Bedeutung der Helden im antiken Griechenland

Sj82

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Hallo zusammen,

ich schreibe demnächst eine Examensklausur und stelle mir die folgende Frage bzgl. der antiken griech. Helden, wie z.B. Herakles:

Welche Bedeutung hatten diese Mythen für die Bevölkerung des antiken Griechenlands? Heutzutage ist eine Bedeutung zeitgenössischer Helden ja durchaus entweder aus politischem oder gesellschaftlichem Interesse nachvollziehbar (so z.B. sozialistischen Arbeitern die heroisiert werden oder aber humanitären Helden, wie Mutter Theresa). Da aber meine Kenntnisse in der griech. Antike nicht wirklich berauschend sind, ich darüber aber nicht viel finde (auch in der Literatur) dachte ich mir, dass ich hier einmal poste.

Eine Idee, die sich mir entwickelte, ist, dass die Herakliden entsprechend der Bevölkerung ja die Möglichkeit gibt, die eigenen Taten immer mit denen von Herakles zu vergleichen und zu argumentieren, man KÖNNE ja ein Abkömmling von ihm sein. Oder ist das zu weit her geholt?

Wenn jemand Ideen hat würde ich mich sehr freuen!
Gruß
 
Sicher eine vielschichtige Frage...

Ich weis mal auf diese Geschichten bzw ihre Heldenfiguren als Identifikationsmerkmal hin; das "Hellenentum" definierte sich über so Dinge wir die gemeinsame Sprache, die gemeinsame Religion und eben über die gemeinsamen Heroen der Vorzeit.

Auch innergriechisch gab es das; so war Theseus der "Urheroe" der Polis Athen und politisch bis in die Zeit der klassischen Demokratie im 5./4. Jh. bedeutend; hat irgendwie was von Arminius als "Stammvater der Deutschen"... und ist wahrscheinlich ähnlich historisch... :grübel:
 
Also würde der Mythos der Herakleiden für die Dorer mehr Bedeutung haben, also für andere altgriechische Volksstämme, wobei für den weiteren Verlauf der griechischen Kultur Herakles sicherlich so etwas wie ein Bindeglied war, auf das sich alle berufen konnten (Quasi der "Superheld" einer gemeinsamen Geschichte)?
 
Tut mir leid, da bin ich überfragt; von Theseus weiß ich, dass der für Athen eine besondere Bedeutung hatte. Herakles schien mir eher ein "universal-griechischer" Held zu sein, aber das sind Vermutungen ohne Belege.
 
Ah okay, sorry für das posten mit 2 Accounts; da mir scheinbar beide gesperrt wurden, muss ich jetzt diesen nehmen. Wäre toll wenn ein Mod sonst mit mir Kontakt aufnimmt, die anderen 2 Accounts können aber auch gelöscht werden.

Zum thema: Theseus war, wenn ich das richtig sehe, die athenische Version eines Herakles, wobei Herakles wohl zeitlich früher einzustufen ist (Theseus beruft sich auf seine heraklische Herkunft). Herakles selbst wurde von den Doriern verehrt.

So ganz steige ich noch nicht hinter, glaube aber, dass die Mythen einfach Allegorien für die Riten der Gesellschaft waren. So ist die erste Tat Herakles, die Tötung des nemedischen Löwens, einfach ein Brauch den ein heiliger König zur Krönung bei den Doriern absolvieren musste (Töten eines Löwens). Auch wurden bestimmte Bilder oder Naturphänomene so erklärt (so ist die Milchstraße laut der Mythen die aus der Brust Heras Milch,die, als Herakles durch eine List an ihrer Brust saugen kann und sie ihn, als sie bemerkt wer der Säugling ist, fortstößt, verspritzt).
 
Auch innergriechisch gab es das; so war Theseus der "Urheroe" der Polis Athen und politisch bis in die Zeit der klassischen Demokratie im 5./4. Jh. bedeutend; hat irgendwie was von Arminius als "Stammvater der Deutschen"... und ist wahrscheinlich ähnlich historisch... :grübel:

Es sei kurzerhand eingeworfen, dass Theseus wohl erst mit der Vertreibung der Peisistratiden bzw. im Zuge der kleisthenischen Reformen eine besondere Signifikanz beigemessen wurde, was beispielsweise das im letzten Viertel des 6. Jh. v. Chr. deutlich steigende Bildrepertoire an Theseusszenen auf Vasen oder die Darstellung an zeitgenössischen, repräsentativen Bauten wie dem Schatzhaus der Athener in Delphi explizieren.
 
