Bath Chair

Nergal

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Den Bath-Chair sieht man ja sehr oft in Filmen die zur Zeit des Absolutismus herum angesiedelt sind, wo er eigentlich nur in seiner Funktion als Rollstuhl für Kranke/Behinderte Verwendung findet.
Aber in wie weit war das so, hat man dieses doch sehr große Fortbewegungsmittel ausserhalb der Kurorte in dieser Weise, auch in Kontinentaleuropa, verwendet, oder wurde doch mehr auf "gewöhnliche" Rollstühle zurückgegriffen?

btw: Auf der dt. Wikipedia gibt es keinen Eintrag, was schade ist. Kann man den Namen Bath Chair übernehmen oder ist das Gerät bereits irgendwann eingedeutscht worden?
 
Offengestanden kenne ich den Begriff nicht vom Festland.

Es gibt m.W. einen erhaltenen Rollstuhl von Georges Auguste Couthon (1755-1794), den er selbst konstruiert haben soll. http://les.guillotines.free.fr/Couthon - son Fauteuil .jpg

Ich habe auch schonmal einen Entwurf oder sowas des Rollstuhls von Kurprinz Friedrich Christian von Sachsen (1722-1763) gesehen. Anders als der ebenfalls gehbehinderte König Friedrich I. wurde Friedrich Christian aber auf vielen Porträts dennoch stehend dargestellt. Es gibt ein Familienbildnis Friedrich Christians mit seiner wittelsbacher Verwandtschaft, das ihn im Rollstuhl zeigt. Es stammt von Peter Jakob Horemans. (Leider konnte ich das auf die Schnelle nicht online finden.)
 
Da ist nicht viel zu erkennen, scheint ein normaler Stuhl mit Beinen zu sein der auf Rädern ruht.
 
Hallo,

gebraucht wurde dieses Exemplar ein klein wenig später, ist aber dennoch interessant, denn zwar kann man nicht selbst fahren, aber offensichtlich selbst lenken (womit man denjenigen, der schiebt, sicher in den Wahnsinn treiben kann) - das ist Talleyrands Rollstuhl (der steht Valençay):


Viele Grüße,
gnlwth
 

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Hoffe das verstößt hier nicht gegen die Etikette:
Nun hat mir Jemand anonym einen Roten Stern verpasst und dort
Was erwartest Du! Technische Steuerung und 400 PS Motor?
hingeschrieben.
Ehrlich gesagt finde ich das schon ziemlich daneben, das hätte man auch hier posten und diskutieren können.
Auch erwarte ich nichts sondern habe nur einige Sachen festgestellt, hauptsächlich dass ich da nicht viel erkennen kann.
 
Hallo,

gebraucht wurde dieses Exemplar ein klein wenig später, ist aber dennoch interessant, denn zwar kann man nicht selbst fahren, aber offensichtlich selbst lenken (womit man denjenigen, der schiebt, sicher in den Wahnsinn treiben kann) - das ist Talleyrands Rollstuhl (der steht Valençay):


Viele Grüße,
gnlwth

Also wenn ich mir das Teil anschaue und mir vorstelle drin zu sitzen..
Erstmal schaut es so aus, als ob man ein ziemlich dünner Mensch sein musste um sich nicht an der Lenkgabel zu "zwicken",
und gelenkt hat man wohl mit einer Hand unmittelbar vor der Brust.
Was für ein kurioses Teil.:autsch:

Was hatte der Talleyrand für einen Körperbau?
Na, gut vielleicht ein bisserl OT..

Grüße
hatl

P.S. ..vielleicht war es aber auch so, dass der Insasse des Stuhls garnicht selber lenkte, sonder ein Mensch der vorne weg ging,
und das Ding einfach aus Platz- oder anderen Gründen mit falsch angeordneter Gabel aufgestellt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
So habe ich das noch nicht gesehen.
Wenn der "Fahrgast" damit gelenkt hat dann stelle ich mir das gleich so vor als wäre dieser sehr kränklich, abgemagert und würd weit nach hinten in der Lehne liegen,
Einen Fehler bei der Ausstellung kann ich mir da aber weniger denken, denn die Abbildungen solcher Stühle zeigen zumeist den Fahrzeuginsassen am Steuer, obwohl gelegentlich auch gezeigt wird dass der BC gezogen werden kann, von Mensch und Tier.
 
