Belagerungen durch germanische Stämme

Allerdings ist sicher, dass sich diese Gruppen mit ihrem Anhang ansiedelten.

Ich weiß jetzt nicht genau, auf welche Aussagen Heathers du anspielst ?!
Aber du hast Recht, wir sollten nicht alle älteren Aussagen nur deshalb verwerfen, weil sie eben älter sind und gerade nicht in den allergängigsten Erklärungsansatz passen, der vielleicht selbst morgen auf Grund neuerer Funde wieder obsolet ist.
Andererseits schreibst du, wir sollten bei den Tatsachen bleiben. Richtig. Die habe ich oben genannt, und mehr ist zum damaligen Rheinübergang nicht belegt. Dass du hier das zusammenbrechende Hunnenreich oder die Burgunder ins Spiel bringst, hilft nicht bei der Erklärung der Ereignisse von 406. Dass die durch Gallien ziehenden Kriegergruppen Frauen und Kinder dabei hatten, ist mehr als wahrscheinlich, sagt aber auch nichts über die Umstände ihres Rheinüberganges aus. Hier sollte man einfach mal den Mut besitzen, Lücken in der Überlieferung auch als solche anzuerkennen.
Aussagen zu hungernden Kriegern, frierenden Familienangehörigen und zugefrorenen Flüssen gehören zu sehr ins Reich der Folklore, als dass wir sie einfach übernehmen könnten.
Wir wissen schlichtweg nicht, wer hier 406 eigentlich über den Rhein gezogen ist. Waren es Söldnertruppen, waren es Kriegerscharen, waren es ganze Familienverbände oder was sonst? Wenn wir uns endlich von Begriffen wie "Völkerwanderung" loslösen und etwas nüchterner die Situation, soweit wir sie überhaupt beschreiben können, analysieren, gibt es so manche Erklärungsansätze, von denen manche natürlich mehr, andere weniger plausibel sind.
 
Die Quellen sagen etwas anderes zur Plünderung von Städten. Zu sagen "Ich glaube das nicht, weil sie das nicht konnten.", geht da nicht, zumal jene Annahme nicht nur völlig unbelegt, sondern auch sehr unwahrscheinlich ist. Bekanntlich haben viele Germanen in Römischen Diensten gestanden und dort natürlich gelernt, wie eine Stadt eingenommen werden kann. Dass sie anscheinend lieber auf den Überraschungseffekt setzten, wird der Effektivität und der Rücksichtnahme auf Menschenleben oder vielleicht besser gesagt in der Erhaltung der Kämpferzahl, in den Worten einer späteren Zeit: der Erhaltung der Armee geschuldet sein.

In den Sachsenkriegen Karls des Großen ist für die Sachsen der Einsatz von Belagerungsgerät erwähnt. Nicht diese Tatsache, sondern die, dass sie sich dadurch selbst schadeten ist dem Chronisten erwähnenswert. Bei solchen oft als selbstverständlich verneinten Fragen, lohnt es sich genauer hinzuschauen. Hier ist eben die Frage, warum keine Belagerungen durchgeführt wurden, obwohl den Invasoren von 406/7 Belagerungen nicht fremd gewesen sind.

In deinem Posting werden aber auch einige Dinge vermischt. Ich finde es dennoch diskussionwürdig.

1. Im Eingangspost ging es darum, ob die Germanen die 406/407 den Rhein überschritten haben fähig waren römische Städte (erfolgreich) zu belagern.

Mich würde erstens interessieren, wie die germanischen Stämme, die zur Jahreswende 406/407 ins Reich einfielen einerseits Mainz und Worms angegriffen, aber andererseits komplett unfähig zu Belagerungen gewesen sein sollen.

Du änderst die Fragestellung von Belagern in Plündern, was definitiv etwas Anderes ist. Plündern kann man Städte auch ohne erfolgreiche Belagerung, wenn man einen lucky Punch landet, etwa eine Stadt ohne Mauern und Garnison vorfindet. Oder eine Stadt im Überraschungangriff nehmen kann.

2. Ich würde gerne (ganz ernstgemeint) die Quellen haben, wo beschrieben wird, wie Germanen römische Städte erfolgreich belagert haben.

3. Das Germanen in der römischen Armee dienten, kann bedeuten, dass sie römische Belagerunsgtechnik kennengelernt haben, muss aber nicht zwingend bedeuten, dass sie diese auch adaptiert haben. Germanen in der römischen Armee dürften auch Onager und Ballisten kennengelernt haben, dennoch finden wir keine bei den Germanen. Waffentechnologie wird anscheinend nur adaptiert wenn sie irgendwie in das herrschende Militärparadigma einer Kultur passt.

4. Das sie auf Städtebelagerungen verzichtet haben, um ihre Armeen zu schonen ist eine absolut schlüssige Argumentation. Allerdings belegt sie wiederum niocht, dass sie Städte belagern konnten, würde aber erklären warum sie es nicht taten, trotz möglicher Kenntnis.

5. Das die Sachsen Katapulte und dergleichen einsetzten ist bekannt, allerdinge bedeutet das nicht zwingend, dass auch die Vandalen, Sueben und Alanen die den Rhein 406/407 überquerten diese Technologien nutzten.
 
Waffentechnologie wird anscheinend nur adaptiert wenn sie irgendwie in das herrschende Militärparadigma einer Kultur passt.

Man könnte auch sagen, dass man qualifiziertes Personal, Material und Werkzeuge benötigt. Der ganze Vorgang einer Belagerung ist ohnehin eine logistische Herausforderung. Muss man erstmal leisten können. Liefert die Geschichte nicht genügend Beispiele, in denen Belagerungen wegen Hunger und Seuchen abgebrochen wurden? Auch der Disziplin ist es wohl nicht förderlich, wenn Langeweile aufkommt.
Kurz: Belagern scheint eine Kunst für sich zu sein.
 
Belagern scheint eine Kunst für sich zu sein.
Das ist richtig. Zudem bringt belagern nicht viel, wenn man jederzeit mit der Ankunft eines Entsatzheeres rechnen muss, oder die eigene Versorgungslage nicht sicherer ist als die der Belagerten. Selbst wenn man am Ende die Stadt erobert findet man dort auch keine Vorräte mehr vor. Da muss man sehr gut Aufwand, Ertrag und Risiko gegenüberstellen. Und vielleicht doch lieber ein paar freistehende Gutshöfe plündern.
 
Zurück
Oben