Beziehungen Deutschland-Großbritannien 1890-1914

Interessant ist auch, das nach der saublöden Krüger Depesche, die Times und der Dailey Telegraph ein Bündnis mit Frankreich und Russland anmahnten. Also den Mächten, die während des Burenkrieges England gegenüber eine kritische, ich möchte sogar fast sagen kritischer als Deutschland, eingenommen hatten. Und es wurde in den Zeitungsartikeln dann ventiliert, das der Frankfurter Frieden von 1871 rückgängig gemacht werden kann. Es wurde auch deutlich, das England für Marokko bei Frankreich fast alles erreichen könne.
 
Die Engländer jedenfalls haben das Krüger Telegramm als kriegerischen Heroldsruf verstanden.
In Kopenhagen wurde schon angefragt, ob man in einem Krieg gegen Deutschland mitmachen würde. Tokio wurde gebeten, die bestellten Schlachtsschiffe der Royal Navy zu überlassen; selbstverständlich gegen Bezahlung.
Die Lage war ernst zu nehmen. Und das durch die Blödheit und inkompetent Einmischen von Wilhelm II. .
 
Erwähnenswert ist auch die folgende Begebenheit.

Als Bismarck 1887 gegenüber Slaisbury für die Mittelmeerentente geworben hatte, begann er den Fehler, Salzburg zu viel von seinen Überlegungen mitzuteilen; Bismarck meinte dem fähigen britischen Staatsmann vertrauen zu können.

So ließ er Salzburg wissen, das Deutschland nur dann zu den Waffen greifen würde, wenn Österreich-Ungarn Gefahr laufen würde, von den Russen militärisch angegriffen würde oder eben wenn England oder Italien von Frankreich angegriffen wird. Das hat Salisbury dankbar notiert und so bestand für ihm im Jahre 1889 nicht weiter auf die Bündnissondierungen Bismarcks einzugehen, das er wußte, das Deutschland Großbritannien auch ohne Bündnis zur Hilfe eilen würde.
 
Ich habe mir die Beiträge über die Haldane Mission durchgelesen und bin verwundert, dass hier einige davon ausgehen, dass es von britischer Seite überhaupt ein Interesse an einer Übereinkunft gab.
Laut Clark war das nur eine vorgeschobene PR Aktion ohne jegliches Interesse an einer Übereinkunft.
Man hat den Deutschen ein Stöckchen hingeworfen, nichts angeboten und gesagt Friss oder Stirb.
Dies entsprach auch der Mächtekonstellation, die Deutschen hatten keine Machtmittel- oder Erpressungsmöglichkeiten gegenüber GB, daher musste man auch nichts anbieten.
 
Die Haldane-Mission war wohl tatsächlich eher ein innenpolitisches Manöver, als der ernste Wille einen Ausgleich in der leidigen Flottenfrage zu finden.
Es ging Grey und seinen Freunden darum, der immer stärker werdenden heimischen Kritik wirksam zu begegnen. Nach dem Motto, wir haben es ja versucht, aber die Deutschen……
Bethmann wollte die Neutralität Englands erreichen, wenn Deutschland ein Krieg aufgezwungen wird.
Dafür konnte sich London aber nicht begeistern, denn so wäre ja eine Teilnahme an einem Krieg auf der Seite von Paris und Petersburg nicht möglich; das kam für Grey nicht in Frage und das obwohl mit dem Begriff „aufgezwungen“ für die Partner eine gewisse Sicherheit erreicht wäre
Aber ich will mich jetzt nicht in die ganzen Details der Gespräche verlieren.
 
Hierzu eine Anmerkung, in der britischen Literatur wird dies falsch dargestellt. Es wird dort behauptet, man wäre Deutschland weit entgegengekommen. An diesem Beispiel hab ich gelernt, dass man bei englischer Literatur vorsichtig sein muss, da wird zuhäufig die eigene Nation romantisiert und Sachverhalte geschönt.
 
