Bewaffnete Handelsschiffe im 1. WK

Gandolf

Aktives Mitglied
Eine der großen völkerrechtlichen Streitfragen des Ersten Weltkriegs war die Bewaffnung der Handelsschiffe. Die Briten hielten diese für völkerrechtmäßig, die Deutschen bestritten dies. In vielen GF-Strängen wurde diese Frage bereits angesprochen. Hier soll sie ihren Heimathafen finden.

Vorweg ein paar einführende Informationen meinerseits:


1. Überblick über die unterschiedlichen Auffassungen von GB und dem Dt.R

Die britische Regierung hatte bereits vor Ausbruch des 1. WK die Bewaffnung bestimmter Handelsschiffe veranlasst. Dies ging aus einer Erklärung des Ersten Lords der Admiralität, Winston Churchill, vor dem britischen Unterhaus am 26.3.1913 hervor. Sie befürchtete, dass in einem künftigen Seekrieg, zahlreiche Handelsschiffe auf hoher See in Kriegsschiffe umgewandelt würden und britische Handelsschiffe erbeuten könnten. Durch ihre Bewaffnung sollten britische Handelsschiffe in die Lage versetzt werden, der Wegnahme Widerstand zu leisten. Trotz Bewaffnung sollten feindliche Kriegsschiffe ihnen gegenüber zu einem Vorgehen nach der Prisenordnung verpflichtet sein, es sei denn, das Handelsschiff versuchte zu fliehen oder leistete (gewaltsamen) Widerstand.

Noch vor Ausbruch des 1. WK bestritten der Vortragende Rat im Reichs-Marine-Amt Georg Schramm und der Berliner Universitätsprofessor Heinrich Triepel in Veröffentlichungen generell die Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelsschiffen. Diese wäre mit dem modernen Prisenrecht unvereinbar. Sie bewerteten diese Schiffe als Freibeuter, die im Kriegsfall ohne vorherige Warnung in den Grund gebohrt werden durften (Schramm, „Das Prisenrecht in seiner neuesten Gestalt, 1913, S. 308 ff.; Triepel, „Der Widerstand feindlicher Handelsschiffe gegen die Aufbringung“, in: Zeitschrift für Völkerrecht, Bd. VIII (1914), S. 378 ff.). Die Reichsregierung übernahm im 1. WK diese Auffassung. Sie kam dem britischen Standpunkt allerdings insoweit entgegen, dass sie die Besatzungen bewaffneter Handelsschiffe nicht konsequenterweise als Freibeuter sondern als Kriegsgefangene behandelte (vgl. Nr. 2 des Befehls vom 22.6.1914 (RGBl.1914, 300) als Anlage zur Prisenordnung).


2. Wird das Handelsschiff allein durch seine Bewaffnung zum Kriegsschiff?

„Vorweg ist zu bemerken, dass das Handelsschiff trotz seiner Bewaffnung die Handelsschiffeigenschaft als solche nicht verliert, nicht Hilfskreuzer und somit Kriegsschiff wird, ausgenommen das gemäß des Haager Abkommens über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe „umgewandelte“, das der betreffende Staat vollständig in Kriegsdienste übernimmt und seiner Friedenstätigkeit entzieht“ (Hothorn, „Lusitania-Fall“, in: Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie, Band 2, 1925, S. 851). - Das Umwandlungsabkommen fand zwar im Ersten WK keine direkte Anwendung (wegen seiner Allbeteiligungsklausel in Art. 7). Aber zahlreiche Staaten wandelten Handelsschiffe entsprechend Art. 1 bis Art. 5 des Abkommens um, so dass diese Bestimmungen als völkerrechtliches Gewohnheitsrecht Geltung erlangten.


3. Darf sich ein Handelsschiff überhaupt bewaffnen?

Im Zeitalter der Piraterie und der Kaperei wurden die Handelsschiffe bewaffnet. Häufig wurde die Bewaffnung staatlicherseits befohlen. Entsprechende Anordnungen lassen sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen (z.B. Art. 26 des Edikts des spanischen Königs Felipe II. 1563 oder Art. 59 und 60 des Edikts des französischen Königs Heinrich III. vom März 1584). In drei Verträgen des 17. Jahrhunderts wurde das Recht zur Bewaffnung von Handelsschiffen ausdrücklich anerkannt (Art. 20 des Vertrages von Westminster 1654; Art. 3 des Vertrages von Helsingör 1659 und Art. 7 des Vertrages von Nijmegen 1679). Zahlreiche Prisenentscheidungen und Prisenreglements verschiedener Länder bestätigen, dass von allen Seemächten die Bewaffnung von Handelsschiffen für absolut rechtmäßig gehalten wurde. Es hatte sich ein entsprechendes völkerrechtliches Gewohnheitsrecht herausgebildet.

Völkerrechtliche Rechtssätze können natürlich auch untergehen. Hierzu müsste allerdings ein spezieller Untergangstatbestand eingreifen: z.B. ein das alte Recht aufhebender völkerrechtlicher Vertrag oder aufhebender völkerrechtlicher Gewohnheitsrechtssatz.
  • Die Pariser Seerechtsdeklaration (1856) verbot mit der Abschaffung der Kaperei lediglich private Unternehmer zur Ausübung des Seebeuterechts staatlich zu autorisieren. Die Bewaffnung der Handelsschiffe diente hingegen dem Zweck, feindliche Erbeutungsversuche abzuwehren. Das defensive Bewaffnungsrecht wurde also vom Kaperei-Verbot nicht berührt.
  • Das Haager Abkommen über die Umwandlung von Kauffahrteischiffe in Kriegsschiffe (1907) stand einer Bewaffnung von Handelsschiffen nicht entgegen. Das Abkommen enthielt weder ein Verbot, Handelsschiffe zu bewaffnen noch sah das Abkommen als Folge der Bewaffnung eines Handelsschiffs dessen Umwandlung in ein Kriegsschiff vor. Für eine Umwandlung forderte das Abkommen vielmehr die militärische Integration des Handelsschiffs in die Flotte des Kriegsministers. Auf die Bewaffnung des Schiffs kam es gar nicht an.
  • Die alte Gewohnheit, Handelsschiffe zu bewaffnen, wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts immer weniger und bis 1913 gar nicht mehr praktiziert. In diesem Niedergang der alten Gewohnheit könnte ein das alte Bewaffnungsrecht aufhebender neuer Gewohnheitsrechtssatz dann gesehen werden, wenn die Gewohnheit der Bewaffnung aus der rechtlichen Überzeugung, dass das alte Bewaffnungsrecht nicht mehr fortgelten sollte, nicht mehr praktiziert wurde. Doch für den Niedergang waren allein praktische Erwägungen verantwortlich. Auf die Bewaffnung der Handelsschiffe wurde verzichtet, weil diese gegenüber den modernen Kriegsschiffen keine Verteidigungschance zu haben schienen.
Die weltweit ganz herrschende Meinung der Völkerrechtler hielt 1912 - 14 die Bewaffnung von Handelsschiffen für Verteidigungszwecke für rechtmäßig.
  • Das von den angesehensten Völkerrechtslehrern der Welt besetzte „Institut de Droit International“ bestätigte 1913 auf seiner Oxforder Sitzung in seinem Entwurf eines „Manual des lois de la guerre maritime“ das alte Gewohnheitsrecht, Handelsschiffe zu Verteidigungszwecke zu bewaffnen. In seinem Artikel 12 wurde das Folgende bestimmt: „La course est interdite. En dehors des conditions déterminées aux articles 3 et suivants, les navires publics et les navires privés, alsini que leur personnel, ne peuvent pas se livrer à des actes d’hostilité contre l’ennemi. Il est toutefois permis ax uns et aux autres d’employer la force pour se défendre contre l’attaque d’un navire ennemi“ (Annuaire de l’ Institut de droit International, Bd. 26 [1913], insb. S. 516 ff.).
  • Triepel, der auf der genannten Oxforder Sitzung die Zulässigkeit der Bewaffnung bestritt, räumte in seinem Aufsatz seine Minderheitenposition in der Völkerrechtswissenschaft ausdrücklich ein: Sein britischer Gegner in der in der Zeitschrift für Völkerrecht (Band VIII, Jahrgang 1914) ausgetragenen Diskussion, „Oppenheim“, so Triepel, „hat Recht; die Literatur ist auf seiner Seite. Nicht nur in den englischen und angloamerikanischen Darstellungen des Völkerrechts und speziell des Seekriegsrechts, sondern auch in der französischen, der belgischen, der italienischen, der schwedischen Wissenschaft wird das Verteidigungsrecht, soviel ich sehe, allgemein anerkannt. Nur ganz vereinzelt wagen sich leise Bedenken hervor“ (Triepel aaO., S. 391).
  • Auch die deutsche Völkerrechtslehre sah dies bis Kriegsausbruch noch so. So schrieb z.B. Erich Hüttenheim 1912 folgendes: „Das Kriegsschiff wird (...) das begegnende Handelsschiff zum Anhalten auffordern. Der Kauffahrer kann dann entweder gewaltsamen Widerstand leisten oder zu entfliehen versuchen oder sich in sein Schicksal ergeben und der Aufforderung Folge leisten. Dass die Mannschaft zu gewaltsamem Widerstand berechtigt ist, bedarf deshalb besonderer Hervorhebung, weil im allgemeinen Privatpersonen die Beteiligung an den Feindseligkeiten völkerrechtlich streng untersagt ist (...)“ (Erich Hüttenheim, in: Zeitschrift für Völkerrecht, Bd. 6, 1912/13, Beiheft II, S. 49). Der deutsche Völkerrechtsprofessor Theodor Niemeyer sprach sich 1913 auf der Oxforder Sitzung für das Verteidigungsrecht aus. Noch während des Krieges anerkannte Hans Wehberg in seiner Monographie zum Seekriegsrecht ausdrücklich das Recht, Handelsschiffe für Verteidigungszwecke zu bewaffnen (Hans Wehberg, „Seekriegsrecht“, in: Fritz Stier-Somlo (Hrsg.), „Handbuch des Völkerrechts“, Vierter Band, Dritte Abteilung, 1915, S. 284).
Entgegen dieser ganz herrschenden Meinung bestritt Georg Schramm in seinem 1913 erschienenen Buch „Das Prisenrecht in seiner neusten Gestalt“ die Zulässigkeit der Bewaffnung. Da Schramm Vortragender Rat im Reichs-Marine-Amt war, konnte man davon ausgehen, dass Schramms Auffassung auch die seiner Behörde war. Nun folgte in der Zeitschrift für Völkerrecht ein Schlagabtausch zwischen dem britischen Völkerrechtler Oppenheim aus Cambridge und dem Berliner Universitätsprofessor Triepel, in dem die grundlegenden Positionen deutlich wurden:

Schramm und Triepel bestritten das Widerstandsrecht feindlicher Handelsschiffe gegen ihre Anhaltung und Durchsuchung, weil das Kriegsschiff nach Prisenrecht zur Durchführung dieser Maßnahmen berechtigt sei. Wo aber der eine berechtigt ist, eine Handlung durchzuführen, sei der andere verpflichtet, diese Handlung zu dulden. Bei neutralen Handelsschiffen sei dies unbestritten so. Logischerweise müsse dies auch für feindliche Handelsschiffe gelten.

Gegen dieses Argumentation wendete Oppenheim ein, dass zwischen Kriegsrecht und Neutralitätsrecht ein wesentlicher Unterschied besteht. Zwischen dem aufbringenden Kriegsschiff und einem neutralen Handelsschiff besteht ein Rechtsverhältnis. Dem Kriegführenden steht das Recht zur Anhaltung und Durchsuchung zu, um kontrollieren zu können, ob sich Konterbande an Bord befindet. Das neutrale Schiff muss diese Maßnahmen dulden. Zwischen dem Kriegsschiff und einem feindlichen Handelsschiff hingegen besteht ein Kriegsverhältnis. Die Aufbringung zielt auf die Wegnahme des Handelsschiffs als Bestandteil der Handelskriegsführung. Sie ist somit kein Recht, dessen Ausübung geduldet werden müsste, sondern Ausdruck der Feindseligkeit, gegen die Widerstand geleistet werden darf. Zumal die Besatzung des feindlichen Handelsschiffs im Falle der Wegnahme des Schiffs mit ihrer Gefangennahme rechnen muss (vgl. Art. 6 des XI. Haager Abkommens über gewisse Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts im Seekriege (1907)) und niemand verpflichtet sein kann, sich kampflos in Kriegsgefangenschaft zu begeben.


4. Die Unterscheidung zwischen Verteidigung und Angriff

Zu Beginn des 1. WK bekundete GB gegenüber den USA, dass die Bewaffnung von Handelsschiffen lediglich eine Vorsichtsmassregel darstellt, die zum Zweck der Verteidigung gegen Angriffe feindlicher Fahrzeuge getroffen worden ist. Der britische Botschafter in Washington versicherte, „dass britische Handelsschiffe niemals zu Angriffszwecken verwendet werden, dass sie ausschließlich dem friedlichen Handel dienen und nur zur Verteidigung bewaffnet sind, dass sie niemals feuern werden, wenn nicht zuvor auf sie gefeuert worden ist, und dass sie unter keinen Umständen jemals ein Schiff angreifen werden“ (Note des britischen Botschafters an den amerikanischen Außenminister vom 25.8.1914, zitiert nach Anlage 2 der deutschen Denkschrift vom 8.2.1916, in: Zeitschrift für Völkerrecht, Bd. IX (1916), S. 525 f.).

Doch der Seekrieg zwischen England und Deutschland eskalierte. Beide Seiten warfen sich wechselseitig Kriegsrechtsverletzungen vor. Beide Seiten übten im Wege von Repressalien Vergeltung für die jeweils von der andere Seite angeblich oder tatsächlich begangenen Kriegsrechtsverletzungen. Bei Repressalien handelt es sich um an sich völkerrechtswidrige Handlungen, die dadurch ihre Rechtfertigung finden, dass sie eine Reaktion auf eine völkerrechtswidrige Handlung des Feindes darstellen, mit der dieser dazu bewegt werden soll, zu einem rechtmäßigen Verhalten zurück zu kehren. Eine solche Repressalie auf britische Kriegsrechtsverletzungen stellte nach deutscher Auffassung die Kriegsgebietserklärung vom 4.2.1915 dar, mit der das Gewässer rings um GB und Irland als Kriegsgebiet erklärt wurde. „Vom 18. Februar 1915 an wird jedes in diesem Kriegsgebiet angetroffene feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden, ohne dass es immer möglich sein wird, die dabei der Besatzung und den Passagieren drohenden Gefahren abzuwenden“ (Nr. 1 der Bekanntmachung der Deutschen Kriegsgebietserklärung vom 4.2.1915, zitiert nach Grewe (Hrsg.), Fontes Historiae Iuris Gentium, Dok.-Nr. 88b, S. 660).

