Bismarck, der größte Politiker?

Paris5885

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Hallo!

Ich habe mal eine Frage zu Bismarck! Bismarck wird ja oft als der größte Politiker des 19. Jh. bezeichnet. Was hat er denn so Tolles gemacht? Ich weiß jetzt nur, dass er die Sozialversicherungen gemacht hat. Aber kann man dann schon so weit gehen und sagen, dass er der größte Politiker war? Ich weiß, dass es ja auch super viele Denkmäler zu Bismarck gibt. Ist das nicht übertrieben?
 
Ob jemand "groß" ist, ist ja, wenn man sich nicht auf die Körpergröße bezieht, eine Frage der Bewertung. Ob Bismarck "der Größte" ist, ist also eine Frage der Bewertung. Dass er als "der Größte" bezeichnet wird, habe ich eigentlich noch nie gehört. Und da er ja auch der einzige Bismarck ist, der diese herausragende Stellung hat, war auch keine Attributierung wie bei mittelalterlichen Herrschern notwendig, also wenn Großvater, Sohn und Enkel alle denselben Namen tragen (Fachbegriff Leitnamenkontinuität), um diese leichter zu unterscheiden als mit I., II., III. ....
Fakt ist: In der Kaiserzeit war Bismarck recht beliebt im (national gesinnten) Bürgertum.
Als Politiker trat Bismarck (auf nationaler Ebene) 1848 erstmals in Erscheinung (lokal bereits früher). Ab 1862 war er Ministerpräsident Preußens, ab 1871 Reichskanzler. Bis auf eine kurze Episode in der Bismarcks politischer Weggefährte von Roon Bismarck als Ministerpräsident Preußens ablöste (1871 - 73) war Bismarck beides, Reichskanzler und Ministerpräsident Preußens in Personalunion. Bis 1890. Wie viele Politiker fand auch Bismarck nicht den richtigen Zeitpunkt zum Abtritt. Aber 28 Jahre lang war er der maßgebliche Politiker Deutschlands.
Man kann ja von Bismarck halten, was man will - und ich neige eigentlich nicht zu einer sehr positiven Bismarckbewertung - aber er hat doch vieles gerissen, auch gegen den Willen seines Königs und späteren Kaisers, der gesagt haben soll: „Es ist nicht leicht unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“
Natürlich hat ihm die Reichseinigung (die er teilweise mittels Manipulation (Emser Depesche) der Ereignisse "herbeiführte") viel seines Nimbus beschert. Und natürlich stehen etwa seinen Sozialgesetzen seine repressiven Sozialistengesetze gegenüber. Aber hier hat die Bismarcksche Politik Deutschland bis heute geprägt, man siehe unsere Sozial- und Rentenversicherungen.
Auch das BGB, Grundlage des BGB von heute, wurde in maßgeblichen Teilen bereits in der "Bismarck-Zeit" erarbeitet (allerdings erst 1896 in Kraft gesetzt). Deutschland heute wäre nicht, was es ist, ohne Bismarck. Ob sein Anteil gut oder schlecht ist, musst du selber beurteilen.
 
Ein paaar zusätzliche Anmerkungen zu EO. Bismarck`s zentrale historische Leistung liegt wohl primär in der Realisation der "Kleindeutschen" Lösung und das hat ihm das Wohlwollen der liberalen-nationalistischen (protestantischen) Organisationen - zunächst - gesichert. Damit ist dann auch schon die Ambivalenz beschrieben, die fast alle seine Projekte kennzeichnen. Die "positive Zielerreichung" unter in Kaufnahme von gravierenden anderen Nachteilen. In diesem Fall der Realisation der "Großdeutschen" Lösung. Zur Erinnerung: Die Herrscher des HRR wurden aus Österreich gestellt! Und insofern war es ein machtpolitischer Konflikt, der Entschieden wurde, in Kombination mit einem parallel verlaufenden massiven konfessionellen Konflikt.

Ähnliches ließe sich zu den Maßnahmen im Rahmen des "Kulturkampfes" und zu den "Sozialistengesetzen" sagen. Beides Aspekte, die Preußen-Deutschland in einen Staat verwandelten, der u.a. durch soziale Ausgrenzung in Kombination mit einer Klassenjustiz einem großen Teil der Gesellschaft die Teilhabe an dem neuen deutschen Nationalstaat verweigert hat! Und damit die innere Nationenbildung massiv behindert hat.

Diese Ambivalenz durchzieht sein politisches Wirken und ist direkt und unmittelbar an seine Person bzw. noch direkter an sein extremes - fast hedonistisches - Selbstwertgefühl gebunden.

Vor diesem Hintergrund schreibt Althammer: " Große Teile der deutschen Gesellschaft nahmen die Nachricht erleichtert auf....und zuletzt hatte er zunehmend Überdruß erzeugt." (S. 247). Insofern unterlag die Wertschätzung von Bismarck, wie EQ es ausführt, einem lebenszyklischen Prozess, der zudem massiv durch die Klassenzugehörigkeit verstärkt wurde.

Die Person von Bismarck wurde aber bereits auch durch die Zeitgenossen sehr kritisch betrachtet, wie Steinberg es in seiner Schlussbetrachtung (S. 640ff) ausführlich darlegt. Und die Beschreibung der kalten und machiavellistischen Persönlichkeit von Bismarck wirkt nicht besonders sympathisch, um es vorsichtig zu formulieren.

Gerade in der letzten Phase seines politischen Wirkens geriet er zunehmend in Konflikt mit dem monarchischen System. Gall (S. 824ff) verweist darauf, dass KW II. wiederholt erwogen haben soll, Bismarck den Prozess wegen Hochverrats zu machen, um der durch Bismarck selber geförderten "Idolisisierung" bzw. Heroisierung im Rahmen eines einsetzenden "Bismarck-Mythos" zu begegnen.

Althammer, Beate (2009): Das Bismarckreich 1871 - 1890. Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh
Gall, Lothar (2013): Bismarck. Der weiße Revolutionär. Berlin: Ullstein
Steinberg, Jonathan : Bismarck. Magier der Macht. Berlin: Propyläen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde dem Beitrag von @thanepower noch hinzusetzen wollen, dass man auch die Art der Realisierung der kleindeutschen Lösung durchaus sehr kritisch sehen kann.

Zum einen war der Weg, den Bismarck gerade mit dem Krieg gegen Österreich einschlug ein verdammt riskanter. Er hatte hier insofern Glück, dass ein Großteil der Zeitgenossen ohnehin von einem Sieg Österreichs ausging, denn anders ist kaum zu erklären, warum eine rechtzeitige französische Intervention zur Verhinderung einer verfestigten preußischen Hegemonie in Norddeutschland unterblieb.

Sodann war der Krieg gegen Frankreich, bei dem nicht wirklich davon ausgegangen werden konnte (vor dem hintergrund des Krieges gegen Österreich und die übrigen deutschen Staaten, wie im Besonderen auch der Annexion Kurhessens, Hannovers, Nassaus und Frankfurts), dass die Süddeutschen Staaten das mittragen und sich nicht etwa auf die Seite Frankreichs schlagen würden (Baden unwahrscheinlich, Bayern und Würtemberg möglicherweise aber doch). Zudem hatte man sich mit der Liquidierung des Kgr. Hannover in London einige Findschaft eingehandelt, man bedenke die dynastischen Verpflechtungen und die damit verbundene indirekte Möglichkeit Großbritanniens seine Interessen innerhalb des bisherigen Bundestages zu ventilieren und Einfluss auszuüben.

Kommt das sehr unglückliche Agieren der französischen Armee bei und im direkten Vorfeld vor der Schlacht von Sedan noch hinzu.

Ich möchte sage, das war eine verdammt risikoreiche Politik, die Preußen entweder die Hegemonie oder den Untergang als Großmacht bringen konnte. Insofern bin ich nicht sicher, ob es angemessen ist Bismarck dafür einen besonders großen (im positiven Sinne, ereignishistorisch ist er sicher einer der ganz großen Politiker des 19. Jahrhunderts gewesen, dass waren allerdings z.B. Napoleon I. oder Abraham Lincoln auch) Politiker zu nennen. Er war in dieser Phase ein sehr risikofreudiger Politiker, dessen Kalkühl unter Hinzunahme einer ordentlichen Portion Glücks früchte trug, insofern wäre die häufig bemühte Analogie zu Friedrich II. sinnvoll (meiner bescheidenen meinung nach).
Und einer der (das hingegen muss man ihm als Leistung annerkennen), nach dem das Glück ihm einmal hold war, es verstanden hat das Selbige tunlichst nicht zu überreizen.

