Da muß ich off-topic ergänzen, bis zum vorletzten Menschen:
Verträge werden gemacht, weil man der ethisch-moralischen Intergrität des Anderen nicht vertraut. Sie werden benötigt, weil ab einer bestimmten Gewichtung von Entscheidungen Interessen vor Moral gehen. Verträge werden regelmäßig gebrochen, wenn man dieses als nützlich und in den Folgen beherrschbar ansieht.
Hier bringst Du zwei Fragestellungen durcheinander: Die eine lautet, warum Verträge einzuhalten sind; die andere, warum Verträge gemacht werden.
Warum sind Verträge einzuhalten? Den Grund hierfür kann man sowohl im RECHT (z.B. dem Rechtsgrundsatz "pacta sunt servanda") als auch in der MORAL (Pflichttreue, Redlichkeit, Lauterkeit, Wort halten) finden. Aus der Moral ergeben sich regelmäßig strengere Maßstäbe als aus dem Recht.
Warum werden Verträge gemacht? Um Interessen auszugleichen. Der Nutzen des Vertragsabschlusses ist für die Vertragsparteien größer als das Opfer, das sie dabei bringen. Von Verträgen geht eine produktive Kraft aus. Die allermeisten Verträge werden übrigens auch eingehalten. Vertragsbrüche sind (häufig allerdings die größere Aufmerksamkeit erregenden) Ausnahmefälle - auch im Völkerrecht.
Deine These, dass Verträge abgeschlossen werden, weil man der ethisch-moralischen Integrität des Anderen nicht vertraut, verdient Widerspruch. Bei einem Vertragsabschluss steht nicht das Misstrauen im Vordergrund sondern das Vertrauen. Mit einem Partner, dem man misstraut, würde man erst gar keinen Vertrag abschließen wollen.
Zunächst zitierte Gandolf aus einer Rede Bethmann-Hollwegs, daß England und Frankreich ohnehin entschlossen gewesen wären, die belgische Neutralität zu verletzten und Belgien dies gebilligt hätte. Wenn es sich hier nicht um reine Propaganda zur Entschuldigung des deutschen Vorgehens handelt, so müßte ich mein Fazit, daß Belgien sich korrekt verhalten hat, doch wieder in Frage stellen.
Das musst Du nicht, wenn Du meine Beiträge (# 6, # 31) richtig lesen würdest.:winke:
Bethmann Hollweg hat in seiner am 4.8.1914 vor dem Reichstag gehaltenen Rede eingeräumt, dass Deutschland Belgien völkerrechtswidrig besetzt hat, d.h. völlig grundlos und willkürlich (vgl. # 6). Zwei Monate später haben 93 deutsche Künstler und Gelehrte sich dazu verleiten lassen, das Gegenteil zu behaupten (vgl. # 31). Das war aber KRIEGSPROPAGANDA und hatte mit den Tatsachen nichts zu tun.
eusebius schrieb:
In seiner gelungenen Zusammenfassung der Schlieffen-Planung erwähnt dann silesia, daß der deutsche Generalstab davon ausging, und zwar ab einem sehr frühen Zeitpunkt, daß entweder Franzosen oder Briten belgisches Territorium für sich nutzen würden, mit welcher belgischen Beteiligung auch immer. Hier stellt sich mir erneut die Frage, was den Generalstab hierin so sicher machte? Handelt es sich um ein Ergebnis eigener Kalkulation, die das Handeln des Gegners vorauszusehen versucht, oder lagen doch Informationen vor, die diese Absichten der Ententemächte belegten?
Zunächst einmal handelte es sich um Planspiele von Militärs, zu deren Beruf es gehört, mit allen möglichen Entwicklungen zu rechnen.
Ferner lag es in der Logik des Londoner Abkommens über die Neutralität von Belgien, dass bei einer belgischen Neutralitätsverletzung durch D die anderen Garantiemächte (insb. GB und F) Belgien zu Hilfe eilen werden. Ob sie diese Hilfe in einer effektiven Weise dann auch noch leisten können, war eine andere Frage.
Schließlich war der Schlieffenplan 1914 schon längst kein Geheimnis mehr. Kaiser Wilhelm II. hatte bei einem Belgienbesuch, Mitte des ersten Jahrzehnts des 20. Jh., den belgischen König gefragt, ob dieser deutsche Truppen durch Belgien ziehen lassen würde, wenn es zwischen D und F zu einem Krieg kommt. Der lehnte dieses Ansinnen freilich entrüstet ab. Aber spätestens seit diesem Zeitpunkt war klar, dass im Falle eines deutsch-französischen Krieges die deutsche Armee versuchen würden, Frankreich über Belgien auszuschalten. Also gab es auch Planungen auf Seiten der Alliierten, wie man Belgien IM FALLE einer Neutralitätsverletzung durch Deutschland zu Hilfe eilen könne.
Im August 1914 ging von Belgien keinerlei Gefahr für das Deutsche Reich aus. Aber der Zug durch Belgien stellte in den Augen der zum Krieg bereiten deutschen Militärs eine Möglichkeit dar, Frankreich schnell niederzuwerfen. Diese "Chance" sollte genutzt werden. Als dann klar wurde, dass GB wegen der Neutralitätsverletzung in den Krieg eintreten wird und Kaiser Wilhelm II. Moltke befahl, die deutschen Truppen aus Luxemburg wieder abzuziehen und nicht in Belgien einzumarschieren, stellte sich heraus, dass der Zug durch Belgien auch die einzige Planung des Generalstabs für den Kriegsfall darstellte.