Balkanentente 1934

Dosenelepfand

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Hallo.

In der Wikipedia heißt es, die Balkanentente zwischen Griechenland, Jugoslawien Rumänien und der Türkei sei zur Gegenwehr gegen bulgarische revisionistische Ziele ins Leben gerufen worden.

Um welche revisionistischen Ziele handelte es sich dabei? Territorial hat sich im Vergleich der Grenzen vor und nach dem 1. Weltkrieg doch nichts getan (jedenfalls sehe ich das auf zwei mir vorliegenden Karten nicht). Oder ging es abermals um grußbulgarische Pläne, die einst von Russland in San Stefano unterstützt und später von Alexander von Battenberg unabhängig angegangen wurden?


Liebe Grüße,
Hanno
 
Dosenelepfand schrieb:
Territorial hat sich im Vergleich der Grenzen vor und nach dem 1. Weltkrieg doch nichts getan (jedenfalls sehe ich das auf zwei mir vorliegenden Karten nicht).


Dann sieh noch mal genauer hin: Bulgarien hat nach dem 1. WK u.a. den Zugang zur Ägäis verloren.

Such mal Internet "Vertrag von Neuilly", da wurde 1919 mit Bulgarien der 1. WK abgeschlossen.

Jacobum
 
Ich kann zumindest schon mal beitragen, dass unter Zar Ferdinand Bulgarien Adrianopel/Edirne eingenommen hatte, außerdem hatte es zeitweise Zugang zur Ägäis (1912-1918, Westthrakien) und erhob Anspruch auf Mazedonien (die heutige Republik) und die Dobrutscha (S/O-Rumänien). Das sind in der Summe schon Punkte, die ein Verteidigungsbündnis der genannten Staaten rechtfertigen.
 
Du hast nicht unrecht, aber schau mal genau hin. Bulgarien hat in den Balkankriegen vor dem 1. Weltkrieg einiges von dem eingebüßt, das es als sein Territorium ansah. Das Stichwort Battenberg passt schon. Dobruscha, Makedonien und Thrakien brachten Spannungen mit Griechenland, Serbien/Jugoslawien, Rumänien und der Türkei. Schon im 1. Weltkrieg waren es revisionistische Ziele, die Bulgarien an die Seite der Mittelmächte brachte. Statt Gebietserweiterungen verlor Bulgarien den Zugang zum Mittelmeer und Strumica an Serbien. Schau dir die Balkankarte nach dem Krieg Hitlers mit Jugoslawien, vor dem Zusammenbruch der Achsenmächte an um zu sehen das diese Ziele keineswegs abgehakt waren. 1933 näherte sich Bulgarien zeitweilig Jugoslawien an und wurde seinerseits Mitglied in der Balkanentente als dem französisch unterstützten Bündnissystem auf dem Balkan gegen alle Verlierer des 1. Weltkrieges. 1940 waren die Karten neu gemischt durch den 2.Wiener Schiedsspruch. 1941 dann aktives Eintreten in den 2. Weltkrieg, wenn auch nur auf dem Balkan.

Du siehst, dass diese Entente nicht nur gegen Bulgarien, sondern gegen alle revisionistische Bestrebungen auf dem Balkan gerichtet war, das heist im Wesentlichen gegen die Verlierer des 1. Weltkrieges und damit Bulgarien und Ungarn gerichtet. Auch die anderen Verlierer wie die UdSSR (Bessarabien) sollten sehen das Frankreich keine Grenzrevision in Europa dulden würde, denn hinter der Entente stand indirekt Frankreich, das als stärkste Militärmacht in Europa, wenn nicht der Welt galt bis es 1940 unterworfen wurde.
 
Die Kleine Entente 1920-1938

Das Bündnissystem zwischen der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien zwischen den beiden Weltkriegen wird als Kleine Entente bezeichnet.

14. August 1920: Die Tschechoslowakei und Jugoslawien schließen ein Militärbündnis, das für den Fall eines unprovozierten Angriffs Ungarns auf einen der beiden Staaten gelten soll. Rumänien tritt dem Bündnis, obwohl es an Vorgesprächen beteiligt war, zunächst nicht bei, sondern garantiert Waffenhilfe für einen solchen Angriffsfall. Der Grund hierfür war, dass in Rumänien der Gedanke an einen Fünfmächtepakt unter Einschluss von Griechenland und Polen noch nicht aufgegeben war. Initiator des Paktes war der tschechoslowakische Außenminister Beneš, Rumänien wurde jedoch insbesondere von den Westmächte bereits als faktisches Mitglied der Kleinen Entente angesehen. Ergänzend hatte auch Italien mit Belgrad und Prag einen „Anti-Habsburg-Pakt“ geschlossen.