Britische Handelsschiffe konnten sich nun nicht mehr sicher sein, dass die deutschen U-Boote ihnen gegenüber nach Prisenordnung vorgehen würden. Doch wenn die Deutschen den passiven Schutzstatus der britischen Handelsschiffe nicht mehr beachteten, konnten diese auch nicht mehr verpflichtet sein, feindliche U-Boote nicht aktiv anzugreifen. Potentielle Repressalienopfer müssen sich nicht kampflos töten lassen. Entsprechend fiel die Reaktion der Briten aus: Anordnung vom 14.2.15 vor deutschen U-Booten zu flüchten oder auf diese direkt zuzufahren (Churchills „Rammbefehl“); Anordnung vom 25.2.15 das Feuer auf offensichtlich verfolgende feindliche U-Boote zu eröffnen, die feindliche Absichten erkennen ließen); etc. Im eskalierenden Seekrieg 1915 verschwamm der Unterschied zwischen Verteidigung und Angriff.
 
Die britische Regierung hatte bereits vor Ausbruch des 1. WK die Bewaffnung bestimmter Handelsschiffe veranlasst. Dies ging aus einer Erklärung des Ersten Lords der Admiralität, Winston Churchill, vor dem britischen Unterhaus am 26.3.1913 hervor.

Teil I: Bewaffnete Handelsschiffe in der Royal Reserve Fleet:

Wobei zunächst anzumerken ist, dass die „Veranlassung“ der Bewaffnung (nur) der Vorbereitung derselben diente. Die Schiffe der Cunard-Company sind in dem mir vorliegenden Band „The Naval Annual 1913“, editiert von Hyde, als Bestandteil der Royal Reserve Fleet als Royal Navy Reserved Merchant Cruisers aufgeführt, ohne Bewaffnung (dort, S. 229 unten). Was das bedeuted, wird aus folgendem klar: Bis zur Flottenreform 1864 wurde die Blue Ensign als eine der 3 Flaggen der britischen Royal Navy geführt (Blue Squadron). Seit 1865 durften auch abhängige Gebiete und Kolonien die Blue Ensign mit einem eigenen Wappen (Badge) gestalten und als Dienstflagge führen. Vermerk im NA 1913, S. 229: Lusitania/Mauretania: „permitted to fly the blue ensign“ (Erlaubnis zum Führen der Kriegsflagge).

Um Zweifel bezüglich der „Vorbestellung“ der RN (damals als Unikum der Flottenpraxis) auszuräumen und diese etwa als „Eventualflotte“ hinzustellen, was schon durch das Flaggenrecht und die Kriegsschiffslistung ausgeschlossen ist, lohnt ein Blick auf bestimmtes Personal: Die Mannschaften der „Royal Fleet Reserve“, soweit „immediate class“ , bestanden aus Zivilisten, auf 5 Jahre an die RRF gebunden, verpflichtet zu 28 Tagen p.a. (!) Training auf Kriegsschiffen (=Staatsschiffen, H.M.S), dienstverpflichtet für die RN im Fall eines national emergency (=Kriegsausbruch), ebenda, S. 432.

Per 31.12.1912 waren das 25.788 Mann. Die Offiziere kamen zu Geschütz- und Torpedokursen (129), Signalkursen (16), Strategiekursen (8), die Mannschaften zu Trainingseinheiten von 4-8 Tagen, 28 Tagen, 3 Monaten. Dasa Training fand auf Schiffen der Second Fleet statt, also älteren/unmodernen Einheiten, die Schiffstypen wechselten von big ships bis zu TB-destroyers.

Zuständig für Einheiten der RRF war der First Sea Lord (direkt unter dem First Lord der Admiralität), Aufgabenbereich Nr. 3: distribution and movements of all ships in Commission and in Reserve (ebenda, S. 439), der Fourth Sea Lord dagegen (Aufgabenbereich Nr. 1): transport service, including hired auxiliary vessels other than armed merchant cruisers, ebenda, S. 440, der Financial Secretary (Aufgabenbereich Nr. 4): „payment of hire of ships as armed merchant cruisers, troopships, colliers, freightships etc. (insbesondere die Zusammenfassung ist bemerkenswert). Schließlich sind für die Geschütze, Geschützvorbereitung und Werftliegezeit dafür der Third Lord und der Civil Lord der Admiralität zuständig. Die Haushaltposten der Admiralität enthalten vorbereitende Armierung und Panzerung von armed merchant cruisers.

Sowohl an der Zuordnung der Schiffe als Kriegsschiffe, der Zuordnung des Personal-Nukleus als auch der Einbindung in die Admiralität kann danach kein Zweifel bestehen.


Nachrichtlich:
Für die Kaiserliche Marine führt das NA 1913 in derselben Gliederung, hinter den Armoured Ships und den Cruising Ships die Merchant Cruisers auf:
Kronprinzessin Caecilie
Kaiser Wilhelm II.
Kronprinz Wilhelm
Kaiser Wilhelm der Große
George Washington
("the armament is of 6-inch and smaller quick-firers").
 
Im Zeitalter der Piraterie und der Kaperei wurden die Handelsschiffe bewaffnet. …Zahlreiche Prisenentscheidungen und Prisenreglements verschiedener Länder bestätigen, dass von allen Seemächten die Bewaffnung von Handelsschiffen für absolut rechtmäßig gehalten wurde. …
Es hatte sich ein entsprechendes völkerrechtliches Gewohnheitsrecht herausgebildet.
Völkerrechtliche Rechtssätze können natürlich auch untergehen. Hierzu müsste allerdings ein spezieller Untergangstatbestand eingreifen: z.B. ein das alte Recht aufhebender völkerrechtlicher Vertrag oder aufhebender völkerrechtlicher Gewohnheitsrechtssatz.
Die alte Gewohnheit, Handelsschiffe zu bewaffnen, wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts immer weniger und bis 1913 gar nicht mehr praktiziert.

Teil II: Zur Frage der Piraterie und der Dynamik des Seekriegsrechts bis 1914

Diesen Aspekt möchte ich zunächst vertiefen:
Hier ist ein Blick auf die Marinegeschichte sinnvoll, um zu verstehen, warum die Seerechtskonferenzen 1856 und 1907 zur Frage der Bewaffnung keine Stellung mehr bezogen, insbesondere auf die etwas ungenaue Formulierung „… bis 1913“.

Eigentlich wäre interessant, wozu denn nun die neu auftretende Bewaffnung von private vessels tatsächlich diente und wie sie offiziell begründet wurde, dazu später mehr. Wichtig ist, zunächst die Entwicklung klarzustellen, dass seit dem Mittelalter in einem fortlaufenden Prozeß sich Seekrieg, Kaperei und Piraterie zu unterscheiden begannen (Heintschel von Heinegg, Seekriegsrecht, S. 365).

Die (staatlich veranlasste) Piraterie wurde 1856 verboten, nachdem die (staatlich unorganisierte) Piraterie bereits verschwunden war:
„Mit der zunehmenden Entwicklung und Durchsetzung des Internationalen Seerechts durch die Marinen der Überseehandel treibenden Nationen, und der Erfindung und Verbreitung der Dampfschifffahrt wurde die klassische Piraterie immer mehr zurückgedrängt, so zu Anfang des 19. Jahrhunderts, nach der internationalen Ächtung des Sklavenhandels, an der Westküste Afrikas und im Persischen Golf, in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts, nach den lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriegen, in der Karibik und in den 1860er Jahren, nach dem Zweiten Opiumkrieg, im Chinesischen Meer.
Seit Mitte des 19. Jahrhundert war die Piraterie im Bereich der Industrienationen der westlichen Welt nahezu verschwunden, nur in den Küstenregionen Chinas flackerte sie bis in die 1920er Jahre noch gelegentlich wieder auf. Dennoch stellt sie in einigen Regionen heute wieder eine ernsthafte Gefahr dar. In jüngerer Zeit nimmt sie, bedingt durch Globalisierung und politische Umwälzungen, wieder zu.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Piraterie mit Verweis auf
Seemacht, Seekriegsgeschicht von der Antike bis zur Gegenwart Von Elmar B. Potter und Chester W. Nimitz Deutsche Fassung herausgegeben im Auftraf des Arbeitskreises für Wehrforschung von Jürgen Rohwer

Nun behandelt das nicht nur wikipedia, sondern z.B. auch:
Weskott, Das Privateigentum im Seekriegsrecht, Diss. 1935, S. 73 zur Erklärung der mangelnden Behandlung 1907: Seit der Abschaffung von Kaperei (gemeint ist 1856!) hatte man im Laufe des 19. Jahrhunderts die Bewaffnung von Handelsschiffen vollkommen aufgegeben.“

Schlechte, Luftkrieg gegen den Seehandel, 1968, S. 156: „Bis zu Beginn (!) des 19. Jahrhunderts war es wegen der Unsicherheit auf den Meeren üblich, Handelsschiffe zu bewaffnen. Die Waffen dienten dem Schutz vor Seeräubern. Gegen feindliche Kriegsschiffe durften sie nicht eingesetzt werden.“ (dazu weiter unter, wozu die Bewaffnung 1820 und 1914 tatsächlich diente, mit Verweis auf die dieser geänderten Praxis notwendig folgende Veränderung des Seekriegsrechts: die Zeiträume sind hinsichtlich der Völkerrechtsprobleme unvergleichbar).

Heintschel von Heinegg, Seekriegsrecht, S. 365: Er stellt das Argument heraus, dass nach 1856 gerade die Abschaffung der Piraterie entscheidend war, von der Bewaffnung abzusehen. Die Aufgabe der Bewaffnung wiederum brachte im Gegenzug die Rechtsfortbildung zur Unverletzlichkeit der private vessel (Handelsschiffe in Privateigentum). „ Daher konnte sich Mitte des 19. JH eine Norm herausbilden, der zufolge gegnerische Handelsschiffe grundsätzlich vom Angriff auszunehmen waren.“ (ebenda, S. 366).

Die Frage der Bewaffnung ist überhaupt nur zu verstehen, wenn man den Kerngedanken der Abgrenzung von Handels- und Kriegsschiff 1907 heranzieht: Handelsschiffe (merchant vessel) sind Privateigentum, Kriegsschiffe sind Staatsschiffe (public oder government vessel), eine Unterscheidung, die aus der angelsächsischen Rechtstradition des Seebeuterechts stammt und sich in zahlreichen Entscheidungen niedergeschlagen hat. Nun ist bei der Bewaffnung nicht an Gewehre etc. gedacht, sondern an Kanonen (ab 1913 an 12.7cm bzw. 15cm-Kanonen).

Diese Bewaffnung stand nur Staatsschiffen zu, es gab keine private vessel (=merchant vessel =Handelsschiffe), die in der Lage gewesen wären, sich eine Artillerie auf Kreuzerniveau zuzulegen bzw. denen solches (4-6-inch-Kanonen bzw. z.B. 25-Pfünder) ab Mitte des 19. Jahrhunderts möglich gewesen wäre. Entsprechend bildete sich neu ab 1865 das Prinzip der Unverletzlichkeit des Privateigentums, und dieses waren die besagten merchant vessels heraus (nach gescheiterten interenationalen Versuchen ab etwa 1828 zunächst innerstaatliches Recht in Italien, andere Staaten hatten zuvor selektiv bei einzelnen Kriegen auf das Seebeuterecht verzichtet.

Vor diesem Hintergrund ist marinehistorisch die Aussage nicht zu halten, es habe sich in der Phase der Abschaffung der Bewaffnung außer dem Problem der Piraterie (was bereits ein rein faktischer Vorgang war und der Bewaffnung die Begründung entzieht) nichts geändert:

1. die Bewaffnung war Privatschiffen ab 1860 unzugänglich, sondern in allen (!) größeren Seefahrtnationen den public vessels (= Staatsschiffen, =Kriegsschiffen) vorbehalten

2. das Seekriegsrecht bildete sich in einem (für die Bewaffnungsfrage) wesentlichen Punkt um und sah zunehmend (= rechtsfortbildend) den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigentums vor, natürlich ausgenommen Konterbande- und Seeblockaderecht.


Dennoch war die Diskussion, die erst nach 1907 und insbesondere 1913 aufbrandete, völlig im Fluß:

1. Die Frage der Bewaffnung von Handelsschiffen war vor (allein 50 britische Völkerrechtler wandten sich gegen die Armierung 1913) und während des Ersten Weltkrieges (siehe die klare Praxis der Niederlande, bewaffneten Handelschiffen die Einfahrt zu sperren) umstritten und keinesfalls durch Abstimmung der Völkerrechtler klar, wie Schenk, Seekrieg und Völkerrecht, S. 52 anhand der Washingtoner Konferenz 1922 belegt: 3 von 5 teilnehmenden Großmächten verbanden die Bewaffnung mit dem Verlust der Handelsschiffeigenschaft. Die Definition blieb ungeklärt (Conference Docs, S. 702)!

Der eingesetzte Juristenausschuß der Londoner Flottenkonferenz 1930 wies darauf hin, dass „der Ausdruck Handelsschiff, …, nicht (sic!) ein Handelsschiff umfasst, das sich im Augenblick der Feindseligkeiten derart beteiligt, dass es sein Recht auf Unverletzlichkeit des Handelsschiffs verliert.“ Daraus geht nur hervor, dass das Führen der Handelsflagge keinen Schutz des Londoner Abkommens gewährt. Damit war die Freiheit der Auslegung gewährt, die sich in den nachfolgenden nationalen Prisenregelungen auch durch ganz unterschiedliche Praxis tatsächlich gezeigt hat.

2. Die britische Note vom 9.8.1914 wies demnach alle Neutralen auf die Existenz bewaffneter britischer Handelsschiffe hin. Die Bewaffnung wurde als nach Kriegsausbruch eine „zum alleinigen Zweck der Verteidigung getroffene Vorsichtsmaßregel“ erklärt (Plaga, Das bewaffnete Handelsschiff, S. 33). Der frühere Bezug zur „Piraterie“ wird damit bereits aufgrund dieser britischen Erklärung und Begründung zu bewaffneten Handelsschiffen im Kriegsfall unhaltbar: „Die Schiffe sollen einem bewaffneten feindlichen Handelsschiff gegenüber zur Selsbtverteidigung fähig sein und nur auf Verfolger feuern dürfen.“ (Churchill, Parlamentsdebatte, House of Commons, Band 59, Nr. 1925. Erklärung des britischen Botschafters in den davon überraschten USA, dazu erstaunlich offen und auf den Kernpunkt erklärend: Die Bewaffnung dient dem Zweck der Verteidigung gegen feindliche Hilfskreuzer They are merely peaceful traders, armed only for defence. (Grau, Handelsschiffe im Krieg, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 512).

Mit Piraterie hat diese Bewaffnung auch nach diesem klaren Bezug nichts mehr zu tun, nicht nur, weil Piraterie 70 Jahre nicht mehr existent und Bewaffnung nur Staatsschiffen verfügbar war.

3. Zur Frage der Mehrheit: Viele Regierungen beschäftigten sich mit der Bewaffnungs-Frage erstmals bei Kriegsausbruch, und zwar nicht unter dem Aspekt der Piraterie: Die im September 1914 in Philadelphia einlaufende britische „Merrion“ war mit 6 Geschützen armiert, die in New York einlaufende „Adriatic“ mit 4 Geschützen. Die Schiffe wurden festgehalten, und aufgrund der unklaren Rechtslage erst nach Demontage der Geschütze freigegeben (was an sich auch rechtlich unzulässig war, wenn man die Kriegsschiff-Eigenschaft bejaht). Erst danach, am 19.9.1914 sah sich die US-Regierung veranlasst, Bestimmungen zur Behandlung bewaffneter Handelsschiffe herauszugeben.

