Auswirkungen der 68er Revolte auf die Gegenwart

Conaissance

Neues Mitglied
Hi @ all!
Ich weiß: es gibt schon einen Beitrag mit der selben Fragestellung..der hilft mir aber nicht weiter.
Ich muss am Montag meine Geschichts-Präsentationsprüfung( Abi, BW) ablegen und habe für den 10 Minütigen Vortrag folgende Gliederung erstellt:

1968 die Revolte in ihrer Bedeutung für die Gegenwart

1)Enthüllungen um Karl-Heinz Kurras: Muss sich unsere Sicht auf die 68 er ändern? ( Ohnesorg Attentat, Sicht bisher, Sicht nach Enthüllungen..These, dass sich die Geschichte nun ändert)

2) Wie wird die 68 er Bewegung heute bewertet?
-positiv (Schweigen des Faschismus gebrochen, Verdrängtes wird an Oberfläche gebracht, Ende der formierten Gesellschaft,Anitautoritäre Bewegung, Deutsches Selbstverständnis, Demokratisierung, Protestbewegung, Wiedervereinigung als späte Folge der 68er,Erzwungenes Bekenntnis zur Vergangenheit, Kz gedenkstätten,Ziviler Protest--> Schwächen der "Supermacht" USA,)

-negativ
Mitverantwortung für Bildung/ Ausbreitung des Terrorismus, Gewalt, Tote, Politische Radikalisierung, Unfreiheit andersdenkender,68 er Reformen eigentlich Errungenschaften der Vorzeit ( Brandt...)

3) Welche Schlüsse ziehe ich aus dem gelernten? (Fazit)


Findet ihr, ich kann das so lassen? Ist die Gliederung so ok und verständlich?Was würdet ihr am Inhalt ändern?

Ich bin mir total unsicher, ob ich auf dem richtigen Weg bin mit der Präsentation und die Zeit läuft mir davon...also wäre ich sehr dankbar über Hilfestellungen....

Meine Freundin hat das selbe Thema ( selbe Stufe wie ich, selbe Prüfer) und einen total anderen Aufbau:

1) 50 er Jahre Gesellschaft kurz darstellen
2) 68er Bewegung als Opposition zur Elterngeneration
Bereiche der 68er Bewegung ( Friedensbewegung, Bildung, Frauen, Sexuelle Revolution, Alltagskultur, Frage im Bezug auf Gewalt und Gegengewalt-RAF)
3) Was bleibt von 68? Sind die 68er für die heutigen Probleme verantwortlich?

positiv
Bildungsreformen, Bekenntnis zu NS Verbrechen, Frauenemanzipation, Offenerer Umgang mit Sexualität, Alltagskultur
negativ
Ehe und Familie: Wertverlust, Fehlende Disziplin und Respekt, Gewalt...
( Videospiele, Amokläufer, Medien)
Fazit:
Damokratiebewegung und 68er nicht wirklich für die heutigen Probleme verantwortlich

Bitte daran denken: wir haben nur 10 Minuten für den gesamten Vortrag...
Wäre schön, wenn ihr uns mitteilt, was ihr davon haltet/ was verbesserungswürdig erscheint...

DANKE!

Conaissance
 
mir persönlich gefällt die Gliederung deiner Freundin besser, sorry.

Wichtig für das Verständnis ist:
1. Die Konstanz des 3 Reichst in der Ära von Adenauer

2. die starke wirtschaftlche Fixieurng / Fresswelle etc.

3. die unpolitische Haltung der Vorgängergeneration des 68
(siehe Schelsky: Die skeptische Generation)

4. als poltische Rahmenbedingungen sind:
- Vietnamkrieg und die bedeutung von Befreiungsbewegungen
- der Widerstand gegen die Notstandsgesetzgebung
- und der Kampf gegen die "Springer-Publikationen"

5. 68 war auch eine Rebellion gegen die spießbürgerlichen Eltern, garniert mit Marx, Freud, Pardon, Erich E. Neuman und den St. Pauli-Nachrichten

6. Sie waren aber auch sehr wichtig für die Demokratisieurng vieler Gesellschaftbereiche, da der "Diskurs" - also die Begründung von Handlungen - eingefordert wurde. Und damit standen sie im deutlichen Gegensatz zu autoritären Vorstellungen.

