Europa
-> Zwiebeln und Knoblauch ließen sich leicht anbauen und waren schon damals für wenig Geld zu bekommen, daher auch Speise für Arme => Volksnahrung
-> mit steigender Bildung schlug in den höheren Ständen die Beliebtheit um
=> Geruch des Knoblauch enttarnte nun den Mann aus dem niederen Volke
-> heute ist es eine Gewürz- und Arzneimittelpflanze

Paar Punkte zu Deiner Bildanalyse:
• Rückschlüsse lassen sich insofern ziehen, dass etwas zumindest bekannt war.
• »beschlagene Truhe« = Bettstiege, die häufig mit abschließbaren Deckeln versehen war. (Vgl.: Renaissance-Bett im Met)
• »Tisch« = Wangentisch (Wangen = die beiden seitlichen Stützplatten).
• In Deiner Liste hast Du die Bekleidungen (inkl. Kopfbedeckungen) vergessen. Dabei ließe sich spekulieren, dass es sich bei der als Hebamme fungierenden, (sehr) vornehmen Frau (rechts) um eine adelige Stifterin des Bildes handeln könnte.(auch wenn das Museum als Stifter Leonhard Pogenhofer, Inhaber der Burg Ibm und Stiefbruder des Passauer Bischofs Friedrich Mauerkircher vermutet. @ landesmuseum.at) Möglich wäre aber auch eine Patronin des Stifters.(?)

• Eher nur kunsthistorisch relevant (hier jedoch stark bildbestimmend) ist die Technik der räumlichen Darstellung.(hier bereits mit Fluchtpunkten, bei der Bettstiege und der Figurgröße der Hl. Anna allerdings inkonsequent)
Maiglöckchen erzählen übrigens, dass es bei der dargestellten Person um Maria handelt. Das bekannteste und auch im 15. Jh. häufig verwendete Mariensymbol ist die weiße Lilie. Hier wurde vermutlich das Maiglöckchen gewählt, da es bei Maria noch um ein Baby handelt.
• Insbesondere bei Darstellungen des Spätmittelalters empfiehlt es sich, unbedingt auch andere Werke mit dem gleichen Thema zu konsultieren. Hier bei Wikimedia Commons mal eine Version von Hans Holbein (wo Du auch erfährst, warum die Frau ihre Füße im Wasser hat)


Hier habe ich noch einmal zwei Frage:

1. Beim Wangentisch, ist die Form (Bspw. durch Schnitzereien verändert) der beiden seitlichen Stützplatten egal und einzig und allein entscheidend ob sie mit einem Balken senkrecht zur Tischplatte verbunden sind?

2. Wie bist du in Wikimedia Commons an die Informationen zum Bild gekommen, das du verlinkt hast?
Ich finde zwar das Bild aber keine Informationen dazu, auch nicht warum die Frau ihre Füße im Wasser hat, wenn ich die Verlinkungen durch gehe.
Vielleicht mache ich ja auch etwas falsch.


 
1. Beim Wangentisch, ist die Form (Bspw. durch Schnitzereien verändert) der beiden seitlichen Stützplatten egal und einzig und allein entscheidend ob sie mit einem Balken senkrecht zur Tischplatte verbunden sind?

2. Wie bist du in Wikimedia Commons an die Informationen zum Bild gekommen, das du verlinkt hast?
Ich finde zwar das Bild aber keine Informationen dazu, auch nicht warum die Frau ihre Füße im Wasser hat, wenn ich die Verlinkungen durch gehe.
Vielleicht mache ich ja auch etwas falsch.
1. Ausschlaggebend für den heutigen Ausdruck sind die beiden seitlichen, senkrecht stehenden ›Platten‹ (Wangen), egal welcher Form (häufig geschwungen, frühere Tischböcke nachahmend). Die Tischplatte war hier vmtl. kippbar, um zum Inhalt darunter zu gelangen.(Ein ähnliches Modell ist bspw. in Basel erhalten, allerdings mit einem weiteren Kasten zwischen den Wangen. Konnte auf die Schnelle nur dieses Bild finden: @ alamy.de)

2. Unter »Description« steht, ›Die Geburt der Jungfrau, die Prüfung der Wassertemperatur mit dem Fuß darstellend‹. Es gibt auch andere damalige Abbildungen zum Thema, auf denen die Magd einen Fuß im Wasser hat. Aus meiner Sicht macht die Beschreibung Sinn, zumal ich keinen Grund für das Ritual der Fußwaschung sehe.