4. Die Akzeptanz der (rein defensiven) Bewaffnung wurde vielmehr regelmäßig völlig außerhalb von Piraterie-Diskussionen wie folgt begründet:
Daraus, dass Handelsschiffen Widerstand gegen prisenrechtliche Maßnahmen möglich sei, folgt: Rein defensive Bewaffnung ist zur Abwehr von Prisenmaßnahmen zulässig. Diese Argumentation von Heintschel von Heinegg halte ich geradezu für absurd, weil sie zugleich mit der Akzeptanz der Bewaffnung und der Billigung des Widerstandes den Verlust der Unversehrtheit in Kauf nimmt (der prägenden Eigenschaft des Handelsschiffes schlechthin und der Zielsetzung der völkerrechtlichen Regelungen, die von 1856 an schließlich in den Prisenordnungen ihren Niederschlag im WK I und II gefunden habe.
Schmitt, Die Zulässigkeit von Sperrgebieten im Seekriegsrecht, S. 53, dort Fußnote 286, stellt das in Frage: Ob den Handelsschiffen ein Widerstandsrecht gegen eine rechtmäßige Aufbringung zusteht (und das ist die Begründung für Bewaffnung!), ist äußerst umstritten, genereller Verweis dazu auf Kaak, Der gewaltsame Widerstand feindlicher Handelsschiffe gegen prisenrechtliche Maßnahmen. Sie setzen sich mit dem Widerstand der Vernichtung aus, begeben sich also außerhalb des ihnen ansonsten zustehenden völkerrechtlichen Schutzes.

Sodann beschreibt er treffend die Rechtsfortbildung: Die im 19. JH entstandene Regel, die Kriegsführenden (im Wege der Kaperei) verbot, feindliche Handelschiffe anzugreifen (somit das Privateigentum im Kriege schützte), sofern diese nicht gewaltsamen Widerstand leisten, betraf eine ganz andere Art von Handelsschiffen als sie uns im modernen Krieg begegnet. Sie fußt darauf, dass ein Handelsschiff mit der Kriegführung nichts zu tun hat (=angelsächsische Interpretation des private vessel) und Waffengewalt, sofern es überhaupt Waffen mit sich führt, gegen Kriegsschiffe nicht anwenden wird. Diese Handelschiffe gab es in den Kriegen des 20. JH nicht mehr (ausschließlich). Eine sinngerechte Auslegung der alten Regel führt nun zu dem Ergebnis, dass die Regel „militarisierten“ Handelsschiffen nicht mehr zusteht (Schmitt, S. 117). Auch hier sieht man: die Bewaffnung des 20. JH wurde zu keinem Zeitpunkt auf die alten Grundsätze ihrer Zulässigkeit aus den Zeiten der Piraterie vor 1850 gestützt.

Von daher halte ich es für unzulässig, die Bewaffnungsfrage 1913 (nach fast 60 Jahren gewohnheitsmäßiger NICHT-Bewaffnung in den Seefahrtnationen) auf die Völkerrechtslage vor Abschaffung der Piraterie und die Bewaffnung zur Abwehr der Kaperei zu stützten.
 
Hallo Silesia,

da hast Du aber eine ganze Menge geschrieben (# 2 und # 3) und bist erst beim Anfang meiner Nummer 3 angelangt. Kommt da noch mehr? (Teil III etc.) Dann würde ich mit meiner Antwort solange warten bis Du fertig bist.

LG
Gandolf
 
Hallo Gandolf,

mir ging es eigentlich zunächst nur um ausgewählte Punkte:
1. das Navy Annual und den Jahresreport der Admiralität 1913
2. die Piraterie und die (fehlende) Praxis der defensiven Bewaffnung in der zweiten Hälfte des 19.JH, verbunden mit der Begründung der defensiven Bewaffnung 1913/14 und ersten "Anwendungsfällen" mit der damit verbundenen Rechtsunsicherheit 1914.


Auf weitere Punkte wollte ich erst später kommen, insbesondere die Frage der
- Völkerrechtsbildung zur Bewaffnung, die erst nach Abschaffung der Kaperei überhaupt einsetzt.
- die Haltung diverser Länder und ihrer Prisenrechtsprechung
- die Herkunft der Unterscheidung Staatsschiff-Privatschiff aus der angelsächsischen Rechtstradition, die Folgen für die Unterteilung Kriegsschiff-Handelsschiff besitzt und mE den Schlüssel zum Verständnis der britischen Haltung ausweist.
- der Völkerrechtsstreit zum Widerstandsrecht gegen Durchführung der Prisenordnung, gleichfalls bedeutend für die Bewaffnungsfrage. Das wären die Prisenordnungen auszuwerten.
- die weitere Haltung der großen Seefahrtnationen zur Frage: defensive Bewaffnung oder gar keine Bewaffnung
- Kriterien der Abgrenzung defensiver Bewaffnung


Die offensive Bewaffnung des private vessel ist nun vom Tisch, vermute ich? Es ist geradezu ärgerlich, wenn angesichts der Haltung nahezu aller Länder im WK I diverse Autoren das Problem noch allgemein unter dem Titel "Bewaffnung" führen.


EDIT: Zum Fryatt habe ich inzwischen die Wiedergabe des nicht ganz unwichtigen KTB der Brüssel aufgefunden. Bringe ich noch unter Lusitania.
 
silesia schrieb:
Die offensive Bewaffnung des private vessel ist nun vom Tisch, vermute ich? Es ist geradezu ärgerlich, wenn angesichts der Haltung nahezu aller Länder im WK I diverse Autoren das Problem noch allgemein unter dem Titel "Bewaffnung" führen.
:confused:

Warum stellst Du mir diese Frage? Die m.E. völkerrechtlich abwegige Theorie, dass sich ein Handelsschiff allein durch (offensive) Bewaffnung in ein Kriegsschiff umwandeln könnte, wurde von Dir vertreten und nicht von mir. Aber immerhin freut es mich, Deinem Beitrag # 2 eine gewisse Veränderung in Deiner Argumentation entnehmen zu können. Du bewegst Dich auf die Kriterien des Umwandlungsabkommens als Maßstab für die Unterscheidung zwischen Kriegs- und Handelschiffen zu. Ich hoffe natürlich, dass Du auch noch die entsprechenden Schlüsse hieraus ziehen wirst.:D:devil::D
silesia schrieb:
Wobei zunächst anzumerken ist, dass die „Veranlassung“ der Bewaffnung (nur) der Vorbereitung derselben diente. Die Schiffe der Cunard-Company sind in dem mir vorliegenden Band „The Naval Annual 1913“, editiert von Hyde, als Bestandteil der Royal Reserve Fleet als Royal Navy Reserved Merchant Cruisers aufgeführt, ohne Bewaffnung (dort, S. 229 unten). Was das bedeuted, wird aus folgendem klar: Bis zur Flottenreform 1864 wurde die Blue Ensign als eine der 3 Flaggen der britischen Royal Navy geführt (Blue Squadron). Seit 1865 durften auch abhängige Gebiete und Kolonien die Blue Ensign mit einem eigenen Wappen (Badge) gestalten und als Dienstflagge führen. Vermerk im NA 1913, S. 229: Lusitania/Mauretania: „permitted to fly the blue ensign“ (Erlaubnis zum Führen der Kriegsflagge).
Nachdem Du die bisherige Diskussion über bewaffnete Handelsschiffe unbedingt im Lusitania-Strang führen musstest (obwohl eine Bewaffnung bei der Lusitania gar nicht nachgewiesen ist), war mir schon klar, dass nun in diesem Strang, der den bewaffneten Handelsschiffen gewidmet ist, eine Diskussion über die Cunard-Schiffe und die Lusitania droht. Bitte lass uns die Diskussionen an ihrem jeweiligen Platz führen!

:winke:
silesia schrieb:
Um Zweifel bezüglich der „Vorbestellung“ der RN (damals als Unikum der Flottenpraxis) auszuräumen und diese etwa als „Eventualflotte“ hinzustellen, was schon durch das Flaggenrecht und die Kriegsschiffslistung ausgeschlossen ist, lohnt ein Blick auf bestimmtes Personal: Die Mannschaften der „Royal Fleet Reserve“, soweit „immediate class“ , bestanden aus Zivilisten, auf 5 Jahre an die RRF gebunden, verpflichtet zu 28 Tagen p.a. (!) Training auf Kriegsschiffen (=Staatsschiffen, H.M.S), dienstverpflichtet für die RN im Fall eines national emergency (=Kriegsausbruch), ebenda, S. 432.

Per 31.12.1912 waren das 25.788 Mann. Die Offiziere kamen zu Geschütz- und Torpedokursen (129), Signalkursen (16), Strategiekursen (8), die Mannschaften zu Trainingseinheiten von 4-8 Tagen, 28 Tagen, 3 Monaten. Dasa Training fand auf Schiffen der Second Fleet statt, also älteren/unmodernen Einheiten, die Schiffstypen wechselten von big ships bis zu TB-destroyers.

Zuständig für Einheiten der RRF war der First Sea Lord (direkt unter dem First Lord der Admiralität), Aufgabenbereich Nr. 3: distribution and movements of all ships in Commission and in Reserve (ebenda, S. 439), der Fourth Sea Lord dagegen (Aufgabenbereich Nr. 1): transport service, including hired auxiliary vessels other than armed merchant cruisers, ebenda, S. 440, der Financial Secretary (Aufgabenbereich Nr. 4): „payment of hire of ships as armed merchant cruisers, troopships, colliers, freightships etc. (insbesondere die Zusammenfassung ist bemerkenswert). Schließlich sind für die Geschütze, Geschützvorbereitung und Werftliegezeit dafür der Third Lord und der Civil Lord der Admiralität zuständig. Die Haushaltposten der Admiralität enthalten vorbereitende Armierung und Panzerung von armed merchant cruisers.

Sowohl an der Zuordnung der Schiffe als Kriegsschiffe, der Zuordnung des Personal-Nukleus als auch der Einbindung in die Admiralität kann danach kein Zweifel bestehen.
Hinsichtlich dieses Teils Deines Beitrags erschließt sich mir der Zusammenhang zum Thema dieses Stranges nicht. Es soll hier um bewaffnete Handelsschiffe gehen und nicht um Reserveflotten. Deshalb frage ich lieber mal nach:

a) welchen Zusammenhang siehst Du zwischen der Reserveflotte und den bewaffneten Handelsschiffen konkret?

b) möchtest Du gar die Behauptung aufstellen, dass die bewaffneten Handelsschiffe quasi automatisch der Reserveflotte angehörten?

Wenn Du keinen Zusammenhang sehen solltest, würde ich als nächstes auf Deinen Beitrag # 3 eingehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum stellst Du mir diese Frage? Die m.E. völkerrechtlich abwegige Theorie, dass sich ein Handelsschiff allein durch (offensive) Bewaffnung in ein Kriegsschiff umwandeln könnte, wurde von Dir vertreten und nicht von mir. Aber immerhin freut es mich, Deinem Beitrag # 2 eine gewisse Veränderung in Deiner Argumentation entnehmen zu können. Du bewegst Dich auf die Kriterien des Umwandlungsabkommens als Maßstab für die Unterscheidung zwischen Kriegs- und Handelschiffen zu. Ich hoffe natürlich, dass Du auch noch die entsprechenden Schlüsse hieraus ziehen wirst.
Die Frage stelle ich, weil ich (bis auf den undifferenzierten Beitrag von Hothorn) eine Tendenz festgestellt habe, den Verbleib der Handelsschiff-Eigenschaft von "defensiver" Bewaffnung abhängig zu machen. Zu offensiver Bewaffnung hast Du Dich nicht mehr geäußert.

Ob die Umqualifizierung bei "offensiver" Bewaffnung zum Kriegsschiff völkerrechtlich D.M. nach abwegig ist, würde mich nicht weiter stören, da ich mich mit der gleichlautenden Auffassung der USA, der sich (außer den noch strikteren Niederlanden) alle zunächst Neutralen angeschlossen habe, in Übereinstimmung sehe: Offensive Bewaffnung wurde nicht toleriert (Siehe oben). Ich befinde mich sogar in Übereinstimmung mit der britischen Auffassung 1913: nur defensive Bewaffnung führt zur Beibehaltung der Handelsschiffeigenschaft, siehe Churchill.

Deine Ausführung zu einem Meinungsumschwung bei mir teile ich nicht. Ich bewege mich im Moment auf Stufe II: defensive Bewaffnung und ihre Folgen (Stufe I: offensive Bewaffnung und daraus folgende Statusänderung hatte ich eigentlich abgehakt, aber da war ich wohl im Irrtum). Abgesehen davon hatte ich mich zum Umwandlungsabkommen noch gar nicht geäußert: wo (noch) nichts ist, kann sich auch noch nichts bewegt haben.

Würdest Du bitte neutrale Länder nennen, die nach Kriegsausbruch 1914/15 die offensive Bewaffnung bei Handelsschiffen tolerierten, sie also nicht als Kriegsschiffe behandelten (die Mittelmächte können wir hierfür außen vor lassen), ohne Indult-Regel?


Nachdem Du die bisherige Diskussion über bewaffnete Handelsschiffe unbedingt im Lusitania-Strang führen musstest (obwohl eine Bewaffnung bei der Lusitania gar nicht nachgewiesen ist), war mir schon klar, dass nun in diesem Strang, der den bewaffneten Handelsschiffen gewidmet ist, eine Diskussion über die Cunard-Schiffe und die Lusitania droht. Bitte lass uns die Diskussionen an ihrem jeweiligen Platz führen!

Die Churchill-Rede ist der Ausgangspunkt und wurde von Dir vorgebracht, aber der Punkt ist für die Bewaffnungsfrage sehr interessant, wenn man sich etwas mit der Royal Navy auskennt (woran es vielen juristischen Schriften - auch einigen von mir zitierten - leider mangelt). Mir erschien eine Auffüllung mit "Sachverhalten" zweckdienlich, natürlich ohne nun hier die Lusitania weiter diskutieren zu wollen. Leider kann ich nichts dafür, dass sie im NA 1913 innerhalb der Flotte geführt worden ist. Wir können die RRF, die RFR und die MN weiter abstrakt diskutieren.

Den Hinweis, dass Dich der Sachverhalt der bewaffneten Handelsschiffe in der Royal Navy und der Merchant Navy in personellen, finanziellen, organisatorischen, führungstechnischen, ausbildungsseitigen Zuordnungen, damit verbundenen Flaggenführungen nicht interessiert, nehme ich aber auf. :D

Warum mich das kurz interessierte, folgt erschließt sich aus Deinen folgenden Ausführungen:
Hinsichtlich dieses Teils Deines Beitrags erschließt sich mir der Zusammenhang zum Thema dieses Stranges nicht. Es soll hier um bewaffnete Handelsschiffe gehen und nicht um Reserveflotten. Deshalb frage ich lieber mal nach:

Die Frage würdest Du nicht stellen, wenn du die gesamte britische Debatte von 1913 und das NA 1913 durchsehen würdest. Vorab: Den Status der RFR hinsichtlich des Personals habe ich oben dargestellt. Die RRF ist Bestandteil der Kriegsschiffsliste (ob das nun ein "Nauticus 1914" richtig abgeschrieben hat, ist mir eigentlich egal. Ich halte mich an die offizielle Quelle, die neben der Kriegsschiffsliste auch die Statements der Admiralität 1912/1913 enthält.

