Begriff "Reichskristallnacht"

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Wer hat den Begriff "Reichskristallnacht" kreiert?

Ist dies Goebbels zuzuschreiben?
Gib es Quellen, die Hinweise geben?
 
Die Nazis sprachen von "Reichspogromnacht". "Reichskristallnacht" soll ein Produkt der Berliner Schnauze sein.
 
Ob der Begriff verharmlosend ist, kann man so und so sehen.
In den USA sind ja auch die Begriffe "blind" und "taub" verpönt, man spricht dann lieber von z.B. "visuell besonders herausgefordert"...
Soweit ich das verstanden habe, liegt dem Begriff "Reichskristallnacht" die Assoziation von Frost und Eisglätte angesichts dieses Meeres von Glassplittern zugrunde.
Ein Wort noch zu der Alternative:
Ich bin mir nicht sicher, ob die Mehrheit mit den Begriff Pogrom versteht oder wenigstens bei Reichspogromnacht an mehr als an Ausschreitungen, also an schlimmere Zustände denkt, als sie der Vorstellung bei Reichskristallnacht unterstellt werden.
 
Ich habe diesen Abschnitt zum Ursprung des Begriffs gefunden:

Die Scherben der Schaufensterscheiben nimmt der Volksmund zum Anlass, den Pogrom als "Reichskristallnacht" zu verharmlosen, zugleich aber auch als eine von oben gelenkte Aktion zu entlarven. Was Reichssache ist, kann nicht spontan sein. Die zerschlagenen Scheiben haben einen Wert von etwa zehn Millionen Reichsmark. Es bedarf der halben Jahresproduktion der belgischen Glasindustrie, um die Schaufenster zu reparieren. Mindestens 7 500 jüdische Geschäfte werden zerstört. Überall im Reich brennen die Synagogen.

Quelle: "Reichskristallnacht"

Dies deckt sich auch in etwa mit meinem Wissen über den Ursprung des Begriffs: Das "Kristall" im Begriff bezieht sich auf die Kristallglasfenster der Synagogen, die beim Pogrom zerschlagen wurden.

Nach dieser Begründung verhöhnt der Begriff "Reichskristallnacht" die Opfer des Pogrom und ist damit zurecht verpönt.
 
Die Nazis sprachen von "Reichspogromnacht". "Reichskristallnacht" soll ein Produkt der Berliner Schnauze sein.

Die Nazis haben ihre antisemitischen Ausschreitungen selbst als "Pogrom" bezeichnet? Ich dachte, der Begriff hätte schon damals ne negative Konnotation, weshalb dann der verharmlosende Begriff "Reichskristallnacht kreiert wurde bzw. entstanden ist.
 
Der Begriff "Reichskristallnacht" verharmlost die Geschehnisse der Pogromnacht vom 9. und 10. November 1938.

shoa.de schrieb:
Die Geschehnisse, die sich in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 in Deutschland zutrugen, werden in der Geschichtsschreibung auch heute noch häufig unter dem euphemistischen Begriff der "(Reichs-)Kristallnacht" zusammengefasst. Horst Stuckmann nennt das Wort "Kristallnacht" eine "verharmlosende Bezeichnung, die suggerieren soll, als seien damals lediglich einige Fensterscheiben zu Bruch gegangen."Der Ausdruck verschleiert jene Greueltaten, die an jüdischen Mitbürgern verübt wurden und sollte deshalb durch den Begriff Pogromnacht oder Novemberpogrom ersetzt werden

Woher die Bezeichnung Reichskristallnacht ist nicht definitiv geklärt. Man kann aber davon ausgehen, dass dieser aus dem Volksmund stammt und auf die Scherben zurück zuführen ist.


Der Begriff Pogrom (russ. Gewitter, Verwüstung) war die Ursprüngliche Bezeichnung für Ausschreitungen gegen nationale, religiöse und andere Minderheiten in Russland. Nach dem antijüdischen Pogrom von 1881 - 1883 wurde der Begriff in den internationalen Sprachgebrauch in einem eingeengten, nur auf die jüdische Minderheit bezogenen Sinn übernommen. Nach 1945 machte der Begriff eine Bedeutungserweiterung durch und steht heute für kollektive Gewaltaktionen einer Mehrheitsbevölkerung gegen Minderheiten jeder Art.

