Bedeutung der Königserhebung

Yaspis

Neues Mitglied
Hi,

ich beschäftige mich grade mit den Ottonen, vor allem mit Heinrich I. Könnt ihr mir sagen, was die Königserhebung zu der Zeit bedeutete?
Ich dachte, es geht vielleicht in die Richtung, dass der Adel langsam seine Ansprüche auf Beteiligung anmeldet?
Ich wäre euch wirklich dankbar, wenn ihr da etwas Licht für mich hineinbringen könntet.

Liebe Grüße
Yaspis
 
Speziell zu Heinrich I. gibt es meiner Meinung nach zu sagen, dass er häufig als erster deutscher König gilt. Das ist deshalb so, da er nach dem Aussterben des ostfränkischen Karolinger eine neue Dynastie begründete, die endgültig die Eigenständigkeit beider Teilreiche besiegelte. In seine Regentschaft zählen der Vertrag von Bonn, in dem die Könige West- und Ostfrankens erstmalig als solche benannt werden, und natürlich die Abwehr der Ungarneinfälle und der damit einhergehenden Konsolidierung des Reiches.
 
Die gute Frage ist natürlich: Warum überhaupt? Bzw. Warum gerade jetzt?

Den (aus dem Merowinger/Karolinger-Erbe abgeleiteten) Königstitel hatte ja eigentlich der westfränkische König gepachtet, der ihn ja auch behielt.

Vielleicht wirklich vor allem wegen der Ungarn? Reichsstiftung durch äußere Feinde ist ein üblicher Topos...
 
Die gute Frage ist natürlich: Warum überhaupt? Bzw. Warum gerade jetzt?

Den (aus dem Merowinger/Karolinger-Erbe abgeleiteten) Königstitel hatte ja eigentlich der westfränkische König gepachtet, der ihn ja auch behielt.

Das möchte ich an der Stelle doch mit einem Fragezeichen versehen, denn schließlich spricht man ab Ludwig dem Deutschen bereits vom ostfränkischen König bzw. König der Ostfranken.
Vgl. dazu folgende:
ludwig_2_der_deutsche_ostfraenkischer_koenig_+_876
KÖNIGE DES FRANKENREICHES
(zu den Karolingern runterscrollen)

Vielleicht wirklich vor allem wegen der Ungarn? Reichsstiftung durch äußere Feinde ist ein üblicher Topos...

Das mag dabei eine Rolle gespielt haben, wiewohl dieser Topos mW nicht mehr so strikt vertreten bzw. nicht mehr so vordergründig betont wird: HEINRICH-1-Deutscher König + 936
 
Dafür, dass dieser Thread nur aus sechs Beiträgen besteht, streift er ja eine ganze Menge Themenbereiche...

1. Von Ansprüchen des Adels auf Beteiligung in der Königserhebung zur Zeit der Ottonen kann man kaum sprechen, da die Könige von Heinrich I. bis Otto III. ausschließlich vom Vorgänger designiert worden sind. Es hat zwar "Wahlen" gegeben, die aber vermutlich ungefähr so frei und spontan waren wie die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden auf einem Parteitag. Frühestens mit dem Tod Ottos III. begann sich ein Selbstbewusstsein der Großen auszubilden, doch blieben derartige Designationen durch die Vorgänger noch jahrhundertelang Bestandteil der Nachfolgeregelung. Literatur, die ich dazu empfehlen kann: Gerd Althoffs "Die Ottonen".

2. Dass Heinrich I. eine neue Dynastie oder gar ein neues Reich begründet hätte kann man nur aus späteren Rückblicken so sagen. Meines Wissens gibt es dazu noch genug andere Threads, aber dennoch möchte ich anmerken, dass zum einen der Königstitel von niemandem gepachtet wurde und zum anderen bereits mit der Wahl Konrads I. ein eventuelles "Thronfolgerecht" Karls des Einfältigen, das den Großen des ostfränkischen Reiches anscheinend gar nicht erst in den Sinn gekommen ist, missachtet worden ist. Und bereits früher haben sich die Großen Ostfrankens zusammengetan und Karl den Dicken gestürzt - der allerdings König in Westfranken geblieben ist!
Ludwig, Karl, Konrad und Heinrich haben sich selbst als (fränkische) Könige betrachtet und sich auch in dieser Kontinuität gesehen, eine Gründung hat es nicht gegeben, noch nicht einmal die "Besiegelung" einer Entwicklung, höchstens bloß ein Schritt. Der Vertrag von Bonn tut da auch wenig zur Sache, da er nur erstmals die differenzierten Titel "rex francorum orientalium" bzw. "occidentalium" erwähnt, ohne diese näher zu begründen - und ohne Gewissheit darüber zu geben, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Neuerung gehandelt hätte. Und mit den Ungarn dürfte das wohl auch nichts zu tun haben, zumal in den Quellen auch kein Zusammenhang zu finden ist.
 
Der Vertrag von Bonn tut da auch wenig zur Sache, da er nur erstmals die differenzierten Titel "rex francorum orientalium" bzw. "occidentalium" erwähnt, ohne diese näher zu begründen - und ohne Gewissheit darüber zu geben, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Neuerung gehandelt hätte.
Der Vertrag bedeutet meines Wissens die Anerkennung der gegenseitigen Königtümer. Vorher nannten sich die Könige "rex francorum"

Ludwig, Karl, Konrad und Heinrich haben sich selbst als (fränkische) Könige betrachtet und sich auch in dieser Kontinuität gesehen, eine Gründung hat es nicht gegeben, noch nicht einmal die "Besiegelung" einer Entwicklung, höchstens bloß ein Schritt.
Also für mich stellt es schon eine gewisse Zäsur dar, wenn ein Sachse "König der Franken" wird. Wenn es den Zeitgenossen nicht als Anmaßung vorkam, dann doch nur aus dem Grund, weil sich beide Königtümer zu der Zeit defacto als eigenständig betrachteten.
Bei Heinrich kommt dann eine Menge zusammen, weswegen man im Rückblick von einer neuen Reichsgründung sprechen kann und auch schon wenig nach ihm sprach:

...Schon seit Mitte des 10.Jahrhunderts wird Heinrich - bei Hrotsvith von Gandersheim - als der "erste König" in einem edlen von den Franken auf die Sachsen transferierten Reich gepriesen, und Thietmar von Merseburg hat gleich nach der Jahrtausendwende in seiner Chronik von Heinrich als dem ersten König "in unserm Reich" gesprochen und mit ihm die Zählung der Herrscher begonnen.
"Die Deutschen Kaiser - 1200 Jahre europäische Geschichte" von Gerhard Hartmann, Karl Schnith
 
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