Halo,
es tut mir leid, der Beitrag mit den britischen Quellen wurde gelöscht. Ich bin aber der Meinung, es war da einiges über die Regierung Asquieth dabei.
 
In der Bagdadbahnfrage hat sich Grey beispielsweise geweigert mit den Deutschen alleine zu verhandelt. Er wollte eine Konferenz zu vieren. Frankreich und Russland mussten beteiligt werden.
Als der deutsche Botschafter Metternich ihm darüber informierte, das dies nur dazu führe, das Deutschland majorisiert werden würde und die Meinungsverschiedenheiten nur schärfer hervortreten würden. Grey war alles andere als unglücklich und freute sich darüber, das er diese in das Blaubuch aufnehmen könne, was sich dort ausgezeichnet machen würde.

Man muss sich diesen Gedanken Greys einmal vor Augen halten. Wenn eine der Mächte der Triple Entente gerade man nicht gut zu sprechen auf Deutschland war, dann war Essig mit so einer Konferenz. Es sei nur an die Annexionskrise oder an die Marokkokrise erinnert.

Dabei war eine Einigung zwischen den Briten und Deutschen sehr gut machbar, denn Berlin war durchaus bereit, den Sicherheitsbedürfnissen Londons entgegenzukommen. Aber das reichte nicht.
Das beste wäre nach Grey seinen Vorstellungen ohnehin die Internationalisierung der Bahn; selbstverständlich sollten wieder die Mächte der Triple-Entente die Majorität der Anteile der Bahn halten und letzten Endes bestimmen, was zu geschehen hat.
 
In der Bagdadbahnfrage hat sich Grey beispielsweise geweigert mit den Deutschen alleine zu verhandelt. Er wollte eine Konferenz zu vieren. Frankreich und Russland mussten beteiligt werden.
Man könnte allerdings durchaus argumentieren, dass es seit der Berliner Konferenz einen Präzedenzfall dafür gab, Fragen, die die Zukunft des Osmanischen Reiches betrafen auf Konferenzebene zu bearbeiten.

Natürlich bestand dabei die Möglichkeit, das Berlin majorisiert würde, andererseits hatte auch Bismarck 1878 das Mittel der Konferenz genutzt um eine Majorisierung Russlands und eine weitgehende Rückabwicklung von San Stefano herbei zu führen.

Insofern, wenn ich das richtig im Kopf habe Frankreich einer der größten Gläubiger des Osmanischen Reiches war, wird es sicherlich auch sachliche Gründe gegeben haben, Frankreich in Fragen der Bahn zu beteiligen, denn finanziert werden musste das ganze ja.

Dabei war eine Einigung zwischen den Briten und Deutschen sehr gut machbar, denn Berlin war durchaus bereit, den Sicherheitsbedürfnissen Londons entgegenzukommen. Aber das reichte nicht.
Nunja, strategisch bedeutete die Bagdad-Bahn natürlich, dass Deutschland womöglich Aktionsmöglichkeiten in Reichtung Persien gewonnen hätte.

Über Persien hatten sich die Briten mit den Russen verständigt und die hätten eine bilaterale Einigung mit Deutschland, ohne Konsultation und Einbeziehung St. Petersburgs, die die Machtverhältnisse in Persien möglicherweise mittelfristig tangiere konnte, natürlich als Vertragsbruch von britischer Seite her auffassen können.

Das beste wäre nach Grey seinen Vorstellungen ohnehin die Internationalisierung der Bahn; selbstverständlich sollten wieder die Mächte der Triple-Entente die Majorität der Anteile der Bahn halten und letzten Endes bestimmen, was zu geschehen hat.
Das beste aus britischer Sicht wäre wahrscheinlich gewesen, wenn das Projekt ganz fallen gelassen worden wäre.

Du bist mir nur wieder etwas schnell bei der Hand damit Grey auf die Anklagebank zu setzen, ohne zu thematisieren, wo eigentlich die Interessen des britischen Staates lagen.
 