Guten Morgen,

das stimmt, da bin ich auch überhaupt nicht drauf gekommen - das muss eigentlich so sein, dass da von vorne gelenkt wird (also jemand das Gefährt hinter sich her zieht). Denn Talleyrand, so schlank er lange Zeit war, wurde im Alter (als er den Rollstuhl nutzte) dann doch ein wenig korpulent (und war mit 1,77m Körpergröße für damalige Verhältnisse sogar ein recht großer Mann). Kann man sich vorstellen, dass er so:

d4626588x.jpg


in den Rollstuhl gepasst hätte? Eher nicht. Die Deichsel muss also nach vorne gezeigt haben. Das heißt, man brauchte, um damit vorwärts zu kommen, mindestens zwei Leute: Einen, der hinten schiebt, und einen, der vorne zieht und lenkt.

Viele Grüße,
gnlwth

P.S. Talleyrand hatte anscheinend Spaß daran, sich in diesem Rollstuhl so schnell wie möglich durch den Garten/Hof von Valençay schieben zu lassen, so lange, bis das Ding irgendwann umfiel, und er mit dem Gesicht auf den Kies der Einfahrt knallte. Er war offensichtlich relativ lädiert und unterließ solche Rollstuhlrennen fortan - sehr stabil und gut lenkbar sieht das Gefährt ja auch nicht aus...
 
Amüsant, die Geschichte mit dem "Rollstuhlrennen".

Die Deichsel muss also nach vorne gezeigt haben. Das heißt, man brauchte, um damit vorwärts zu kommen, mindestens zwei Leute: Einen, der hinten schiebt, und einen, der vorne zieht und lenkt.

Ein "Zieher" und "Lenker" vorne würde doch einen zusätzlichen "Schieber" hinter entbehrlich machen? Ich sehe auf dem Foto auch keine Griffe hinten bzw. sonstige Schiebe-Vorrichtung.
 
Die Dinger wurden gezogen, konnten aber auch geschoben werden.
In diesem Falle ist es wie gnlwth vermutete, dass der Insasse des Bath Chairs lenkte.
Es gab nur einen der entweder zog oder schob.

Der seltsame Stuhl von Talleyrand wurde wohl nur gezogen.
 
@Nergal: ich war's nicht :)

Eigentlich hatte ich nach einem anderen Original gegoogelt, dass ich mal im Bayerischen Nationalmuseum gesehen hatte, es war ein Rollstuhl aus dem späten 18.Jh. der mit Hilfe von Kurbeln auf den Armlehnen gefahren und gelenkt wurde (oder so ähnlich) leider habe ich kein Foto von diesem gefunden. Er wurde vor einigen Jahren in der Ausstellung "Der Herr im Hause" gezeigt.
Wenn man sich das verlinkte Bild vergrößert sieht man auch dort Kurbeln auf den Armlehnen!
 
@ gnlwth
Ist bekannt, ob er sich den Rollstuhl hat aus England schicken lassen? Er wird ja bestimmt seine Beziehungen gehabt haben.
 
@ gnlwth
Ist bekannt, ob er sich den Rollstuhl hat aus England schicken lassen? Er wird ja bestimmt seine Beziehungen gehabt haben.
Das weiß ich leider nicht. Vermutest Du, dass der Rollstuhl aus England stammt, weil er so aussieht, wie ein Miniatur-Bath-Chair? Talleyrand war ja von 1830-34 Botschafter in England, er könnte ihn sich natürlich von dort mitgebracht haben. Sehr gut zu Fuß war er ja in London schon nicht mehr (nicht, dass er jemals gut zu Fuß war), ob er aber bereits dort einen Rollstuhl benutzte, weiß ich auch nicht. Übrigens hat er sich in Valençay die Stufen der Haupttreppe (innen) tiefer legen lassen, was ein bisschen irritierend ist, wenn man die Treppe hoch- oder runtergeht. Barrierefrei 19th century style.

