Hallo Kiffing,
Vergleicht man die deutschen Außenpolitik unter Bismarck mit der von 1890 bis 1918 oder sogar mit der NS-Politik, dann kann man sicherlich zu deiner positiven Bewertung kommen. Meiner Meinung nach gibt es aber gute Gründe Bismarcks Außenpoltik weder als "weitsichtig" noch als "zurückhaltend" zu charakterisieren:
1. Mit der Annexion von Elsaß-Lothringen schuf sich das DR eine revanchistischen Dauergegner, mit dem eine Versöhnung unmöglich war. Nach dem Krieg 1870/71 wäre auch eine andere Behandlung des besiegten Frankreichs denkbar gewesen.
2. Mit England gab es zwar keine ernsthaften Streitigkeiten, allerdingsm war blieb bis 1890 die von Bismarck selber und seiner Berater um ihn herum empfundene Furcht vor der Begünstigung des deutschen Liberalismus, die von einer deutsch-englischen Zusammenarbeit ausgehen konnte: "Nicht die erst allmählich aufkommende Wirtschaftskonkurrenz war es, die hier die wichtigste Rolle spielte, sondern der Gegensatz der politischen Werte, der politischen Institutionen, des politischen Stils – mithin die Andersartigkeit der Geschichte Englands, seiner politischen Kultur und der mit ihr verbundenen gesellschaftlichen Konstellationen."
3. Mit Rußland war das DR zwar bis 1890 verbündet, allerdings verschlechterten sich die dt.-ru. Beziehungen seit dem Berliner Kongress 1878 stetig: Schuld daran war insbesondere die deutsche Politik des Agrarprotektionismus seit 1880 und - noch folgenschwerer - die Sperrung des deutschen Kapitalmarktes für russische Wertpapiere 1887, welche eine russische Kapitalflucht nach Frankreich zur Folge hatte. Zu Recht wird behauptet, dass so "das ökonomische Fundament der russisch-französischen Allianz von 1894 von Berlin selber mitgebaut" wurde.
(Vgl. dazu: Wehler, Hans - Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. 3. Band. Von der „Deutschen Doppelrevolution" bis zum Beginn des ersten Weltkrieges 1849 - 1914, München 1995, S. 970 - 977.)
mfg
MIchael