Natürlich bestand dabei die Möglichkeit, das Berlin majorisiert würde, andererseits hatte auch Bismarck 1878 das Mittel der Konferenz genutzt um eine Majorisierung Russlands und eine weitgehende Rückabwicklung von San Stefano herbei zu führen.

Das klingt schon fast wie die unzutreffende Behauptung der Russen, das eben Bismarck "schuld" sei, das der Kongress für sie angeblich eine Pleite, ja eine große Enttäuschung gewesen sei.
Peter Schuwalow, russischer Bevollmächtigter auf dem Kongress, erteilt uns aber eine gegenteilige Auskunft, nämlich die, die Bismarck von "jeder Schuld" freispricht.
Bismarck wurde von den Mächten bedrängt den Kongress auszurichten. Er hat es über lange Zeit, nicht zuletzt wegen seiner mitgenommenen Gesundheit, abgelehnt.
Sein Anliegen war nicht die Russen "um die Früchte ihres Sieges" zu bringen, sondern eine für alle Großmächte tragfähige Lösung zu finden. Im Übrigen haben die Briten und Russen sich im Wesentlichen schon vor Berlin, in London, geeinigt.
Du bist mir nur wieder etwas schnell bei der Hand damit Grey auf die Anklagebank zu setzen, ohne zu thematisieren, wo eigentlich die Interessen des britischen Staates lagen.

Da darf man ja durchaus geteilter Meinung sein. Grey ging es ganz wesentlich darum, das keine Misstöne zwischen den Mächten der Triple Entente entstand. Er hat über den Hebel der Zölle über Jahre hinweg eine Einigung, die schon 1909 möglich gewesen wäre, verschleppt.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt die Interessen Großbritanniens. Vor allem kein deutscher Hafen am Persischen Golf und die Kontrolle des letzten Abschnitts, der zur Küste führte. Die Deutschen waren bereit dem zu entsprechen und zwar schon lange, bevor es dann tatsächlich zur abschließenden Einigung kam.
Über Persien hatten sich die Briten mit den Russen verständigt und die hätten eine bilaterale Einigung mit Deutschland, ohne Konsultation und Einbeziehung St. Petersburgs, die die Machtverhältnisse in Persien möglicherweise mittelfristig tangiere konnte, natürlich als Vertragsbruch von britischer Seite her auffassen können.

Die Russen wollten lange Zeit überhaupt keine Bahnlinie, da der persische Handel überwiegend über Russland lief und da war die Bahnlinie eine lästige, unerwünschte Konkurrenz.

Shinigami schrieb:
Man könnte allerdings durchaus argumentieren, dass es seit der Berliner Konferenz einen Präzedenzfall dafür gab, Fragen, die die Zukunft des Osmanischen Reiches betrafen auf Konferenzebene zu bearbeiten.

Nun der Berliner Kongress kümmerte sich eigentlich mehr um die Vergangenheit, nämlich den Frieden von San Stefano, der sowohl für London als auch für Wien nicht akzeptabel war, in einer Form zu gießen, das alle Großmächte damit leben konnten.
 
Sein Anliegen war nicht die Russen "um die Früchte ihres Sieges" zu bringen, sondern eine für alle Großmächte tragfähige Lösung zu finden. Im Übrigen haben die Briten und Russen sich im Wesentlichen schon vor Berlin, in London, geeinigt.
Eine für alle Großmächte tragfähige Lösung zu finden, lief aber auf eine Majorisierung Russlands hinaus, weil San Stefano gegen die Interessen Großbritanniens, Frankreichs und Österreich-Ungarns ging, womit bereits mit der Einberufung der Konferenz klar war, dass es zu einer Majorisierung Russlands kommen würde, selbst wenn Deutschlad sich daran nicht explizit beteiligte.

Nun konnte man allerdings argumentieren, dass Berlin mit diesem Schritt den Umstand, dass Fragen die das Osmanische Reich und den Raum des Nahen Ostens betrafen fragen von gesamteuropäischer strategischer Bedeutung seien, bei denen die Interessen der Großmächte ausgeglichen werden müssten.
Insofern konnte man sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass in dieser Frage dann auch die anderen Mächte beteiligt werden müssten.