PS: Habe meine Anm. bzgl. Asymmetrie der Wange gelöscht, da Fehlinterpretation meinerseits...
 
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Bei der "Halsketten / Perlenkette" handelt es sich um einen Rosenkranz...

Da es sich um ein Altarbild handelt macht natürlich ein Rosenkranz viel mehr Sinn als seine Perlenkette, auch wenn die Richtung mit den Perlen vielleicht nicht ganz falsch war.
Es spricht zwar die Zweifarbigkeit der Perlen für den Rosenkranz, aber ich sehe daran kein Kreuz.

Der Krug mit den Maiglöckchen verdient im Übrigen auch noch mal eine nähere Betrachtung, darauf stehen die Namen IHS (Jesus) und Maria.
 
Ich habe gelesen das Rosenkränze vom Paternostermacher hergestellt wurden.
Dabei trugen die Rosenkränze aus der Zeit des Spätmittelalters häufig eine bunte Quaste statt eines Kreuzes.

Zitat aus der Deutschen Wikipedia - Rosenkranz:
"...Noch im späten Mittelalter gab es den Beruf des Paternostermachers, der aus Knochen und anderen Materialien Perlen für Rosenkränze fertigte. Rosenkränze aus dieser Zeit trugen oft statt eines Kreuzes eine farbige Quaste. …"

Wäre es deshalb möglich das es doch ein Rosenkranz im Bild sein könnte, da das Altarbild aus dem 15. Jahrhundert stammt?
 
Wäre es deshalb möglich das es doch ein Rosenkranz im Bild sein könnte, da das Altarbild aus dem 15. Jahrhundert stammt?
Ich habe lediglich zu bedenken gegeben, dass ich kein Kreuz sähe, aber nicht geschrieben, dass es sich definitiv um keinen Rosenkranz handele. Das mit der Quaste ist mir neu und leider bleibt Wiki hier einen Beleg schuldig (mal abgesehen davon, dass der Satz ein wenig aus dem Zusammenhang gefallen scheint). Aber wenn Wiki stimmt (wovon ich jetzt einfach mal ausgehe), dann passt das doch.
 
Dabei trugen die Rosenkränze aus der Zeit des Spätmittelalters häufig eine bunte Quaste statt eines Kreuzes.
Es handelt sich um einen Rosenkranz auf dem Bild.(hier in größerer Auflösung) Wikipedia hat damit recht, dass damalige Rosenkränze nicht immer ein Kreuz trugen; manchmal eben eine Quaste, manchmal aber eine Betnuss oder einen kleinen Behälter. Was aber auf dem Bild hier dargestellt ist (siehe Ausschnitt), ist mir ein Rätsel. Das Ding erinnert mich irgendwie an eine aufgebrochene Nuss (evtl. an eine Mandel, als Symbol für die unbefleckte Empfängnis).
 
Hallo zusammen,

falls ihr noch an dem Gemälde interessiert sein solltet, hätte ich da einen Vorschlag zum Rosenkreuz-Anhänger zu machen.

Den Rosenkranz-Anhänger halte ich für eine Walnussschalenhälfte, die dem Jesuskind als Krippe dient.
Der dornenlose Rosenzweig auf dem Boden ist ein Mariensymbol ('Pfingstrose'), wobei die aufgebrochene Knospe den Spross der Maria verkörpert − das Jesuskind. Zeichnet man eine Senkrechte von der Knospenspitze nach oben, gelangt man zur Mitte des stilisierten Babykörpers. Eine Waagerechte von der Dornspitze der Gürtelschnalle weist auf das rechte Ende der Walnusskrippe. Der Dorn steht − pars pro toto − für den Dornenkranz am Haupt des Gekreuzigten.