Diese Punkte unterstützen eher die Gliederung deiner Freundin. Ich würde mal auch die zeitliche Abfolge von 68 und Brandt ein wenig hinterfragen :winke: Da fand vieles parallel statt und ohne die 68er wäre der Erfolg der Sozial-liberalen nicht möglich gewesen.

Da wünscht man sich doch die klassischen Liberalen (nein nicht Mende) wieder zurück, wie z.B. Prof. Meyerhoffer (hoffe ich habe den Namen korrekt in Erinnerung).

Und voll daneben ist es, eine Linie von den 68zigern zu Videospielen zu ziehen. Da sind völlig andere Interessen im Spiel.

Fazit: Die 68er haben eine wichtige Modernisierung der politischen und sozialen Kultur in Deutschalnd eingeleitet, die sich wie selbstverständlich in den "Tiefenstrukturen" der Gesellschaft abgelagert hat. Und entscheidend zur Demokratisierung und politischen Mündigkeit Deutschlands beigetragen hat, wie alle komparativen Studien zeigen.
 
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Danke

ich werde mich jetzt erstmal über die erwähnetn Themen und Hintergründe informieren.

Danke für die Kritik, denn da die Gliederung ja noch nicht endgültig war habe ich sie modifiziert...

Könntest du mich wissen lassen, was du von der neuen Gliederung hälst?

Grob ist das Referat in 2 Bereiche gegliedert:

Welche Änderungen werden auf die 68er zurückgeführt ?

Wie bewerte ich das ( Fazit)?

( ich denke für mehr reicht die Zeit nicht)

Und erwähnt sind:

Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit
Kapitalismuskritik und Selbstverwaltung
Geschlechterrollen
Bildung und Erziehung
Alltagskultur
Aktionsformen und Gewaltfrage

(+ jeweils ein Fazit zu konkreten Folgen dieser Bewegungen und Ereignisse)

Und zum Schluss meine Meinung zu dem Thema anhand eines Zitates von Hegel ( im Bezug auf eine andere Epoche, 1806 verfasst..finde aber es trifft die Ereignisse ziemlich genau)

"Wir stehen in einer wichtigen Zeitepoche, einer Gärung, wo der Geist einen Ruck getan, über seine vorherige Gestalt hinausgekommen ist und eine neue gewinnt.Die ganze Masse der bisherigen Vorstellungen, Begriffe, die Bande der Welt, sind aufgelöst und fallen wie ein Traumbild in sich zusammen.Es bereitet sich ein neuer Hervorgang des Geistes"

--> die 68er als Wendepunkt der Reflexion über das eigene Verhalten und als Ausgangspunkt der Demokratisierung und Mündigkeit des Bürgers, auch des Bürgers, der einer Minderheit angehört , Fortschritt im Bezug auf Toleranz

jedoch sollten die 68er nicht heroisiert werden und Ideologien und Verhaltensweisen automatisch übernommen werden, da viele Aktionen auch unangemessen waren und teilweise ja auch mit der Entstehung (bzw Verbreitung)des Terrorismus durch die 68er Bewegung argumentiert wird...

--> Auch bei Historikern und Wissenschaftlern Uneinigkeit über Auswirkungen (positiv/ negativ) der 68er Bewegung, dennoch wichtig für Verständnis des deutschen Selbstbildes und daher wichtig sich damit zu beschäftigen...