Da darf man ja durchaus geteilter Meinung sein. Grey ging es ganz wesentlich darum, das keine Misstöne zwischen den Mächten der Triple Entente entstand. Er hat über den Hebel der Zölle über Jahre hinweg eine Einigung, die schon 1909 möglich gewesen wäre, verschleppt.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt die Interessen Großbritanniens. Vor allem kein deutscher Hafen am Persischen Golf und die Kontrolle des letzten Abschnitts, der zur Küste führte. Die Deutschen waren bereit dem zu entsprechen und zwar schon lange, bevor es dann tatsächlich zur abschließenden Einigung kam.
Womit aber die Thematik der russischen Position nicht vom Tisch war.

Insofern es wegen Persien zwischen Russland und Großbritannien eine Klärung der Interessensphären gegeben hatte, lagen Vertragliche Regelungen mit Russland vor, aus denen sich durchaus ableiten ließ, dass London Russland einbeziehen musste, wenn es sich nicht den Vorwurf einhandeln wollte einseitig die Abgrenzung der Interessensphären zwischen Russland und Großbritannien gekippt oder dies befeurt zu haben.

Schwierigkeiten, die sich aus bestehenden Verträgen ergaben, an die Großbritannien gebunden waren, sind aber keine persönliche Schikane von Seiten Greys, gewesen, sondern Dinge mit denen auch andere Politiker hätten umgehen müssen, wenn sie an Greys Stelle gewesen wären.
 
selbst wenn Deutschlad sich daran nicht explizit beteiligte.

Das ist der springende Punkt. Selbst die Russen hatten Bismarck um "Vermittlung" auf dem Kongress gebeten.
Nun konnte man allerdings argumentieren, dass Berlin mit diesem Schritt den Umstand, dass Fragen die das Osmanische Reich und den Raum des Nahen Ostens betrafen fragen von gesamteuropäischer strategischer Bedeutung seien, bei denen die Interessen der Großmächte ausgeglichen werden müssten.
Insofern konnte man sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass in dieser Frage dann auch die anderen Mächte beteiligt werden müssten.

Es war eine undankbare Aufgabe; das hat sich ja auch im Nachhinein bestätigt. Auf der anderen Seite war es für Bismarck auch nicht ungünstig, nach der Pleite der "Krieg in Sicht Krise" nun von ganz Europa benötigt zu werden, er stand 1878 auf dem Zenit seines Ansehens in Europa, um diesen Streitfall zu moderieren und einer Lösung zu überführen. Das ist nach Lage der Dinge auch gelungen.
Womit aber die Thematik der russischen Position nicht vom Tisch war.

Die Russen haben sich später schließlich separat mit Berlin geeinigt.

Insofern es wegen Persien zwischen Russland und Großbritannien eine Klärung der Interessensphären gegeben hatte, lagen Vertragliche Regelungen mit Russland vor, aus denen sich durchaus ableiten ließ, dass London Russland einbeziehen musste, wenn es sich nicht den Vorwurf einhandeln wollte einseitig die Abgrenzung der Interessensphären zwischen Russland und Großbritannien gekippt oder dies befeurt zu haben.

Schwierigkeiten, die sich aus bestehenden Verträgen ergaben, an die Großbritannien gebunden waren, sind aber keine persönliche Schikane von Seiten Greys, gewesen, sondern Dinge mit denen auch andere Politiker hätten umgehen müssen, wenn sie an Greys Stelle gewesen wären.

Die Interessensphären in Persien waren zwischen Russland und Großbritannien waren eigentlich klar abgegrenzt. Und die Deutschen verfügten über eine entsprechende rechtmäßig erteilte Konzession für den Bau der Bahnlinie. Es wurde keine formale Erlaubnis oder Zustimmung der Mächte der Triple Entente benötigt.
Grey nutzte aber den Hebel über die Zölle, die das Osmanische Reich u.a. auch für die Bahn benötigte. Konstantinopel konnte nicht aus eigener Macht die Zölle erhöhen, da es finanziell gewissermaßen unter der Vormundschaft der Großmächte stand.
 