Eine Idee, die sich mir entwickelte, ist, dass die Herakliden entsprechend der Bevölkerung ja die Möglichkeit gibt, die eigenen Taten immer mit denen von Herakles zu vergleichen und zu argumentieren, man KÖNNE ja ein Abkömmling von ihm sein. Oder ist das zu weit her geholt?
 
Die Entstehung der Heroenkulte hängt unmittelbar mit den sich im 8. Jh. v. Chr. neu formierenden Stadtstaaten, den Poleis, zusammen. Diese neuen Formen der Gemeinschaft benötigten identitätsstiftende Gestalten. Natürlich eigneten sich die Helden aus einer glorreichen Vergangenheit am besten dafür. Erkennbar wird dies vor allem bei den eponymen Heroen, die namensgebend für Städte, Landschaften, Phylen und Völker wurden. Man benutzte sie als Vorbilder, als gemeinsame mythische Ahnherren, zur Begründung von Freundschaften aber auch als Grund für Rivalitäten zwischen verschiedenen Poleis.

Auch wirtschaftlich waren die Heroen für einige Poleis wichtig. Wenn bestimmten Heroengräbern z. B. heilbringende Kräfte zugeschrieben wurden konnte man nicht nur mit Prestige, sondern auch mit erhöhten Einnahmen rechnen. Ein gutes Beispiel ist hier das Grab des Ödipus, dem durch einen Orakelspruch solche Kräfte zugeschrieben wurden. Gleich drei verschiedene Städte – Theben, Athen und Etheonos in Böotien - erhoben Anspruch darauf, dass sich das wahre Grab der Heros in ihrem Besitz befand.

Für den Alltag der der Griechen spielten sie im kultischen Bereich auch eine wichtige Rolle. Neben den Göttern wurden auch die Heroen verehrt und in unterschiedlichen Lebenssituationen um Hilfe gebeten. Es konnten aber nicht nur bewunderte und vorbildliche Personen zu Heroen werden. Diese Art von bösen Heroen, seien es historischen oder mythischen Personen wurden „Loimos-Heroen“ (loimos = Pest, Seuche) genannt. Auch besonders gefürchtete Gestalten die im antiken Glauben für Unglück, Plagen und Schrecken verantwortlich waren konnten also angebetet werden. Ihre Verehrung erfolgte zur Besänftigung der negativen Kräfte und nicht zur Erbetung eines positiven Wirkens.
 
Ich würde jetzt aber nicht so weit gehen die Helden allzusehr als etwas übernatürlich, fast göttliches darzustellen. Bei Gestalten wie Herakles mag das zutreffen, da sie ja göttlichen Charakter zugeschrieben bekommen.
Aber bei den homerschen Helden wie Ajax, Achilles, Odysseus usw. muss man versuchen sich in die damaligen Menschen hineinzufühlen. Für sie war der trojanische Krieg in etwa so weit zurückliegend, wie für uns das frühe Mittelalter mit den Helden Dietrich von Bern oder Karl Martell usw.
Für Griechen dürfte der trojanische Krieg eben "real empfindbar" gewesen sein. Nichts mythisches wie er uns heute vorkommt.

Zur Nutzung von Helden für politische Zwecke etc.:
Da stimme ich zu, sie wurden oft genug zur Legitimation der eigenen Handlungen gebraucht. Ich sage bewusst nicht "missbraucht", da da wie oben angedeutet die Zeit eine andere war und sowohl mythische als auch historische Helden durchaus als real empfunden wurden. Es war eben Überzeugung.
 
Ich würde jetzt aber nicht so weit gehen die Helden allzusehr als etwas übernatürlich, fast göttliches darzustellen. Bei Gestalten wie Herakles mag das zutreffen, da sie ja göttlichen Charakter zugeschrieben bekommen.
Aber bei den homerschen Helden wie Ajax, Achilles, Odysseus usw. muss man versuchen sich in die damaligen Menschen hineinzufühlen. Für sie war der trojanische Krieg in etwa so weit zurückliegend, wie für uns das frühe Mittelalter mit den Helden Dietrich von Bern oder Karl Martell usw.
Für Griechen dürfte der trojanische Krieg eben "real empfindbar" gewesen sein. Nichts mythisches wie er uns heute vorkommt.

