Bismarck Pro & Contra

saibotg

Neues Mitglied
Hallo,

habe mal eine kleine Frage an euch, was hat Bismarck eurer Ansicht nach positives geschaffen (Pro), welches man würdigen könnte? Was ist eher negativ an ihm und seiner Politik aufgefallen?

Meiner Ansicht nach für pro auf jedenfall Sozialversicherungswesen , negative Aspekte Blut und Eisenkrieg sowie seine Machtgier.
 
Das größte Verdienst Bismarcks war die Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalstaates. Zwar kam diese staatliche Einheit durch mehrere kurz aufeinander folgende Kriege zustande, die Bismarck erst führen mußte, aber anders wäre das wohl ohnehin nicht möglich gewesen und auch z. B. Italien wurde nicht ganz friedlich vereinigt.
 
Ein wesendliches Element Bismarks war die Schaffung einer Altersrentenversorgung nach dem Beitragsprinzip.Das war für die damalige Zeit einzigartig, somit konnte der Altersarmut vorgebeugt werden bzw.sie konnte eingedämmt werden.
 
Hinsichtlich einer Bewertung Bismarcks sollte man innenpolitische und außenpolitische Misserfolge/Erfolge trennen. Folgende Ereignisse und Entwicklungen bieten sich meiner Meinung nach für eine objektive Bewertung an:
Innenpolitisch:
-Verfassungsbruch 1862
-Indemnitätsvorlage 1867
-Kulturkampf
-Kampf gegen die Sozialdemokratie (Zuckerbrot und Peitsche)
-Auswirkungen des bismarckschen Regierungsstils
Außenpolitisch:
-Reichseinigungskriege (Blut und Eisen-Politik)
-europäische Friedenspolitik nach 1878 (Satuiertheit des DR, Bündnisse)
-Kolonialpolitik
 
Bismarcks wichtigste Verdienste waren die Schaffung des Deutschen Nationalstaates und seine Friedenspolitik, die Europa immerhin einige Jahrzehnte ohne größeren Krieg beschert haben.
Seine größte "Untat" war, dass er die Demokratisierung verhindert und auch sonst keine anständige Regierungsform zustande gebracht hat, die auch noch funktioniert hätte, nachdem er selber abgetreten war.
 
Stimme allen POSITIVEN Punkten zu!

Man sollte aber beachten, dass die Kranken- und Sozialversicherung etwas anders war, als was wir heute darunter verstehen: Es war keine Arztkostenerstattung, sondern eine Überlebenshilfe für die Zeit des Verdienstausfalls während der Krankheit des Haupternährers. Und es war auch keine Altersversorgung, sondern ein Taschengeld: Es wurde vorausgesetzt, dass man im Alter kostenlos bei Angehörigen lebte und ggf. von ihnen betreut wurde.

Wirklich Negatives weiß ich nicht... Bismarck war nicht Jesus. Das DR war eine konstitutionelle Monarchie: Es gab ein Parlament und einen Kaiser. Unter diesen Gegebenheiten hat er wohl alles erreicht, was im Verständnis der damaligen Zeit möglich war; insbesondere dadurch, dass er dem RK eine besondere Position schaffte, die - in der Tat - nur er selbst gut ausfüllen konnte. Das war aber auch bei Augustus so :)

Und "Blut und Eisen".. Du liebe Güte! Was hat Abraham Lincoln denn für eine Politik verfolgt?
 
Man sollte aber beachten, dass die Kranken- und Sozialversicherung etwas anders war, als was wir heute darunter verstehen: Es war keine Arztkostenerstattung, ....


Zu der Krankenversicherung:

Zwischen1885 und 1914 sind die Leistungen der Kassen doch teilweise erheblich angestiegen. So wurden 1885 insgesamt 47,7 Millionen RM und 1913 schon 390,7 Millionen RM an Leistungen erbracht.

Der Anteil der Behandlungskosten betrug 46% davon war die Hälfte für ärztliche Leistungen. Das Krankengeld betrug 50% des letzten Lohnes, es konnte aber auf 75% erhöht werden, allerdings maximal 2 RM pro Tag. Bei Krankenhausaufenthalten war das Krankengeld geringer.