Sagt Dir "First Class" und "Second Class" in der britischen Marinegeschichte etwas?

Übrigens, die von mir angeführte RFR ist ein Personalbestand, kein Schiffsbestand. Davon zu unterscheiden ist der "Navy Reserved Merchant Cruiser", Bestandteil der RRF und als Kriegsschiff in der Kriegsschiffsliste (zu den Unterscheidungen siehe oben bzw. The NA 1913).

Soweit zu Deinen Anmerkungen zu #2. Bei Bedarf hätte ich noch weitere interessante Fakten zur RRF und zur RFR, insbesondere die First Class-Zuordnung und ihre Behandlung im Krieg (Anordnung der Admiralität vom 3.8.1914), daneben zum Stand und zur Durchführung der Armierung, den zunächst und mit Kriegsausbruch verwendeten Kalibern, und der differierenden Geschützzahl, der Einziehung und der Freigabe der Schiffe durch die Royal Navy in Abhängigkeit der ersten Gefechte bewaffneter Handelsschiffe und des Verbleibs der deutschen Hilfskreuzer (ebenfalls Kriegsschiffsliste).

Alles Details, die zum Problem defensiver Bewaffnung gehören, und die britische Marinegeschichte ist hier die Fundgrube, weil sie das Problem der (defensiv!) bewaffneten Handelsschiffe aufgebracht hat.
 
Zu Silesia Teil I (# 2 und # 7):

1. Zu unseren Positionen zu defensiv und offensiv bewaffneten Handelschiffen:

Bevor wir uns in eine Diskussion hineinsteigern, an der wir dann viele Beiträge lang aneinander vorbei posten, versuche ich mal unsere verschiedenen Meinungen zu den bewaffneten Handelsschiffen kurz zusammen zu fassen:

Ich vertrete – seit Februar 2007 - Dir gegenüber unter Berufung auf das Umwandlungsabkommen (1907) den Standpunkt, dass die Bewaffnung eines Handelsschiffes (egal welche) zu keiner Umwandlung in ein Kriegsschiff führt, dass das zu Verteidigungszwecke bewaffnete Handelsschiff (defensives Handelsschiff) trotz seiner Bewaffnung weiterhin den passiven Schutz als Handelsschiff genießt (es sei denn, es leistet Widerstand oder flieht) und dass das (egal mit welchen Waffen) angreifende Handelsschiff (offensives Handelsschiff) grundsätzlich seinen Schutz verliert.

Deine Position habe ich bislang so verstanden, dass Du offensiv bewaffnete Handelsschiffe aufgrund ihrer Bewaffnung für in Kriegsschiffe umgewandelte hältst. Defensiv bewaffnete Handelsschiffe hingegen seien Deiner Meinung nach Handelsschiffe. Allerdings willst Du diesen Schiffen wegen Ihrer Bewaffnung keinen passiven Schutzstatus einräumen. Habe ich Deine Position richtig verstanden?

Unsere Meinungsverschiedenheiten bezüglich des offensiven Handelsschiffes sind rein rechtsdogmatischer Natur und wirken sich auf die Behandlung solcher Schiffe im Ergebnis nicht aus: Du sagst Kriegsschiff. Ich sage Handelsschiff, das seinen passiven Schutz verwirkt hat. Beide Schiffe können ohne weiteres angegriffen werden. Aus meiner Sicht können wir uns die weitere Diskussionen zum offensiven Handelsschiff ersparen.

Wie defensive Handelsschiffe zu behandeln waren, wäre dann vor allem Teil der Diskussion dieses Stranges.


2. Zu den neutralen Staaten:

Zu den neutralen Staaten würde ich gerne dann zu sprechen kommen, wenn Du diesen Punkt in dem von Dir angekündigten eigenen Beitrag ansprichst. Die verschiedenen Fragestellungen hängen zwar alle miteinander zusammen, sind aber eben auch voneinander zu unterscheiden. Es macht keinen Sinn, alles miteinander zu vermischen.


3. Zur Lusitania:

Hinsichtlich Deinen Ausführungen zur Lusitania, die ich für so nicht richtig halte, habe ich ja schon geschrieben, dass ich über diese im Lusitania-Strang zu diskutieren bereit bin. Also: kopieren und einfügen!;)


4. Zur Reserveflotte etc.

Leider hast Du meine konkrete Nachfrage zur Reserveflotte (vgl. # 6) nicht beantwortet, so dass mir immer noch nicht einleuchtet, was Du mit diesen Ausführungen in diesem Strang eigentlich aussagen willst.:cry:

Einige Deiner hierzu gemachten Ausführungen halte ich zudem für so nicht richtig. Es ist weniger so, dass mich die RN nicht interessieren würde. Es ist eher so, dass ich eine Vielzahl der von Dir aufgestellten Thesen nicht für richtig halte und ich meine Antwort eigentlich auf jene Thesen konzentrieren möchte, die einen Zusammenhang zum Thema aufweisen, was wiederum Ausdruck einer rein zeit-ökonomischen Denkweise ist.

Also: bitte skizziere kurz (!) Deine Thesen zum Zusammenhang zwischen der britischen Reserveflotte etc. und dem Thema dieses Stranges. Das dürfte doch – von einem so marinekundigen Forumskollegen - nicht zuviel verlangt sein, oder?:)
 
Abseits aller juristischen Fragen.

Der Weyer, Ausgabe 1914, behandelt ab Seite 130 die "als Hilfskreuzer vorgesehenen Schiffe" soweit sie schneller als 18 Knoten liefen. (Für Lusitania und Mauretania war übrigens eine Bewaffnung von 12X15cm Kanonen vorgesehen.Ganz ordentliche Feuerkraft)

Der interessanteste Punkt jedoch ist eine Fußnote. "Sämtliche größeren englischen Schiffe, auch die langsameren, sind schon im Frieden mit zumindest 2 Kanonen Kaliber 12cm bewaffnet, manche auch mit mehr."

Hätten sich die Amis ein ganz hübsches Arsenal zusammen beschlagnahmen können.:pfeif:

OT:
Hier wird auch immer wieder darauf abgehoben, dass ab der im Gefolge des Krimkrieges abgeschlossenen Pariser Seerechtsdeklaration die Kaperei verboten war. Was so nicht stimmt. Die USA haben nicht zugestimmt, sie wollten die Handelsschiffe auch vor dem Zugriff feindlicher Kriegsschiffe geschützt sehen. Das scheiterte am Widerstand der Briten.
Was zu ganz erheblicher Kaperei, insbesondere durch Schiffe die mehr oder weniger im britischen Eigentum standen, im amerikanischen Bürgerkrieg führte.
Die Amis zwangen die Briten in einem langwierigen Konflikt schließlich dazu, für den Schaden aufzukommen. Siehe "Alabamafrage".
Von einem Ende der Kaperei kann man dementsprechend eigentlich erst mit dem ende des Amerikanischen Bürgerkriegs sprechen.
 
Der Weyer, Ausgabe 1914, behandelt ab Seite 130 ...
"Sämtliche größeren englischen Schiffe, auch die langsameren, ...

Hätten sich die Amis ein ganz hübsches Arsenal zusammen beschlagnahmen können.:pfeif:

Was zu ganz erheblicher Kaperei, insbesondere durch Schiffe die mehr oder weniger im britischen Eigentum standen, im amerikanischen Bürgerkrieg führte.
Die Amis zwangen die Briten in einem langwierigen Konflikt schließlich dazu, für den Schaden aufzukommen. Siehe "Alabamafrage".
Von einem Ende der Kaperei kann man dementsprechend eigentlich erst mit dem ende des Amerikanischen Bürgerkriegs sprechen.

Hallo Repo,

dazu einige Daten, auch den Weyer halte ich neben Nauticus etc. für unzuverlässig in diesen Punkten:

1. Von den insgesamt etwa 4500 Handelsschiffen für Übersee (nur steamships, ohne sailships), Stand 31.12.1913 (insgesamt 8236 Schiffe inkl. Küstenhandel) waren zum Kriegsausbruch 39 mit jeweils 2 mal 4,7inch (=12cm) Geschützen bewaffnet, verteilt wie folgt:
11 White Star Line
10 Royal Mail Steam Packet Co.
5 Federal Houlders Argentine Line
3 G. Thompson & Co. Ltd.
3 Wilson Line, Hull
2 New Zealand Sipping Co. Ltd.,
2 Federal Steam Shipping Co. Ltd.
2 Shaw, Savill &Albion Ltd.
1 Turnbull Martin & Co.

2. Zu Deiner Bemerkung hinsichtlich USA: ja, bereits im August hat es zwei britische Schiffe dort getroffen. Sie wurden festgehalten, wie oben beschrieben, und zum Abbau der Geschütze gewungen.

Die Postschiffe (=Staatsschiffe) sind nochmal etwas ganz Besonderes, hier ist das Schutzprinzip des Handelsschiffes auch ohne Bewaffnung in den Prisengerichten verschiedener Länder heftig umstritten, was mit dem angelsächsischen Staatsschiffsgedanken zu tun hat und von der kontinentaleuropäischen Seekriegsauffassung abweicht.



3. Das Aufbringen von Schiffen im amerikanischen Bürgerkrieg hat zwei höchst interessante Seiten und ist von der Kaperei zu unterscheiden: a) die amerikanischen Prisengerichte qualifizierten die bewaffneten Handelsschiffe als Kriegsschiffe und beschlagnahmten sie sowie b) sie zogen sie wegen Transport von Bannware nach dem Motte ein: "unfrei Gut - unfrei Schiff" (was die Engländer für die Südstaaten reichlich verschifften)

@Gandolf: es dauert noch :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Repo,

dazu einige Daten, auch den Weyer halte ich neben Nauticus etc. für unzuverlässig in diesen Punkten:

1. Von den insgesamt etwa 4500 Handelsschiffen für Übersee (nur steamships, ohne sailships), Stand 31.12.1913 (insgesamt 8236 Schiffe inkl. Küstenhandel) waren zum Kriegsausbruch 39 mit jeweils 2 mal 4,7inch (=12cm) Geschützen bewaffnet, verteilt wie folgt:

Ich verstehe den Weyer so, dass die als Hilfskreuzer vorgesehenen gemeint sind. Natürlich nicht "alle".

3. Das Aufbringen von Schiffen im amerikanischen Bürgerkrieg hat zwei höchst interessante Seiten und ist von der Kaperei zu unterscheiden: a) die amerikanischen Prisengerichte qualifizierten die bewaffneten Handelsschiffe als Kriegsschiffe und beschlagnahmten sie sowie b) sie zogen sie wegen Transport von Bannware nach dem Motte ein: "unfrei Gut - unfrei Schiff" (was die Engländer für die Südstaaten reichlich verschifften

Hier zwei "zeitnahe" Links
http://susi.e-technik.uni-ulm.de:80...meyers/band/9/seite/0480/meyers_b9_s0480.html

http://susi.e-technik.uni-ulm.de:80.../seite/0272/meyers_b1_s0272.html#Alabamafrage


Die Yankees haben die Briten da ganz schön bluten lassen.
 
silesia # 3 schrieb:
Schlechte, Luftkrieg gegen den Seehandel, 1968, S. 156: „Bis zu Beginn (!) des 19. Jahrhunderts war es wegen der Unsicherheit auf den Meeren üblich, Handelsschiffe zu bewaffnen. Die Waffen dienten dem Schutz vor Seeräubern. Gegen feindliche Kriegsschiffe durften sie nicht eingesetzt werden.“
Da es im 16.- 19. Jahrhundert keinen Luftkrieg gab, nehme ich mal an, dass Schlechte auch keinen Grund hatte sich anlässlich seiner Studie zum Luftkrieg mit der Frage, ob Handelsschiffe ihre Waffen gegen feindliche Kriegsschiffe einsetzten durften, näher zu beschäftigen. Wäre jedoch Schlechte dieser Frage nachgegangen, wäre er zu einem anderen Ergebnis gelangt:

Den Handelsschiffen wurde von Anfang an ein allgemeines Verteidigungsrecht eingeräumt. Die staatlichen Autoritäten, die die Bewaffnung häufig anordneten, waren an einem umfassenden Schutz der Handelsschiffe interessiert. Zudem konnten bewaffnete Handelsschiffe lange Zeit auch feindlichen Kriegschiffen gefährlich werden. Entsprechend sahen die Anordnungen, die bilateralen Verträge und Prisenreglements aus.

Um mal ein Bsp. aus den Anfangszeiten zu nehmen: Artikel 20 des Westminster-Vertrags (1654) regelte, „that merchants, mariners, &c. be at liberty to carry and ufe fuch offenfive oder defenfive weapons as are neceffary for the defence or their fhips and perfons, at fea or on fhore; but that when they come to their inns or lodgings fhall relinquifh the fame until they return on board again” (zitiert nach Clive Parry, The Consolidated Treaty Series, Vol. 3, 1653 – 1655, 1969, S. 225 ff., S. 250). Da findet sich keine Einschränkung hinsichtlich feindlicher Kriegsschiffe.

Artikel 209 im italienischen „Codice per la marina mercantile“ vom Jahre 1877 (!) regelte u.a. ausdrücklich, „dass feindliche Kauffahrteischiffe sich gegen den Angriff von Kriegsschiffen verteidigen (...) dürfen“ (so L. Oppenheim, Die Stellung der feindlichen Kauffahrteischiffe im Seekrieg, in: Zeitschrift für Völkerrecht, Bd. VIII,1914, S. 155).

Schlechte scheint eine schlechte These zu vertreten.:D
silesia # 3 schrieb:
1. die Bewaffnung war Privatschiffen ab 1860 unzugänglich, sondern in allen (!) größeren Seefahrtnationen den public vessels (= Staatsschiffen, =Kriegsschiffen) vorbehalten
Wenn ich Deinen Beitrag # 3 richtig verstanden habe, führst Du die These, dass Staatsschiffen ab 1860 die Bewaffnung vorbehalten war, unter anderem auf das in der Pariser Seerechtsdeklaration (1856) für deren Unterzeichnerstaaten (vgl. Repo # 9) enthaltene Verbot der Kaperei zurück.

Die Pariser Seerechtsdeklaration enthält jedoch keine Bestimmung, deren Wortlaut die Bewaffnung privater Handelsschiffe verbot (welche denn?). Du bewegst Dich also mit Deiner These auf der Ebene der Vertragsauslegung. Doch warum sollte die von Dir vorgeschlagene Auslegung für die Vertragsstaaten verbindlich gewesen sein? Völkerrechtlich war damals eine Vertragsauslegung nur dann verbindlich, wenn zwischen den Vertragsstaaten über diese Auslegung auch Einigkeit bestand. Man hatte ja damals noch keinen allgemeinen Vertrag über die Auslegung völkerrechtlicher Verträge geschlossen, wie dies erst im 20. Jahrhundert im Rahmen der „Wiener Verträge“ geschah. Mit viel Kreativität kann man in einen Vertrag viel hineinlesen. Mir fehlt - das ist meine Kritik an Deiner Argumentation -, die Quelle, aus der sich ergeben soll, dass die Unterzeichnerstaaten der Pariser Seerechtsdeklaration einhellig der Auffassung waren, dass ab 1856 die Bewaffnung privater Handelsschiffe verboten gewesen sein soll. Kannst Du eine solche nennen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Dir dies nicht gelingen wird. Die deutschen Völkerrechtler, die 1913-19 die Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelsschiffen bestritten, beriefen sich in ihren Darlegungen auch nicht auf eine solche angebliche Einigkeit bei der Unterzeichnung der Pariser Seerechtsdeklaration.