Den meisten Helden aus der Ilias werden göttliche Vorfahren und Eigenschaften angedichtet. Achilles, der größte Held der Achaier, ist z. B. der Sohn einer Meeresnymphe und Sarpedon der auf Seiten der Trojaner kämpft, ist - wie Herakles - ein Sohn des Zeus. Die Atreiden können ihren Stammbaum ebenfalls auf den Göttervater zurückführen und Odysseus ist der Urenkel des Götterboten Hermes. Diese Liste lässt sich natürlich noch weiter führen.
Sie werden auch stärker und schneller dargestellt als es die Menschen der homerischen Zeit. Einige von ihnen kämpfen sogar mit den Göttern und schaffen es diese zu verletzen. Ich gehe also schon davon aus, dass man die Helden der Ilias in einer Ebene mit Herakles sehen kann. Der einzige wesentliche Unterschied ist, dass Herakles im Olymp aufgenommen wurde.

Das Hineinfühlen dürfte ziemlich schwierig werden. Homer und seine Zeitgenossen verfügten, im Gegensatz zu uns, nicht über schriftliche Zeugnisse, die ihnen halfen sich ein klares Bild über die weit zurückliegende Vergangenheit zu machen. Ich stimme dir auch vollkommen zu, dass die Griechen den Trojanischen Krieg als ein reales Ereignis sahen aber ich denke sie sahen die Götter und die Geschichten über sie – die wir als Mythos bezeichnen - als genauso real an. Nur weil der Trojanische Krieg chronologisch später einzuordnen ist als die Erzählungen über die Götter mindert das für die Zuhörerschaft Homers nicht ihre Wahrhaftigkeit.
 
Ich habe auch einmal etwas interessantes dazu gehört und zwar, dass die Rhapsoden den Troja-Stoff und die jeweiligen Helden immer geschickt an ihr Publikum anpassten.
Kam ein Sänger an eine Burg und trat dort auf, dann ließ er beispielsweise auch den Vorfahren des Burgherren in seinem Werk auftreten und vor Troja kämpfen. Dieser musste natürlich als sehr tapfer dargestellt werden und den anderen Heroen an Kraft ebenbürtig sein, denn nur so ließ sich der Gastgeber erfreuen und der Rhapsode durfte vielleicht noch ein paar Tage länger in der Burg verweilen. Allerdings durfte der Troja-Stoff natürlich nicht stark verändert werden. Falls zum Beispiel der göttergleiche Vorfahre Hektor in arge Bedrängis brachte, kam im letzten Moment eine Gottheit, um den Trojaner zu retten.
 
Den meisten Helden aus der Ilias werden göttliche Vorfahren und Eigenschaften angedichtet. Achilles, der größte Held der Achaier, ist z. B. der Sohn einer Meeresnymphe und Sarpedon der auf Seiten der Trojaner kämpft, ist - wie Herakles - ein Sohn des Zeus. Die Atreiden können ihren Stammbaum ebenfalls auf den Göttervater zurückführen und Odysseus ist der Urenkel des Götterboten Hermes. Diese Liste lässt sich natürlich noch weiter führen.


Achilleus ist mütterlicherseits ein Sohn der Thetis und väterlicherseits ein Enkel des Zeus. Neben dem Zeussohn Sarpedon, der von Patroklos getötet und von Schlaf und Tod nach Lykien entführt wird, ist auch der Lykier Glaukos ein Nachkomme der Götter, der mit Diomedes seine goldene Rüstung gegen eine bronzene tauscht (100 Stiere wert die goldene, 9 die bronzene Rüstung) Glaukos ist ein Enkel des Bellerophontes und damit ein Urenkel des Poseidon. Viele Städte und Kolonien beriefen sich auf homerische Helden als Gründerväter, und etliche Herrscher, von Alexander über Caesar bis zu Augustus und Hadrian besuchten Ilion, um an diese Verbindung anzuknüpfen.

Lykien und Pamphylien konnten ihre Unabjhängigkeit recht lange bewahren, bis Lycia et Pamphylia unter Vespasian eine römische Provinz wurde, und die lykischen Gesandten konnten sich dabei auf eine mysthische Verbindung aus der Zeit des Trojanischen Krieges berufen, waren doch die Lygier Verbündete der Trojaner und die Römer deren Nachfahren.
 