Findest du die Gliederung so besser?;)

Grüße
Conaissance
 
Zuletzt bearbeitet:
Da wünscht man sich doch die klassischen Liberalen (nein nicht Mende) wieder zurück, wie z.B. Prof. Meyerhoffer
Das ist der berühmte Rechtswissenschaftler Werner Maihofer, weiland auch Rektor der hiesigen Universität.:winke:

... da viele Aktionen auch unangemessen waren und teilweise ja auch mit der Entstehung (bzw Verbreitung)des Terrorismus durch die 68er Bewegung argumentiert wird...
Weil "Terrorismus" inzwischen ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Phänomene und ein Synonym für "das (gesichtslose) Böse schlechthin" geworden ist, würde ich an dieser Stelle stark differenzieren - das machst Du aber vermutlich sowieso.
 
Einfluss der "Revolte" der 68er auf heute

Aufgrund des 40-jährigen Jahrestag von "Woodstock" wird allerorten die "68er-Revolte" thematisiert. Viele sind der Meinung, dass diese Demos damals zu einem entscheidenden Fortschritt im öffentlichen und privaten Leben geführt haben. Ich bin der Meinung, dass dies nicht der Fall ist! Im Gegenteil, ich sehe, dass das eigentliche Ziel, mehr soziales Bewusstsein und Verantwortung in die Köpfe der "Besitzenden" zu bringen, gescheitert ist. Was meint Ihr dazu?
 
Man sollte sich einmal von der etwas eingeengten Denkweise lösen, dass die Veränderungen, die Revolutionen, Revolten u. dergl. erbringen, "fortschrittlich" oder "gut" oder so seien.

Ich sehe es so, dass eine Gesellschaft auf Veränderung des materiellen Umfeldes reagiert, indem sie sich diesem anpasst. Dieser Prozess kann kontinuierlich oder rasch erfolgen, in Abhängigkeit von den Gegenkräften, die sich einer Angleichung widersetzen, so dass der jüngeren Generation immer mehr Widersprüche auffallen - und sie prompt als "rückschrittlich" interpretieren (emotional angereichert, wenn das "Ancien régime" mit den Eltern identisch ist)

Die 68er markieren den Generationswechseln von der Kriegs- zur Wirtschaftwunder-Generation (mit unterschiedlichem Zungenschlag bei den Siegern und bei den Verlierern des 2. WK)

Beispiele :
Die Pille veränderte den (gefühlten) Zusammenhang zwischen Erotik und Kinderkriegen. Die über Jahrtausende entstandenen Spielregeln von Partnerwahl, Ehe und Beischlaf wurden obsolet. Das Festhalten an alten Regeln wurde irrational, da vor dem aktuellen materiellen Hintergrund nicht nötig und nicht nutzbringend.

Ist die Befreiung von den alten Zöpfen nun ein Fortschritt ? Es ist genauso fortschrittlich wie ein Afrikaner, der sich ein billiges Nylonhemd kauft, anstatt sich in tagelanger mühsamer Arbeit ein traditionelles Hemd zu weben.

Entlarvend finde ich in diesem Zusammenhang, den Begriff "Fortschritt" und dessen Inhalte über längere Zeiträume zu verfolgen. Sie verändern sich oft schnell im Takt der Veränderung des materiellen Umfeldes. Gleich bleibt nur die Selbstgefälligkeit, mit der seine Protagonisten ihre jeweilige Überzeugung als die einzig wahre darstellen.
 
Die 68er markieren den Generationswechseln von der Kriegs- zur Wirtschaftwunder-Generation (mit unterschiedlichem Zungenschlag bei den Siegern und bei den Verlierern des 2. WK)

Sorry, aber das ist -gelinde gesagt - nicht korrekt. Interessant ist es sich zunächt den Begiff "Generation" anzusehen. Bei "K. Mannheim" wird er im Sinne einer politischen Kategorie als "Generationslagerung" begriffen, die formativ ist und somit einen Einfluss auf die "politische Sozialisation" hat. In diesem Sinne wird "Generation" umgangssprachlich interpretiert.