Ferner ist auch der von Dir dargestellte Zusammenhang zwischen Abschaffung der Kaperei 1856 und den Staatsschiffen so nicht richtig. Die Abschaffung der Kaperei beeinträchtigte die Fähigkeiten der Unterzeichnerstaaten der Pariser Seerechtsdeklaration private Schiffe für die Handelskriegsführung zu mobilisieren. Bis 1856 konnten diese Staaten private Unternehmer nebst deren Schiffe durch Kaperbriefe zur Teilnahme am Handelskrieg ermächtigen. Nach 1856 war dies nicht mehr auf diese Art und Weise möglich. Vielen Unterzeichnerstaaten fehlten aber die staatlichen Kriegsschiffe, um im Seekriegsfalle den Handelskrieg führen zu können. Die Folge hiervon war, dass nunmehr verstärkt private Handelsschiffe in Kriegsschiffe umgewandelt wurden. Ein Paradebeispiel hierfür ist der berühmte Erlass des preußischen König Wilhelm I. vom 24.7.1870 mit dem dieser die Bildung einer freiwilligen Seewehr aus Kauffahrern (!) initiierte, die bewaffnet und in die Reihe der Bundesmarine eingereiht werden sollten.

Es ist also nicht so, wie von Dir behauptet, dass durch die Abschaffung der Kaperei 1856 die Bewaffnung privater Schiffe erledigt war. Es war vielmehr so, dass sich diese Thematik einfach verlagerte: vom Kaper zum umgewandelten Handelsschiff (Hilfskreuzer). Im Umwandlungsabkommen (1907) wurde dann ja auch ausdrücklich geregelt, wie Privatschiffe am Handelskrieg teilnehmen konnten. Hierfür war - völkerrechtlich betrachtet - keine Übertragung des Eigentums an den Staat erforderlich, womit dann auch Deine These, dass nur Staatsschiffe bewaffnet werden durften, ad acta gelegt werden kann. Entscheidend war stattdessen die militärische Integration des Schiffs in die Flotte der Kriegsschiffe des Kriegsministers, vgl. Art. 1 bis 5 des Abkommens (das ist der Kerngedanke des Abkommens!!!). Das Kommando über das Schiff musste ein hierzu bestallter Kommandeur haben, es musste eine militärische Befehlskette vom Kriegsminister über den Kommandeur bis hin zum einfachsten Matrosen geben, etc. Nur so war gewährleistet, dass der Kriegsminister für das (Privat-)Schiff die Verantwortung trug – sowohl im Bereich der Befehlsgewalt als auch im Bereich der Haftung für das Verhalten des umgewandelten Schiffs im Kriege. Auf die Eigentumsverhältnisse am Schiff kam es gar nicht an!!!

silesia # 3 schrieb:
2. das Seekriegsrecht bildete sich in einem (für die Bewaffnungsfrage) wesentlichen Punkt um und sah zunehmend (= rechtsfortbildend) den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigentums vor, natürlich ausgenommen Konterbande- und Seeblockaderecht.
In Deiner Argumentation zum angeblichen Untergang des Rechts, Handelsschiffe für Verteidigungszwecke zu bewaffnen, stellst Du u.a. auf den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigentums ab.

Auch hier vorweg meine juristische Kritik an Deiner Argumentation: Du müsstest schon anhand zeitgenössischer Quellen darlegen, dass die Regierungen der Seestaaten infolge der von dir behaupteten Rechtsentwicklung die Bewaffnung von Handelsschiffen aus rechtlicher Überzeugung (!) aufgegeben hätten. Dass die Gewohnheit der Bewaffnung im 19. Jahrhundert entfiel, ist unstreitig. Das Problem ist jedoch, dass dies nicht aus rechtlicher Überzeugung geschah, sondern wegen der Überlegenheit der modernen Kriegsschiffe gegenüber den bewaffneten Handelschiffen.

Zum Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigentums könnte man viel schreiben. Mir ist hier vor allem die Richtigstellung wichtig, warum dieser Grundsatz Geltung beanspruchte: aufgrund der Idee der Menschenrechte (Eigentumsfreiheit) und nicht wegen dem faktischen Wegfall der Gewohnheit der Bewaffnung von Handelsschiffen! Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die internationale Bewegung, die diesen Grundsatz im Seekriegsrecht durchzusetzen versuchte, allen voran die USA, letztlich scheiterte. Die Wegnahme der feindlichen Handelsschiffe nebst feindlichen Prisen blieb erlaubt!

HIER interessiert doch eher die Prozedur des Anhaltens und der Durchsuchung als Vorstufe für die Wegnahme des feindlichen Handelsschiffs. Diese Prozedur wurde aber schon früher zur Zeit der Hochphase des bewaffneten Handelsschiffs angewendet, WENN das Handelsschiff keinen Widerstand leistete. Denn man war ja – seitens des Kaptors/feindlichen Kriegsschiffs - an der möglichst schadlosen Aufbringung des Schiffs nebst Ladung (Stichwort: Prise) interessiert und somit auch an einer möglichst geringen, den Umständen entsprechenden, also verhältnismäßigen Gewaltanwendung. Als die Bewaffnung der Handelsschiffe abnahm, nahm auch die Fälle der Widerstandsleistung ab und die Fälle der „gewaltarmen“ Wegnahme nahmen zu. Aber auch aus dieser rein faktischen Entwicklung lässt sich keine rechtliche Überzeugung ableiten, auf die an sich mögliche, aber militärisch sinnlose Bewaffnung zu verzichten. Oder kannst Du Regierungen des 19. Jahrhunderts nennen, die sich derart geäußert hätten??? Und es hätten viele tun müssen, damit sich hieraus ein neues völkerrechtliches Gewohnheitsrecht ergeben hätte, das zugleich das alte Recht der Bewaffnung zu Verteidigungszwecke aufhob.
silesia # 3 schrieb:
Die Frage der Bewaffnung von Handelsschiffen war vor (allein 50 britische Völkerrechtler wandten sich gegen die Armierung 1913) und während des Ersten Weltkrieges (siehe die klare Praxis der Niederlande, bewaffneten Handelschiffen die Einfahrt zu sperren) umstritten
Könntest Du bitte eine Quelle für Deine Behauptung nennen, 1913 hätten 50 britische Völkerrechtler der Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelsschiffen zu Verteidigungszwecke widersprochen? Ich habe meine Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Aussage. Denn wenn dies so gewesen wäre, dann hätte sich Triepel 1914 in seinem von mir genannten Aufsatz in der Zeitschrift für Völkerrecht triumphierend auf seine britische Kollegen berufen und auch 1915, 1916, 1917, 1918, etc. wären diese immer wieder als Kronzeugen der deutschen Seekriegsführung angeführt worden. Stattdessen findet man bis heute zu diesen 50 britischen Völkerrechtlern - soweit ich die Literatur überblicke - kein Sterbenswörtchen. Bitte möglichst genaue Seitenzahl angeben!

Übrigens die Niederlande scheint den angeblichen Protest 50 britischer Völkerrechtsexperten auch nicht gekannt zu haben. Die erklärte zur Bewaffnung von Handelsschiffen, dass „Handelsschiffe Kriegführender das Recht haben, sich der Nehmung oder Zerstörung durch feindliche Kriegsschiffe zu widersetzen“ und dass diese Meinung „von der großen Mehrheit der völkerrechtlichen Schriftsteller geteilt“ wird (Auslassung der niederländischen Regierung, in: Jahrbuch des Völkerrechts, Band V (1919), Dok.-Nr. 1850, S. 354).
:cool:

Nun bin ich doch schon auf die Neutralen eingegangen. Dabei wollte ich mir dieses Schmankerl doch aufheben.:motz:
silesia #3 schrieb:
und keinesfalls durch Abstimmung der Völkerrechtler klar, wie Schenk, Seekrieg und Völkerrecht, S. 52 anhand der Washingtoner Konferenz 1922 belegt: 3 von 5 teilnehmenden Großmächten verbanden die Bewaffnung mit dem Verlust der Handelsschiffeigenschaft. Die Definition blieb ungeklärt (Conference Docs, S. 702)!

Der eingesetzte Juristenausschuß der Londoner Flottenkonferenz 1930 wies darauf hin, dass „der Ausdruck Handelsschiff, …, nicht (sic!) ein Handelsschiff umfasst, das sich im Augenblick der Feindseligkeiten derart beteiligt, dass es sein Recht auf Unverletzlichkeit des Handelsschiffs verliert.“ Daraus geht nur hervor, dass das Führen der Handelsflagge keinen Schutz des Londoner Abkommens gewährt. Damit war die Freiheit der Auslegung gewährt, die sich in den nachfolgenden nationalen Prisenregelungen auch durch ganz unterschiedliche Praxis tatsächlich gezeigt hat.
Diese Angaben habe ich bislang nicht nachgeprüft. Mir scheint es auch nicht sinnvoll zu sein, anhand von Ausführungen zur Nachkriegszeit auf die Auffassungen der Vorkriegszeit schließen zu wollen. Aber bitte gebe mir die genauen Quellen an!

Der von Dir in # 3 zitierte Grau kommt z.B. in seinem Beitrag im „Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie“ (begr. von Julius Hatschek) zum Thema „Handelsschiffe im Kriege (insbesondre >>bewaffnete Handelsschiffe<<)“ zu einem ganz anderen Schluß: Danach wird man trotz aller Bedenken gegen die Bewaffnung und aller Gefahren, die die Bewaffnung einzelner Schiffe – insbesondere auch bei verdeckter Aufstellung der Geschütze – ganz abgesehen von der Verwendung von Fallen (Quboats usw.) für unbewaffnete Schiffe derselben und auch neutraler Flaggen notwendig mit sich bringt, nicht behaupten können, dass eine Bewaffnung eines Handelsschiffs kriegführender Flagge zwecks Widerstandes gegen ein feindliches Kriegsschiff nach dem Stande des positiven Völkerrechts zu Beginn des großen Krieges unzulässig gewesen sei oder dass eine Bewaffnung jetzt unzulässig sei (Grau, aaO, Band I, 1924, S. 510). Die deutsche Völkerrechtslehre, die vor 1913 die Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelschiffen nahezu einhellig bejahte, während des 1. WK - Schramm, Triepel und der Seekriegsführung des Reichs-Marine-Amte folgend - fast einhellig eine Mindermeinung vertrat, fiel nach Kriegsende gleich wieder um. Stauffenberg schrieb 1938 in dem von Dir, silesia, im Lusitania-Strang gerne zitierten Aufsatz in der ZAOERV folgendes: „Seit dem Kriege hat die Anschauung, dass das zu Verteidigungszwecke bewaffnete Handelsschiff seinen Status als Handelsschiff behält, so gut wie allgemeine Anerkennung gefunden“ (Stauffenberg, ZAOERV 1938, S. 46). Wirklich erst „seit“? Nicht schon bis 1912 (vgl. # 1)?

Im Hinblick auf Deine Ausführungen zur Washingtoner und Londoner Konferenz findet man bei Stauffenberg folgendes: „Auch eine Prüfung der Verhandlungen auf der Washingtoner Konferenz von 1921/22 und auf der Londoner Konferenz von 1930 führte zu keinem anderen Ergebnis“ (Stauffenberg, aaO). Da habe ich doch meine Zweifel, ob Du den Sinngehalt des Zitates der Juristenkommission der Londoner Konferenz richtig erfasst hast. Mir scheint, dass dieses Zitat in Richtung einer wünschenswerten Rechtsänderung, die jedoch unterblieb, zu verstehen ist und nicht als eine Beschreibung der Rechtslage im Jahr 1913 oder im Ersten WK. Dann aber wäre es aber nicht zulässig, das Zitat so zu verwenden, als wenn es die Rechtslage 1913 oder während des 1. WK nach Auffassung der Juristenkommission beschreiben würde.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Vorab zur Anwendung der Verträge:

Die Allbeteiligungsklauseln der Haager Abkommen sind im Weltkrieg generell nicht zur Außerkraftsetzung der Abkommen genutzt worden, zB. Haag XIII Vanselow, Recht der Neutralität im Seekriege, S. 244. Interessant ist dort Anm. 89 zu § 29 Haag XIII: Eine Umwandlung von Handelsschiffen in Hilfskreuzer ist in den neutralen Gewässern unzulässig (Verhandlungen während des Haag VII). Sie gilt als Neutralitätsverletzung und ist verboten. Konsequenz: alle materiellen Voraussetzungen müssten bereits während der Fahrt erfüllt sein (weil sich das in neutralen Gewässern ansonsten nicht herrichten lässt), was zwingend zu einer Listung hätte führen müssen und insofern einen Verstoß darstellen würde. Ein Widerspruch, der die Lückenhaftigkeit der Haager Verträge beispielhaft zeigt.

In seiner Entscheidung vom 6.5.1913 ging der Haager Ständige Schiedsgerichtshof davon aus, das die Londoner Erklärung (damit auch die Haager Verträge 1907) – obwohl nicht ratifiziert – für das Seekriegsrecht der Kulturstaaten als maßgebend betrachtet werden könne. (Weskott, S. 68).

Dann zu Deinem Beitrag:

Da es im 16.- 19. Jahrhundert keinen Luftkrieg gab, nehme ich mal an, dass Schlechte auch keinen Grund hatte sich anlässlich seiner Studie zum Luftkrieg mit der Frage, ob Handelsschiffe ihre Waffen gegen feindliche Kriegsschiffe einsetzten durften, näher zu beschäftigen. Wäre jedoch Schlechte dieser Frage nachgegangen, wäre er zu einem anderen Ergebnis gelangt: Den Handelsschiffen wurde von Anfang an ein allgemeines Verteidigungsrecht eingeräumt. … Da findet sich keine Einschränkung hinsichtlich feindlicher Kriegsschiffe. … Schlechte scheint eine schlechte These zu vertreten.
Schlechte scheinst Du nicht zu kennen, auch geht Deine Ironie ins Leere: der Band aus dem „Seekriegsrecht in Einzeldarstellungen“ versucht u. a., unkodifiziertes Luftkriegsrecht aus seekriegsrechtlichen Bestimmungen herzuleiten. Daher ist der Band in der genannten Reihe (übrigens sehr zu empfehlen, Schenk ist da auch vertreten) erschienen, weite Teile betreffen Seekriegsrecht. Im Übrigen: Ich würde nicht soweit für die Frage der bewaffneten Handelsschiffe zurückgehen, es geht hier um die Fakten in der zweiten Hälfte des 19. JH.