Insofern, wenn ich das richtig im Kopf habe Frankreich einer der größten Gläubiger des Osmanischen Reiches war, wird es sicherlich auch sachliche Gründe gegeben haben, Frankreich in Fragen der Bahn zu beteiligen, denn finanziert werden musste das ganze ja.
war die französische Finanzhilfe vertraglich zweckgebunden und musste der Kreditnehmer nachweisen, dass er diese Finanzhilfe entsprechend einsetzte?
 
Das ist der springende Punkt. Selbst die Russen hatten Bismarck um "Vermittlung" auf dem Kongress gebeten.
Es ändert doch aber nichts an der Tatsache, dass man mit dem Weg über die Kongressregelung zur Revision von San Stefano einen Präzedenzfall dafür schuf anzuerkennen, dass sämtliche Großmächte berechtigte Interessen hatten, wenn das Osmanische Reich involviert war oder es um Fragen von dessen Zukunft ging.
Und das von diesem Standpunkt aus es durchaus nicht völlig unangebracht erscheint, auch den Streitfall Bagdad-Bahn unter Einbeziehung der anderen Mächte zu bearbeiten.

Die Interessensphären in Persien waren zwischen Russland und Großbritannien waren eigentlich klar abgegrenzt. Und die Deutschen verfügten über eine entsprechende rechtmäßig erteilte Konzession für den Bau der Bahnlinie. Es wurde keine formale Erlaubnis oder Zustimmung der Mächte der Triple Entente benötigt.
Naja, zwischen formal und faktisch besteht dann aber natürlich noch ein Unterschied.
Natürlich konnte das Osmanische Reich eine Konzession erteilen, natürlich konnte aber auch Russland, dem das nicht passen musste in London darauf hinwirken über dessen Einflussmöglichkeiten in Konstantinopel dazwischen zu grätschen.

Grey nutzte aber den Hebel über die Zölle, die das Osmanische Reich u.a. auch für die Bahn benötigte. Konstantinopel konnte nicht aus eigener Macht die Zölle erhöhen, da es finanziell gewissermaßen unter der Vormundschaft der Großmächte stand.
Der Umstand der massiven Verschuldung der Pforte und der faktisch an vor allem an die beiden Westmächte (als Hauptgläubiger) outgecourste weitgehende Kontrolle über die Osmanischen Finanzen, war Berlin aber doch bekannt.
Und damit war klar, dass die Westmächte einen Hebel in der Hand hatten um dazwischen grätschen zu können, weswegen man sich mit diesen arrangieren musste, erteilte Konzession hin oder her.


war die französische Finanzhilfe vertraglich zweckgebunden und musste der Kreditnehmer nachweisen, dass er diese Finanzhilfe entsprechend einsetzte?
Es verhielt sich damit, wenn ich das richtig auf dem Schirm habe ( @Turgot wird es wahrscheinlich genauer wissen) eher dergestalt, dass Konstantinopel bei den beiden Westmächten so stark verschuldet waren, dass man schlussendlich gezwungen war, den Westmächten als Hauptgläubigern ein massives Mitspracherecht bei den Staatsfinanzen und bei der Haushaltsgestaltung zwecks Ermöglichung weiterer Kredite und Schuldenregulierung zuzugestehen.

Ich weiß nicht im Detail, wie die Finanzierung der Bagdad-Bahn aussehen sollte, nehme aber mal an, dass auch das Osmanische Reich einen Teil der Finanzierung hätte organisieren sollen.
Wenn das der Fall war, mussten Haushaltsmittel dafür aufgebracht werden, während Großbritannien und Frankreich als die Hauptgläubiger bei der Haushaltsgestaltung Konstantinopels allerdings unter diesen Umständen Mitsprachemöglichkeiten hatten oder jedenfalls damit drohen konnten, weitere Vergabe von Krediten zu suspendieren und auf zügige Rückforderung der bisherigen Kredite zu bestehen, was Konstantinopel ernsthafte Probleme bereitet hätte.