Beim Restitutionsversuch Karls IV. von Ungarn wirkten die Vertragsabschlüsse unter Beteiligung der Westmächte, so dass Karl IV. zum Aufgeben seiner Pläne gezwungen wurde und am 5.4.1921 ungarischen Boden wieder verlassen musste. Am 23. April 1921 trat Rumänien durch beidseitige Verträge mit Belgrad und Prag dem Paktsystem bei, welches auf Wunsch von Rumänien um jugoslawische Garantien erweitert werden musste. Die erweiterten Garantien bezogen sich auf die Einhaltung des Friedens vom Neuilly zwischen Bulgarien und Rumänien und waren damit gegen Aggressionen Bulgariens gerichtet. Im März 1921 hatte sich auch die Tschechoslowakei als Entente-Mitglied zusätzlich der französisch-polnischen Militärkonvention angeschlossen, zur Regelung von Grenzfragen in Oberschlesien. Polen und Rumänien schlossen ebenfalls einen Pakt ab, der sich offiziell gegen Aggressionen der Sowjetunion, zugleich aber auch gegen solche Deutschlands richteten. Auf diese Weise waren die Entente-Mitglieder in weitere Bündnisse eingegliedert.

Einen letzten Restitutionsversuch von Karl IV. im Oktober 1921, bei welchem er mit Freikorps auf Budapest vorrückte, beantwortete die Kleine Entente mit Mobilmachung ihrer Truppen und drohten mit Einmarsch. Die Freikorps wurden jedoch vor den Toren der Hauptstadt von ungarischen Truppen geschlagen, während die Mobilmachung der Entente-Mitglieder anlief, der König wurde ins Exil nach Madeira durch England geschickt. Ungarn beschloss auf Druck der Entente ein Gesetz über die Entthronung der Habsburger.

Am 21. Mai 1929 stimmten die drei Mitglieder, von denen die Tschechoslowakei und Jugoslawien an Frankreich vertraglich gebunden waren, einer Verlängerung ihres Bündnisses auf unbestimmte Zeit zu. Einmal jährlich tagten die Außenminister, die Generalstäbe schlossen Vereinbarungen zur militärischen Abstimmung der Länder. Es gelang indes nicht mehr, Österreich in die Einkreisungsfront Ungarns einzubeziehen, da diese beiden Länder 1929 und 1930 jeweils Freundschaftsverträge mit Italien und zuletzt gegenseitig einen solchen Vertrag am 26. Januar 1931 abschlossen.

Eine weitere Festigung trat am 16. Februar 1933 im Zuge des von Frankreich betriebenen Planes eines Donaubundes ein. Die drei Entente-Mitglieder richteten einen Permanenten Rat ein, der dreimal jährlich unter Führung der Außenminister zusammen trat und die Politik abstimmen sollte. Beneš arbeitete derweil an weiteren Verbindungen, da ihm die innenpolitische Lage in Jugoslawien und Rumänien unsicher erschien, Frankreich sich nach dem Fehlschlag des Donaubundes zunehmend aus dem Balkan-Bereich zurückzog und Ungarn Verbindungen zu Italien und Deutschland suchte.

Die Generalstabsplanungen der Entente-Mitglieder bezogen sich 1929-1937 ganz überwiegend auf den Kriegsfall mit Ungarn oder Bulgarien. Dabei wurden regelmäßig auch die Kenntnisse über die militärische Stärke dieser beiden potentiellen Gegner ausgetauscht. Die so entwickelten Militärkonventionen wurden mit Vereinbarung vom 27. November 1935 als geheime militärische Zusatzvereinbarungen deklariert.

Generalstabsbesprechungen:
Mai 1929 in Bukarest
September 1930 in Belgrad
Mai 1931 in Bukarest
Dezember 1931 in Prag
November 1932 in Belgrad
März 1934 in Bukarest
November 1934 in Prag
November 1935 in Belgrad
Juni 1936 in Bukarest
November 1937 in Prag