Die Frage der Bewaffnung hatte aber durchaus auch früher schon Konsequenzen, wenn Dich das doch interessiert. England und Frankreich haben noch 1786 die Utrechter Regeln vereinbart, Basis also CdM. Ebenso verfuhren England/USA 1794. Die englische Rechtsprechung hatte trotzdem den Grundsatz „unfrei Schiff-unfrei Gut“ aufgestellt, wenn das Schiff bewaffnet war. (Weskott, S. 42) Im Fall "Nereide" urteilte dagegen das US-Prisengericht: neutrale Ladung auf bewaffneten feindlichem Handelsschiff ist freizugeben (Staatsschiffe waren noch selten). 1819: Foreign Enlisting Act: Strafe für diejenigen, die im englischen Hoheitsbereich dabei helfen, ein Schiff zu bewaffnen mit dem Vorhaben, dieses im Dienste einer fremden Macht gegen einen mit England befreundeten Staat zu verwenden.
Der Washingtoner Schiedsspruch wiederholte das im Prinzip, um die Kaperei mit bewaffneten Handelsschiffen zu unterbinden (Alabama-Fall). Das Verbot der Bewaffnung betraf alle Schiffe, also auch Handelsschiffe.

Artikel 209 im italienischen „Codice per la marina mercantile“ vom Jahre 1877 (!) regelte u. a. ausdrücklich, „dass feindliche Kauffahrteischiffe sich gegen den Angriff von Kriegsschiffen verteidigen (...) dürfen“
Das regelt die Frage des Widerstandes, auch der Flucht, und wird mit Artikel 211 in der Fassung von 1865 (wiederholt in 1877) verständlich: Der regelt die Unverletzlichkeit des Privateigentums, also des (damals für Italien als Faktum vorhandenen) unbewaffneten private vessel. Das galt nur auf Gegenseitigkeit, und mit dieser Einschränkung als innerstaatliches Gesetz. (Weskott, S. 52) Betreffend Abschaffung der Kaperei oder insgesamt des Seebeuterechts muss man differenzieren, man kann Kaperei nicht insgesamt mit der Unverletzlichkeit der private vessel gleichsetzen (Repo hatte den Hinweis auf den amerikanischen Bürgerkrieg gebracht): das galt stets nur außerhalb des Blockade und Konterbanderechts. Abgeschafft wurde als Teil des Seebeuterechts die Kaperei durch Ausstellung von Kaperbriefen an Nicht-Kriegschiffe.

Bei den südstaatlichen Schiffen („Kreuzern“) handelte es sich durchweg um Kriegsschiffe, nicht um (Privat-)Kaper. Allerdings gab es hierüber ein Schiedsgericht zwischen USA-Nordstaaten und England wegen des Enlisting-Acts.. Bei Beginn des spanisch-amerikanischen Krieges wurde in Zirkularnote vereinbart, dass die Pariser Regeln gelten sollten (also keine Kaperei), obwohl die USA nicht unterschrieben hatten. Die Seewehr des norddeutschen Bundes von 1870 war von Beginn der Kriegsmarine zuzurechnen, da die Schiffe von Offizieren befehligt werden sollten.

Zur Selbstverteidigung von Handelsschiffen (gerade aufgrund des Problems der behaupteten defensiven Bewaffnung im WK I, und zwar speziell gegen prisenrechtliche Maßnahmen: umstritten, Weskott, S. 74). Der Streit ist letztlich höchst unterschiedlich geregelt worden: Art. 12 Absatz III des panamerikanischen Vertrages (Havanna-Vertrag - Vorbehalte Kuba und USA) vom 20.12.1928 regelt schließlich diesen Streit wie folgt: bewaffnete Handelsschiffe werden Kriegsschiffen gleichgestellt (soll das nun eine Verletzung der (mindestens völkerrechtlichen Gewohnheits-) Regelungen von 1907 darstellen?
Der unentschiedene Streit um die Selbstverteidigung geht zudem auch wieder auf den Gegensatz zwischen kontinentaleuropäischer und angelsächsischer Auffassung zur Kriegführung (man kann hier wahlweise Meinungen pro/contra zitieren): Staat gegen Staat oder Volk gegen Volk (Vanselow, S. 299).


Wenn ich Deinen Beitrag # 3 richtig verstanden habe, führst Du die These, dass Staatsschiffen ab 1860 die Bewaffnung vorbehalten war, unter anderem auf das in der Pariser Seerechtsdeklaration (1856) für deren Unterzeichnerstaaten (vgl. Repo # 9) enthaltene Verbot der Kaperei zurück.
Nein.
Es war auch nichts vorbehalten, es gab sie schlicht nicht.


Mir fehlt - das ist meine Kritik an Deiner Argumentation -, die Quelle, aus der sich ergeben soll, dass die Unterzeichnerstaaten der Pariser Seerechtsdeklaration einhellig der Auffassung waren, dass ab 1856 die Bewaffnung privater Handelsschiffe verboten gewesen sein soll.
Nicht verboten, sondern als Faktum nicht mehr vorhanden und mangels käuflicher 12-cm-Geschütze und Kaliber aufwärts auch technisch nicht realisierbar, wenn es sich nicht um Staatsschiffe=Kriegsschiffe handelte.
Diesen „Lebenssachverhalt“ treffen die Verhandlungen 1907 und 1909 an, auf ihrer Basis sind die Regelungen ausgehandelt worden. Neben vielen anderen Lücken fehlen daher die Regelungen zur Bewaffnung (weil dieses vor Eröffnung des U-Boot-Krieges nicht mehr regelungsbedürftig war, wobei die britische Begründung ursprünglich die gegnerischen Hilfskreuzer betraf, aber Lansing und andere haben das ja wohl im Kriegsverlauf richtigerweise auf den U-Boot-Krieg abgestellt).

Es ist also nicht so, wie von Dir behauptet, dass durch die Abschaffung der Kaperei 1856 die Bewaffnung privater Schiffe erledigt war. Es war vielmehr so, dass sich diese Thematik einfach verlagerte: vom Kaper zum umgewandelten Handelsschiff (Hilfskreuzer). Im Umwandlungsabkommen (1907) wurde dann ja auch ausdrücklich geregelt, wie Privatschiffe am Handelskrieg teilnehmen konnten. Hierfür war - völkerrechtlich betrachtet - keine Übertragung des Eigentums an den Staat erforderlich, womit dann auch Deine These, dass nur Staatsschiffe bewaffnet werden durften, ad acta gelegt werden kann. Entscheidend war stattdessen die militärische Integration des Schiffs in die Flotte der Kriegsschiffe des Kriegsministers,
Eine Verdrehung der Aussagen:
Richtig ist das nur Staatsschiffe bewaffnet waren. Richtig ist auch, dass Handelsschiffe tatsächlich unbewaffnet waren. Ich habe dagegen nicht behauptet, dass Staatsschiffe generell bewaffnet waren, das wäre Unsinn. Eine solche These aufzustellen, zeigt, dass Grundlagen des angelsächsischen Verständnisse der Abgrenzung von government vessel und private vessel fehlen. In Hilfskreuzer umgewandelte Handelsschiffe sind Staatsschiffe im angelsächsischen Verständnis (mit Eigentumsrechten hat das nichts zu tun), zudem Kriegsschiffe. Was hat das mit der Tatsachenfrage zu tun, ob 1860-1900 bewaffnete Handelsschiffe gab?

Off topic: Um dir einmal die Unvollständigkeit der Abgrenzung von 1907 klarzumachen: die merchant bzw. private vessel unterliegen dem Seebeuterecht, und setzten Flaggenführung voraus. Das ist bei Prähmen, Leichtern und kleinen Schleppern damals häufig nicht der Fall - Regelungslücke. Umgekehrt ist die Abgrenzung der Kriegsschiffe problematisch: neben den bewaffneten zählten dazu die nach allgemeiner Auffassung Hilfsschiffe ohne Umwandlung – Regelungslücke. Binnengewässer (z.B. Donauschifffahrt): Regelungslücke, umstritten. Eine weitere nette Regelungslücke zwischen Kriegsschiffen und bewaffneten Handelsschiffen: die Flugzeugträger – sie wurden als Hilfsschiffe im Wege der Interpretation den Kriegsschiffen zugeschlagen, geregelt dann zB im Vertrag von Lausanne 1923 (Vanselow, S. 178), sowie im Washingtoner Flottenabkommen 1922.

Zu Stauffenberg und Grau:
Wir sind derzeit bei den defensiv bewaffneten Handelsschiffen. Zu nichts anderem äußern sie sich.
Zu den Gegenmeinungen (jede Bewaffnung führt zur Umwandlung in ein Kriegsschiff) hatte ich schon zitiert:
Frankreich, Italien und Japan auf der Londoner Flottenkonferenz, die US-Haltung von August bis September 1914, die Niederlande plus die Mittelmächte, den Lansing-Vermerk an Wilson vom 12.9.1915 und 2.1.1916, das US-Memorandum vom 25.3.1916 („aggressives“ Verhalten eines defensiv bewaffneten Handelsschiffs führt zur Kriegsschiffseigenschaft), die Haltung des US-Kongresses 1916 (nach Borchardt, AJ 1940, S. 110), v. Eysinga als niederländischen Völkerrechtler, der vor einem Kriegsschiff-Handelschiff-Zwitter warnt, das US-Neutralitätsgesetz vom 1.5.1937 (welches die Behandlung bewaffneter Handelschiffe dem Präsidenten überstellt und somit offenläßt), Entwurf amerikanischer Völkerrechtler in den „Rights and Duties … Naval Warfare, Artikel 2 und 55: „in their action with regard to armed armed merchant vessels the belligerent warships … are governed by the rules applicable to their action with regard to enemy warships.” (bei Schenk findet sich die Liste der beteiligten Völkerrechtler, S. 63), schließlich die britische Admiralität in Rechtsfortbildung seit 1938 und am 1.10.1939 (zur Eingliederung der gesamten Handelsflotte, defensiv oder offensiv oder gar nicht bewaffnet) in ihr Abwehrsystem und der Folge, dass sie während des WK II keinen Anspruch auf den Handelsschiff-Status hatte.

Immerhin freut es mich, dass Du inzwischen auch aus dem Aufsatz von Stauffenberg zitierst.

Abschließend weitere interessante Aspekte:
1. ein Zitat von Gladisch, Seekriegsrecht, aus dem Nauticus 1940, S. 16: Es ist stets das militärische Interesse, dass den Anstoß gibt und die juristischen Theorien in Bewegung setzt. So wohl auch seit Churchills Rede 1913.
2. Der britische Entwurf zur Definition von Kriegsschiffen bis zum 18.9.1907: Kriegsschiffe sind Kampfschiffe und Hilfsschiffe. Hilfsschiff ist jedes Kauffahrteischiff (!), dass zur Beförderung von ... Lebensmittel, Wasser, … verwendet wird, sofern es Marschbefehlen der Krieg führenden Flotte zu folgen verpflichtet ist.
3. Neutralitätsregelung des Panama-Kanals vom 13.11.1914: Einem Kriegsschiff gleichgestellt wird jedes Schiff, … das von einem Kriegführenden verwendet wird … in irgendeiner Weise zur Förderung der Kriegführung … zur See. Ausgenommen sind Hospitalschiffe.
(Vanselow, S. 202).
 
Etwas mehr zum Sachverhalt:

Bei Kriegsausbruch gab es 39 britische Handelsschiffe (siehe oben) mit einer Armierung von 2*4,7 inch-Geschützen (12cm-Marinegeschütze, die von der Admiralität gestellt wurden).

Entsprechend der Churchill-Verlautbarung waren in der Zwischenzeit Vorbereitungen für die Armierung der Handelsflotte getroffen worden. Auf den Handelsschiffen gab es im Prinzip drei Probleme einer Armierung:
a) die Geschützsockel vorzubereiten, Personal verfügbar zu haben
b) Räume im Schiffe als Munitionskammern vorzubereiten inkl. Panzerung
c) ggf. weitere Panzerung an den Bordwänden vorzubereiten

Zwischen Kriegsausbruch und dem 3.9.1914 wurden nach Anweisung der Admiralität vom 3./5.8.1914 hergerichtet mit 6-inch-Geschützen (15,5cm):
Grampian, Scotian (Allan Line)
Montreal, Manitoba, Montezuma (C.P.R.)
Arabic, Adriatic, Baltic (White Star)
Haverford, Marion (International Navigation Company)
also 10 Schiffe, macht zusammen 49.

Am 3.9. gab es zunächst einen Stopp, außerdem wurden 3 Handelsschiffe entwaffnet (Idaho, Colorado, Franzisco). Bis zum Januar 1915 passierte nichts weiter, insbesondere relativierte sich die Kreuzergefahr gegen die britische Handelsschifffahrt als temporäres Problem, die in Vorkriegsüberlegung in den verschiedenen Gremien und Studien (seit 1888, dann 1904, 1910 und 1913) weit übertrieben worden war. Die Hauptgefahr wurde ohnehin in deutschen Hilfskreuzern gesehen, da Leichte Kreuzer und Panzerkreuzer aufgrund der Kohlenprobleme und Mannschaftsprobleme zum Prisenkrieg nur beschränkt verwendbar waren.

Danach wurde ein umfangreiches Armierungsprogramm in Angriff genommen, im Hinblick auf die sich ausweitende U-Boot-Gefahr. Am 4.2.1915 erfolgte dann deutscherseits die Erklärung von Kriegsgebieten um England (Blockadegebiet mit Versenkungsdrohung). Nun wurde hastig alles geprüft, was sich zur Bewaffnung gegen U-Boote eignete, auch 12-Pfünder-Kanonen. Die Armierung entwickelte sich in den Umrüstungen wie folgt, ein Beleg für den Zusammenhang zum U-Boot-Krieg:

1.08.1914: 39 Schiffe
3.09.1914: 49 Schiffe
14.5.1915: 149 Schiffe
25.6.1915: 212 Schiffe
24.9.1915: 219 Schiffe
6.11.1915: 401 Schiffe
25.12.1915: 766 Schiffe

Die Besatzungen der Geschütze stammten aus der Royal Fleet Reserve bzw. Pensionäre der Royal Fleet Artillery, dazu Offiziere. Am Mai 1915 ging man daran, ganzen Schiffslinien die Umrüstung vorzuschreiben (10 Linien in 1915). Die weitere Entwicklung in Zusammenhang mit der U-Boot-Abwehr:

15.2.1916: 991 Schiffe
12.4.1916: 1109 Schiffe
18.9.1916: 1749 Schiffe

Die Besatzungen erhielten zudem Gewehre und Pistolen, um sich gegen Prisenkrieg durch U-Boote zur Wehr zu setzen. Die Instruktionen hierfür stammen vom 26.4.1915. Der Widerstand wurde für berechtigt gehalten, da kommandierende Offiziere sich an Bord der Schiffe befanden. Während der Jahre 1915/1916 kamen dann Maschinengewehre dazu, ebenfalls mit Instruktionen zur U-Boot-Abwehr.

Die angekündigte Bewaffnung war auch für Neutrale eine Überraschung, so dass sich die britische Regierung bereits zwischen dem 7.8. und 11.8.1914 veranlaßt sah, alle wesentlichen neutralen Seefahrnationen dieserhalb zu konsultieren. Die USA nahmen eine negative Haltung ein, weswegen zunächst bis Anfang Septemder 1914 ein Anfahrverbot für amerikanische Häfen durch bewaffnete britische Handelsschiffe erlassen wurde. Die Verwirrungen hielten auch während des Jahres 1915 an (zB Waimana-Fall, die im September 1915 zurückgehalten wurde, bis ihre Geschütze - 2*4,7inch - an Land gebracht wurden; andere Schiffe hatten sie lediglich demontiert und in den Laderäumen verstaut).