Das ist - sieht man von den Ansätzen zur Sozialisationsforschung - mal ab, der erfolgversprechendste Versuch, sich mit dem Konstrukt "Generation" zu beschäftigen.

Inhaltlich ist Deine Aussage deswegen nicht korrekt (vgl. Schelsky: Die skeptische Generation), weil auf die Kriegsgeneration, die Nachkriegs- bzw. Wirtschaftswundergeneration folgte. Gegen diese grenzten sich die 68 aus vielerlei Gründen ab.

Und dieser Protest war absolut notwendig, um die Blockierung der gesellschaftlichen Modernisierung zu überkommen. Aus kulturellen Gründen (Etablierung einer anerkannten "Underground- bzw. Gegenkultur" zur "Hochkultur", sexuelle Befreiung, Demokratisierung der Universitäten etc.), aus innenpolitischen Gründen (mehr Demokratie wagen, Notstandsgesetzgebung etc.) und auch aus außenpolitischen Gründen (neue Ostpolitik, Befreiungsbewegungen, Anti-Vietnam-Krieg)

Die organisatorischen und politischen Erfahrung, die im Rahmen der 68er gesammelt wurden, waren zudem wichtig für die Anti-AKW-Bewegung und in der Folge für die "Neuen Sozialen Bewegungen" wie unter anderem die Bewegung gegen den Nachrüstungsbeschluss.

Und ohne die 68er hätte es keine "Alternativen Listen" bzw. "Grüne-Parteigründungen" gegeben, da sich viele Aktivisten der obigen Gruppierungen aktiv an der Parteigründung beteiligt haben.

In diesem Sinne waren die 68er ein sehr wichtiger Meilenstein zur Demokratisierung Deutschland. Eine Entwicklung, die dazu geführt hat, dass Deutschland bei komparativen Studien zur "Demokratischen Kultur" in der Regel sehr gut abschneidet.

Ansonsten kann ich es mir nicht verkneifen, nochmal "Gen. Willy B" zu zitieren: "Wir müssen mehr Demokratie wagen". Eine Forderung, die noch heute so brisant und zwingend ist wie damals (sorry liebe moderatoren, aber es mußte einfach sein).
 
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Inhaltlich ist Deine Aussage deswegen nicht korrekt (vgl. Schelsky: Die skeptische Generation), weil auf die Kriegsgeneration, die Nachkriegs- bzw. Wirtschaftswundergeneration folgte. Gegen diese grenzten sich die 68 aus vielerlei Gründen ab.
Das verstehe ich nicht
1968 - 1945 = 23.
In Prosa : Die bei Kriegsende geborenen Menschen waren 23 Jahre alt im Jahre 1968.

Die können sich abgrenzen soviel sie wollen, sie gehören der Nachkriegsgeneration an.
 
@ Klaus:

Im Grundtenor kann ich Dir zustimmen. Doch sehe ich als sog. 68erin (meine jüngste Tochter ist 1968 geboren) die Veränderungen als Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung an (die sich sowieso eingestellt hätte), aber wirkliche soziale Erneuerung, Verantwortung u.s.w, die in ihrer Konsequenz letztlich die jetzige Wirtschaftskrise zumindest gemildert, wenn nicht gar verhindert hätte, gab es bei den Verantwortlichen nicht (und wird es wahrscheinlich auch nie geben). Im Gegenteil, im privaten Bereich ist ein bedenklicher Schlendrian eingetreten. Auf breiter Ebene fühlen sich viele Eltern nicht mehr für ihre Kinder verantwortlich, der Ruf nach dem Staat geht lauter denn je durch alle Gesellschaftsstrukturen.

(Und wenn man die satten selbstgefälligen Initiatoren von damals sieht, bei denen das Verblassen der eigenen Ideen mit dem der Haare identisch ist (z.B. Daniel Cohn-Bendit - der rote Danny, Heidi Wieczorek-Zeul u.s.w.) ist nichts verwunderlich!)

