Betrachtungen zum Weltkriege (Quelle)

Sabrina1987

Neues Mitglied
Hallo alle zusammen,

ich habe ein kleines Verständnissproblem mit einer Quelle im Fach Geschichte. Sie entstammt aus "Betrachtungen zum Weltkriege" von Bethmann Hollweg und ist ein Bericht von ihm (über eine Unterredung mit Wilhelm II.), in dem er die Lage nach dem Attentat von Sarajewo beschreibt und das Zustandekommen der Blankovollmacht darstellt. Der letzte Absatz ist mir nicht ganz klar. Es steht:

" (...) Unser Lebensinteresse erfordere die unversehrte Erhaltung Österreichs. Bulgarien heranzuziehen erscheine ihm gut, doch dürfe Rumänien dadurch nicht vor den Kopf gestoßen werden.
Diese Ansichten des Kaisers deckten sich auch mit meinen eigenen Ansichten.
"

Zu Beginn war mir schon mal gar nicht klar, was für eine Rolle Bulgarien und Rumänien für das Deutsche Reich spielten. Nun bin ich schon etwas weiter. Also ich weiß, dass das Verhältnis zwischen Rumänien und Bulgarien auf Grund des 2.Balkankrieges angespannt wenn nicht schon verfeindet ist. Weiter weiß ich, dass Rumänien unter anderen ein wichtiger Handelspartner des Deutschen Reichen (Caprivi) war. Bulgarien dagegen führte ja mit Serbien unter russischer Patronage (Wikipedia) den Balkanbund.

Ein paar Fakten hab ich ja schon, aber kann mir das bitte jemand ausführlicher erklären oder mir gute Seiten im Internet nennen wo ich dies nachlesen kann. Ich werde nämlich aus dem ganzen Zusammenhang irgendwie nicht schlauer, und wichtig erscheint mir diese Passage schon, sonst wäre sie ja nicht in der Quelle zu meiner Hausaufgabe aufgeführt. :S

Ich danke euch vielmals!

Liebe Grüße,
Sabrina
 
Zunächst einmal zum ersten Satz, dass Österreich Ungarn als letzer Bundesgenosse Deutschlands erhalten werden muss. die Donaumonarchie war nur noch dem Namen nach eine Großmacht mit starken seperatistischen Bewegungen.

Bulgarien hatte im 2. Balkankrieg fast alle Eroberungen eingebüßt, vor allem Serbien hatte sich auf Kosten Bulgariens vergrößert, während Rumänien die Dobrudscha annektiert hatte.


Österreich Ungarns Hauptgegner war Serbien, und mit Bulgarien konnten die Mittelmächte auf einen Verbündeten gegen Serbien rechnen. Dabei sollte aber ein Kriegseintritt Rumäniens vermieden werden, das gerne Teile Transsilvaniens besessen hätte. Rumänien war bis 1916 neutral, und die Rolle Rumäniens und Italiens bereitete den Mittelmächten großes Kopfzerbrechen. Es sollte Bulgarien als Bundesgenosse gewonnen werden, aber Rumänien sollte zumindest neutral bleiben.
 
zwei aspekte

Insgesamt kann man wohl davon ausgehen dass Bethmann-Hollweg nciht als ein Kriegstreiber klassifiziert werden kann, eher wird ihm eine leicht fatalistische Haltung unterstellt, die von der unausweichlichkeit des Konflikts zwischen den europäischen Mächten gekennzeichnet war. Soviel zur allgemeinen Einschätzung der Person.

Zwei Aspekte waren für ihn vermutlich als Fakten von Bedeutung.

1. Russland hatte sich von der Niederlage von 1905 gegen die Japaner erholt und hatte sehr deutlich Schritte unternommen, seine Armee zu modernisieren und vor allem auch das Eisenbahnnetz im Westen zu erneuern bzw. zu modernisieren, um rechtzeitig, seine Armee an die Westgrenze zu transportieren.

Er vermutete, dass Russland in seiner Rüstung 1914 noch nicht den Zenith erreicht hatte und hoffte durch seine Unterstützung - Blankoscheck - von Ö-U möglichst schnell Fakten zu schaffen. Damit verbunden war die Hoffnung, dass Russland kein Interesse hatte, den am Rande der Interessensphären stattfindenden Konflikt durch eine Kriegserklärung in das Zentrum von Europa zu verlagern.

2. Er mußte Österreich-Ungarn stabilisieren, da das Deutsche Reich nur durch die Allianz der beiden Mittelmächte - es gehörte ja eigentlich auch Italien dazu - zu einer quasi "Großmacht" in Europa geworden war. Eine Destabilsiierung von Ö-U hätte unweigerlich auch die Rolle des Deutschen Reichs in Frage gestellt. Diese Entwicklung wäre aber für wichtige Kreise der politischen Eliten, voran Wilhelm 2, keine akzeptable Lösung gewesen.

Vor diesem Hintergrund war Bethmann Hollweg durchaus nicht an einem Präventivkrieg gegen Russland interessiert (laut G. Ritter: Staatskunst...Bd.2), akzeptierte aber die Vorstellung, gegen Russland kämpfen zu müssen. Und erhoffte sich als Ergebnis eine Stabilisierung der Position des Deutschen Reichs und von Ö-U unter anderem auch durch eine eindeutige Situation auf dem Balkan. Platt gesagt ging es ihm darum, den Einfluss Russlands auf dem Balkan zurück zu drängen.

