Begriff und Raum Ostmitteleuropa

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Begriff und Raum Ostmitteleuropa

Im Zuge der Transformationsprozesse der ehemaligen Ostblockstaaten wird von der PowerPoint Generation oft generell von Osteuropa gesprochen, des weiteren bleibt man auch nicht von „kreativen“ Wortschöpfungen wie Mittelosteuropa verschont. Die reduzierende Aufteilung Europas in Ost und West verfestigte sich besonders durch die politische Blockbildung während des Kalten Krieges. Besonders Historiker aus dem „Osten“ bemühten sich um ein differenzierteres Bild.

So erklärte Oskar Halecki, daß es in Europa nicht zwei - westliche und östliche -, sondern vier historische Regionen gab: die westliche, die in etwa dem limes des Römischen Reiches entsprach; die zentrale, die sich aus zwei Teilen zusammensetzte - dem germanischen Westmitteleuropa und dem nicht-germanischen Ostmitteleuropa (slawisch, magyarisch, rumänisch); und die östliche, die im wesentlichen Rußland entsprach. Die „Grenzländer der westlichen Zivilisation“ warendemnach Polen, die Tschechei und Slowakei, sowie die heutigen Länder der ungarischen Krone.
Der ungarische Mediavist Jenö Szücs widersprach Halecki und unterteilte Europa in drei Regionen: dem Westen, Ostmitteleuropa und Osteuropa. Ostmitteleuropas Merkmal ist ihr Übergangscharakter: weder vollkommen westlich noch vollkommen östlich. Szücs beschreibt und analysiert Strukturen und Institutionen, durch die sich diese Region sowohl vom Westen als auch von Rußland unterschied. So war für ihn das Verhälntnis zwischen Staat und Gesellschaft in West und Ost grundlegend verschieden. Im Westen herrschte die Idee des populus als Quelle der Autorität und die Societas civilis als corpus politicum im Gegensatz zum Osten. Im Westen entstand im Gegenzug zur Aufhebung der Leibeigenschaft der Absolutismus, während im Osten der Despotismus die Leibeigenschaft vertiefte. In Ostmitteleuropa wurden westliche Institutionen zwar übernommen, nahmen aber eine andere Form an.
Westen - nationaler Absolutismus
OME - mittelalterlicher Herrschaftsdualismus
Osten - imperiale Autokratie​
Für Piotr Wandycz sind weitere Merkmale Ostmitteleuropas eine fehlende ethnisch-nationale Einheit des Staatsvolkes, wie sie relativ in England und Frankreich zu finden ist. Zweitens, das deutsche und jüdische Element, sowie deren Kampf für die „Freiheit“, die einen Preis hat, denn jemand bezahlen muß: sei es eine Nation, eine Klasse, oder ein Individuum. Zuletzt verweist er noch auf die Theorie der drei Bevölkerungszonen des spätmittelalterlichen Europas hin. In der Ostmitteleuropa zur zweiten Zone gerechnet wird.



Halecki, Oskar: Grenzraum des Abendlandes. O. Müller 1957
- Europa, Grenzen und Gliederung seiner Geschichte. Wissenschaftl. Buch-Ges. 1957
Hodos, George H.: Mitteleuropas Osten. BasisDruck 2004
Szücs, Jenö: Die drei historischen Regionen Europas. Verlag Neue Kritik 1994
Wandycz, Piotr: Die Freiheit und ihr Preis. Passagen Verlag 1993
- The Price of Freedom. Routledge 1992
 
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