Dazu Konfuzius: Die Männer des Altertums, die dem ganzen Reich ein Beispiel der Tugend sein wollten, brachten zuerst ihr eigenes Fürstentum in Ordnung. Wollten sie ihr Fürstentum in Ordnung bringen, so ordneten sie zuerst ihre Familie. Wollten sie ihre Familie ordnen, so kultivierten sie zunächst ihren Charakter. Wollten sie ihren Charakter kultivieren, so läuterten sie zunächst ihr Herz. :winke:
 
Schön, dass ihr euch einig seid, allerdings hat das wenig mit der Diskussion im Bereich der Parteienforschung oder der Forschung zu den Neuen Sozialen Bewegungen zu tun.

Und das jemand das Generationenkonzept von Mannheim "enpassant" zusammen mit Schelksy`s "Skeptischer Generation" auf den Müllhaufen der entsorgten "Konstrukte" und "Theorien" wirft, weil "Er"/ bzw. "Sie" es persönlich anders sieht, muss eigentlich nicht kommentiert werden.

Es wäre schön, wenn Ihr für eure persönlichen Meinungen ein wenig theoretische oder empirische Evidenz bemühen würdet. So habe ich zumindet immer den Anspruch dieses Forum verstanden.

Also viel Spass weiterhin beim gegenseitig auf die Schulter klopfen. Allerdings frage ich mich, welche verquere Motivation vorhanden ist, einen neuen Thread aufzumachen (wobei dieses Thema schon xigmal thematisiert wurde) lediglich um seinen Unmut über die 68er los zu lassen. :autsch:
 
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Aufgrund des 40-jährigen Jahrestag von "Woodstock" wird allerorten die "68er-Revolte" thematisiert. Viele sind der Meinung, dass diese Demos damals zu einem entscheidenden Fortschritt im öffentlichen und privaten Leben geführt haben. Ich bin der Meinung, dass dies nicht der Fall ist! Im Gegenteil, ich sehe, dass das eigentliche Ziel, mehr soziales Bewusstsein und Verantwortung in die Köpfe der "Besitzenden" zu bringen, gescheitert ist. Was meint Ihr dazu?

Ich finde, was in den Diskussionen darüber immer unter den Tisch fällt, ist, dass die Urbewegung von 1968 doch relativ klein war. An der Schah-Demonstration am 2. Juni 1967, die - zu Recht - von Protagonisten wie in späteren Analysen, als Schlüsselereignis gilt, nahmen 400 Demonstranten teil. Recht wenig im Vergleich zu späteren prominenten Demonstrationen, etwa gegen den Nato-Doppelbeschluss.

Das neue an der 68er-Bewegung war die Protestkultur, die aus den USA herüberkam. Es klingt immer durch, dass sich die ersten Protagonisten der Studentenbewegung als eine Avantgarde führte. In einem frühen Text der RAF, die man auch als Erbe von 1968 sehen muss, wird das auch einmal explizit so gesagt.
Die eigene Elitesicht war nicht ganz unberechtigt. Schließlich waren unter den 1968ern etliche, deren Platz in der Bildungselite schon quasi gesichert waren - erinnert sei etwa an den andererseits recht urigen Adorno-Schüler Hans-Jürgen Krahl. Sehr schön kommt das auch im Dokumentarfilm "Starbuck" zum Ausdruck, der Holger Meins behandelt, der zunächst Film studiert und nach einem Hungerstreik starb. In diesem Film sind unter anderem Otto Schily, Wolfgang Petersen oder Reiner Langhans als Zeitzeugen bzw. in Originalaufnahmen zu sehen.