Käme noch die bekannte Problematik der Annexion Elsaß-Lothringens hinzu, die er verantwortete (wenn ihm das mindestens im Bezug auf Lothringen wohl auch widerstrebte) und die das Verhältnis zu Frankreich deutlich beschädigte (angesichts der immer wieder während des 19. Jahrunderts von französischer Seite betriebenen Expansionsaspirationen, etwa 1840 und 1867 halte ich es allerdings für übertrieben hier einen absoluten Sündenfall in Form einer originären Heraufbeschwörung des deutsch-französischen Gegensatzes zu sehen).
 
Ich würde dem Beitrag von
Käme noch die bekannte Problematik der Annexion Elsaß-Lothringens hinzu, die er verantwortete (wenn ihm das mindestens im Bezug auf Lothringen wohl auch widerstrebte) und die das Verhältnis zu Frankreich deutlich beschädigte (angesichts der immer wieder während des 19. Jahrunderts von französischer Seite betriebenen Expansionsaspirationen, etwa 1840 und 1867 halte ich es allerdings für übertrieben hier einen absoluten Sündenfall in Form einer originären Heraufbeschwörung des deutsch-französischen Gegensatzes zu sehen).
hat denn nicht Frankreich, welches als Nutznießer des Westfälischen Friedens, und der Schwäche des HRR durch den 30-jährigen Krieg, diese Gebiete für sich reklamierte, mit der Annexion begonnen?
Grenzgebiete, welche mal hüben, mal drüben waren, eignen sich schlecht für eine Analyse Bismarck'-Politik.
Er nutzte z.B. die technischen Möglickeiten wie im Deutsch-Dänischen Krieg, wo er die Eisenbahn benutzen ließ, preussische Truppen aus dem Rheinland und Westfalen, innerhalb kurzer Zeit bis vor die Tore Hamburgs zu expedieren.

Das Kriegstagebuch (im Original) meines Urgroßvaters weist für die Fahrt von Wesel bis Hamburg (Harburg), 10 Tage aus. Einschließlich der Fahrt durch das Königreich Hannover. So waren die preussischen Truppen eher in SH, als die früher mobilisierten Österreicher. Erwähnenswert ist vielleicht, dass dies einer der kältesten Winter war, was die preussischen Truppen ermöglichte, zu Fuß von Harburg nach Hamburg über die Elbe zu gelangen. Hamburg war damals pro-dänisch eingestellt, Holstein dagegen eher pro-preussisch.

Zündnadelgewehr und Ausbildung der Truppen waren weitere Pluspunkte. Schon diese Kriege gegen Dänemark sicherte er sich ab durch das Stillhalten der Briten in diesem 'Erbfolgestreit'. Auch seine Bündnispolitik zeigte diese Stärke deutscher Politik der Absicherung (Russlandbindung). Während das Volk und auch die Soldaten) glaubten, dass der König diesen Krieg führt, waren es die Kriege Bismarcks.
 
hat denn nicht Frankreich, welches als Nutznießer des Westfälischen Friedens, und der Schwäche des HRR durch den 30-jährigen Krieg, diese Gebiete für sich reklamierte, mit der Annexion begonnen?

Das trifft auf einen Teil des Elsass zu. Lothringen blieb vorerst beim Reich und wurde von den Habsburgern später in der Sache der Anerkennung der Pragmatischen Sanktion Karls VI. (sofern ich mich nicht Täusche) über den Umweg Stanislaus Lesczcinskis an Frankreich abgetreten.
Davon abgesehen, leistest du dir die historische Ungereimtheit das Kaiserreich mit dem alten Römisch-Deutschen Reich gleichzusetzen. Diese Gebiete kamen in einer Zeit und im Rahmen von verhandlungen an Frankreich, als diese Art von politik noch für legitim galt.
Spätestens nach dem Wiender Kongreß, allerspätestens aber nach der Revolutionswelle von 1848, die diese Ard dynastischer Interessenspolitik auch in ihrem Nachgang gründlich delegitimierte, war dem so nicht mehr der Fall.


Grenzgebiete, welche mal hüben, mal drüben waren, eignen sich schlecht für eine Analyse Bismarck'-Politik.
Diese Gebiete waren nicht mal hüben mal drüben, sondern Frankreichs Anrecht auf die Hoheit über die Elsässischen Reichsstädte war über 2 Jahrhunderte, die über Lothringen seit etwa einem Jahrhundert unangefochten, selbst durch den Wiener Kongreß, auf dem man Frankreich dies nach der Niederlange Napoleons wieder hätte nehmen können bestätigt.
Insofern greift die paradigmatische sicht von auirieren und requirieren hier nicht so ganz und dementsprechend darf man das durchaus mit in die Rechnung miteinbeziehen.
Die zugehörigkeit dieser beiden Landstriche zu Frankreich im Rahmen der offiziellen Politik Preußens in Frage zu stellen, war von dieser Warte her durchaus ein Novum.


Er nutzte z.B. die technischen Möglickeiten wie im Deutsch-Dänischen Krieg, wo er die Eisenbahn benutzen ließ, preussische Truppen aus dem Rheinland und Westfalen, innerhalb kurzer Zeit bis vor die Tore Hamburgs zu expedieren.

Das Potential der Eisenbahn richtig erkannt zu haben gehört zweifellos zu den großen Leistungen Bismarcks, wie auch der preußischen Generalität, das ist wahr. Es konnte sich auf der anderen Seite aber auch nur in dieser Form auswirken, weil, im Sinne seiner militärischen Bedeutung sowohl die Österreicher als auch dei Franzosen das weitgehend verschlafen hatten.




Das Kriegstagebuch (im Original) meines Urgroßvaters weist für die Fahrt von Wesel bis Hamburg (Harburg), 10 Tage aus. Einschließlich der Fahrt durch das Königreich Hannover. So waren die preussischen Truppen eher in SH, als die früher mobilisierten Österreicher. Erwähnenswert ist vielleicht, dass dies einer der kältesten Winter war, was die preussischen Truppen ermöglichte, zu Fuß von Harburg nach Hamburg über die Elbe zu gelangen. Hamburg war damals pro-dänisch eingestellt, Holstein dagegen eher pro-preussisch.

Alles richtig, aber was hat das mit dem Vorgenannten zu tun?

Zündnadelgewehr und Ausbildung der Truppen waren weitere Pluspunkte. Schon diese Kriege gegen Dänemark sicherte er sich ab durch das Stillhalten der Briten in diesem 'Erbfolgestreit'. Auch seine Bündnispolitik zeigte diese Stärke deutscher Politik der Absicherung (Russlandbindung). Während das Volk und auch die Soldaten) glaubten, dass der König diesen Krieg führt, waren es die Kriege Bismarcks.

Die Absicherung im Hinblick auf Russland war aber zum einen kein vollwertiges Bündnis, sondern allenfalls eine wohlwollende Neutralität, zum anderen fiel diese Preußen wegen Österreichs Haltung während des Krimkriegs geradezu in den Schoß, auch ohne großes Zutun Bismarcks.
Russland hatte dem Hause Habsburg 1848 bei der Sicherung ihrer Herrschaft gegen die Revolution und die Separationsbewegungen in Ungarn unverzichtbare Waffenhilfe geleistet und 1850 (Olmützer Punktation) zu gunsten Österreichs gegen Preußische Aspirationen eines Sonderbundes mit den Königreichen Sachsen und Hannover innerhalb des Deutschen Bundes Interveniert.
Österreich hingegen drohte einige Jahre später während des Krimkrieges im Rahmen der Ausweitung des Konfliktes über den Ostbalkan ganz offen mit Krieg, was zum Verlauf des Krieges und zur russischen Niederlage sein übriges beitrug.
Das Russland auf dieses Österreich nicht mehr gut zu sprechen sein würde (und den Beweis lieferte es als es Österreich 1859 im zweiten italienischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Franzosen und Piemontesen nicht unter die Arme griff) und dementsprechend verlässlicher Parnter Preußens wurde, ist nicht als überragendes Verdienst Bismarcks zu sehen.

Das Zündnadelgewehr hätte den Preußen wenig genutzt, wenn man in Paris nicht von einem österreichischen Sieg gegen Preußen ausgegangen wäre. Von französischer Seite glaubte man einfach zusehen zu können, wie Österreich und die Bundesgenossen Preußen über den Haufen werfen. Man rechnete sich aus neutral bleiben und sich im Gegenzug dafür, dass man eine erweiterung Österreichs durch Schlesien sanktionierte Teile des Rheinlands aneignen zu können. Somit wäre Preußen verkleinert worden und in Europa hätte sich nicht viel geändert.
Wäre man in Paris davon ausgegangen, Preußen hätte gute Chancen diesen Krieg zu gewinnen und sie die Dominanz im industriell stärker werdenden Norddeutschland zu sichern, wäre die Wahrscheinlichkeit einer französischen Intervention auf Seiten Österreichs deutlich größer gewesen und hätte man in Großbritannien ernsthaft mit einer Machtausdehnung Preußens über ganz Norddeutschland, einschließlich der Liquidierung des Königreiches Hannover gerechnet, wäre auch eine britsiche Intervention durchaus nicht unwahrscheinlich gewesen.