Die Nazis nannte ihre Aktion weder Pogrom noch Kristallnacht, sondern wie man aus dem Befehl von Heydrich entnehmen kann: "Massnahmen gegen Juden (...)"

Quelle: Fernschreiben vom 10.11.38, An alle Stapoleit- und Stapostellen, an alle SD.OA und alla UA. Betrifft Massnahmen gegen Juden in der heutigen Nacht. Gez. Heydrich
 
@ursi
Ob der Begriff verharmlosend sei, kann nur jeder für sich selbst beantworten.
Objektiv wird eine Aussage durch die xte argumentlose Behauptung jedenfalls nicht!
Der von timotheus eingebrachte wiki-link bietet eine schöne Übersicht des Für und Wider.
Einige Probleme bestehen ja auch beim Begriff Pogrom:
1. Gewitter/Verwüstung drückt die Vorkommnisse ebenfalls nur unvollkommen aus
2. die Aktion des NS-Regimes wird mit Pogromen gleichgestellt, die wesentlich anders waren, gerade nicht durch eine Regierung organisiert (SA-Abteilungen wurden quer durch Deutschland gefahren, damit sie nicht auf Bekannte treffen und Skrupel haben konnten!)
Man könnte noch einige Punkte aufzählen.
Abgesehen davon habe ich eine tiefe Skepsis bezüglich der Auffassung, man könne "echte" Probleme durch die "richtige" Begriffswahl oder Formulierung lösen. Das wurde weitgehend fruchtlos in der Philosophie probiert.
Statt Haarspaltereien über die Form oder das Wort anzustrengen, sollte man sich besser den Inhalten zuwenden.
Auch wenn es in Deutschland in Mode gekommen ist, Diskurse zu verhindern, indem man bewußt falsch versteht oder Nebenaspekte (Mücke-->Elephant) intensiv thematisiert, bis die Nebelkerzen soviel Rauch produziert haben, daß das eigentliche Thema aus dem Blickwinkel entschwunden ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ursi
Ob der Begriff verharmlosend sei, kann nur jeder für sich selbst beantworten.
Objektiv wird eine Aussage durch die xte argumentlose Behauptung jedenfalls nicht!

Lies doch einfach den Link den ich angegeben habe. Das Zitat ist daraus.

Welche Argumente brauchst du denn noch?


Einige Probleme bestehen ja auch beim Begriff Pogrom:
1. Gewitter/Verwüstung drückt die Vorkommnisse ebenfalls nur unvollkommen aus

Ja klar drücken diese Übersetzungen die Vorkommnisse nur unvollkommen aus, es ist aber der heute gebräuchliche Begriff.

2. die Aktion des NS-Regimes wird mit Pogromen gleichgestellt, die wesentlich anders waren, gerade nicht durch eine Regierung organisiert (SA-Abteilungen wurden quer durch Deutschland gefahren, damit sie nicht auf Bekannte treffen und Skrupel haben konnten!)
Man könnte noch einige Punkte aufzählen.
Abgesehen davon habe ich eine tiefe Skepsis bezüglich der Auffassung, man könne "echte" Probleme durch die "richtige" Begriffswahl oder Formulierung lösen. Das wurde weitgehend fruchtlos in der Philosophie probiert.

Wenn du skeptisch bist, ist das deine Sache und ist auch dein gutes Recht. Ich kann auch nichts dafür, dass dies der offizielle Begriff ist den Historiker verwenden- es werden auch die Begriffe Reichspogrom oder Novemberpogrom gebraucht.

Ich finde es aber mühsig darüber zu streiten, da ich der Historikergilde angehöre die die Begriffe Reichspogrom oder Novemberpogrom verwenden und Reichskristallnacht als Verharmlosung ansehen.