Freilich waren die Ansprüche dieser Leute auf die zu ändernde Gesellschaft recht hoch. Die Enttäuschung über den Verlauf der Bewegung bereits ab Mitte 1968 war dementsprechend groß - einerseits trafen die politischen Vorhersagen insbesondere über die Reaktionen des Staates nicht zu. Andererseits gab es extreme Richtungskämpfe, wobei sich zunächst ein eher konventioneller Neomarxismus durchzusetzen schien. Doch auch diese K-Gruppen erreichten auf der parlamentarischen Ebene nie eine breite Unterstützung.

Es waren eher kulturelle Formen, die sich letztlich durchsetzten. Wobei man dabei beachten muss, dass die Bundesrepublik in den 1970er Jahren noch mal einen enormen Ausbau des Sozialstaates erlebte, also dieses nicht ein Verdienst der 1968er allein waren (genauso, wie sie die Pille zwar anwendeten, aber auch nicht erfanden). Dennoch: Dinge wie Wohngemeinschaften, die Bildung alternativer, selbstverwalteter Kulturzentren (wie es die Frankfurter "Batschkapp" etwa ursprünglich war), oder der Stadtzeitungen etc. - das gehört schon zum Erbe dieser Zeit.
Allerdings verstellt der enge Blickwinkel auf die Jahre 1967/1968, dass vieles erst später in den 1970er und 1980er Jahren passierte (man denke etwa an den Trend der kommunalen Aufarbeitung der NS-Zeit).

Einen weiteren Beleg dafür, dass sich etwas veränderte - ohne dass wir es heute bewerten können - sind recht außergewöhnliche Karrieren ehemaliger 68er. Am prägnantesten etwa in den Fällen Joschka Fischer (vom 68er zum Außenminister) oder Horst Mahler (vom Anwalt zum 68er zum Holocaustleugner).
 
ja, aber Richildis... die 68er Bewegung hat doch vieles bewirkt:

- das Konkubinat (welches früher verboten oder geächtet war), wurde salonfähig
- die Frauen mussten nicht mehr wie früher nur "auf den Rücken liegen, die Beine spreizen und ihre Pflicht abwarten", sondern konnten Wünsche äussern
- man musste früher am Sonntag schöne Kleider anziehen (nix von locker-casual). Das wurde mit der 68er-Bewegung geändert
- die Schule wurde nicht mehr so autoritär geführt, sondern man begann, mehr einen kollegialen Unterrichtsstil zu pflegen (stichwort antiautoritäre Erziehung)
- die Frauen durften Hosen tragen (und nicht wie früher nur Röcke)
- der Vietnamkrieg wurde thematisiert und letzten Endes dann später aufgegeben
- die Musik machte starke Fortschritte (Beach Boys, Beatles, Rolling Stones, Garage Rock etc.)
- in der Tschechoslowakei erhoben sich die Leute gegen ein unterdrückerisches, unmenschliches System (zwar vorläufig ohne Erfolg, aber das wahre Gesicht des Kommunismus kam zum Vorschein).
- Filme wie Easy Riders belebten die Leinwand

Klar ergab sich daraus auch die Rote Armeefraktion, aber wenn Du mich fragst, waren das weltfremde Spinner und in keiner weise mit dem Gros der jungen Leute damals auf der selben Linie. Umgekehrt wurde mit dem Studenten auch nicht zimperlich verfahren (z.B. Benno Ohnesorg). Auch ist mir klar, dass eine antiautoritäre Erziehung in Extremis nichts bringt, aber ingesamt hat die 68er-Bewegung wesentlich zur Entkrampfung der erstarrten Gesellschaft beigetragen.
 