Das wiederrum hätte die preußischen Kräfte deutlich überfordert.


Was den Krieg mit Frankreich angeht, so war das Zündnadelgewehr hier kein Trumpf mehr, das Standartmodell der französischen Infanterie war leistungsfähiger, hier war die Artillerie der Trumpf. Das ganze konnte aber auch hier nur in der Weise funktionieren, weil die Süddeutschen Staaten das mitspielten, Truppen stellten und ihre Territorien den preußischen Kräften zum Manövrieren zur Verfügung stellten.
Wäre dies nicht der Fall gewesen und hätten die Süddeutschen sich (der vorrangegangene Krieg gegen Preußen hatte ja durchaus auch schmerzhafte Zerstörungen hinterlassen) Frankreich angeschlossen, so hätte das Preußen gezwungen seine Kräfte zu verzetteln und nicht nur im Westen, sondern auch in Süddeutschland Krieg zu führen.
Die taktischen Fehler der Franzosen, die die Einkesselung und Entscheidungsschlacht von Sedan überhuapt ermöglichten waren auch nicht selbstverständlich. Passieren die nicht, zieht sich die französische Armee geordnet ins Landesinnere zurück und dann wird das ein sehr hässlicher Abnutzungskrieg.


Das alles waren Faktoren, die sich auf Bismarcks Politik am Ende sehr vorteilhaft auswirkten, mit denen aber im Vorfeld so nicht gerechnet werden konnte und die zu beeinflussen auch nur in sehr begrenztem umfang in Bismarcks Macht lagen.
Darüber hinaus führte selbstverständlich nicht Bismarck Krieg, sondern wenn man auf die Geschmacklosigkeit verfallen wollte Kriege nicht den Soldaten zuzuschreiben, die sie Ausfechten, sondern einzelnen Funktionsträgern innerhalb des Staatsgebildes, dann führten weder König Wilhelm, noch Bismarck im Wortsinne Krieg, sondern die Herren v. Roon und v. Moltke d. Ä.
 
Shinigami

Das trifft auf einen Teil des Elsass zu. Lothringen blieb vorerst beim Reich und wurde von den Habsburgern später in der Sache der Anerkennung der Pragmatischen Sanktion Karls VI. (sofern ich mich nicht Täusche) über den Umweg Stanislaus Lesczcinskis an Frankreich abgetreten.
Davon abgesehen, leistest du dir die historische Ungereimtheit das Kaiserreich mit dem alten Römisch-Deutschen Reich gleichzusetzen. Diese Gebiete kamen in einer Zeit und im Rahmen von verhandlungen an Frankreich, als diese Art von politik noch für legitim galt.
Spätestens nach dem Wiender Kongreß, allerspätestens aber nach der Revolutionswelle von 1848, die diese Ard dynastischer Interessenspolitik auch in ihrem Nachgang gründlich delegitimierte, war dem so nicht mehr der Fall.

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Grenzgebiete, welche mal hüben, mal drüben waren, eignen sich schlecht für eine Analyse Bismarck'-Politik.
Diese Gebiete waren nicht mal hüben mal drüben, sondern Frankreichs Anrecht auf die Hoheit über die Elsässischen Reichsstädte war über 2 Jahrhunderte, die über Lothringen seit etwa einem Jahrhundert unangefochten, selbst durch den Wiener Kongreß, auf dem man Frankreich dies nach der Niederlange Napoleons wieder hätte nehmen können bestätigt.
Insofern greift die paradigmatische sicht von auirieren und requirieren hier nicht so ganz und dementsprechend darf man das durchaus mit in die Rechnung miteinbeziehen.
Die zugehörigkeit dieser beiden Landstriche zu Frankreich im Rahmen der offiziellen Politik Preußens in Frage zu stellen, war von dieser Warte her durchaus ein Novum.
Gordon A. Craig (britischer Historiker) zitiert in einem seiner Bücher über die Einigungskriege eine britische Tageszeitung. Leider habe ich in der Wohnung in NRW nicht meine Bücher zu dem Thema. Aber sinngemäß wurde folgendes wiedergegeben

"Frankreich hat jahrhundertelang einem am Boden liegenden Gegner getreten und ausgeraubt. Allein die Vorstellung, dass man Frankreich nach dem preußischen Sieg nun seinem von Deutschen geraubten Besitz beließ, war undenkbar ..."

Zudem ist auch Deine Vorstellung von den elsässischen Gebieten unter der Herrschaft der Bourbonen nicht zutreffend. Das Elsass hatte eine weitgehende kulturelle Autonomie unter der französischen Krone. Erst Napoleon hat Elsass in dem französischen Zentralstaat integriert. So hat noch 1800 die Stadt Mülhausen (Mulhouse) eine Petition an Napoleon geschickt, in welchem sie darin bat, Mülhausen nicht in den französischen Staat zu integrieren. Der Wechsel der Sprache (deutsch/allemanisch als Alltagssprache in französische) vollzog sich erst in der 2.Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Eindruck der beiden Weltkriege.
 
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Gordon A. Craig (britischer Historiker) zitiert in einem seiner Bücher über die Einigungskriege eine britische Tageszeitung. Leider habe ich in der Wohnung in NRW nicht meine Bücher zu dem Thema. Aber sinngemäß wurde folgendes wiedergegeben

"Frankreich hat jahrhundertelang einem am Boden liegenden Gegner getreten und ausgeraubt. Allein die Vorstellung, dass man Frankreich nach dem preußischen Sieg nun seinem von Deutschen geraubten Besitz beließ, war undenkbar ..."

Das deckt sich auch vollkommen mit der Bismarkschen Argumentation (Habe auf Grund der nahenden Feiertage die "Bismarck-Werke-Ausgabe" leider im Moment auch nicht zur Hand und liefere das auf Wunsch gerne nach), wo es dann sinngemäß heißt:

"Seit dem 30-Jährigen Krieg hat man Frankreich in territorialer Hinsicher immer wieder nachgegeben, was es nicht daran gehindert hat immer neue Aspirationen in Richtung deutschen Gebietes zu entwickeln, dieses mal muss man ihm etwas abnehmen um ihm einen Schuss vor den Bug zu verpassen."
Das nebst der militärischen Argumentation um die Festungen Straßburg und Metz, so wie der Axiomatik des "alemannischen Elsass".
Das die Versuchung Frankreich diese Gebiete abzunehmen nehe lag, bestreite ich nicht, käme mir gar nicht in den Sinn.
Ich möchte aber vehement bestreiten, dass es sich dabei um eine "Rückholung" handelte, denn zurückholen kann nur der, dem etwas gestohlen wurde. Wenn denn etwas gestohlen wurde, dass dem Heiligen Römischen Reich bzw. den zuvor eigenständigen Herrschaften im Elsass (Lothringen ist da völlig auszunehmen). Preußen war aber weder die Vertretung des Heiligen Römischen Reiches, noch die der vormaligen Elsässischen Notabeln. Ob man Preußen mit deutschen Gesamtinteressen gleichsetzen kann, mag man im Kontext des keine 5 Jahre zurückliegenden Krieges Preußen gegen alle anderen Deutschen Staaten und dem von Preußen betriebenen Ausschluss Österreichs sicherlich auch bezweifeln dürfen.

Darüber hinaus Hatte Preußen als eine der Signatarmächte des Wiener Systems den französischen Anspruch auf Elsass und Lothringen, genau wie Österreich im Rahmen der Wiener Schlussakte annerkannt.

Es mag dem einen oder anderen Zeitgenossen zwar wie gerechtfertigte Rache oder die Rückholung eined deutschen Territoriums in den deutschen Machtbereich vorgekommen sein, aber bei näherer Betrachtungsieht das wohl etwas anders aus. Zudem hat dieses Narrativ noch einen ganz anderen Harken:


Wenn man von "Rückholung" spricht (wie der Vorredner auf den sich meine Einlassung bezog) und darauf verzichten möchte Preußen unzulässigerweise mit dem Heiligen Römischen Reich gleichzusetzen, müsste man es mit der deutschen Nation gleichsetzen und damit den ethnischen Nationalstaat zur einzig legitimen Norm erklären.
Kann man theoretisch natürlich machen. Dann müsste man aber auch einräumen, dass umgekehrt Territorien die sprachlich dann Frankreich zuzuweisen wären (Franche Comté, Lothringen, Westluxemburg, Wallonie) zum Beispiel in Teilen bis in die Epoche der Revolutionskriege von deutschen Fürstenhäusern beherrscht wurden und dem Reichsveband angehörten, was dann ebenfalls illegitim gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund wäre dann das Narrativ von den andauernden illegitimen Überfällen Frankreichs und dessen unrechtmäßigen Expansionsbestrebungen so nicht mehr haltbar.