Viele Grüße,
gnlwth
 
@ gnlwth
Ist bekannt, ob er sich den Rollstuhl hat aus England schicken lassen? Er wird ja bestimmt seine Beziehungen gehabt haben.

Ich würd mal sagen, dass der Bath-Chair aus Bath in England keine technologische Höhe aufwies.
Das Prinzip und auch die Ausführung sind so simpel, dass sie überall nachvollzogen werden konnten. Jeder Stuhl- und Kutschenbauer hätte das ohne besondere Mühe gekonnt.
Es wäre wohl eine kuriose und bemerkenswerte Anerkennung der britischen Kulur gewesen, wenn ausgerechnet der Aussenminister des napoleonischen Frankreichs so etwas von da importiert hätte.
Insbesondere wenn man bedenkt, dass Frankreich bereits 1769 das erste Automobil der Welt baute.

Hätte Talleyrand das wirklich aus England importiert,
so dürfte man verwundert sein.
Aber mei, die Geschichte war und ist stets verwunderlich..
 
Es wäre wohl eine kuriose und bemerkenswerte Anerkennung der britischen Kulur gewesen, wenn ausgerechnet der Aussenminister des napoleonischen Frankreichs so etwas von da importiert hätte.

[...]

Hätte Talleyrand das wirklich aus England importiert,
so dürfte man verwundert sein.
Aber mei, die Geschichte war und ist stets verwunderlich..

Ja, das ist ein gutes Argument. Frankreich war ja auch nicht gerade hintendran, was Innovationen angeht (allerdings nahm die Industrielle Revolution halt schon ihren Ausgang in England, da hinkte Frankreich dann doch hinterher - nur ist der Rollstuhl ja nun nicht dampfbetrieben, also spielt das zugegebenermaßen keine große Rolle). Der von Dir angeführte Fardier à vapeur war jetzt aber auch nicht soooo die Erfolgsgeschichte, oder? Aber bemerkenswert ist er schon, da gebe ich Dir Recht.

Und na ja - zu der Zeit, als Talleyrand den Rollstuhl nutzte, war er ja schon seit fast 30 Jahren kein Außenminister mehr und Napoleon selbst schon knapp 15 Jahre tot - dessen Anglophobie (bzw Hass auf das "perfide Albion") dürfte da also keine Rolle mehr gespielt haben. Im Gegenteil, Talleyrand war zwar nicht gerade hysterisch anglophil, hatte aber auch Zeit seines Lebens überhaupt keine Probleme, englische Produkte zu benutzen, auch wenn das wenig opportun war (ich müsste nachsehen, woher ich das habe, aber ich bilde mir ein, er besaß zum Beispiel während der Französischen Revolution ein Englisches Teeservice (vermutlich Wedgewood) - Porzellan vom Feind und nicht aus Sèvres!) - also wie auch immer, Ressentiments England gegenüber dürften ihn nicht davon abgehalten haben, etwas anzuschaffen, das er für praktisch/nützlich/schön/... hielt. Ob das Ding es wert gewesen wäre, einen solchen Aufwand zu treiben und es zu importieren, ist eine ganz andere Frage, aber das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, was man in Frankreich zu der Zeit so hergestellt hat an Rollstühlen. Da ich auch selbst keine Erfahrung mit welchen habe, kann ich auch nicht wissen, ob man vielleicht lieber ein bequem gewordenes, gewohntes Modell mitnimmt, wenn man umzieht, oder es wegwirft und sich am neuen Wohnort ein neues kauft. Alte Leute (Talleyrand war immerhin schon 80, als er zurück nach Frankreich ging) ziehen vielleicht das Kissen vor, das sie schon monatelang mit ihrem eigenen Hintern plattgesessen haben (mehr oder weniger metaphorisch gesprochen)... Aber wir gesagt: Keine Ahnung, wo der Rollstuhl herstammt, und ob er in London überhaupt einen benutzt hat.