Statt Haarspaltereien über die Form oder das Wort anzustrengen, sollte man sich besser den Inhalten zuwenden.
Auch wenn es in Deutschland in Mode gekommen ist, Diskurse zu verhindern, indem man bewußt falsch versteht oder Nebenaspekte (Mücke-->Elephant) intensiv thematisiert, bis die Nebelkerzen soviel Rauch produziert haben, daß das eigentliche Thema aus dem Blickwinkel entschwunden ist.

Wenn jemand eine Frage stellt, wird versucht diese zu beantworten. Dazu gehört auch eine Begriffserklärung. Das hat nichts mit Haarspaltereien zu tun, sondern ganz einfach mit seriösen historischen arbeiten.

Was hab ich bewusst falsch verstanden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß auch nicht so recht, ob der Begriff "Reichskristallnacht" als verharmlosend gelten kann/soll, ehrlich gesagt. Die Geschehnisse vom 9.11.1938 sind doch bekannt und jeder weiß, in welchem Zusammenhang sie standen. Jemand der nicht weiß, was mit "Reichskristallnacht" gemeint ist, dem wird auch der Beriff "Pogrom" nicht viel sagen. Ein Begriff wird doch vor allem davon geprägt, welche Bedeutung ihm beigemessen wird. Während zu früheren Zeiten dieser Begriff mit Sicherheit als verharmlosend gedacht war, glaube ich nicht, dass dem heute noch genauso ist. "Reichskristallnacht" klingt in meinen Ohren genauso negativ wie "Pogrom", wobei ich fast dazu tendieren würde Letzteres als verharmlosend zu sehen, denn: indem man dem Geschehen einen Namen gibt der aus einer anderen Sprache stammt, distanziert man sich doch sprachlich und psychisch davon, in gewisser Weise... Aber ich bin weder Historikerin noch Linguistin. :) Ich habe in der Schule beide Begriffe als gleichwertig aber auch gleichsam als "nicht verharmlosend" vermittelt bekommen... und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass unser Geschichtslehrer irgendetwas derartiges im Sinn hatte.
 
Ich bevorzugte schon immer den Begriff "Reichsprogromnacht". Für mich macht das Wort "Progrom" allein schon deutlich, was passierte. Nämlich eine gewaltsame Ausschreitung gegen eine Minderheit. Der Begriff "Reichskristallnacht" wird wohl vermehrt vom Volksmund benutzt, ist nicht sonderlich schlimm, aber wird z.B. in Tageszeitungen nicht benutzt. Deshalb bin ich der Meinung, dass sich der Begriff "Reichsprogromnacht" durchsetzen sollte, genauso wie der Begriff "Holocaust" und nicht Judenvernichtung, Judenverbrennung etc.pp.

Lg
Balduin
 
@ursi
Ich habs gelesen. Aber es wird dort lediglich postuliert, es sei verharmlosend. Echte Argumente gegen das Wort stehen da nicht.
Völlig zurecht wird dagegen gefordert, Art und Ausmaß der Vorfälle deutlich zur Sprache zu bringen. Gleichwohl klebt diese Lüge nicht am Wort, sondern bezieht sich auf transportierte Inhalte.
Einen anderen Begriff zu verwenden, bringt meiner Meinung nach keinen auch nur einen Schritt näher ans Ziel. Es bleibt dann ja insoweit bei den alten, fehlerhaften Anschauungen. Vorzugswürdig erscheint mir inhaltliche Arbeit, über die man dann ohnedies auch Deutungshoheit über den Begriff der Reichskristallnacht gewönne. Überhaupt, habe ich den Eindruck, macht man sich zu wenig Mühe, Extremisten ihre Schlagworte durch Meinungsüberlegenheit aus der Hand zu winden. Aber das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls ist Reichspogromnacht, wie der wikiartikel zeigt, nicht der einzig gebräuchliche Begriff. Und nicht jeder, auch nicht jeder Historiker, sieht ihn verharmlosend.
Deine persönliche Meinung respektiere ich natürlich. Ich hätte auch nichts gesagt, wären einige Beiträge nicht so axiomatisch ausgefallen. ;)
Der letzte Absatz (Haarspalterei) war nicht auf Dich bezogen. Das ist vielleicht nicht deutlich geworden. Mir schwebten da andere Beispiele vor, wo es zu derartigen Eskapaden kam. Zum Beispiel die sogenannte Heidelberger Rede des Papstes. Man ritt nur auf dem Zitat herum, statt sich mit dem Inhalt der Rede auseinander zu setzen. Ich hoffe, jetzt ist deutlich, was ich meinte. :)
 
Der Begriff "Reichskristallnacht" verharmlost die Geschehnisse der Pogromnacht vom 9. und 10. November 1938.