Auf der vierten Besprechung wurden erstmals Pläne für einen großen europäischen Krieg besprochen, als mögliche Gegner wurden
1. Deutschland, Österreich und Ungarn gegen die Tschechoslowakei,
2. Italien, Albanien und Bulgarien gegen Jugoslawien
3. Sowjetunion und Bulgarien gegen Rumänien
angenommen.
Die Gefahr eines großen europäischen Zusammenstoßes wurde auch auf der fünften Konferenz besprochen, mit ähnlichen Konstellationen. Alle Planungen richteten sich darauf, in einem Kriegsfall Ungarn schnell zu besetzen, da auf andere Weise der militärische Zusammenhalt der Entente-Mitglieder bei einem Angriff dritter Mächte kaum gesichert erschien. Im November 1932 wurde daher auch in Belgrad ein militärisches Abkommen verabschiedet, welches die Besatzungszonen in Ungarn regelte, das Abkommen wurde bei der Folgekonferenz in Prag geringfügig geändert. Ein Gefahr wurde vor allem in den Römischen Protokollen zwischen Italien, Österreich und Ungarn, daneben in der Möglichkeit eines Anschlusses von Österreich an Deutschland gesehen. Beneš versuchte, Kontakte nach Moskau zu knüpfen, Jugoslawien und Rumänien schlossen im Februar 1934 den Balkanbund mit der Türkei und Griechenland. Die Kriegsszenarien auf der siebten Konferenz 1934 in Bukarest unter Leitung von Antonescu änderten sich:
1. Sowjetunion und Ungarn gegen Rumänien
2. Deutschland und Österreich, ggf. Ungarn gegen Tschechoslowakei
3. Italien und Albanien gegen Jugoslawien

In drei Szenarien wurde wiederum ein Präventivkrieg gegen Ungarn geplant, um die militärischen Verbindungen herzustellen.
Die Veränderungen des Jahres 1935 brachten unterdessen die Annäherung der Tschechoslowakei und Rumäniens an die UdSSR, nicht zuletzt auch wegen der zwischen Frankreich und der UdSSR am 5. Dezember 1934 erzielten Einigung über einen Ostpakt. Die Folgekonferenz in Belgrad brachte daher eine Konzentrierung überwiegend auf die jugoslawischen Belange, eine Bedrohung durch die UdSSR und Bulgarien wurde nicht mehr erörtert. Auch bei diesen Szenarien wurde wieder beschlossen, präventiv in einem europäischen Krieg gegen Ungarn loszuschlagen, auch wenn sich das Land zunächst neutral verhalten sollte.

In 1936 einigte sich Rumänien mit der UdSSR über Bessarabien, die Konferenz der Staatsführungen im Juni 1936 in Bukarest betonte zudem erneut die freundschaftlichen Beziehungen der Entente zu Frankreich (ein jeweils abgeschlossener bilateraler Accord zu Frankreich war im Frühjahr 1936 ratifiziert worden), nahm die ruhenden Kontakte zu Polen wieder auf. Eine weitere Entspannung trat durch den jugoslawisch-bulgarischen Freundschaftspakt vom Januar 1937 ein.
Auch die Planungen des Jahres 1937 klammerten daher die UdSSR als Gegner aus, bezogen Griechenland und die Türkei als Beistandsländer ein und befassten sich mit den möglichen Hauptgegnern Deutschland, Italien, Österreich und Ungarn. Dazu wurde die Schaffung eines einheitlichen Oberbefehls beschlossen, der bei dem militärisch stärksten Partner liegen sollte. Zusätzlich wurde eine Entente-Kommission zur Koordination der Rüstungen gebildet, die sich erstmals im April 1937 in Prag traf. Damit hatten die Entente-Vereinbarungen ihren Höhepunkt erreicht.

Als im März 1938 deutsche Truppen nach Österreich einmarschiert waren, hatte sich die militärische Lage der Tschechoslowakei erheblich verschlechtert. Das Land war nunmehr im Dreiviertelkreis von deutschen Truppen umschlossen. Die Gebietsabtretungen nach der Konferenz von München im September 1938, sowie die Gebietsbesetzung durch Ungarn engten den Raum weiter ein. Im März 1939 rollten neuerlich deutsche Truppen über die Grenze der auf sich allein gestellten Rest-Tschechoslowakei. Die Paktländer Jugoslawien und Rumänien verhielten sich passiv. Die zehn Generalstabsbesprechungen der Entente waren Papierarbeit geblieben, die Entente galt im März 1939 als aufgelöst. Die militärischen Betrachtungen der vergangenen zehn Jahren, in denen 19 Varianten eines Krieges geplant wurden, hatten sich fälschlicherweise mit dem vermuteten Hauptgegner Ungarn beschäftigt.

Quelle: Rudolf Kiszling, Die militärischen Vereinbarungen der Kleinen Entente 1929-1937, München 1959. Südosteuropäische Arbeiten, Band 54.
 
In der Wikipedia heißt es, die Balkanentente zwischen Griechenland, Jugoslawien Rumänien und der Türkei sei zur Gegenwehr gegen bulgarische revisionistische Ziele ins Leben gerufen worden.Um welche revisionistischen Ziele handelte es sich dabei?