Entweder verzichtet mal also auf die Betrachtung unter nationalem Charakter und dann kann von einer Rückholung durch Preußen keine Rede sein. Oder aber man schreibt dem einen dezidiert nationalen Charakter zu, dann kann man aber kaum von einer dauerhaft unrechtmäßigen Agression Frankreichs gegen Norden und Osten sprechen, sondern dann hatten die französischen Aspirationen auf Lothringen, die Franceh Comté, luxemburgisches Territorium oder die Wallonie nicht minder gute Rechtfertigungen als die deutschen Aspirationen auf das Elsass.

Für Lothringen kann dann von einer Rückholung erst recht keine Rede sein, mindestens im Bezug auf den damals mehheitlich französischsprachigen Teil um Metz herum.



Zudem ist auch Deine Vorstellung von den elsässischen Gebieten unter der Herrschaft der Bourbonen nicht zutreffend. Das Elsass hatte eine weitgehende kulturelle Autonomie unter der französischen Krone.
Es ging mir weniger um den Status des Elsass unter der Französischen Korne als viel mehr um seine Hoheitliche Zugehörigkeit ZUR französischen Krone, die dann spätestens mit dem Wiener Kongress international annerkannter Maßen auf den französischen Staat übergeht.
Sicherlich bedeutete der westfäliche Frieden nicht die natlose Integration der elsässischen Territorien, die das betraf in einen Französischen Staat. Andererseits, auch wenn der Zentralismus in Westeuropa eine andere Tradition hat, findet die faktisch starke Durchdringung des Territoriums durch den Staat ja ohnehin erst ab dem ausgehenden 17.-18. jahrhundert statt. Insofern ist Autonomie in dieser Zeit eigentlich eher die Regel als die Ausnahme, betrachtet man Österreich dauert es bis in die Maria-Theresianische Zeit, bis die Erblande und Böhmen im Zuge der Haugwitz'schen Reformen einigermaßen zusammenwachsen, von Ungarn, dem Herzogtum Mailand oder den Österreichischen Niederlanden nicht zu reden.
Auch wenn man nach Westeuropa schaut, war das nicht anders. Bis in die Bourbonische Zeit, war unter der betonung der Autonomierechte Aragons und Kataloniens noch von "Las Espanas" (Das Sonderzeichen will nicht funktionieren) die Rede, was sich noch im Spanischen Erbfolgekrieg in der Parteiergreifung der aragonesischen Landesteile für die habsburgische Seite deutlich manifestierte.
Im Inneren Frankreichs selbst findet im Zuge der Revolution die administrative Auflösung der alten Regionen und die Neueinteilung in Départements ja auch nicht zufällig statt, sondern um die Autonomie der einzelnen Landesteile zurück zu drängen.
Insofern kann man, meine ich durchaus von einer Angliederung der elsässischen Territorien an Frankreich, bzw. den abgesteckten Machtbereich der franösischen Krone im Sinne der Zeit sprechen.



Erst Napoleon hat Elsass in dem französischen Zentralstaat integriert. So hat noch 1800 die Stadt Mülhausen (Mulhouse) eine Petition an Napoleon geschickt, in welchem sie darin bat, Mülhausen nicht in den französischen Staat zu integrieren.
Hättest du dazu eine adäquarte Quelle? Ich muss zugeben, dass mir dahingehend nur wenig bekannt ist. Wikipedia ist zwar sicherlich keine wissenschaftlich zitirfähige Quelle, spricht aber davon, dass die Stadt Mühlhausen 1798 explizit für einen Anschluss an Frankreich votiert habe:

In der Mitte des 18. Jahrhunderts gewannen chemische und mechanische Industrien an Bedeutung. Im Jahr 1746 begann mit der Gründung einer Textildruckmanufaktur die industrielle Entwicklung der Stadt. Die Stadt unterhielt bevorzugte Beziehungen mit Louisiana, von wo es Baumwolle importierte.

1798 votierte die Stadt für einen Anschluss an Frankreich, da die errichteten Zollschranken den Warenverkehr in die wichtigsten Absatzgebiete erschwerten. Auf dem Wiener Kongress 1814/15 war eine Wiederangliederung von Mülhausen an die Schweiz kein Thema mehr; die Stadt blieb wie das umgebende Elsass Teil Frankreichs. In den Jahren nach 1820 expandierte die Textilindustrie weiter und Mülhausen entwickelte sich zu einer erfolgreichen Industriestadt, in der sich später auch andere Industriezweige ansiedelten und die zahlreiche Arbeitskräfte aus der Umgebung anzog.

(Mülhausen – Wikipedia )

Zudem, müsste man, gerade wenn mane eine Diskussion über gegenseitigs Abnehmen von Territorien und nationale Zugehörigkeit gerade im Fall Mühlhausen auch die Verbindungen zur schweizerischen Eidgenossenschaft berücksichtigen, bevor man das einfach mal (wie der Vorredner) für großdeutsche Gedankenspiele vereinnahmt.




Der Wechsel der Sprache (deutsch/allemanisch als Alltagssprache in französische) vollzog sich erst in der 2.Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Eindruck der beiden Weltkriege.

Das kommt wohl ganz auf die soziale Klasse an:
In den Landgemeinden mag das der Fall gewesen sein, in den Städtischen Zentren Kolmar, Straßburg, Mühlhausen waren die Sprachverhältnisse (vgl. Riederer Günter: Feiern im Reichsland, Politische Symbolik, öffentliche Festkultur und die Erfindung kollektiver Zugehörigkeit in Elsaß-Lothringen(1871-1918), Trierer Historische Forschungen Band 57, Verein Trierer Historische Forschungen (hrsg.), Trier, 2004) wohl schon im 19. jahrhundert ziemlich durchmischt.
Sicherlich war im Gegensatz zu Metz zu diesem Zeitpunkt in Straßburg, Kolmar und Mühlhausen mehrheitlich noch das Deutsche vorherrschend, aber auch diese Zentren hatten sicherlich keinen monolitischen, kulturell eindeutig deutschen Charakter mehr.

Sollte Bedarf danach bestehen sich über den inneren Charakter des Elsass und den Grad der Integreation in den französischen Staat/Herrschaftsbereich vor der französischen Revolution weiter auszutauschen, würde ich allerdings vorschlagen dass in den Elsaß-Lothringen-Threat zu verlegen, mit Bismarck hat diese Diskussion ja nicht mehr viel zu tun.
 
Es gibt im Forum schon Fäden, in welchem man sich mit der elsässischen Geschichte beschäftigt. Das muss man nicht in diesem Unterforum diskutieren.

Sobald ich wieder Zugriff auf meine Bücher habe, werde ich das mit Mülhausen nachreichen. In übrigen hat sich Mülhausen auch 1871 mit schriftlichen Eingaben dagegen gewehrt, nach Deutschland zu kommen.

Mich ärgert nur, dass in heutiger Zeit in der deutschen Diskussion ein großes Verständnis für französische Eroberungspolitik ab 1635 - 1640 herrscht. In Frankreich war die Rheingrenze ein vom Staat angestrebtes Ziel.
Hätte man bei einem französischen Erfolg territoriale Eroberungen von Napoleon III. ähnlich kritisch gesehen wie die von Bismarck? Quod licet Iovi (Napoleon III.) , non licet bovi (Bismarck)
Wäre Trier, Mainz oder das linksrheinische Köln bei einer erfolgreichen Expansion heute französisch, würde man in den deutschen Medien oder in der Politik den legitimen französischen Anspruch auf diese Gebiete ebenfalls verteidigen. So viel Masochismus ist von mir etwas zu viel abverlangt.

Das das wilhelminische Kaiserreich im Elsass es massiv vermasselt hat, dürfte wohl für jeden geschichtlich Interessierten in Deutschland unstrittig sein. Und Leidtragende waren die Elsässer. Die gedenkten nach 1918 ihren im Krieg gefallenen Toten verschämt auf einer Holztafel an unauffälliger Stelle in der jeweiligen Kirche. Ihre Kinder sind halt in der falschen Uniform erschossen worden. Und 1940 - 1945 wiederholte sich das Drama erneut.
 