Nebenbemerkung: eine Reihe armierte Handelsschiffe (durchweg 6-inch-Armierung) bildete das 10. Kreuzergeschwader zur Blockade und zum Wirtschaftskrieg in der zweiten Reihe zwischen Scapa Flow, vor Norwegen und Island auf den Nordatlantikpassagen während des Krieges (10-15 Schiffe).


Mit der Hilfskreuzer-Bedrohung und/oder Kaperei hatte die realisierte Bewaffnung der britischen Vorkriegs-Handelsmarine nichts mehr zu tun. Diese Bedrohung war Mitte 1915 von den Weltmeeren bis auf singuläre Fälle quasi verschwunden, während die Zahl der armierten Schiffe von 149 auf 1.749 anstieg.
 
@Silesia:

Ich habe Deine Beiträge # 13 und 14 gerade überflogen und vermisse leider die von Dir erbetenen Auskünfte:

a) Habe ich Deine - von mir in # 8 beschriebene - Auffassung zum defensiv bewaffneten Handelsschiff richtig verstanden?

b) Wie lautet Deine Quelle (bitte genaue Seitenangabe) derzufolge, 50 britische Völkerrechtler 1913 der Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelsschiffen zu Verteidigungszwecke widersprochen haben?

Gruß
 
@Silesia:
Ich habe Deine Beiträge # 13 und 14 gerade überflogen und vermisse leider die von Dir erbetenen Auskünfte:
a) Habe ich Deine - von mir in # 8 beschriebene - Auffassung zum defensiv bewaffneten Handelsschiff richtig verstanden?
b) Wie lautet Deine Quelle (bitte genaue Seitenangabe) derzufolge, 50 britische Völkerrechtler 1913 der Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelsschiffen zu Verteidigungszwecke widersprochen haben?
Gruß

a) hast Du pragmatisch und richtig als Zwischenstand beschrieben, wobei mir aus tatsächlicher Sicht die Unterscheidung zwischen offensiver und defensiver Bewaffnung unverändert konstruiert vorkommt. Ich halte sie im Seekrieg nicht für praktikabel, wie auch die Nachkriegsentwicklungen und -diskussionen, bis hin zum Ablauf des Zweiten Weltkriegs zeigen. Die Gegenmeinungen und die Begründungen dazu habe ich aufgezeigt. Für die Diskussion bringt das nichts weiteres.

b) suche ich noch und versuche die Quelle beizubringen, war in meinen Notizen zum Thema.

Grüße zurück.
 
Hinweis für Schnell-Leser: unter 3. gehe ich auf das rechtliche Kernproblem ein.



1.

Gandolf # 15 schrieb:
Wie lautet Deine Quelle (bitte genaue Seitenangabe) derzufolge, 50 britische Völkerrechtler 1913 der Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelsschiffen zu Verteidigungszwecke widersprochen haben?
silesia # 16 schrieb:
suche ich noch und versuche die Quelle beizubringen, war in meinen Notizen zum Thema.
Und? Schon was gefunden?:devil:

Der von Dir in # 3 zitierte Plaga beklagt in seinem Buch „Das bewaffnete Handelsschiff“ (1939) folgendes: „Viel eindeutiger als das Verhalten der politischen Stellen war die Haltung der britischen Juristen. Sie stellten sich sofort in den Dienst der militärischen Notwendigkeit“ (Seite 30). Das hört sich nicht nach der von Dir behaupteten Protestbewegung britischer Völkerrechtler an.
:D


2.

silesia # 13 schrieb:
Schlechte scheinst Du nicht zu kennen, auch geht Deine Ironie ins Leere: der Band aus dem „Seekriegsrecht in Einzeldarstellungen“ versucht u. a., unkodifiziertes Luftkriegsrecht aus seekriegsrechtlichen Bestimmungen herzuleiten.
Muss ich denn Schlechtes Buch kennen?

Er schrieb über den „Luftkrieg gegen den Seehandel“. Sein Buch erschien im Jahr 1968 in der Reihe „Das gegenwärtige Seekriegsrecht in Einzeldarstellungen“ (um mal deren vollständigen Namen zu nennen). Das hört sich nicht nach einer Untersuchung über die völkerrechtliche Problematik des bewaffneten Handelsschiffs im 1. WK an. Mein Fazit: Du stützt Deine These, dass es bewaffneten Handelsschiffen verboten gewesen sein soll, sich gegenüber Kriegsschiffen zu verteidigen, auf eine Randbemerkung von Schlechte, die gar nicht Gegenstand seiner eigentlichen Untersuchung war.

Im übrigen streiten gegen diese Verbots-These immer noch die von mir in # 12 genannten Argumente.
silesia schrieb:
Die Frage der Bewaffnung hatte aber durchaus auch früher schon Konsequenzen, wenn Dich das doch interessiert. England und Frankreich haben noch 1786 die Utrechter Regeln vereinbart, Basis also CdM. Ebenso verfuhren England/USA 1794. Die englische Rechtsprechung hatte trotzdem den Grundsatz „unfrei Schiff-unfrei Gut“ aufgestellt, wenn das Schiff bewaffnet war. (Weskott, S. 42) Im Fall "Nereide" urteilte dagegen das US-Prisengericht: neutrale Ladung auf bewaffneten feindlichem Handelsschiff ist freizugeben (Staatsschiffe waren noch selten). 1819: Foreign Enlisting Act: Strafe für diejenigen, die im englischen Hoheitsbereich dabei helfen, ein Schiff zu bewaffnen mit dem Vorhaben, dieses im Dienste einer fremden Macht gegen einen mit England befreundeten Staat zu verwenden.
Der Washingtoner Schiedsspruch wiederholte das im Prinzip, um die Kaperei mit bewaffneten Handelsschiffen zu unterbinden (Alabama-Fall). Das Verbot der Bewaffnung betraf alle Schiffe, also auch Handelsschiffe.
Verbot der Bewaffnung?

Weder aus den Utrechter Regeln, noch aus dem Grundsatz (unfrei Schiff – unfrei Gut) noch aus dem Fall „Neireide“ noch aus dem von Dir genannten englischen Gesetz noch aus dem „Alabama“-Fall ergibt sich das Verbot, eigene Handelsschiffe zu ihrer Verteidigung zu bewaffnen (wo denn?).
Gandolf #12 schrieb:
Mir fehlt - das ist meine Kritik an Deiner Argumentation -, die Quelle, aus der sich ergeben soll, dass die Unterzeichnerstaaten der Pariser Seerechtsdeklaration einhellig der Auffassung waren, dass ab 1856 die Bewaffnung privater Handelsschiffe verboten gewesen sein soll.
silesia # 13 schrieb:
Nicht verboten, sondern als Faktum nicht mehr vorhanden (...)
Hier räumst Du ein, dass die Bewaffnung von Handelsschiffen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. nicht verboten war

und somit eben auch,

dass sich ein solches Verbot weder aus den Utrechter Regeln, dem Grundsatz „unfrei Schiff – unfrei Gut“, dem Neiride-Fall noch dem Foreign Enlisting Act (1819) noch dem „Alabama-Fall“ ergab. Ich will das nur mal zur Vermeidung von Missverständnissen festhalten.
silesia # 3 schrieb:
1. die Bewaffnung war Privatschiffen ab 1860 unzugänglich, sondern in allen (!) größeren Seefahrtnationen den public vessels (= Staatsschiffen, =Kriegsschiffen) vorbehalten
Gandolf # 12 schrieb:
Wenn ich Deinen Beitrag # 3 richtig verstanden habe, führst Du die These, dass Staatsschiffen ab 1860 die Bewaffnung vorbehalten war, unter anderem auf das in der Pariser Seerechtsdeklaration (1856) für deren Unterzeichnerstaaten (vgl. Repo # 9) enthaltene Verbot der Kaperei zurück.
silesia # 13 schrieb:
Nein.
Es war auch nichts vorbehalten, es gab sie schlicht nicht.
Bei der These, dass die Bewaffnung den Staatsschiffen „vorbehalten“ war, handelte es sich um Deine These (siehe # 3) und nicht um meine. Ich habe mich lediglich mit dieser These, die ich für falsch halte, in meinem # 12 auseinandergesetzt. Wenn Du nun behauptest, dass es diesen Vorbehalt gar nicht gab, nehme ich das mal als Widerruf Deiner ursprünglichen Vorbehaltsthese (# 3) zur Kenntnis.
:D
silesia # 3 schrieb:
1. die Bewaffnung war Privatschiffen ab 1860 unzugänglich, sondern in allen (!) größeren Seefahrtnationen den public vessels (= Staatsschiffen, =Kriegsschiffen) vorbehalten
Gandolf # 12 schrieb:
Es ist also nicht so, wie von Dir behauptet, dass durch die Abschaffung der Kaperei 1856 die Bewaffnung privater Schiffe erledigt war. Es war vielmehr so, dass sich diese Thematik einfach verlagerte: vom Kaper zum umgewandelten Handelsschiff (Hilfskreuzer). Im Umwandlungsabkommen (1907) wurde dann ja auch ausdrücklich geregelt, wie Privatschiffe am Handelskrieg teilnehmen konnten. Hierfür war - völkerrechtlich betrachtet - keine Übertragung des Eigentums an den Staat erforderlich, womit dann auch Deine These, dass nur Staatsschiffe bewaffnet werden durften, ad acta gelegt werden kann. Entscheidend war stattdessen die militärische Integration des Schiffs in die Flotte der Kriegsschiffe des Kriegsministers,
silesia# 13 schrieb:
Eine Verdrehung der Aussagen:
Richtig ist das nur Staatsschiffe bewaffnet waren. Richtig ist auch, dass Handelsschiffe tatsächlich unbewaffnet waren. Ich habe dagegen nicht behauptet, dass Staatsschiffe generell bewaffnet waren, das wäre Unsinn.
Hier konstruierst Du eine „Verdrehung“, die es gar nicht gab:

Ich habe mich mit Deiner in # 3 formulierten These auseinandergesetzt, dass angeblich nur Staatsschiffe die Bewaffnung vorbehalten war (siehe fett hervorgehobene Formulierungen). Keinesfalls habe ich Dir unterstellt, Du hättest behauptet, dass Staatsschiffe generell bewaffnet waren (wo denn?). Die von Dir behauptete Verdrehung liegt gar nicht vor.


3.

Nun zum eigentlichen Kern des Rechtsproblems:
silesia # 13 schrieb:
Nicht verboten [die Bewaffnung, Gandolf], sondern als Faktum nicht mehr vorhanden.
Wann genau die Bewaffnung der Handelsschiffe im 19. Jh. nicht mehr praktiziert wurde, lässt sich nicht präzise bestimmen. Der von Dir in # 3 zitierte Plaga schreibt in seinem Buch „Das bewaffnete Handelsschiff“, dass noch in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einige amerikanische Südseefahrer bewaffnet waren (S. 8).

Zwischenergebnis: die alte Gewohnheit (Übung, Praxis) der Bewaffnung von Handelsschiffen wurde im Laufe der 2. Hälfte des 19. Jh. nicht mehr praktiziert

Die entscheidende Frage lautet, ob sich aus dieser Änderung der Praxis auch eine Änderung des Völkerrechts ergab.

Eine vertragliche Einigung, dass die Bewaffnung von Handelsschiffen künftig verboten sein soll, hat es nicht gegeben: weder in der Pariser Seerechtsdeklaration (1856), noch im Umwandlungsabkommen (1907) noch in der Londoner Seerechtsdeklaration (1907). Auch Du konntest bislang kein vertraglich vereinbartes Verbot nachweisen.

Nun kann sich aber eine Rechtsänderung auch durch (neues) Gewohnheitsrecht ergeben. Das alte Gewohnheitsrecht würde dann kraft neuem Gewohnheitsrecht untergehen. Im Völkerrecht nennt man diesen Vorgang „desuetudo“. Das setzt zweierlei voraus:

Zum einem muss sich eine neue Gewohnheit etabliert haben, die von der alten abweicht. Das ist hier eindeutig der Fall (siehe oben).

Zum anderen muss – was im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann – der Nachweis erbracht werden, dass die neue Praxis von einer korrespondierenden Rechtsüberzeugung begleitet wird. Fehlt es daran, bleibt die ursprüngliche Rechtsüberzeugung also bestehen, so bewirkt die neue Praxis keine Rechtsänderung; vgl. Knut Ipsen, Völkerrecht, 4. Auflage 1999, S. 196:
  • Daß ein anerkannt gewesener Rechtszustand allmählich außer Wirksamkeit gesetzt werden kann, wenn das Rechtsbewusstsein sich in einer ihm entgegengesetzten Richtung entwickelt, erscheint unbestreitbar“ (Franz von Holzendorff, Handbuch des Völkerrechts, Einleitung in das Völkerrecht (1. Band), 1885, S. 94).
  • Auch die Frage, wann der Zerstörungsprozess der desuetudo zu Ende kommt, ist eine Frage des einzelnen Falles. Nur soviel lässt sich sagen, dass dieser Prozess dann vollendet ist, wenn die Rechtsüberzeugung geschwunden ist, welche bisher eine Übung begleitet hat“ (L. Oppenheim, „Zur Lehre vom internationalen Gewohnheitsrecht“, in: Niemeyers Zeitschrift für Internationales Recht, XXV. Band, 1915, S. 1 ff., 9 f.).
In unserem Fall muss man also der Frage nachgehen, ob die Gewohnheit der Bewaffnung wegen einer veränderten Rechtsüberzeugung nicht mehr praktiziert wurde. Der von Dir in # 3 zitierte Grau beantwortet diese Frage wie folgt: „Hiergegen lässt sich aber wieder geltend machen, wenn man sehr lange Zeit nicht mehr an Widerstand eines Handelsschiffes gedacht habe, so deswegen, weil Widerstand aussichtslos erschien (Grau, „Handelsschiffe im Kriege (insbesondere „bewaffnete Handelsschiffe“), in: Julius Hatschek (Begr.) u.a., „Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie“, Band I, 1924, S. 510). Die Bewaffnung wurde also nicht aus rechtlicher Überzeugung aufgegeben sondern aus praktischen Gründen (keine Erfolgschance gegenüber den modernen Kriegsschiffen)!!!

Fazit: Durch die neue Praxis der Nicht-Bewaffnung wurde das alte Gewohnheitsrecht der Bewaffnung nicht abgeändert. Das alte Recht wurde lediglich nicht mehr ausgeübt - bis die Widerstandsleistung zunächst zur Abwehr der Hilfskreuzer (Churchill 1913) und später im 1. WK zur Abwehr der U-Boote wieder als aussichtsreich erschien. Dann wurde das alte Recht auch wieder praktiziert.


4.

Am Ende Deines Beitrages # 12 steuerst Du wieder auf Dein altes Missverständnis zu, dass die Armierung eines Handelsschiffs zu dessen Umwandlung in ein Kriegsschiff führen würde. Hierauf und auf Deine prinzipiell zu begrüßenden „Annäherungen“ an die Kriterien des Umwandlungsabkommens (1907) werde ich in einem anderen Beitrag eingehen.


5.