Jesus-Walnuss.png

Marienrose und Walnusskrippe mit Jesuskind

Symbolforscher Manfred Lurker erläutert: "Nach dem Kirchenvater Augustinus ist die Walnuss ein Bild für den Menschen: die grüne Hülle ist das Fleisch, die harte Schale der Knochen und der süße Kern die Seele; im Hinblick auf Christus weist die Hülle auf den die bittere Passion erleidenden Körper, die Schale auf das Kreuz und der Kern auf die göttliche Natur, die Nahrung (Leben) und durch ihr Öl das Licht spendet." (Wörterbuch der Symbolik, Artikel 'Walnuss')

Wie in einer Vision sieht das Kleinkind Maria ihren künftigen Sohn und sein Schicksal vor sich. Ihre Handhaltungen könnten Verzückung und Abwehr ausdrücken.

Die große mattgoldene Schale über dem Rosenkranz, deren Durchmesser den des Heiligenscheins der Anna überragt, mag man als Vorwegnahme des Heiligenscheins Jesu auffassen. Er leuchtet noch nicht, weil sein Kreuzopfer noch nicht vollzogen ist.

Ich hätte noch sehr viel mehr zu dem Bild zu sagen, falls ihr tiefer in die Interpretation einsteigen wollt.
Es gibt da ein recht komplexes Hintergrundthema ...
 
Ich hätte noch sehr viel mehr zu dem Bild zu sagen, falls ihr tiefer in die Interpretation einsteigen wollt.
Es gibt da ein recht komplexes Hintergrundthema ...
Mich würden weitere Hintergründe zum offenbar sehr gelehrsamen Bildprogramm interessieren, zusammen mit der Fragestellung, an welche Rezipienten sich so ein gelehrsames Bildprogramm wendet (und ob diese Verschlüsselungen/Andeutungen als ästhetische Qualität aufgefasst wurden)
 
Verschlüsselungen
Interessanterweise richtet sich Marias Blick genau auf die Schlüssel. Diese sind mit Petrus konnotiert, dem die Schlüssel des Himmelreiches übergeben worden sein sollen. Doch folgt dies einer manipulierten Version, in der die entscheidenden Worte "Tu es Petra et super hanc Petram..." korrumpiert wurden zu "Tu es Petrus...". Der Maler zeigt sich über die authentische Tradition informiert und hat folglich Petra porträtiert.

1716387912265.png



Vgl. https://ia600509.us.archive.org/28/items/MN42067ucmf_0/MN42067ucmf_0.pdf
"Auch die syrochaldäische Version, die nach Ansicht der syro-chaldäischen Gelehrten die Ursprache des Matthausevangeliums war, stimmt vollig
mit der Peschitta iiberein: Tu es Petra (...) et super hanc Petram (...) aedificabo Ecclesiam meam, et portae inferi non expugnabunt eam."
 

Vier-Säfte-Lehre​

Im Zentrum der mittelalterlichen Medizin steht die seit dem Altertum vertretene Lehre der vier Körpersäfte:

"Die Humoralpathologie (zu lateinisch humor: 'Feuchtigkeit', 'Körpersaft', 'Leibessaft'), genannt auch Humorallehre und Humoralbiologie, war eine in der Antike ausgebildete und bis ins 19. Jahrhundert allgemein anerkannte Krankheitslehre von den Körpersäften, deren richtige Mischung bzw. Zusammensetzung Voraussetzung für Gesundheit ist, deren Ungleichgewicht bzw. fehlerhafte Zusammensetzung oder Schädigung hingegen Krankheiten verursachen kann. Grundlage dafür ist die (Vier-)Säftelehre (auch: Vier-Säfte-Lehre, Viererschema), eine von der Antike bis ins 18. Jahrhundert allgemein anerkannte medizinische Konzeption, die erstmals im Corpus Hippocraticum (u.a. in De aeribus [...] und De natura hominis, "Über die Natur des Menschen"; um 400 v.Chr.) zur Erklärung allgemeiner Körpervorgänge und als Krankheitskonzept zur Erklärung vieler Krankheitszustände entwickelt wurde. Sie war nach Begründung der Zellularpathologie durch Rudolf Virchow im 19. Jahrhundert in den ätiologischen und therapeutischen Vorstellungen in Physiologie und Medizin wissenschaftlich überholt. Ursprünge der Viersäftelehre gab es vermutlich schon im Alten Ägypten, sicher aber in der Elementenlehre des Empedokles (490−430 v. Chr.). Den vier empedokleischen Grundelementen Feuer, Erde, Wasser und Luft ordnete Zenon von Elea im 5. Jahrhundert dann die Primärqualitäten heiß, kalt, feucht und trocken zu, auf deren gegensätzliche Wirkungen sich auch Alkmaion bezogen hat." (Wikipedia: 'Humoralpathologie')