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Nun, man muss ja nicht jede Grütze, die von medialser Seite her kommt ernst nehmen. Natürlich war die Außenpolitik Frankreichs 1648-1871 alles andere als besonders friedfertig oder gar bescheiden.

Ich wolle hier, damit das nicht falsch verstanden wird auch in keiner Weise in deine Richtung irgendwelche mit dem Zeigefinger fuchtelnden Anwürfe machen, sondern war lediglich mit der Darstellungsweise von @van Kessel nicht einverstanden, die mir da doch in eine zu traditionelle Kerbe schlug.

Um Meinen Standpunkt hinsichtlich der Bewertung der Annexion noch einmal zu vedeutlichen, kann ich das, denke ich auf den folgenden Nenner bringen:

1. Die Annexion Elsass-Lothringens, war ein agressiver gegen Frankreich gerichteter Akt, der den, Frankreich in Wien gemachten und von Preußen und Österreich ohne Zwang bestätigten Rechten Frankreich an diesen Territorien widersprach.
2. Die Annexion Elsass-Lothringens in dieser Form, also ohne für die deutsche Seite positives Plebiszit, stellte nicht nur eine agressive Handlung gegenüber den Rechten Frankreichs, sondern vor allem auch gegenüber der Bevölkerung beider Territorien dar.
3. Die Annexion Elsass-Lothringens, stellte im Hinblick darauf, dass dieses Territorium nie zu Preußen gehörte, Preußen, wegen seines Krieges gegen die anderen Deutschen Staaten und der dezidierten Verhinderung einer großdeutschen Nation durch die Hinausdrängung Österreichs, auch nicht als natürlicher Sachwalter der Interessen der gesamten deutschen Nation gelten konnte, in keinerlei Hinsicht eine "Rückholung" von Gebieten dar, die sich Frankreich seinerzeit vom Heiligen Römischen Reich angemaßt hatte, sondern eine dezidierte erneute Anmaßung von dritter Seite.
4. Die Politik Frankreichs im Vorfeld der Annexion, wie auch episodenweise über das gesamte bis dahin verstrichene 19. Jahrhundert hinweg (Orientkrise, Rheinkrise, 1859 gegenüber Österreich, 1860er gegenüber Mexiko, Kompensations-Fantasien im Hinblick auf den antizipierten Österreichischen Sieg über Preußen, Luxemburgkrise) ist als durchaus agressiv zu werten und erinnert nebenbei an die beschämenden Episoden deutscher Außenpolitik in der Wilhelminischen Zeit.
5. In Anbetracht der gewohnt agressiven Gangart Frankreichs erschien die Nahme eines "Fauspfandes" zur zukünftigen militärischen Absicherung (was aber rekursiven Nations- und Rückholungsphantasien, wenn man sich die Sache näher besieht, ein ganzes Stück weit widerspricht), als ein plausibler und logischer Schritt, mindestens vom militärischen Standpunkt her betrachtet
6. Trotz dieses für sich genommen verständlichen Bedürfnisses verletzte man damit aber selbst die Normen, auf die man sich ohne Zwang innerhalb des Wiener Systems verpflichtet hatte. was die Außengrenzen des deutschen Einflussbereiches anbegeht, obwohl dass zur Aufrechterhaltung des Status Quo ante vermutlich nicht notwendig gewsen wäre.*


Das führt mich insgesamt zu der Bewertung, dass ich die Annexion Elsass-Lothringens wie oben angeführt nicht für den Sündenfall der deutschen Außenpolitik schlechthin halte, wie es einige mediale Darstellungen wollen. Mit Rückhol-Aktionen welcher Art auch immer hat es aber auch nichts zu tun und ich möchte von meinem Standpunkt her dann auch bestreiten, dass die Politik des vorrevolutionären Frankreichs damit selbst mittelbar noch etwas zu tun hat, sondern ich sehe das (und dem entsprich auch der militärische Charakter der Grenzen, der sich weder einwandfrei mit nationalistischen Ideen (Lothringen) oder der Rückholung ehemaliger Reichsterritorien (dann hätte es keinen Grund gegeben die Region um Belford vom Elsass abzutrennen und bei Frankreich zu belassen, geschweige denn Restlothringen oder die Franche-Comté bei Frankreich zu belassen), als direkte Reaktion auf die außenpolitischen Bedrohungen durch Frankreich im postnapoleonischen 19. Jahrhundert an.
Als solche waren sie vom militärischen Standpunkt (ziehung der Grenze mitten durch die Vogesen, Verbleib der Positionen Belfort, Nancy, Verdun, Toul bei Frankreich, Zugewinnung der Positionen Metz, Straßburg, Mühlhausen für das Kaiserreichführten zu einer bedideitig wirkenden Barriere, die eigentlich beiden Seiten vom strategischen Standpunkt her die Lust auf einen Angriff verderben musste) logisch, vom wirtschaftlichen (lothringisches Erz) auch, vom nationalistischen nur bedingt.
Politisch war die Annexion an sich dennoch eine eher ungeschickte Angelegenheit, die die Probleme zwischen Frankreich und dem werdenden Deutschland verschärfte und deswegen ist sie trotz allem Pragmatismus und aller zu berücksichtigenden Umstände als kritischer Schritt der Bismarckschen Politik gestoßen. Möglicherweise hätte man durch Schaffung eines autonomen Pufferstaates unter eigener (und möglicherweise britischer Protektion nach dem Beispiel Belgiens) oder der Belassung bei Frankreich unter Bedingung des Schleifens der Festungen und der dauerhaften Demilitarisierung des Gebietes bessere und annerkanntere Ergebnisse erreicht. Zugegeben, wilde Spekulation.






*Man könnte hier diskutieren, ob es sich dabei um ein vollständiges Novum handelt oder ob die Abtrennung von Schleswig, Holstein und Lauenburg von der dänischen Krone hier bereits die Blaupause lieferte, was dann aber die spekulative Annahme vorraussetzt, dass die vollständige Integration der Elbherzogtümer in den dänischen Staat, die ja ebenfalls einen gegen das Wiener System gerichteten Akt darstellte, auch ohne eine Abtrennung derselben von der dänischen Krone, auf Dauer zu verhindern gewesen wäre.
 
Ich wolle hier, damit das nicht falsch verstanden wird auch in keiner Weise in deine Richtung irgendwelche mit dem Zeigefinger fuchtelnden Anwürfe machen, sondern war lediglich mit der Darstellungsweise von @van Kessel nicht einverstanden, die mir da doch in eine zu traditionelle Kerbe schlug..
ich mag abweichende Ansichten. Doch ist mir das larmoyante 'Niedermachen' deutscher Politik der Vergangenheit ein Graus.
Man kann sich schlicht nicht einen Politiker herauspicken, und an diesem eine ganze Epoche festmachen wollen. Bismarck war ein Kind seiner Zeit, so wie ich die der meinigen und du der jetzigen. Es ist viel über den 'Lotsen' geschrieben worden. All seine Tricks, Fehler und Großtaten wurden thematisiert. Allzu viel Neues dürfte es da nicht mehr zu entdecken geben.

Deutschland, als Raum einer gleichen Sprache, hat nicht allzu viele Sternstunden erlebt. Während sich Nationalstaaten bilden konnten, wuchs auf dem Boden Deutschlands der Galgenbaum. Dann zog ein Fürst über Europa, rekrutierte für seine Kriege, brave deutsche Bauern, ehe er in Leipzig und Belgien was auf die Nase bekam.

Es ist die Betrachtung einer Vergangenheit, welche diese stets mit der Gegenwart vergleicht. Dass die Vergangenheit i.d.R. besser abschneidet, ist normal. Wie sagte es doch schon der Dichter:"Cualquiera tiempo pasado fué mejor" (Jede vergangene Zeit war besser).

So könnte man auch durchaus unseren Sozialstaat als Frucht Bismarck' Politik betrachten, einschl. des Weges über eine Diktatur zur Demokratie. Aber zu viele Konjunktive sollte auch ich vermeiden wollen, klar.

Beispiele, wie das über das Zündnadelgewehr, schrieb ich für die Auseinandersetzung mit Österreich (Königgrätz), nicht über das Gemetzel von Sedan oder die Kanonade von Dybbǿl. Und wenn ich einen der kältesten Winter (sogen. Kleine Eiszeit) 1864 erwähnte, so sind dies Impressionen, welche dieVergangenheit ebenso gut abbilden, wie ein Aktenordner voll mit Wetterberichten oder Divisionverschiebungen.
 
Das das wilhelminische Kaiserreich im Elsass es massiv vermasselt hat, dürfte wohl für jeden geschichtlich Interessierten in Deutschland unstrittig sein.