Achilleus ist mütterlicherseits ein Sohn der Thetis und väterlicherseits ein Enkel des Zeus. Neben dem Zeussohn Sarpedon, der von Patroklos getötet und von Schlaf und Tod nach Lykien entführt wird, ist auch der Lykier Glaukos ein Nachkomme der Götter, der mit Diomedes seine goldene Rüstung gegen eine bronzene tauscht (100 Stiere wert die goldene, 9 die bronzene Rüstung) Glaukos ist ein Enkel des Bellerophontes und damit ein Urenkel des Poseidon. Viele Städte und Kolonien beriefen sich auf homerische Helden als Gründerväter, und etliche Herrscher, von Alexander über Caesar bis zu Augustus und Hadrian besuchten Ilion, um an diese Verbindung anzuknüpfen.

Lykien und Pamphylien konnten ihre Unabjhängigkeit recht lange bewahren, bis Lycia et Pamphylia unter Vespasian eine römische Provinz wurde, und die lykischen Gesandten konnten sich dabei auf eine mysthische Verbindung aus der Zeit des Trojanischen Krieges berufen, waren doch die Lygier Verbündete der Trojaner und die Römer deren Nachfahren.


Was Lycia et Pamphylia betrifft, muss ich mich korrigieren, den Lycia wurde bereits 43, unter Claudius kaiserliche Provinz. 74 n. Chr wurde es mit Pamphylia vereinigt, das zuvor zu Galatien gehörte.
 
Was die göttliche Abkunft der griechischen Helden betrifft, so besteht der griechische Götterpantheon ursprünglich aus einem Zusammenschluß von Lokalgottheiten.
Auch die Heroen haben lokale Ursprünge. Möglicherweise stellt also die Kombination Gottheit/Heros schlicht eine Verkörperung der jeweiligen Polis sowohl auf metaphysischer als auch realer Ebenen dar.
 
wir sprechen hier soviel von den beziehungen und abstammungen der griechischen helden zu den göttern, aber was sind denn die götter? wo besteht denn der unterschied zwischen denen und denen in der mythischen transformation. werden nicht götter, helden, halbgötter gleichermaßen im überlieferungsstoff behandelt? alle sind sie ausgeschmückt mit besonderen fähigkeiten und kräften und ihre erlebnisse finden mehr beachtung als die des normalen menschen(deswegen müssen sich die taten natürlich auch signifikant von denen einfacher menschen unterscheiden). Und sie werden hierarchisch gegliedert, so wie die menschen gegliedert sind.
Wo stecken die anfänge, wer hat die götter gemacht, wann kam es zu den ersten überlieferungen, welche bedingungen (wie zB. die rhapsodienüberlieferungen) begleiteten und bedingten die entwicklung?

ich selber komme immer wieder zu der idee, dass die antiken göttergestalten ihre vorbilder in alten stammesführern haben, die ihren kleinen stamm, besonders charismatisch und erfolgreich zu einem grossen sprung im anfangszivilisatorischem umfeld verhalfen. zb zur zeit der umherzieherei, ein stammesführer verschafft einer gruppe von menschen eine sesshaftigkeit an einem ort, der wohl auserwählt sein muss, erkämpft werden muss, infrastrukturiert werden muss(alles in dieser zeit nicht so selbstverständlich wie heute) einen absolut veränderten lebenswandel, welcher den menschen damals in seiner versorgung, sicherheit etc als unglaubliche verbesserung vorgekommen sein muss.
diese stammesführergötter wurden in der tradition weitergeführt und modifiziert. durch zusammenschluss von stämmen mussten mehrere stammesführergötter unter einen hut gebracht werden.
später irgendwann werden in diese tradition ganz neue gestalten eingewebt, wer will von den dann zeitgenössischen herrschern denen der alten tradition auch nachstehen?
daraus weitergesponnen, könnte die olympische götterwelt aus der völker/stammesbewegung zur zeit ramses dem grossen und troja so um 1300 v.chr. entsprungen sein. zeus ist nach neuesten forschungen schon vor dieser bewegung nachweisbar, kann also übernommen worden sein, so wie gaia, kronos auch älterem götterglauben entstammen. die neuen göttergestalten finden also vielleicht ihre vorbilder in den stammes- und heerführern der völkerwanderung am ende des 2. jahrtausend vor christus?

in dem zusammenhang sind helden wie herakles also nur eingeschobene modifizierte herrscher oder pesönlichkeiten, die in eine hierarchie eingegliedert werden und dienen als instrument zu gewinnender machtansprüche, also zur beherrschung des volkes.
 
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