Auf den Rest konnte ich nicht eingehen, weil ich zum Teil den Zusammenhang zum Thema nicht sehe und auch weil ich aus meinen Diskussionen mit Repo gelernt habe, dass man nicht jede „Nettigkeit“ („fehlende Grundlagen“ etc.) mit einer „Gegennettigkeit“ beantworten sollte. Das würde uns in der Sache auch nicht weiter bringen.;)
 
Der von Dir in # 3 zitierte Plaga beklagt in seinem Buch „Das bewaffnete Handelsschiff“ (1939) folgendes: „Viel eindeutiger als das Verhalten der politischen Stellen war die Haltung der britischen Juristen. Sie stellten sich sofort in den Dienst der militärischen Notwendigkeit“ (Seite 30). Das hört sich nicht nach der von Dir behaupteten Protestbewegung britischer Völkerrechtler an.

Muss ich denn Schlechtes Buch kennen?
Er schrieb über den „Luftkrieg gegen den Seehandel“. Sein Buch erschien im Jahr 1968 in der Reihe „Das gegenwärtige Seekriegsrecht in Einzeldarstellungen“ um mal deren vollständigen Namen zu nennen). Das hört sich nicht nach einer Untersuchung über die völkerrechtliche Problematik des bewaffneten Handelsschiffs im 1. WK an. Mein Fazit: Du stützt Deine These, dass es bewaffneten Handelsschiffen verboten gewesen sein soll, sich gegenüber Kriegsschiffen zu verteidigen, auf eine Randbemerkung von Schlechte, die gar nicht Gegenstand seiner eigentlichen Untersuchung war.

Zunächst mal zum Rauchwerk drumherum:

1. Zu Deiner Spekulation über ein nach Deiner Ausführung ungelesenes Buch (Schlechte) und die breite Auseinandersetzung mit dem Titel:
sein Thema hatte ich Dir oben erläutert, er leitet wesentliche Teile aus dem Seekriegsrecht ab (deshalb auch dort erschienen). Das bewaffnete Handelsschiff ist für ihn ein Thema, in wieweit Prisenkriegsführung für Flugzeuge gegolten hat (die haben nämlich mit der Bewaffnung ein ähnliches gravierendes Problem wie U-Boote, zudem müssten sie „wassern“)

Übrigens: Mit wenigen Ausnahmen gibt es keine Monographien zum Thema, wenn Du das so bezeichnen willst, alles Randbemerkungen von wenigen Seiten.

2. Plaga ist eine Ausnahme mit seiner Monographie. S. 30 zitierst du richtig im Wortlaut, aber ohne den Kontext, was ich so nicht akzeptieren kann. Dort auf S. 30 geht es bereits um die Zusammenfassung von Kapitel I.2. Das Zitat bezüglich der britischen Juristen ist auf die Seiten 20-23 bezogen, auf denen er die Positionen von Hall und Higgins beleuchtet. Von anderen brtitischen Juristen (habe ich einen übersehen?) ist nicht die Rede.

3. Beim „Verbot der Bewaffnung“ im 19. Jahrhundert muss ich nichts „einräumen“, weil ich das nicht behauptet habe. Zum Nachlesen:
silesia # 13 Nicht verboten, sondern als Faktum nicht mehr vorhanden (...)

Das ist etwas anderes als der von Dir zitierte hinweis auf "vorbehalten":
silesia # 3 1. die Bewaffnung war Privatschiffen ab 1860 unzugänglich, sondern in allen (!) größeren Seefahrtnationen den public vessels (= Staatsschiffen, =Kriegsschiffen) vorbehalten
Was damit gemeint war, habe ich erläutert:
Diese Bewaffnung stand nur Staatsschiffen zu, es gab keine private vessel (=merchant vessel =Handelsschiffe), die in der Lage gewesen wären, sich eine Artillerie auf Kreuzerniveau zuzulegen bzw. denen solches (4-6-inch-Kanonen bzw. z.B. 25-Pfünder) ab Mitte des 19. Jahrhunderts möglich gewesen wäre.
Ich erläutere es auch gern nochmal.


„Einige Südseefahrer“, Plaga, Einleitung S. 8, sind dabei irrelevant, wie er selbst durchblicken läßt: "Nach Abschaffung der Kaperei und nach Umwälzung im Kriegsschiffbau wurde die Handelsschiffbewaffnung ... aufgegeben. Es bedarf hier nicht dreier Ausrufezeichen, die Feststellung hatte ich bereits vor Wochen gepostet.

Die Bewaffnung mit Geschützen war private vessel nach Mitte 19. JH materialtechnisch/werftseitig/besatzungsbezogen/feuerleittechnisch/munitionsbedingt ohnehin unzugänglich und in den Einzelstaaten auch nicht eingeräumt (Ausnahme: Hilfskreuzer). Wie sollte ein private vessel 1880 an 5-Zöller kommen, wenn es nicht staatlicherseits ausgerüstet wird?


Im übrigen ist die ausschließliche Bewaffnung von Staatsschiffen in diesem Zeitraum keine These, sondern Fakt. Wie ich sehe, hast Du das inzwischen eingesehen:
Gandolf #17: Zwischenergebnis: die alte Gewohnheit (Übung, Praxis) der Bewaffnung von Handelsschiffen wurde im Laufe der 2. Hälfte des 19. Jh. nicht mehr praktiziert

4. Völkergewohnheitsrecht
Gandolf #17: Nun kann sich aber eine Rechtsänderung auch durch (neues) Gewohnheitsrecht ergeben. Das alte Gewohnheitsrecht würde dann kraft neuem Gewohnheitsrecht untergehen. Im Völkerrecht nennt man diesen Vorgang „desuetudo“. Das setzt zweierlei voraus:

Vorab: die Bewaffnung der Handelsschiffe vor 1850 als „Völker“gewohnheitsrecht würde ich bestreiten, weil es an der staatlichen Anerkennung der praktischen Übung mangelt: es geht vor 1850 um Handelsschiffe, zur Frage der Bewaffnung kann ich keine opinio iuris der STAATEN erkennen, dass „ihr“ Verhalten „rechtlich geboten“ ist. Hier lag eine schlichte Praxis von Privaten vor, die sich Bewaffnung beschafft haben, das hat mit Völkergewohnheitsrecht folglich nichts zu tun. Ich betone das, weil zunehmend die Behauptung sichtbar wird, es gäbe eine Mehrheit von Staaten, die sich vor 1850 rechtlich zur Frage der Bewaffnung von private vessel positioniert hätten.

Du meinst dann wohl eher „consuetudo“? die fehlende Bewaffnung in allgemeiner Übung lässt Gewohnheitsrecht in dieser Frage entstehen. Desuetudo wäre nach meinem Verständnis die Aufhebung früheren Vertragsrechts (welcher Vertrag und welche staatlichen Äußerungen sollen hier ausdrücklich Bewaffnung von private vessel erlaubt haben?) durch späteres Gewohnheitsrecht. Allenfalls könnte man unterstellen, dass die Vergabe von Kaperbriefen wohl in der Annahme erfolgt, dass ein Schiff bewaffnet ist. Liegt nur die allgemeine Übung in consuetudo vor, entsteht mangels expliziter STAATLICHER Rechtsüberzeugung kein Gewohnheitsrecht, sondern unerhebliche allgemeine Übung.

Nebenbei: Mit den „Nettigkeiten“ (siehe „Schlechte“ Witze) habe ich nicht begonnen. „Fehlende Grundlage“ würde ich auch als forengewöhnliche Bemerkung verstehen, da geben wir uns - glaube ich – nichts nach. Du könntest allerdings etwas mehr zu maritimen Sachverhalten und Entwicklungen bringen, das läuft bislang nach meinem Gefühl etwas einseitig. Beim "Zusammenhang zum Thema" kannst Du mir vertrauen.

Schließlich finde ich die Diskussion spannend, um sie fortzuführen. "Nebenreden" oder Spitzen im fachlichen Teil sollten wir dann künftig beidseitig unterlassen.

5. Hier kommen wir langsam zum Kernproblem, bei dem du mich immer noch mißverstanden hast:
Am Ende Deines Beitrages # 12 steuerst Du wieder auf Dein altes Missverständnis zu, dass die Armierung eines Handelsschiffs zu dessen Umwandlung in ein Kriegsschiff führen würde. Hierauf und auf Deine prinzipiell zu begrüßenden „Annäherungen“ an die Kriterien des Umwandlungsabkommens (1907) werde ich in einem anderen Beitrag eingehen.
das ich mir für morgen aufhebe. Es geht dabei nicht nur um das umwandlungsabkommen, sondern die Kriegsschiff/government vessel zu Handelsschiff/private vessel - Differenzierung in den (!) Abkommen, ausgehend von der Feststellung, dass wenige Jahre später die Offensivbewaffnung von private vessel von allen Nationen außer GB (im Höhepunkt des Streites darüber) nicht akzeptiert worden ist.
 
Am Ende Deines Beitrages # 12 steuerst Du wieder auf Dein altes Missverständnis zu, dass die Armierung eines Handelsschiffs zu dessen Umwandlung in ein Kriegsschiff führen würde. Hierauf und auf Deine prinzipiell zu begrüßenden „Annäherungen“ an die Kriterien des Umwandlungsabkommens (1907) werde ich in einem anderen Beitrag eingehen.

Nunmehr möchte ich die Frage des bewaffneten Handelsschiffes einmal grundsätzlich angehen. Bislang beschränkte sich die Diskussion im Kern darauf, wie nach der britischen Ankündigung – Handelsschiffe DEFENSIV zu bewaffnen, unter Beibehaltung ihres Status als Handelsschiff – die internationalen Reaktionen vor, im und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg erfolgten.

Geklärt ist, dass die britische Ankündigung eine 40-50-jährige Phase beendete, in denen Handelsschiffe (ganz überwiegend in der zivilisierten Seefahrt) nicht bewaffnet waren. Ausnahmen betreffen einzelne Bereiche des Globus, in denen Bewaffnungen zur Selbstverteidigung gegen Piraterie erforderlich waren.

Die Lage unmittelbar nach dem Haager Regelungswerk von 1907 kann man wie folgt - thesenartig - beschreiben:

1. Es fehlt eine Definition des Kriegsschiffes, der Versuch dazu ist in den Haager Verhandlungen gescheitert.

2. Es gibt keinen Zwitterstatus zwischen Kriegs- und Handelsschiffen, da eine Vielzahl von Bestimmungen des Haager Vertragswerkes, insbesondere das Neutralitätsrecht, einige bi- und multilaterale Abkommen, sowie die einzelstaatlichen Seerechtsregelungen ausschließlich zwischen Handels- und Kriegsschiff, government vessel auf der einen Seite und private/merchant vessel auf der anderen Seite unterscheiden.

3. Aus 1. und 2. folgt, dass somit auch die Definition des Handelsschiffes nicht gelungen ist. Diese hätte sich mittelbar aus der Kriegsschiffsdefinition ergeben können.

4. Als Schiffs-Bewaffnung ist (auf Grundlage der Diskussionen ab 1913) die Bestückung mit Geschützen zu verstehen, anhand der Praxis 1913ff. wäre das Kaliber 4,7 bis 6-Zoll, also Geschütze, mit denen andere Schiffe gefährdet werden können. Die Bewaffnung erforderte Ende des 19. JH daneben ausgebildete Geschützbesatzungen, Munitionskammern, Feuerleitung. Nicht unter die Bewaffnungsfrage fallen Gewehre, Pistolen etc.

5. Für die Abgrenzung des Kriegsschiffes kann daher nur die (völkerrechtlich nicht abgesicherte und jemals bestätigte, zwischen kontinentaleuropäischer und angelsächsischer Rechtsauffassung umstrittene) Praxis beschrieben werden:

a) es gibt bewaffnete Kriegsschiffe.
b) Es gibt unbewaffnete Kriegsschiffe, deren Zuordnung Drittstaaten unklar ist und die in Listen ausgetauscht werden (Transportschiffe, Versorgungsschiffe, Kleinschiffe ohne Recht zur Flaggenführung)
c) Es gibt – rein faktisch – in den großen Seefahrtnationen nur unbewaffnete Handelsschiffe (bis auf ein paar Südsee- und Chinafahrer).

6. Da der Versuch misslungen, sogar explizit abgelehnt worden ist, eine Kriegsschiff-Definition einzuführen, mangels Zwitter damit auch keine Handelsschiff-Abgrenzung erfolgt ist, liegt die Zielsetzung des Umwandlungsabkommen nicht darin, durch die Hintertür eine Kriegsschiffs-Definition einzuführen. Die Kriterien des Umwandlungsabkommens können daher nicht in „Kriegsschiffs-Kriterien“ umgedeutet werden.

7. Die Haager Regelungen zum Seekriegs-Völkerrecht sind insgesamt lückenhaft und stellen keine abschließenden Regelungen dar. Dieses zeigt sich insbesondere an der Kriegsschiffs-Definition und der Folgeverwendung des Begriffes in einzelnen Regelungsbereichen.

8. Die Zielsetzung der Umwandlungsregelungen geht auf den Wunsch D, F, RUS zurück, Regelungen für potentiell (im Kriegsfall) umwandelbare Hilfskreuzer zu erhalten. Das Bestreben ist zunächst von GB bekämpft worden, ganz im Sinne der britischen Seekriegstheorie. Danach ist die kriegerische Auseinandersetzung zur See zwischen den Kern-Kriegsflotten und durch die Wirtschaftsblockade (angelsächsische Kriegsauffassung vom Krieg Volk gegen Volk, nicht Staat gegen Staat) geprägt. Das Hilfskreuzer-Konzept der Kontinentaleuropäer stellt dagegen eine Gefährdung dieses Kriegskonzeptes dar, da die überseeischen Verbindungslinien GBs bedroht werden und eine Diversifikationswirkung in Bezug auf die Kern- und Blockadeflotte durch Schutz der Verbindungslinien auftritt (vgl. zB Corbett, Seekriegsführung). Im Ergebnis wurde eine Partialregelung für den Umwandlungsvorgang gefunden. Eine abschließende Regelung für die (an sich insbesondere für die Neutralitätsregelungen zwingend erforderliche) Kriegsschiffs-Abgrenzung fehlt dagegen. Aus der lückenhaften Regelung ergeben sich zwei Probleme:
a) Handelsschiffe mit Erfüllung der genannten Kriterien des Umwandlungsabkommens, denen die Listung fehlt
b) Handelsschiffe mit Listung (bzw. Ankündigung der Umwandlung), denen die Kriterien fehlen

9. In Anwendung der als gültig unterstellten völkerrechtlichen Regelungen sind 1915 alle Seefahrnationen (Kriegführende und Neutrale) zu dem Schluss gekommen (selbst GB, wie sollten sonst in seinen politischen Noten die beschwichtigenden Hinweise auf nur defensive Bestückungen zu verstehen sein), dass offensiv bewaffnete ehemalige Handelsschiffe nunmehr Kriegsschiffe darstellen. Das Umwandlungsabkommen hatte bei dieser Beurteilung offensiver Bewaffnungen keine Relevanz in den Noten und Diskussionen.
 
@Silesia:

Wenn es am schönsten wird, muss man gehen...:rofl:

Die nächsten zwei Wochen werde ich auf Deine Beiträge nicht eingehen können (Urlaub). Lies noch etwas über das Umwandlungsabkommen (1907) und geniesse Deine Schonzeit!:)

Auf jeden Fall wäre es aber sehr schön, wenn Du in 2 Wochen die Quelle nennen könntest, aus der sich ergeben soll, dass 1913 50 britische Völkerrechtler der Zulässigkeit der Bewaffnung von Handelsschiffen widersprochen haben. Das wäre wirklich super!
 
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