Woher die Bezeichnung Reichskristallnacht ist nicht definitiv geklärt. Man kann aber davon ausgehen, dass dieser aus dem Volksmund stammt und auf die Scherben zurück zuführen ist.


Der Begriff Pogrom (russ. Gewitter, Verwüstung) war die Ursprüngliche Bezeichnung für Ausschreitungen gegen nationale, religiöse und andere Minderheiten in Russland. Nach dem antijüdischen Pogrom von 1881 - 1883 wurde der Begriff in den internationalen Sprachgebrauch in einem eingeengten, nur auf die jüdische Minderheit bezogenen Sinn übernommen. Nach 1945 machte der Begriff eine Bedeutungserweiterung durch und steht heute für kollektive Gewaltaktionen einer Mehrheitsbevölkerung gegen Minderheiten jeder Art.

Die Nazis nannte ihre Aktion weder Pogrom noch Kristallnacht, sondern wie man aus dem Befehl von Heydrich entnehmen kann: "Massnahmen gegen Juden (...)"

Quelle: Fernschreiben vom 10.11.38, An alle Stapoleit- und Stapostellen, an alle SD.OA und alla UA. Betrifft Massnahmen gegen Juden in der heutigen Nacht. Gez. Heydrich


Die Nazis versuchten, die "Reichskristallnacht" als "Volksaufstand" gegen die Juden zu verkaufen, während eigentlich jeder, der Augen zu sehen und Ohren zu hören hatte, sich nach den Pogromen vom 9. November 1938 keine Illusion mehr über den Charakter des NS- Regimes machen konnte. Der Begriff "Reichskristallnacht" wurde dennoch gerne aufgegriffen, denn er bagatellisierte das Ganze auf ein paar zerschlagene Fensterscheiben. Wer sich auf die Spurensuche nach den Novemberpogromen von 1938 macht, wird, egal wo er in Deutschland nachforscht, feststellen, dass nicht Hitler, Himmler oder Heydrich die Synagogen anzündeten oder schändeten, sondern dass das der Bäcker, der Milchmann, der Nachbar von nebenan getan haben. Zugleich machte das Regime damit auch alle, die nicht daran beteiligt waren, die entsetzt darüber waren, zu Komplizen, denn die Synagogen haben alle Deutschen brennen sehen, niemand konnte sich herausreden, davon nichts gewußt zu haben. Und wie gesagt, es blieb nicht bei zerschlagenen Fensterscheiben. Im Zusammenhang mit den Novemberpogromen wurden einige Hundert Menschen erschlagen oder erschossen. Die Opfer wurden dazu noch ausgeplündert und mit einer "Sühnezahlung" erpresst. Gleichzeitig war es auch ein erster Versuch der Nazis, herauszufinden, wie weit sie gehen konnten. In der Geschichte der Judenverfolgung waren die Novemberpogrome ein wichtiger Schritt zur "Endlösung". Gleichzeitig war es auch ein Versuch, herauszufinden, wie weit sie gehen konnten. Berichte von SD und Gestapo berichteten, dass die meisten Deutschen entsetzt und angeekelt waren, sei es aus tief empfundener ethischer Ablehnung oder auch nur aus der verletzten Ordnungsliebe der Kleinbürger heraus.
 