Repräsentationen der vier Säftetypen beherrschen das Bildzentrum:
- mattgoldene Schale für Gelbe Galle
- graue Schale mit dunkelgrauer Innenseite für Schwarze Galle
- Glasbecher mit dunkler Flüssigkeit für Blut
- Rundung an der Tischunterkante als Tropfen, der nicht fällt, für (zähflüssigen) Schleim

Koerpersaefte-fin.PNG

Gefäße und Rundung als Säfte

Die Repräsentationen bilden ein Viereck, was ihr harmonisches Zusammenspiel als Voraussetzung der Gesundheit sinnbildet.


Körperöffnungslehre​

Die Blüten der weißen Glockenblume und die Waschzuberlöcher repräsentieren die Körperöffnungen der stillenden Frau. Die Anordnung am Körper wird hier spiegelbildlich abgebildet, ist also von unten nach oben zu lesen.

Die am Kopf befindlichen Öffnungen sind rund um den Krug platziert, dessen bauchige Form einen menschlichen Kopf andeutet. Der Rosenzweig unterhalb des Kruges steht für die weltlichen Sinnenfreuden (Schönheit, Duft, Aroma ...), die dem Menschen über die Sinnesorgane vermittelt werden.

Koerperoeffnungen-neu.PNG

Blüten und Waschzuberlöcher als Körperöffnungen

O​
= Ohren​
B​
= Brustspitze​
An​
= Anus​
A​
= Augen​
H​
= Harnröhrenöffnung​
N​
= Nasenlöcher​
V​
= Vagina​
M​
= Mund​
Mm​
= Muttermund​

Zieht man zwischen den beiden Blüten, die die weiblichen Brustspitzen repräsentieren, eine Linie und verlängert diese nach rechts, gelangt man zur Spitze des milchdrüsenförmigen, milchweißen Bettpfostenabschlusses.

Brustspitzen-fin.PNG

Blüten weisen auf weißen Bettpfostenabschluss als Milchdrüse

Die zum Genitaltrakt der Frau gehörenden Öffnungen (Vagina, Harnröhrenöffnung, Muttermund) sind in Richtung der Vulvaform platziert, die sich auf gleicher Höhe aus Kleidsaum und Unterschenkelkontur ergibt. Dabei ist eine Ecke des Waschzuberholzes mit der Muttermundöffnung vom Tischbein verdeckt, was darauf hinweist, dass sich die Öffnung im Körperinnern befindet. Sie findet sich auf gleicher Höhe mit der Mund-Blüte, ein Hinweis auf beider Formähnlichkeit.

Der längliche Waschzuber verkörpert den Rumpf der Frau.

Als Hinweis auf die bei der Geburt und am Wochenbett nötige Hygiene ist die Analöffnung weitab von den übrigen am vorderen Waschzuberende neben einer großen Kanne platziert, die Waschwasser enthalten dürfte. Ihre graue Farbe, die an Blei erinnert, bildet einen Gegenpol zum lebendigen Rot der Rosenblüte. In der Alchemie ist dem unedlen Metall Blei der Planetengott Saturn zugeordnet, der u.A. den Tod repräsentiert.

Die drei Tropfenformen an der Tischuntereite differenzieren verschiedene Sorten des weißen oder farblosen Schleims:
oben, große Tropfenform: Gehirn-Rückenmark(s)-Flüssigkeit
Mitte, kleine Tropfenform: Ejakulat
unten, mittelgroße Tropfenform: Vaginalsekret

Drei-Tropfen-fin.PNG

Tropfen und Körperflüssigkeiten

Die Körperöffnungslehre habe ich aus der Analyse zahlreicher Bilder unseres Kulturkreises selbst erschlossen. Leider habe ich bisher keine Literatur dazu finden können. Für einen Hinweis wäre ich dankbar.
 
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