Krankengeld gab es zunächst nur für 13 Wochen, ab 1906 waren es dann 26 Wochen.

Quelle: Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866 - 1918 Band 1 , Seite 347 und 348, Beck Verlag München 1990
 
Man sollte auch sein außenpolitisches Verhalten betrachten, weil er so einige Kriesen bewältigen konnte.

Grüße
 
Die Annexion Elsaß-Lothringen von 1871 war sicher ein ganz schwerer Fehler, zu dem dies auch gegen den Willen der dortigen Bevölkerung geschah. Bismarck folgte den strategischen Überlegungen der Militärs, vor allem Moltkes. Nach der Annexion ist es dann nicht einmal gelungen, die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen mit der Annexion zu versöhnen und sie ins Deutsche Reich zu integrieren. Das ganze gipfelte in der überaus peinlichen Zabernaffäre von 1913. Diese Annexion hat letzten Endes den grundstein zu einen neuen Krieg mit Frankreich gelegt. 1875 im Zuge der "Krieg in Sicht Krise" hat es dann auch stark im europäischen Gebälk geknirscht. Die Franzosen waren nicht bereit den Verlust von Elsaß-Lothringen zu akzeptieren.
 
Die Annexion Elsaß-Lothringen von 1871 war sicher ein ganz schwerer Fehler, zu dem dies auch gegen den Willen der dortigen Bevölkerung geschah.
Das ist die Frage. Bismarck ging davon aus, dass Frankreich mit oder ohne Elsaß-Lothringen auf Revanche sinnen würde. 1871 hatte Frankreich Elsaß-Lothringen und hat trotztdem den Krieg gegen Preußen angefangen.
Es galt also Frankreich möglichst zu schwächen, da es doch nicht zu versöhnen war.
Jedenfalls spielte der Wille der Bevölkerung im Jahre 1871 in solchen Dingen nirgendwo auf der Welt eine Rolle. Nach heutigen Maßstäben war es natürlich ein Fehler. Die Annexion des franz. Lothringens würde ich auch für damalige Verhältnisse als Fehler ansehen.

Nach der Annexion ist es dann nicht einmal gelungen, die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen mit der Annexion zu versöhnen und sie ins Deutsche Reich zu integrieren.
Die Umwandlung in eine preußische Provinz war natürlich ein krasser Fehlgriff. Erstaunlich dass Bismarck so ein Fehler unterlaufen ist.
 
Formal hatte Frankreich den Krieg begonnen, das ist schon richtig. Aber durch die Kandidatur des Fürsten Leopold von Hohenzollern- Sigmaringen, einer Nebenlinie der preußischen Hohenzollern, fühlte sich die französische Öffentlichkeit und Regierung stark provoziert. Da spielten sicher auch Erinnerungen an die Zeiten Karl V. eine Rolle.

Bismarck hatte zu jener Zeit nicht nur Erfolge zu verbuchen. Genannt seien hier die Zollparlamentswahlen, die Stärkung der süddeutschen Opposition, Regierungskrisen in Bayern und Württemberg und die Abzeichnung einer Auseinandersetzung über das Budget für das Militär. Es lief also damals nicht auf der Überholspur in Richtung Einheit.

In Spanien hatten die Militärs 1868 ihre Königin gestürzt. Frankreich brachte einen eigenen bourbonischen Thronfolger ins Gespräch, der jedoch von den Spaniern nicht akzeptiert worden war. Sie wollten stattdessen einen deutschen Thronfolger und kamen dabei auf den Fürsten Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen.

So eine Kandidatur musste fast zwangsläufig Rückwirkungen auf Frankreich haben und dies wird auch einen Politiker von Formate Bismarcks auch gewusst haben.

Bismarck hatte diese Kandidatur mit Nachdruck betrieben gehabt. Ein Argument, welches Bismarck nannte, war, das es so gelingen könnte, Spanien dem Einfluss Frankreichs zu entziehen und so im Falle einer militärischen Auseinandersetzung mit Frankreich einen Bündnispartner zu gewinnen, der entsprechende französische Kräfte binden könnte.

