Bismarck - Politik der Freien Hand

Emma12345

Neues Mitglied
Hallo ihr,
ich beschäftige mich immer noch mit Bismarck und wundere mich gerade, dass Lothar Gall Bismarcks Politik als eine "Politik der freien Hand" bezeichnet. Bismarck hat doch fleißig Bündnisse geschossen, wie kann Gall dann schreiben:

"Es war das Ideal einer Politik der freien Hand, die es dem Reich erlaubte, regulierend in das stets prekäre Mächtegleichgewicht einzugreifen, freilich, das wird man wohl sagen müssen, besaß diese Politik angesichts der stürmisch fortschreitenden Entwicklung von einem europäischen System zu einem Weltstaatensystem mit neuen Zentren und rapide sich verändernder Gewichtverteilung nicht mehr."
Ich steh bei diesem Satz gerade etwas auf dem Schlauch,

viele Grüße,
Emma
 
Um den Zusammenhang nicht mühsam selbst suchen zu müssen, soll ja Leute hier geben, die den Gall im Regal haben, um welches Kapitel geht es (evtl. Seite)?
 
Lothar Gall, Bismarck, S- 640 f. (welches Kapitel das ist, das kann ich leider nicht sagen)

Ich habe mir überlegt, dass das darauf bezogen sein könnte, dass Bismarck ja die Großmächte so jongliert hat, um das Mächtegleichgewicht stabil zu halten. Richtig feste Bündnisse waren das ja noch nicht - der Dreibund zum Bsp., da war es ja so, dass Italien im Falle eines Krieges, in dem England verwickelt war, von den Bünsnisverpflichtungen erlöst war.
Auf dem Berliner Kongress hat er ja zum Bsp. - auch wenn es zuvor engere Verhältnsise zwischen Russland und Preußen gab, so gehandelt, dass es für Russland aus deren Sicht zum Nachteil wurde (es kam ja dann zum Ohrfeigenbrief) und er sich neue Partner suchen musste.
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"politik der freien hand" fasse ich so auf, dass es vielleicht etwas damit zu tun hat, dass bismarck eine fast authoritäre macht im deutschen reich besaß. er konnte, wenn z.b. gesetze im reichstag nicht verabschiedet wurden, ihn ohne weiteres auflösen. darunter sehe ich innenpolitisch die "freie hand" bismarcks, wilhelm hatte nicht viel mit politik am hut, somit hatte bismarck weitgehend großen spielraum.
 
Lothar Gall, Bismarck, S- 640 f. (welches Kapitel das ist, das kann ich leider nicht sagen)
Okay, du hast also offensichtlich die gebundene Ausgabe.

Zu Deiner Frage: Politik der freien Hand bedeutet nicht, dass Bismarck keine Bündnisse geschmiedet hätte, sondern vielmehr, dass Deutschland unter Bismarck nur wenige eigene außenpolitische Ziele hatte und dadurch auch weniger Zwängen unterlag als andere Nationen.

Wichtig war für Bismarck lediglich die Isolation Frankreichs, ansonsten aber hatte das Reich außenpolitisch mindestens eine Hand frei, während andere Großmächte durch Kolonien, Hegemonialstreitigkeiten oder Ethnienkonflikte gebunden waren.

So verstehe ich Gall.
 
Als Politik der freien Hand wird gemeinhin die auswärtige Politik der Deutschen Reiches die Ära nach Bismarck bezeichnet. Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern bevorzugte Bismarck ganz bestimmte Partner und diese waren Russland und Österreich-Ungarn. Für das Deutsche Reich war es sehr wichtig, nicht in die Verlegenheit zu kommen, zwischen Petersburg und Wien optieren zu müssen, wie es beispielsweise 1876/77 der russische Kanzler Gortschakow erreichen wollte. Des weiteren sollten weiterhin gute Beziehungen zu Großbritannien unterhalten werden.
 
Alles in Allem hat Bismarck eine sehr kluge Politik gemacht...

Haha... solche Sätze liebe ich :D

Bitte führe diesen Gedanken doch noch weiter aus! Ich mein, ich würde auch sagen, dass Bismarck unglaublich klug gehandelt hat, als er die deutschen Bischöfe aus dem Reich geworfen hat und als er die Sozialdemokraten verbot.
 
Die vorgetragene Meinung und die Nachfrage würde ich gern ergänzen.

"Sehr klug" oder "Erfolg" im Gegensatz zu Fehler implizieren, dass man da Maßstäbe anlegt. Das könnte im Vergleich zu anderen Akteure der Zeit geschehen, oder auch im Sinne von "was war gut oder schlecht" für das Deutsche Reich.

Wenn man sich die von thanepower verwendete Signatur ansieht, könnte aber auch (eher?) geboten sein, dass Verständnis von Bismarcks Politik, Handlungszwänge, Opportunitäten oder Alternative, Folgen in den Vordergrund zu stellen.
 
Zunächst war Bismarck ganz sicher einer der fähigsten Diplomaten seiner Zeit, wenn nicht der fähigste.

Bismarcks Außenpolitik war durch eine entscheidene Hypthek belastet und das war die Annektion Elsaß-Lothringens. Alles drehte sich ab 1871 Frankreich isoliert zu halten. Spätestens seit 1875 kam für Bismarck ein Krieg nicht mehr in Frage. Er hat es aber in seiner Zeit als verantwortlicher Leiter der deutschen Außenpolitik meisterhaft verstanden dem Deutschen Reich den Frieden zu erhalten und feindlich Koalitionen gegen das Reich zu verhindern. Hätte das Deutsche nach Bismarcks erzwungenen Abgang ähnlich überbegabte Außenpolitiker verfügt, wäre vielleicht einiges anders gekommen, aber das ist natürlich spekulativ.....
 
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