Insgesamt ist es aber ein sehr komplexes und sehr spannendes Thema und nach wie vor politisch sehr kontrovers diskutiert, da es immernoch um die Frage der "Kriegsschuld" geht.
 
Hallo!

Erst mal vielen Dank für eure schnellen Antworten.

@ Scorpio:Du hast mir wirklich weitergeholfen. Nochmal zusammengefasst: Die Aussage "Bulgarien heranzuziehen erscheine ihm gut", macht der Kaiser also, weil Bulgarien im 2.Balkankrieg mit Serbien in Konflikt trat. Und die Aussage "doch dürfe Rumänien dadurch nicht vor den Kopf gestoßen werden" besagt, dass es neutral bleiben sollte, obwohl Spannungen zwischen Bulgarien und Rumänien herrschen. Richtig?

@ Mephisto: Danke, aber vielleicht hätte ich noch die Jahreszahl angeben sollen, in der die Quelle entstanden ist. Das war am 5.juli 1914, also kurz nach dem Attentat in Julikrise. Aber das kann ich bestimmt noch irgendwo in meine Beurteilung mit einbauen.

@Thanepower: Danke für deinen Beitrag. Solche Infos kann ich immer gebrauchen. Muss mich nämlich erst noch so richtig in Geschichte einarbeiten. Hab das lange schweifen lassen. Cool!

Liebe Grüße,
Sabrina
 
Zuletzt bearbeitet:
Entschuldigt bitte. Ich habe soeben gesehen bzw. gelesen, dass ich hier hätte gar nicht posten dürfen...:S

Sorry, das wusste ich nicht, bin nämlich neu hier!

Das nächste Mal wandert mein Post ins Forum 1.Weltkrieg, wenn noch was zu diesem Thema wäre.

lg, Sabrina
 
Achso 1914... Na da waren meine Vorschläge ja nicht so hilfreich. :autsch:

Aber vielleicht solltest du das Umfeld des Berliner Kongresses etwas weiter beleuchten. Ich denke, den sollte man schon als einen Eckpunkt der deutschen Balkanpolitik sehen können.
 
Vielleicht sollte man auf die unterschiedlichen Ansätze auf dem Balkan zwischen Ö-U und dem Deutschen Reich hinweisen.

Mit Rumänien bestand ein Geheimvertrag (Bündnisvertrag) zum Dreibund, der auf rumänischen Wunsch nicht offengelegt werden durfte.

Wilhelm II, wie auch Bethmann, gingen iintern wohl davon aus, dass es zur Lösung der Balkan-Probleme und zum Abdrängen Rußlands vorteilhaft sei, Bulgarien und auch Serbien (!) an die Koalition Ö-U/DR heranzuziehen. Verstärkt seit 1907 wurde eine Auseinandersetzung "mit den Slawen", repräsentiert durch Rußland, als unvermeidbar angesehen. Diese Annäherung, für die man gegenüber Ö-U einige Ansätze unternahm, wurde (objektiv realistisch oder eben auch nicht) als möglich angesehen, schließlich umfaßte Ö-U bereits große slawische Bevölkerungsteile.

Außerdem erstarkten die deutschen Wirtschaftsbeziehungen zu Bulgarien und Serbien in dem Maße, wie Ö-U aufgrund der Gegensätze zurückgedrängt wurde. Hier lag also auch ein wirtschaftlicher Gegensatz zwischen DR und Ö-U vor, was sich in den politischen Ansätzen widerspiegelt. Diese Einbundungsphantasie des DR war also
- ökonomisch begründet
- sollte den möglichen Gegner Rußland auf dem Balkan neutralisieren
- und den Einfluß der Westmächte vom Balkan fernhalten.

Die Balkankriege waren territoriale Verteilungskämpfe, bei zerbrechlichen Zweckbündnissen. Insbesondere Bulgarien nahm wohl war, bei den territorialen Eroberungen zu kurz gekommen zu sein. Griechenland ist ein weiterer Faktor in diesem Zusammenspiel (auch hier gab es Verbindungen zu Wilhelm II., der diese in ihrer politischen Wirkung aber überschätzte).


Zwischen Rumänien und Bulgarien bestanden also territoriale Differenzen, Rumänien war schon Bündnispartner. Das dargestellte Zitat bezieht sich mE auch auf die deutsche Zielsetzung, Bulgarien zugleich als Bündnispartner zu gewinnen, ohne Rumänien oder Ö-U hierdurch zu schwächen. Das galt schon vorher, erst recht in der Krise im Juli 1914.
 
Bei den Differenzen zwischen den verschiedenen Balkanstaaten, gab es da irgendwelche Pläne von deutscher Seite, wie die Grenzen aussehen sollten? Die Balkankriege hatten ja nur Ergebnisse aufgrund der militärischen Erfolge und nicht entlang irgendwelcher Sprach- oder Volksgrenzen.

Ein solcher Vorschlag hätte nicht nur für Ruhe zwischen potentiellen Bündnispartnern gesorgt, es hätte auch dem Anspruch Russlands entgegen gewirkt.

Solwac
 
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