Ein paar zusätzliche Aspekte, die teilweise sehr ähnlich sind wie die Argumente von Shinigami.

1. Die Periode der Eroberung im 17. Jahrhundert unterscheidet sich von der Zeit nach 1815. Ein für das Thema relevanter Unterschied ist die zwischenzeitlich beträchtlich - auch durch die Befreiungskriege - gewachsene deutsche nationale Identität. Die bis 1871 in der Bedeutung noch zugenommen hat. in Frankreich wie im Deutschen Reich.

Insofern war eine durch Annektion gewonnene oder zugeteilte staatliche Zugehörigkeit nicht gleich bedeutsam für die jeweilige Bevölkerung.

In dieser Phase bildete der Rhein von der Schweiz bis nördlich von Straßburg die Grenze.

2. Die Sprachgrenze zwischen Frankreich und dem HRR verlief, soweit ich das in Atlanten nachvollziehen konnte, linksrheinisch und somit war die Staatsgrenze nicht identisch mit Sprachgrenzen.

Es gab somit eine gewisse Konfliktsituation zwischen der historischen staatlichen Zugehörigkeit zu Frankreich und der teilweise Orientierung an deutscher profaner und Hoch-Kultur, vermittelt über die Sprache.

3. In der Regel sind Gebirge oder Flüsse die "normalen" bzw. besten Grenzen. In diesem Sinne bildet der Rhein eine Grenze, die politisch durch eine erhöhte militärische Sicherheit zur Stabilität der Beziehungen zwischen Ländern hätte beitragen können.
 
Es ist das Schicksal von Grenzregionen wo sich auch Sprachen überlappen, dass Staaten der jeweiligen Sprache, die Gebiete gerne 'heim ins Reich holen' möchten. Dies ist entlang der ehemaligen, lothringischen 'Spalte' zu sehen. Belgien z.B. war nach 1830 so klug, die deutsche Sprache im Raum Eupen, als offizielle Staatssprache Belgiens in der Verfassung aufzunehmen (neben Flämisch und Wallonisch (französisch). Im badisch, alemannischen Sprachraum, scheiterte dies an den diversen Eroberungszügen französischer oder deutscher Provenienz. Auch in den angrenzenden Niederlanden, wird hüben wie drüben zweisprachig parliert (außer bei der Bewertung der jeweiligen Fußballqualitäten:D).

Die Geschichte geht aber weiter, weil aus der Montanunion, peu a peu sich ein Gedanke entwickelte, welcher Sprachgrenzen als obsolet erscheinen lässt und daher auch keinen neuen Krieg mehr nötigt.
 
ich mag abweichende Ansichten. Doch ist mir das larmoyante 'Niedermachen' deutscher Politik der Vergangenheit ein Graus.
Von "Niedermachen deutscher Politik der Vergangenheit", kann wohl keine Rede in dem Zusammenhang sein, darauf hinzuweisen, dass die Bismarck'sche Politik im Rahmen der Einigungskriege alles andere als risikolos warund die Annexion Elsaß-Lothringen vor dem Hintergrund der außenpolitischen Entwicklung der französischen Politik im 19. jahrhundert zum einen ein agressiver Akt war, der primär weder mit "Das-war-vor-200-Jahren-mal-Reichsgebiet"- noch mit "Die-Deutsche-Nation-hat-ein-Recht-auf-Vereinigung-aller-deutschsprachigen-Gebiete"-Gedankengebäuden etwas zu tun hatte und darüber hinaus absahbar negative Folgen im Verhältnis zu Frankreich zeitigte.

So viel Kritik muss denn schon erlaubt sein.


Man kann sich schlicht nicht einen Politiker herauspicken, und an diesem eine ganze Epoche festmachen wollen. Bismarck war ein Kind seiner Zeit, so wie ich die der meinigen und du der jetzigen. Es ist viel über den 'Lotsen' geschrieben worden. All seine Tricks, Fehler und Großtaten wurden thematisiert. Allzu viel Neues dürfte es da nicht mehr zu entdecken geben.
Nein, kann man nicht. Genau so wenig aber kann man ihn aus dem Prozess vollkommen ausklammern. Meine Kritik an der doch häufig biographisch (ich möchte bei einigen Darstellungen schon fast von "hagiographisch") motivierten Sicht auf Bismarck, zielt eigentlich auch dahin, dass der Kontext dieser Handlungen und warum dass am Ende so funktionieren konnte (Fehleinschätzung der anderen europäischen Akteure hinsichtlich der Schlagkraft Preußens sowohl im Kriege gegen Österreich, als auch gegen Frankreich) im Hinblick auf das Wirken Bismarcks viel zu wenig gewürdigt wird.

Es wird, auch heute noch im öffentlichkeitswirksamen Raum noch immer ein Bismarck-Bild tradiert, dass den Mann als einen besonnenen, stehts um Vorsicht bemühten, mäßigen Politiker präsentiert, was sicherlich der zweiten Hälfte seiner politischen Karriere auch gerecht wird, nicht aber der Ersten und somit einseitig selektiv ist.

Ich persönlich finde das, gerade auch im Hinblick auf die Nachfolger in der Wilhelminischen Zeit und deren Beurteilung, um ehrlich zusagen ziemlich bigott. Jenen wird ja traditionell vorgehalten, dass sie Europa in die Katastrophe gestürtzt hätten, gerade weil sie sich allzu weit von Bismarck'schen Wegen abgewandt hätten.
Dem gegenüber würde ich entgegnen wollen, wenn das erlaubt ist, dass ich im Bezug auf die Kriege gegen Österreich und Frankreich bei Bismarck eine ganz ähnliche Risikobereitschaft wahrnehme, wie später bei Bülow und gerade auch bei Bethman-Hollweg.
Selbiges dahingehend, dass beide am Ende reichlich beteiligt waren Kriege vom Zaun zu brechen, für deren Lokalisierung sie aus ihrer eigenen Macht heraus nicht einstehen konnten, bei einer Zielsetzung, die jeweils gegen das Interesse der nicht direkt involvierten Großmächte ging. Der einzige Unterschied ist, dass unter Bismarck die Lokalisierung gelang, was aber in weiten Teilen auf die Unterschätzung Preußens durch die Großmächte zurückzuführen ist, ein Fehlurteil also, von dem Bismarck entscheidend profitierte, für dass er aber nichts konnte.
Insofern hat er glücklicher gezockt als seine Nachfolger, aber gezockt an der Grenze zur Unverantwortlichkeit hat er eben doch. Insofern könnte man, würde man es mit Bismarck böse meinen und sich ausgewogenermaßen auch mal auf den frühen Bismarck berufen, den Herren Bülow, Tirpitz und Bethmann-Hollweg ein durchaus Bismarck'esqes Vorgehen unterstellen.
Das ist wenigstens meine Meinung.


Deutschland, als Raum einer gleichen Sprache, hat nicht allzu viele Sternstunden erlebt. Während sich Nationalstaaten bilden konnten, wuchs auf dem Boden Deutschlands der Galgenbaum. Dann zog ein Fürst über Europa, rekrutierte für seine Kriege, brave deutsche Bauern, ehe er in Leipzig und Belgien was auf die Nase bekam.

Es ist die Betrachtung einer Vergangenheit, welche diese stets mit der Gegenwart vergleicht. Dass die Vergangenheit i.d.R. besser abschneidet, ist normal. Wie sagte es doch schon der Dichter:"Cualquiera tiempo pasado fué mejor" (Jede vergangene Zeit war besser).
Alles was recht ist, aber historische Betrachtung kann nun wirklich kein Kompensationsmittel für nostalgische oder gar legitimierende Bedürfnisse sein. Die Zeiten eines Heinrich von Treitschke sind hoffentlich vorbei.
Wo genau vergleicht eine Betrachtung der vergangenheit diese stets mit der Gegenwart?
Was genau hat die risikoreiche Politik Bismarcks 1866-1871, betrachtet vor der politischen Interessenlage und dem Kräfteverhältnis jener Zeit für einen konkreten Gegenwartsbezug?

So könnte man auch durchaus unseren Sozialstaat als Frucht Bismarck' Politik betrachten, einschl. des Weges über eine Diktatur zur Demokratie. Aber zu viele Konjunktive sollte auch ich vermeiden wollen, klar.
Durchaus, könnte man, allerdings möchte ich meinen, dass das ein bisschen überlang konstruierte Traditionslinien sind. Das die Etablierung des Sozialstaates, wenngleich nicht ohne machtpolitische Hintergedanken als Novum zu den großen Leistungen Bismarcks zählt, würde wohl kaum einer bestreiten wollen. Andererseits hat das mit unserem heutigen System wenig zu tun, da sehe ich die Neuerungen zu Beginn der Weimarer Republik (z.B. Stinnes-Legien-Abkommen etc.) als wesentlich bedeutender an. Bismarck etablierte den Sozialstaat, verhinderte aber gleichsam die demokratische Partizipation an dessen Mitgestaltung erheblich.