Der Einwand, dass gerade so eine Kandidatur ein Krieg gegen Frankreich wahrscheinlicher machen würde, konterte Bismarck mit dem Argumente „Wir haben die Erhaltung des Friedens auf Dauer nicht vom Wohlwollen Frankreichs, sondern nur von dem Eindrucke unserer Machtstellung zu gewärtigen."

Als weiteres Argument für die Kandidatur brachte Bismarck den internationalen Prestigegewinn für das Geschlecht der Hohenzollern und das politische Interesse Preußens ins Spiel.

Eine wichtige Frage ist, ob Bismarck schon zu diesem Zeitpunkt, Ende 1869 Anfang 1870, Frankreich gezielt herausgefordert wissen wollte oder ob es ihm um lediglich um die Erzielung eines großen diplomatischen Erfolg ging?

Am 20.April 1870 hatte jedenfalls Leopold die Kandidatur erst einmal abgelehnt gehabt und Bismarck konnte seine Überlegungen als erledigt betrachten. Aber am 15.Mai 1870 wurde der bisherige französische Botschafter in Wien, Gramont, neuer französischer Außenminister. Gramont war für seine antipreußische Einstellung bekannt. Gramont brauchte diplomatische Erfolge, um so auf diesem Wege das Systems Napoleon III. zu stabilisieren.

Innenpolitisch war es in Frankreich 1869 und 1870 ziemlich unruhig. Da waren zum einen die Auseinansetzungen um die Reformierung der Verfassung. Frankreich war ja 1869 in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt worden. Zum anderen gab es in Paris aber auch in restlichen Frankreichs Streiks der Industriearbeiter. Diese unruhige politische Situation in Frankreich hat selbstverständlich bei den Reaktionen Frankreichs eine Rolle gespielt.

Bismarck betrieb die Kandidatur von Leopold nun erneut. Es gelang ihm, Leopold zu überreden, die Kandidatur für den spanischen Thron doch anzunehmen. Damit ging Bismarck eindeutig auf Konfrontationskurs zu Napoleons Frankreich. Bismarck verstand es nach außen hin, die Frage der Kandidatur als rein dynastische Angelegenheit der Hohenzollern zu verkaufen. Mit diesem Kunstgriff wollte er natürlich die französische Position verschlechtern.

Zu Beginn des Juli 1870 wurde Frankreich durch Spanien offiziell die Kandidatur von Leopold zur Kenntnis gereicht. Gramont und Ollivier drohten Preußen im französischen Parlament mit Krieg.

Es gelang den französischen Botschafter Benedetti in Bad Ems Wilhelm I. erfolgreich zu bearbeiten. Wilhelm erklärte sich bereit bei den Hohenzollern von Sigmaringen zu intervenieren. Leopold zog seine Kandidatur nun endgültig zurück. Die französische Diplomatie hatte einen glänzenden Erfolg zu verbuchen. Die Affäre schien nun erledigt zu sein. Napoleon entschloss sich, wohl auch unter dem Einfluss Gramonts, von Wilhelm nun eine Erklärung zu fordern, das dieser zusichere, das eine erneute Kandidatur nicht erfolgen würde. Des Weiteren sollte verlautbart werden, dass der Verzicht der Kandidatur auf Befehl Wilhelms erfolgt war. Benedetti wurde erneut in Bad Ems vorstellig, um die zusätzlichen Forderungen Frankreich zu präsentieren. Diese lehnte Wilhelm aber ab, nicht jedoch ohne nochmals auf den Verzicht der Kandidatur hingewiesen zu haben.

Wilhelm sandte Bismarck ein Telegramm, in dem er über die Vorgänge in Bad Ems informierte. Bismarck hatte das Telegramm dann auf eine Art und Weise gekürzt und an die Presse weitergegeben, dass dies in Frankreich als beleidigend empfunden werden musste. Die Folgen sind bekannt.