Eine sehr informative Zusammenstellung hat silesia gegeben. Da die Usprungsfrage aber auf das Jahr 1934 zielte, ist wohl eher der "Balkanpakt" vom 9.11.1934 gemeint, zumal der auch die oben genannten Mitgliedstaaten umfasst: Jugoslawien, Rumänien, Griechenland und die Türkei.

In diesem Balkanpakt garantierten die Mitglieder ihre gegenseitigen Grenzen. Außerdem sicherten sich die Vertragspartner Hilfeleistung zu, falls ein Balkanstaat sich am Angriff eines Nichtbalkanstaates gegen einen anderen Balkanstaat beteiligte.

Das hieß z.B. für Jugoslawien konkret, dass jeder Angriff Italiens, an dem sich Albanien oder Bulgarien beteiligte, die Hilfeleistung der Vertragspartner auslöste, die bedrohlich erscheinende Einkreisungspolitik Italiens also neutralisiert war.

Bulgarien hingegen erhob nach dem Ersten Weltkrieg Korridorforderungen an Griechenland, d.h. es verlangte einen Zugang zum Ägäischen Meer. Griechenland bot freien Transit und Freihafenzonen an, was Bulgarien als zu geringfügig nicht akzeptierte. Ferner hatte Bulgarien großmazedonische Ambitionen, die sich auch auf griechisches Territorium erstreckten.

Während es für Bulgariens Korridorforderung an Griechenland keine ethnografischen Gründe gab, war das Streben nach Rückgabe der 1913 an Rumänien verlorenen und 1919 erneut abgetretenen Süd-Dobrudscha ethnografisch wohl begründet. Nach der rumänischen Zählung von 1928 waren von den 339 000 Einwohnern der Süd-Dobruschda nur 50 000 Rumänen, aber 137 000 Bulgaren, denen die gleiche Zahl an Türken und Tataren gegenüberstand.

Seine Forderungen trug Bulgarien zunächst schroff, dann auf den Balkankonferenzen der Jahre 1930-1933 gemäßigter vor. Damit festigte es aber lediglich die Front seiner Nachbarn, die am 9.11.1934 in Athen den Balkanpakt (s.o.) abschlossen.
 
Hallo Dieter,

dazu hätte ich eine Nachfrage: Der Balkanbund zwischen Jugoslawien, Rumänien, Griechenland und die Türkei soll am 9.2.1934 in Athen unterzeichnet worden sein, z.B.
http://72.14.221.104/search?q=cache...henland+jugoslawien&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=17

(übrigens eine schöne Zusammenstellung der Bündnispolitik von Jugoslawien)

Gibt es irgendwo den Vertragstext im Netz?

Grüße
Thomas

EDIT:
Ich habe eine Gesprächsnotiz über den Besuch von Boris III. in Berlin vom 1.3.1934 gefunden. Darin skizziert er die Umstände des Balkanbundes:
1. die Initiative sei vom türkischen Außenminister ausgegangen.
2. der Beitritt Bulgariens sei an der griechischen Forderung gescheitert, dass sich Bulgarien zur Anerkennung des status quo und zum VErzicht auf alle Revisionsansprüche verpflichtet; das habe Bulgarien abgelehnt
3. gute Beziehungen versuche man zu Rumänien und Jugoslawien aufzubauen. Jug. suche die Annäherung an Deutschland, man sei es satt, auf dem Balkan die Marionette Frankreichs zu spielen. Ebenso satt seien es die Bulgaren, ständig in italienische Interessen eingebunden zu werden. Boris III. wolle die Beziehungen zu Jug. wesentlich und vorsichtig verbessern (wegen der Mazedonierpartei in Bulgarien), hier und mit Rumänien habe es gute gegenseitige Besuche zur Jahreswende gegeben.

Von daher vermute ich, das Februar-Datum ist richtig. Die entsprechenden Dokumente in den ADAP dazu fehlen leider in der Ausgabe (C, II, 2).
 
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dazu hätte ich eine Nachfrage: Der Balkanbund zwischen Jugoslawien, Rumänien, Griechenland und die Türkei soll am 9.2.1934 in Athen unterzeichnet worden sein.

Ja, das Datum 9.2.1934 für den Abschluss des Balkanpaktes ist korrekt, ich habe mich hier leider auf der Tastatur vertippt.

Im übrigen richtete sich der Balkanpakt gegen Bulgarien und seine gegen Griechenland und Rumänien gerichtete Revisionspolitik. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Griechenland eine Aufnahme Bulgariens ablehnte.

Der Vertragstext ist mir leider nicht bekannt, wie überhaupt über den Balkanpakt von 1934 nur wenig veröffentlicht wurde.

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