Beispiele, wie das über das Zündnadelgewehr, schrieb ich für die Auseinandersetzung mit Österreich (Königgrätz), nicht über das Gemetzel von Sedan oder die Kanonade von Dybbǿl. Und wenn ich einen der kältesten Winter (sogen. Kleine Eiszeit) 1864 erwähnte, so sind dies Impressionen, welche dieVergangenheit ebenso gut abbilden, wie ein Aktenordner voll mit Wetterberichten oder Divisionverschiebungen.

Zu was die Beispiele gedacht waren, ist mir wohl klar. Aber weder ein Aktenordner mit Wetterberichten oder Divisionsverschiebungen, noch ein Panorama der Schlachten von Königgräz oder Sedan haben originär besonderen Gehalt, wenn es um ein Werturteil über Bismarck als Politiker geht.
Er hat daran mitgewirkt die Rahmenbedingungen für diese Kriege zu schaffen, sie loszutreten und sie zu beenden. Mit dem "wie" im Bezug auf die Operationsführung, hatte er wenig zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist das Schicksal von Grenzregionen wo sich auch Sprachen überlappen, dass Staaten der jeweiligen Sprache, die Gebiete gerne 'heim ins Reich holen' möchten. Dies ist entlang der ehemaligen, lothringischen 'Spalte' zu sehen. Belgien z.B. war nach 1830 so klug, die deutsche Sprache im Raum Eupen, als offizielle Staatssprache Belgiens in der Verfassung aufzunehmen (neben Flämisch und Wallonisch (französisch)....

Wobei die Belgischen Ostkantone, die heutige Deutschsprachige Gemeinschaft, erst nach dem 1. Weltktieg nach Belgien kam.

Deutschsprachige Gemeinschaft – Wikipedia
 
Der Verlauf und die Ergebnisse des Berliner Kongresses von 1878 werfen auch nicht unbedingt ein positives Licht auf den achso gewieften und geschickten Diplomaten Bismarck. Sein Versuch, sich hier als "ehrlichen Makler" zu gerieren - von der deutschen öffentlichen Wahrnehmung noch lange als solcher gefeiert - wirkt doch arg peinlich. Die Ergebnisse des Geschachers führten direkt zur Zuspitzung der Situation auf dem Balkan in den folgenden Jahrzehnten und auch zur massiven Verschlechterung des Verhältnisses zu Russland. Beides ohne im Gegenzug wirklichen Nutzen für das DR zu erzielen, sondern dem Bedüfnis des Reichskanzlers nach persönlicher internationaler Geltung geschuldet.
 
Der Verlauf und die Ergebnisse des Berliner Kongresses von 1878 werfen auch nicht unbedingt ein positives Licht auf den achso gewieften und geschickten Diplomaten Bismarck. Sein Versuch, sich hier als "ehrlichen Makler" zu gerieren - von der deutschen öffentlichen Wahrnehmung noch lange als solcher gefeiert - wirkt doch arg peinlich. Die Ergebnisse des Geschachers führten direkt zur Zuspitzung der Situation auf dem Balkan in den folgenden Jahrzehnten und auch zur massiven Verschlechterung des Verhältnisses zu Russland. Beides ohne im Gegenzug wirklichen Nutzen für das DR zu erzielen, sondern dem Bedüfnis des Reichskanzlers nach persönlicher internationaler Geltung geschuldet.

In dem Kontext müsste man vielleicht auch noch einmal durchgehen, inwiefern Bismarcks notorisches abzielen auf einen Ausglich zwischen Österreich und Russland, bereits den Grundstein zur später für das Kaiserreich ja nich unbedingt glücklichen Blockbildung beitrug.
Auch wenn das auf den ersten Blick etwas nach ex post aussieht, bn ich doch der Meinung, dass man Bismarck durchaus vorhalten kann, mit dem Ziel der Isolierung Frankreichs zu lange an Österreich als außenpolitischem Partner festgehalten zu haben.
Auch wenn das zu Bismarcks Zeiten selbst wohl noch tragbar war, hätte ihm eigentlich klar sein müssen, dass die Interessen Österreich-Ungarns denen Italiens und Russlands bereits fundamental widersprachen oder in absehbarer Zeit mit diesen in Widerspruch geraten mussten, dass man folglich nicht dauerhaft zwischen beiden Parteiungen wird lavieren können.
Ferner, dass im Angesicht der Entwicklungen des 19. Jahrhunderts Österreich-Ungarn allein als Verbündeter kräftemäßig die Verfeindung mit Russland und Italien nicht rechtfertigen konnte.

Schon vom damaligen Standpunkt aus, musste es sicherheitspolitisch eigentlich rationaler erscheinen, die Bündnismäßige Zusammenarbeit in Europa entweder im Fluss zu halten oder aber sich vom Sicherheitsbedürfnis im Hinblick auf die Auskreisung Frankreichs mittelfristig zu verabschieden und festere Kooperationen mit Russland und Italien anzustreben.
Das Frankreich danach trachten musste seine Isolation langfristig zu durchbrechen wusste Bismarck und dass es irgendwann auf eine französisch-russische Entente hinauslaufen könnte fürchtete er, trotzdem konnte er von dem widersprüchlichen Laviren zwischen Österreich-Ungarn und Russland nicht lassen.

Das man in den ersten Jahren nach der Reichsgründung, zumal Frankreich zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich ja noch die stärkere Macht war Revanche fürchtete, daher auf keinen Fall ein Französisch-Österreichisches Bündniss zustade kommen lassen wollte, ist ja allzu verständlich.
Gegen Ende der 1870er Jahre hatte sich das neue System aber eigentlich so weit eingependelt, dass man hinterfragen muss, ob ein derartig axiomatisches Festhalten an Österreich-Ungarn noch sinnvoll war, zumal eine Distanzierung von Wien und dessen Balkan-Interessen zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch geeignet gewesen wäre eine Annäherung an Petersburg herbei zu führen und die Gefahr einer französisch-russischen Entente gegen die einer französisch-österreichischen zu vertauschen, die letztlich harmloser gewesen wäre und der man vermittels außenpolitischer Kooperation mit Italien und Russland sicher ganz effektiv hätte entgegenwirken können.

Bismarck für die nachfolgende Entwicklung übermäßige Verantwortung aufbürden zu wollen wäre sicherlich verkehrt, genau so wie zu behaupten, dass dieses System zu Bismarcks Zeiten selbst schon nicht mehr tragbar war, aber ich denke, man wird da schon davon sprechen können, dass Bismarck seinen Nachfolgern durch diese Bindung an Österreich und den fortgeschrittenen Zeitablauf eine ziemliche Baustelle hinterließ.
Die hätten diese, wenn sie ein wenig mehr außenpolitisches Geschick aufgebracht und keinen völlig ungeeigneten Monarchen hinter sich gehabt hätten möglicherweise trotzdem abarbeiten können, allein rosig war diese Ausgangslage wohl absolut nicht. Das Hinterlassen eines bestellten Feldes sieht wohl anders aus.
 
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Auch wenn das auf den ersten Blick etwas nach ex post aussieht, bn ich doch der Meinung, dass man Bismarck durchaus vorhalten kann, mit dem Ziel der Isolierung Frankreichs zu lange an Österreich als außenpolitischem Partner festgehalten zu haben.
Auch wenn das zu Bismarcks Zeiten selbst wohl noch tragbar war, hätte ihm eigentlich klar sein müssen, dass die Interessen Österreich-Ungarns denen Italiens und Russlands bereits fundamental widersprachen oder in absehbarer Zeit mit diesen in Widerspruch geraten mussten, dass man folglich nicht dauerhaft zwischen beiden Parteiungen wird lavieren können.
Natürlich ist es ex post.
Aber Bismarck hatte nach 1871 eigentlich kaum eine andere Möglichkeit als Frankreich zu isolieren. Denn die Annexionen 1871 über die Sprachgrenze hinaus waren problematisch. Wenn aber ein Ausgleich wie nach dem zweiten Weltkrieg durch eigene Aktionen verbaut war (was außerdem nicht in die Zeit gepasst hätte, es war anders als die Nachsicht gegenüber Österreich 1866), dann blieb nur die Isolation.
Leider bedeutete dies Verbundenheit gegenüber einem Österreich, welches die eigenen Möglichkeiten auf dem Balkan falsch einschätzte und innere Stabilität gegenüber Ungarn nicht schaffen konnte.
Hätte es 1866 ohne Annexionen ein Aufbrechen Österreichs anstelle einer k.u.k.-Struktur gegeben, dann wäre dies vielleicht besser gewesen, aber kommen wir in die Nähe einer Fahrradkette. Und die Stimmung eines reinen Deutsch-Österreichs 1866 wäre nicht sicher gewesen.
 