Viele Grüße,
gnlwth
 
@Cecile
Das mit dem Rollstuhl aus dem späten 18jh mit den Kurbeln bewegt wurde, war vermutlich ein Museumsmodell nach Georges Couthon.
Diesen Stuhl hat er sich angeblich selbst gebaut, womit dieses Fahrzeug dann einzigartig war und zur "Rollstuhlkultur" auf dem Kontinent nicht wirklich etwas aussagt.
360297.jpg

Ich weiß, wie vernutlich der Großteil der Leser hier, nur dass Couthon in seiner Mobilität stark eingeschränkt war (dass man ihn deshalb sogar bei seiner Enthauptung auf die Seite legte), was wohl diese eher unübliche Art der Kraftübertragung Erklärt, weil einfacher wäre es wohl gewesen direkt die Räder anzutreiben, eben so wie heute.

Was ich mich frage ist wie der Alltag eines so beeinträcghtigten Menschen damals ausgeheshen hat? Rampen und Lifte wird es so nicht gegeben haben.
Gibt es Literatur die sich schwerpunktäßig mit so etwas beschäftigt?
 
Danke für das noch bessere Bild von Couthons Rollstuhl. Es ist ja möglich, dass er sich damit zumindest ein Mindestmaß an Mobilität zumindest in seiner eigenen Wohnung verschaffen wollte. Soweit ich das in Erinnerung habe, wurden gehbehinderte Menschen, die wirklich garnicht mehr laufen konnten, immer wieder schlichtweg herum getragen. Das 18.Jh. war ja auch eine Zeit der Portechaisen (gab es natürlich auch schon zuvor). Auch Louis XIV war ja am Ende immer eingeschränkter in seiner Bewegung. Vielleicht findet man über ihn, wie damals ein Mensch mit einer solchen Einschränkung bewegt wurde.
 
@Cecile
Das mit dem Rollstuhl aus dem späten 18jh mit den Kurbeln bewegt wurde, war vermutlich ein Museumsmodell nach Georges Couthon.
Diesen Stuhl hat er sich angeblich selbst gebaut, womit dieses Fahrzeug dann einzigartig war und zur "Rollstuhlkultur" auf dem Kontinent nicht wirklich etwas aussagt.
360297.jpg

Ich weiß, wie vernutlich der Großteil der Leser hier, nur dass Couthon in seiner Mobilität stark eingeschränkt war (dass man ihn deshalb sogar bei seiner Enthauptung auf die Seite legte), was wohl diese eher unübliche Art der Kraftübertragung Erklärt, weil einfacher wäre es wohl gewesen direkt die Räder anzutreiben, eben so wie heute.

Was ich mich frage ist wie der Alltag eines so beeinträcghtigten Menschen damals ausgeheshen hat? Rampen und Lifte wird es so nicht gegeben haben.
Gibt es Literatur die sich schwerpunktäßig mit so etwas beschäftigt?

Das Bild ist Klasse.

Wir haben pro Arm 4 Gleitlager und tät mal vermuten, dass diese energetisch verlustbehaftet waren. Angenommen die hätten einen Wirkungsgrad von 0,85 gehabt, dann wär pro Arm 0,85^4 übrig geblieben. Das macht einen Wirkungsgrad von rund 50%.
Das augenscheinlich miserable Getriebe ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Nun ist ja der Behinderte im Allgemeinen weniger durch physische Kraft ausgezeichnet als der Gesunde.
Es muss doch ein ziemlich kräftiger Mensch darin gesessen haben,
wenn sein Bestreben in der Mobilität lag.
 
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