Die Frage, wer nun den Krieg verschuldet hat, ist aus meiner Sicht gar nicht so leicht zu beantworten. Napoleons Forderungen, nach dem Verzicht auf die Thronkandidatur Leopolds, kann man ruhig als überzogen klassifizieren, die das Ziel hatten Preußen zu demütigen. Den Verantwortlichen in Paris hätte klar sein müssen, das diese „Alles oder Nichts“ Diplomatie das Risiko eine Krieges in sich bergen musste. Auf der anderen Seite war Bismarcks provokative Politik ebenso risikoreich, nämlich spätestens als er erneut die Kandidatur Leopolds betrieb und sich eigentlich über die französischen Reaktionen, vor allem mit einem Außenminister Gramont, hätte in Klaren sein müssen.



Francois Caron, Frankreich im Zeitalter des Imperialismus, DVA 1991
Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866 - 1918, Beck 1992
Wolfgang Mommen, Das Ringen um den nationalen Staat, Propyläen 1993
 
@Turgot
Wieso schreibst du in so einer kleinen Type? Das ist auf meinem Zwergmonitor hier echt mühsam zu lesen.

Bei der angeblichen Erregung über die spanische Thronfolge, hatte ich immer angenommen, das wäre reine Show gewesen, von den Franzosen, ein Vorwand so gut wie jeder andere. "Rache für Sadowa" war doch der Schlachtruf und nicht "nieder mit dem spanischen Thronanwärter".

Jedenfalls stellt sich die Frage warum Napoleon oder Gramonts noch einmal nachgelegt haben. Sie hatten ja schon einen fetten diplomatischen Erfolg eingefahren, Preußen gedemütigt und die Thronfolge verhindert. Frankreich hatte keine moralische oder rechtliche Grundlage in die spanische Thronfolge einzugreifen. Dass der preuss. König nicht noch weiter nachgeben konnte, musste Napoloen eigentlich klar sein.
Die Emser Depeche hatte in meinen Augen dieselbe Funktion wie das Ultimatum an Serbien 1914. Einen Kriegsgrund zu liefern.
 
El_Mercenario schrieb:
Jedenfalls stellt sich die Frage warum Napoleon oder Gramonts noch einmal nachgelegt haben

Es war Gramont, der eine vollkommene Demütigung Preußens erstrebte. Er wollte einen ganz großen Erfolg verbuchen, doch dabei hatte er das Blatt gründlich überreizt.
 
Hinsichtlich einer Bewertung Bismarcks sollte man innenpolitische und außenpolitische Misserfolge/Erfolge trennen. Folgende Ereignisse und Entwicklungen bieten sich meiner Meinung nach für eine objektive Bewertung an:
Innenpolitisch:
-Verfassungsbruch 1862
-Indemnitätsvorlage 1867
-Kulturkampf
-Kampf gegen die Sozialdemokratie (Zuckerbrot und Peitsche)
-Auswirkungen des bismarckschen Regierungsstils
Außenpolitisch:
-Reichseinigungskriege (Blut und Eisen-Politik)
-europäische Friedenspolitik nach 1878 (Satuiertheit des DR, Bündnisse)
-Kolonialpolitik

Zum Verfassungsbruch von 1862 solle man immerhin noch anmerken, das die Frage der Heeresreform bereits seit 1859 auf der politischen Agenda von Wilhelm I. stand und er Bismarck am 22.09.1862 zum Ministerpräsidenten ernannte, damit dieser, auch mit Hilfe der Brechstange, die Heeresreform durchsetzt.

Außenpolitisch ist wohl äußerst erwähnenswert, das Bismarck nicht nur das Deutsche Reich gegründet hatte, sondern es auch verstand es unter dem anderen Großmächten zu etablieren und außenpolitisch abzusichern. Bismarck hat das Reich bereits unmittelbar nach der Reichsgründung für saturiert erklärt und diese Politik wurde ab 1871, und nicht erst ab 1878, auch konsequent umgesetzt. Die Kolonialpolitik Bismarcks galt nicht der Sache als solches, sondern diente dem reinen Machterhalt.
 
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