Wenn das Osmanische Reich selbst zum Teil an der Finanzierung beteiligt werden sollte, hätte Frankreich also möglicherweise neben Großbritannien die Möglichkeit gehabt Veto gegen eine solche Haushaltsplanung seitens des Osmanischen Reichs einzulegen oder bestehende Kredite zu kündigen, die Vergabe von weiteren zu suspendieren und dadurch massiven Druck zu machen.


Insofern machte eine Beteiligung Frankreichs an Gesprächen über das Projekt jdenfalls Sinn.
 
Es ändert doch aber nichts an der Tatsache, dass man mit dem Weg über die Kongressregelung zur Revision von San Stefano einen Präzedenzfall dafür schuf anzuerkennen, dass sämtliche Großmächte berechtigte Interessen hatten, wenn das Osmanische Reich involviert war oder es um Fragen von dessen Zukunft ging.
Und das von diesem Standpunkt aus es durchaus nicht völlig unangebracht erscheint, auch den Streitfall Bagdad-Bahn unter Einbeziehung der anderen Mächte zu bearbeiten.

Der entscheidende Unterschied ist doch der, das Russland einen Krieg gegen das Osmanische losgetreten hatte und den Balkan territorial in seinem Sinne umgestaltet hatte. Das hatte erhebliche Folgen.
Auf der anderen Seite hatte Deutschland ganz legal eine Konzession vom Osmanischen Reich zum Bau einer Eisenbahn erworben. Durch den Bau wurden nicht die "Rechte" anderer Staaten berührt oder gar verletzt. Die Mächte der Triple Entente versuchten eine ganze Zeit den Bau zu hintertreiben und zwar aus wirtschaftlichen und zum Teil sicherheitspolitischen Interessen. Nur hatte Großbritannien kein per se verbrieftes Brecht darauf, zu verhindern, das Deutschland am Persischen Golf seinen wirtschaftlichen Interessen nachging. Es konnte sich auf kein Recht stützen, sondern "nur" auf seine eigenen Interessen.

Und auf so einer Konferenz hätte Deutschland seine Rechte überhaupt nicht vertreten können, da die Triple Entente in Mehrheit waren. Übrigens hat Deutschland auf dem BerlinerKongress sich durchaus für Deutschland verwendet. Und es war nicht die erste internationale Konferenz.

Der Umstand der massiven Verschuldung der Pforte und der faktisch an vor allem an die beiden Westmächte (als Hauptgläubiger) outgecourste weitgehende Kontrolle über die Osmanischen Finanzen, war Berlin aber doch bekannt.
Und damit war klar, dass die Westmächte einen Hebel in der Hand hatten um dazwischen grätschen zu können, weswegen man sich mit diesen arrangieren musste, erteilte Konzession hin oder her.

Selbstverständlich war Berlin das bekannt. Aber Berlin ist nicht von so einer dermaßen destruktiven Haltung der anderen Mächte ausgegangen, die rücksichtslos und egoistisch nur ihre eigenen Interessen nachgingen und genaugenommen Konstantinopels Souveränität beschnitten. Das ist genau die Art des Vorgehens, die in Deutschland zum Gefühl und Eindruck des "eingekreist sein" geführt hat.

Naja, zwischen formal und faktisch besteht dann aber natürlich noch ein Unterschied.
Natürlich konnte das Osmanische Reich eine Konzession erteilen, natürlich konnte aber auch Russland, dem das nicht passen musste in London darauf hinwirken über dessen Einflussmöglichkeiten in Konstantinopel dazwischen zu grätschen.

Nun ja, die Entscheidungshoheit lag nun einmal in Konstantinopel. Und die drei Mächte stimmten sich untereinander ab und nahmen entsprechend Einfluss. Was glaubst, weshalb es so viele Jahre gedauert hatte, bis endlich alle drei Mächte der Triple Entente zufriedengestellt waren.
 
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