- in der Tschechoslowakei erhoben sich die Leute gegen ein unterdrückerisches, unmenschliches System (zwar vorläufig ohne Erfolg, aber das wahre Gesicht des Kommunismus kam zum Vorschein).
Gab es wirklich Zusammenhänge zwischen der 68er-Bewegung und dem Prager Frühling oder war beides nur im gleichen Jahr?
Dass das wahre Gesicht des Kommunismus zum Vorschein kam, würde ich so auch nicht sagen, den die SU hatte schon in den 50er Jahren gezeigt, wie sie auf solche Vorgänge reagierte, das neue in Prag war soweit ich weiß nur, dass diesmal auch die Regierung Reformen durchsetzen wollte.*


*Ich nehme einfach mal an, dass Du mit dem wahren Gesicht des Kommunismus die sowjetischen Panzer und die Pläne aus der Tschechoslowakei meinst;)
 
@ Themistokles:

Schwierig zu sagen, ob der Prager Frühling einen Zusammenhang mit der 68er-Bewegung hatte oder nicht. Der Prager Frühling und die 68er-Unruhen waren beides Bewegungen, die sich gegen das herrschende Establishment richteten. Im Herbst 1967 gab ist der Tschechoslowakei ebenfalls Unruhen und Studentendemonstrationen. Beide Bewegungen forderten Reformen. Direkte Verbindungen dürfte es aufgrund des Eisernen Vorhangs wohl kaum gegeben haben, aber die westlichen Medien habe zumindest ausführlich über den Prager Frühling berichtet. Umgekehrt dürfte auch das eine oder andere auch in die Gegenrichtung durchgesickert sein.
 
beim Vergleich "Prager Frühling" und den "68er" werden doch zwei völlig unterschiedliche Prozesse verglichen.

Im ersten war es der Freiheitskampf der Tschechen, angeführt durch Dubcek, als gewähltem Regierungschef. In diesem Sinne war es ein zwischenstaatlicher Konflikt auf der Ebene des Warschauer Pakts.

Im zweiten Fall war es eine soziale Bewegung, die hochgradig amorph war, keine völlig einheitliche Zielsetzung verfolgte und auch keine einheitlichen Organisationsstrukturen aufwies.

Anzumerken ist, dass es, soweit ich es weis, keine systematische gegenseitige Wahrnehmung oder Identifikation mit den Zielen der anderen gegeben hätte.

Was bleibt ist die eher zufällige Koinzidenz der Ereignisse.

@megatrend: bei der Aufzählung zum Einfluss der Musik bin ich mit den Beispielen nicht zufrieden. Es waren Bob Dylon, Donovan, Joan Baez oder Richy Haeven, neben anderen natürlich, die als Liedermacher den Protest (Bürgerrechte, Anti-Vietnam etc.) international transportieren. Oder auch Ton, Steine Schwerben (Rio Reiser und co), Wolf Biermann oder Hennes Wader um ein paar deutsche Beispiele zu nennen.
 
Gab es wirklich Zusammenhänge zwischen der 68er-Bewegung und dem Prager Frühling oder war beides nur im gleichen Jahr?

Der Prager Frühling wurde zumindest intensiv beobachtet und wahrgenommen. Viele deutsche 68er hatten Sympathien für Dubtschek, waren dementsprechend geschockt und enttäuscht von der Vorgehensweise der Sowjetunion. Das bereitete auch der neu gegründeten DKP Probleme, die natürlich auf der Linie des Warschauer Pakts stand, und so auf viele potentielle Unterstützer schon in der Anfangsphase verzichten musste. Allerdings - das muss auch gesagt sein - hat es viele der eher kommunistisch orientierten Linken nicht interessiert, was in Prag vor sich ging.
 
@ Megatrend: Also, liebster Megatrend ... meine Hosen trage ich seit 1950, seit ich bemerkt habe, dass "die Lümmel von der letzten Bank" immer wieder versuchten, einem unter die Röcke zu spähen (und irgendwie habe ich sie bis heute anbehalten), ein einmaliger offener Wunsch einer Studienrätin 1961, ich möge doch über meinen Hosen einen Rock tragen, hatte mein Vater (Jahrgang 1912) mit einem schriftlichen (gepfefferten) Ablehnungsbescheid beantwortet.
Die Pille war schon erfunden (ich war dafür auch teilweise "Versuchskaninchen"), die "freie Liebe "ergab sich daraus.