Die Nazis versuchten, die "Reichskristallnacht" als "Volksaufstand" gegen die Juden zu verkaufen, während eigentlich jeder, der Augen zu sehen und Ohren zu hören hatte, sich nach den Pogromen vom 9. November 1938 keine Illusion mehr über den Charakter des NS- Regimes machen konnte. Der Begriff "Reichskristallnacht" wurde dennoch gerne aufgegriffen, denn er bagatellisierte das Ganze auf ein paar zerschlagene Fensterscheiben. Wer sich auf die Spurensuche nach den Novemberpogromen von 1938 macht, wird, egal wo er in Deutschland nachforscht, feststellen, dass nicht Hitler, Himmler oder Heydrich die Synagogen anzündeten oder schändeten, sondern dass das der Bäcker, der Milchmann, der Nachbar von nebenan getan haben. Zugleich machte das Regime damit auch alle, die nicht daran beteiligt waren, die entsetzt darüber waren, zu Komplizen, denn die Synagogen haben alle Deutschen brennen sehen, niemand konnte sich herausreden, davon nichts gewußt zu haben. Und wie gesagt, es blieb nicht bei zerschlagenen Fensterscheiben. Im Zusammenhang mit den Novemberpogromen wurden einige Hundert Menschen erschlagen oder erschossen. Die Opfer wurden dazu noch ausgeplündert und mit einer "Sühnezahlung" erpresst. Gleichzeitig war es auch ein erster Versuch der Nazis, herauszufinden, wie weit sie gehen konnten. In der Geschichte der Judenverfolgung waren die Novemberpogrome ein wichtiger Schritt zur "Endlösung". Gleichzeitig war es auch ein Versuch, herauszufinden, wie weit sie gehen konnten. Berichte von SD und Gestapo berichteten, dass die meisten Deutschen entsetzt und angeekelt waren, sei es aus tief empfundener ethischer Ablehnung oder auch nur aus der verletzten Ordnungsliebe der Kleinbürger heraus.

Die traurige Bilanz (neben von dir schon erwähnten ermordeten) war:

ca. 8000 jüdische Geschäfte wurden zerstört, zahlreiche Wohnungen verwüstet und über tausend Synagogen waren abgebrannt.

26'000 bis 30'000 (das wurde vor der Nacht von der Gestapo festgelegt) jüdische Männer und Jugendliche wurden nach Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt. Viele der Verschleppten kamen infolge von körperlichen und psychischen Schikanen oder durch Medikamententenzug ums Leben. Viele kamen erst frei, nachdem sie eine Auswanderungserklärung unterzeichnet hatten.

Die Sühneleistungen beliefen sich auf 1 Mrd. Reichsmark.

Die SA-Männer waren meist in Zivil, damit wollten sie einen "Volksaufstand" vortäuschen.

Die Reichspogromnacht war der Übergang zur focierten Vertreibung der Juden ins Ausland und es begann eine systematische Enteigung.
 
Ich habe vor einigen Jahren mal Nachforschungen betrieben über die Novemberpogrome 1938 in meinem Heimatort. Die meisten Zeitzeugen, die ich befragte, konnten oder wollten sich nicht erinnern. Nur eine alte Dame gab mir Auskunft. Sie hatte als junges Mädchen die Tat vom Schlafzimmer ihrer Großmutter beobachtet. Die Reichspogromnacht begann in meinem Heimatort einen Tag vorher, in der Nacht vom 8. auf den 9. November. Die Synagoge wurde nicht angezündet, weil nebenan ein SA- Mann wohnte. Sie warfen dafür die Thorarollen und die Menorah auf die Strasse und zündeten sie an. Einige Rollen rettete ein Pastor, der sie nach dem Krieg an die jüdische Gemeinde in Frankfurt zurückgab. Meine Urgroßmutter versteckte in der Nacht auf den 9. November zwei völlig verängstigte Schwestern in ihrer Wohnung, bei deren Vater sie früher im Haushalt gearbeitet hatte. Ein Rollkommando von 5 Mann hämmerte an die Tür, und in der Wohnung wurde geklaut was nicht niet und nagelfest war.

Interessant fand ich, dass ein Beamter Strafanzeige stellte und noch Schlimmeres verhinderte. Er wurde daraufhin nach Schlesien versetzt, kehrte aber nach dem Krieg zurück.
 
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