Natürlich ist es ex post.
Aber Bismarck hatte nach 1871 eigentlich kaum eine andere Möglichkeit als Frankreich zu isolieren. Denn die Annexionen 1871 über die Sprachgrenze hinaus waren problematisch. Wenn aber ein Ausgleich wie nach dem zweiten Weltkrieg durch eigene Aktionen verbaut war (was außerdem nicht in die Zeit gepasst hätte, es war anders als die Nachsicht gegenüber Österreich 1866), dann blieb nur die Isolation

Kurzfristig gesehen sicherlich, zumal wie gesagt das entstehende und noch nicht gefestigte Kaiserreich wirtschaftlich noch hinter Frankreich her hing und Revanchegelüste, sowohl im Bezug auf Frankreich, als auch auf Österrreich-Ungarn die logische Konsequenz der zwei zurückligenden Kriege darstellte.
Insofern war es sicherlich ein Stück weit alternativlos sich zunächst einmal Österreich-Ungarn anzunähern um ein Zusammengehen der Donaumonarchie mit Frankreich zu verhindern.

Mittelfristig, dass ist eine andere Frage. Sicherlich war es wegen Elsaß-Lothringen kaum möglich zu einem Ausgleich mit Frankreich zu kommen. Aber warum hätte es den unbedingt benötigt?
Wirtschaftlich holte man gegenüber Frankreich zunehmend auf, außerdem traf ein tendenzieller Konflikt mit Frankreich ja durchaus auch den Nerv der italienischen Politik, die ja nicht nur mit dem einem Auge auf das Trentino, den Isonzo, Istrien und Dalmatien schielte, sonden auch mit dem Anderen auf Korsika und Tunesien.
Insofern hätte man, Italien sicherlich, wenn man auf Österreich verzichtet hätte diplomatisch um so stärker an sich binden können.
Im Fall, dass Österreich-Ungarn sich stärker Frankreich angenäher hätte, hätte man dann auf dem Kontinent mit einem Deutsch-Italienischen und einem Französisch-Österreichischen, zwei ähnlich starke Blöcke gehabt, ohne die Flügelmächte Großbritannien und Russland da hienein zu ziehen und ohne verstärkte Annäherungstendenz zwischen Frankreich und Russland.

Das wäre gegen Ende der 1870er Jahre sicherlich eine machbare Option gewesen. Im Hinblick auf die Isolationspolitik, die Bismarck betrieb, waren die Widersprüche inerhalb des eigenen Lagers, wenn man da Russland noch mit einbeziehen mag einfach zu groß, was an Österreich-Ungarn lag.


Leider bedeutete dies Verbundenheit gegenüber einem Österreich, welches die eigenen Möglichkeiten auf dem Balkan falsch einschätzte und innere Stabilität gegenüber Ungarn nicht schaffen konnte.
Nur wäre der Verlust dieser Bindung bis zur Französisch-Russischen Entente sicherlich verzichtbar gewesen, zumal sie geeignet gewesen wäre Paris und Petersburg auf Distanz zu einander zu halten.
Da von russischer Seite her keine schwerwiegenden Differenzen hinsichtlich des Kaiserreichs existierten, jedenfalls keine so schwerwiegenden, dass es einen Krieg gerechtfertigt hätte, was, wenn nicht die deutsche Verbindung zum eigenen Rivalen Österreich hätte ein Bündnis mit Frankreich für Russland überhaupt interesant machen sollen?
Davon hätte einseitig Frankreich profitiert.
Um Politik auf dem Balkan zu machen, sofern sich Deutschland raus gehalten hätte, hätte Russland keiner Unterstützung bedurft. In Afrika war es ohnehin nicht großartig involviert und in Asien war Frankreich schlicht nicht in der Position Russland wirksam zu stützen.
Ohne enge Deutsch-Österreichische Kooperation, wäre Russland im Falle eines Bündnissen mit Frankreich nur gefrah gelaufen wegen Elsass-Lothringen möglicherweise in einen Krieg im Namen der Interessen Frankreichs verwickelt zu werden ohne für die eigenen Aktionsfelder dem vergleichbare Unterstützung zu gewinnen.


Hätte es 1866 ohne Annexionen ein Aufbrechen Österreichs anstelle einer k.u.k.-Struktur gegeben, dann wäre dies vielleicht besser gewesen, aber kommen wir in die Nähe einer Fahrradkette. Und die Stimmung eines reinen Deutsch-Österreichs 1866 wäre nicht sicher gewesen.

Das sehe ich um ehrlich zu sein nicht so.
Hätte sich Österreich 1866 zerlegt, hätte sich Deutschland, wenn es denn zustande gekommen wäre ostwärts orientieren müssen um Einfluss auf auf dessen Konkursmasse zu bekommen oder aber zusehen müssen, wie sich der politische Einfluss Russlands in Osteuropa sukzessive bis nach Prag ausweitet. Dann hätte man vermutlich ein ähnliches Machtvakuum wie beim Zerfall des osmanischen Reiches gehabt und dass hätte dann erst recht Ärger zwischen Deutschland und Russland bedeutet. Oder aber man hätte deutscherseits Russland die Herrschaft über Osteuropa zugestehen und darauf hoffen müssen, dass dieses dann auf ewig saturiert bleibt, was der Logik des Imperialismus einmal nicht entspricht.
Aber richtig, dass nähert sich zu sehr einer Fahrradkette.
 
Kurzfristig gesehen sicherlich, zumal wie gesagt das entstehende und noch nicht gefestigte Kaiserreich wirtschaftlich noch hinter Frankreich her hing
[...]
Wirtschaftlich holte man gegenüber Frankreich zunehmend auf
1870, also vor dem Krieg war die deutsche Wirtschaft schon an Frankreich vorbei gezogen, nur beim Bankenwesen nicht.

Mittelfristig, dass ist eine andere Frage. Sicherlich war es wegen Elsaß-Lothringen kaum möglich zu einem Ausgleich mit Frankreich zu kommen. Aber warum hätte es den unbedingt benötigt?
Es gibt ja zwei Ebenen, einmal das Verhältnis der annektierten Gebiete zu Deutschland und einmal das Verhältnis der annektierten Gebiete zu Frankreich und damit die Chance einen Ausgleich zu erzielen. Dieser Ausgleich hätte mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit bringen können, eine weniger fokussierte französische Politik und im Gegenzug weniger Bedarf an rein militärischen Investitionen wie z.B. die Festung Metz oder die Kanonenbahn.

Die Nichtbeteiligung der Bevölkerung an der Annektion geht ja über die Entscheidung zur Annektion weit hinaus, was ja auch die deutschsprachige Bevölkerung in der großen Ablehnung Deutschlands bestärkte (der Kulturkampf kam zusätzlich hinzu). Das Nachlassen der Ablehnung nach Bismarcks Tod zeigt, wo Bismarck eher keine Stärken hatte (vgl. Strangthema), auch wenn er natürlich nicht für alle Probleme verantwortlich war. Vieles haben andere Politiker genauso gesehen.
Bei den französischen Muttersprachlern haben sich die Probleme nicht einfach ausgewachsen, hier blieben gegenseitiges Misstrauen und damit auch Revanchegelüste.

Hätte sich Österreich 1866 zerlegt, hätte sich Deutschland, wenn es denn zustande gekommen wäre ostwärts orientieren müssen um Einfluss auf auf dessen Konkursmasse zu bekommen oder aber zusehen müssen, wie sich der politische Einfluss Russlands in Osteuropa sukzessive bis nach Prag ausweitet. Dann hätte man vermutlich ein ähnliches Machtvakuum wie beim Zerfall des osmanischen Reiches gehabt und dass hätte dann erst recht Ärger zwischen Deutschland und Russland bedeutet. Oder aber man hätte deutscherseits Russland die Herrschaft über Osteuropa zugestehen und darauf hoffen müssen, dass dieses dann auf ewig saturiert bleibt, was der Logik des Imperialismus einmal nicht entspricht.
Mit Österreich meinte ich Cisleithanien, d.h. Böhmen wäre nicht so schnell russischem Einfluss unterworfen gewesen. Galizien hingegen wohl schon eher. Aber da verlassen wir wohl den Einflussbereich Bismarckscher Politik...
 
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