@ Quer durch die Diskussionsbeiträge:
Zwischen "Prager Frühling" und Studentenrevolten sehe ich keinen Zusammenhang, eher damit, dass die Medienlandschaft sich veränderte (Fortschritt der Technik) und immer mehr Informationen unter die Dächer der Menschen flossen. Dadurch haben sich auch veränderte politische Meinungen und Richtungen gebildet (auch in den einseitig informierten Ländern flossen Informationen). Der Wunsch nach Freiheit, der naturgemäß in besetzten Ländern, besonders unter der Prämisse wirtschaftlichen Mangels, sich herausbildet, führt deshalb früher oder später zu Aufständen. Dieser Freiheitswillen hat die Saar z. B. auch gegen das Saarstatut stimmen lassen (obwohl Bevölkerung sich mit den hier ansässigen Franzosen sehr gut verstanden).

Die Studentenbewegung konnte sich nicht homogen formieren, es gab an den einzelnen Universitäten zu unterschiedliche Interessen (es gab kein Internet), die nicht so schnell unter einen Hut zu bringen waren, wie es der Sache dienlich gewesen wäre. Da nützten auch die "Rundreisen" eines Herrn Cohn-Bendit nichts, der an etlichen Universitäten (es scholl der Ruf "der rote Danny kommt" und die Studentenschaft strömte) und Fakultäten versuchte, die Revolte in die Hörsäle zu tragen.

Musikalisch haben eher Elvis und "Kollegen" eine Änderung herbeigeführt, alles Andere waren nur Folgeerscheinungen.

Übrigens Nachkriegsgeneration: ab 1946, 1945 wurde erst der Krieg beendet. Von den armen "45ern " gab es einen großen Prozentsatz an Säuglingssterblichkeit (verhungert).

Allen Diskutanten einen lb. Gruß :friends:
 
Gab es wirklich Zusammenhänge zwischen der 68er-Bewegung und dem Prager Frühling oder war beides nur im gleichen Jahr?

beim Vergleich "Prager Frühling" und den "68er" werden doch zwei völlig unterschiedliche Prozesse verglichen.

Im ersten war es der Freiheitskampf der Tschechen, angeführt durch Dubcek, als gewähltem Regierungschef. In diesem Sinne war es ein zwischenstaatlicher Konflikt auf der Ebene des Warschauer Pakts.

Es gab sicher keine Kontakte oder Absprachen zwischen der tschechischen Reformbewegung und der politischen 68er-Gruppe, aber es gab eine Verbindung über die Medien und vor allem den Zeitgeist.
Die Demos gegen den Einmarsch in Prag brachten Massen auf die Straße, der Einmarsch hat bes. die jugendlichen Deutschen aufgeregt, viel mehr als der Vietnamkrieg.
Wahrscheinlich gab es die Zweifel am "guten Kommunismus" in der Sowjetunion schon seit dem Mauerbau aber spätestens seit Prag wurden die "guten Linken" in China gesehen oder in Albanien.

@Richildis, da mußt du mit den Hosen der Zeit weit voraus gewesen sein. :winke:
Die Hosen für Mädchen kann man der pol.68er-Bewegung zwar nicht anrechnen, die gab es seit ca. 1965, gesellschaftliche Veränderungen starten nicht von 0 auf 100 in einem Jahr sondern da lag schon einige Zeit vorher "was in der Luft".

Edit: Bei den Hosen muß ich mich korrigieren, seit 1965 gab es "Hosen mit Schlag", daran erinnere ich mich, weil ich die in einem erstpubertären Anfall von meinen Eltern ertrotzen konnte. Davor trugen Mädchen im Winter so doofe Latexhosen, sahen wie Skihosen aus.
 
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